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Fährt man in dem geschwungenen Bogen des japanischen Inselreiches langsam nach Westen, dann nach Norden hinauf, so verwandelt sich die Lieblichkeit der Inlandseen, des Binnenmeeres, des Geländes allmählich zur tragischen Großartigkeit der Bucht von Yokohama: zerbrochene, geborstene, geplatzte Felsenberge, gelbgrau, zitrongelb, ganz hell das Innere der Erde offenbarend, glitzernd übereinandergelegte Schichten von Quarz, Löß, Spat, mitten darein stumpf gelbrot im Sonnenglanz rieselnder Tuff. Hier ein entzweigespaltener runder Berg, wie ein von Riesenhänden auseinander gebrochener Apfel, Schründe, Kerben wie mit fünf Riesenfingern aus dem Berginnern herausgekratzt, herausgerissen. Und auf diesen tragischen, zertrümmerten, von Erdbebenketten zerschütterten, zermalmten, immer wieder aufgeworfenen und aufgeworfenen Gesteinmassen: ein Gewimmel kleiner dunkler Pünktchen, die sich bewegen: Arbeiter mit Spaten, Hacken, Bohrern, Dynamitkapseln, die das zerklüftete Bereich des Fujiumkreises zäh und systematisch untermauern, glätten, sichern.
Durch einen geborstenen Berg hat ein Strom sein Bett gebohrt. Schäumendes Gefälle rast in regellosen Schnellen durch das Widerstand leistende Gestein – da steht über Nacht errichtet ein Elektrizitätswerk, Überlandkraftwerk mit tausend dünnen Eisensäulen, auf denen geometrisch gezeichnete Stränge, Isolatoren, Drähte und Kabel sich begegnen, trennen und weit ins Land hineinlaufen.
Das ist das Symbol der Energie dieses Landes. Aus einer Katastrophe über Nacht Kraft gewonnen, die Kraft, die das Leben treibt.
Energisches Volk! Volk von heute!!
In den fünf Wochen, die ich in Japan verbrachte: vier Erdbeben größeren Ausmaßes, zwei von geringerem. Davon drei im Tokyogebiet, Yokohamagebiet, in dem ich wohne.
300 Diese Naturereignisse werden von der Bevölkerung nur wenig beachtet. Fast so wenig wie die unaufhörlichen Kriegshandlungen der chinesischen Generale vom Volke Chinas. In den Kinos, in denen ich viel Zeit verbringe (denn das japanische Kino ist das erste der Erde), vor den rührseligen, heroisch-tragischen Stücken, bei deren Vorführung der Erklärer in den dunklen Raum hinein- und hinunterschluchzt, bei denen ein Schneuzen, Gewimmer die Rührung des leicht zum Tränenvergießen geneigten Volkes verrät – Bilder, immer neue, von gestern, vorgestern zertrümmerten, zerschütterten japanischen Ortschaften, Gärten, Häusern. Kein Zeichen der Rührung begleitet diese Bilder der nackten Aktualität. Kein Seufzer, kein Schneuzen, keine Träne. Das Erdbeben ist ein alltäglicher Bestandteil des Lebens des japanischen Volkes geworden.
Furchtbar der Anblick des einst so mächtig emporgebauten Yokohama. Heute ist es eine Bretter- und Budenstadt, kaum anders anzuschauen als eine junge, in den Kinderschuhen steckende Präriestadt mitten in den Wüsteneien Kanadas. Buden aus Brettern, eilig und oberflächlich zusammengezimmert, beherbergen die großen Schiffahrtsgesellschaften des Weltverkehrs, die mächtigen internationalen Banken, Verwaltungsgebäude . . .
Die Rikscha fährt mich durch Straßen, die Straßen waren und heute nur mehr Phantome von Straßen sind. Zu beiden Seiten des Weges riesige Granitfundamente der Wolkenkratzer, die sich hier einst erhoben, heute nur wie knapp über dem Erdboden wüst abgebrochene Steinklötze, uneben zu schauen. Hier und da ein irrsinnig wirres Gebilde: graue hohe Pilaster, die in der Höhe verbogen gleich schmutzigen versteinerten Springbrunnen an dünnen wirren Eisenstäben dicke Betonklötze, im Fall versteinerte Tropfen herunterbaumeln lassen. Häuser aus armiertem Beton, für die Ewigkeit gebaut, und von einem einzigen scharfen gewaltsamen Ruck in Millionen Stückchen zersplittert, zerbrochen, craqueliert. Hier: ein wirrer, stockhoher, nach allen Seiten auseinanderhängender Trümmerhaufen, die Telephonzentrale, verbogene Traversen, in der Luft schwingende Zementblöcke – fast unmöglich, diese Haufen zu lichten, diese Trümmer wegzuschaffen. 301