Arthur Holitscher
Das unruhige Asien
Arthur Holitscher

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Die chinesische Hydra

Im Grunde wäre Chinas vitales Problem keineswegs gelöst, wenn es ihm auch gelänge, die fremden Mächte, die mit ihren Kriegsschiffen in seinen Häfen lauern, abzuschütteln. Ungleich wichtiger wäre es für Chinas Bestand, seine Bedrückung durch das Militär loszuwerden.

Dieses Gebilde des chinesischen Militärs, das, aus dem Grundwesen des Chinesen erwachsen, dennoch wie ein Pfahl im Fleische der chinesischen Gemeinschaft sitzt, muß ein wenig näher betrachtet werden. Bei dieser Betrachtung will ich keinen historischen Rückblick geben, sondern bei dem verweilen, was ich selber gesehen, erfahren und erraten habe, in dieser merkwürdigen Zeit Chinas, in der sein gesamtes Leben eine Umwandlung, Aufwärtswandlung zu erleben scheint.

Es wird berichtet, daß China bis zum chinesisch-japanischen Kriege, d. h. 1895, keine richtige Armee, kein Heer nach europäischen Begriffen besessen habe. Die meisten Soldaten der chinesischen Armee waren noch mit Pfeil und Bogen bewaffnet. Erst um die Jahrhundertwende unternahm es Jüan Schi Kai, der damalige Generalissimus, spätere Präsident der Republik, die Armee zu organisieren, und zwar zumeist mit Hilfe deutscher Instruktoren. 1900 zählte die chinesische Armee erst 8000 Mann, 1904 bereits 72 000, zur Zeit des Weltkrieges 800 000, heute stehen alles in allem 1½ Million unter Waffen, die zum großen 289 Teil durch Besteuerung, willkürliche und räuberische Belastung des Volkes erhalten werden. Die Armee Tschang Tso Lins soll ¼ Million betragen, die Volksarmee, die Kuomintschun, die ihre Subsistenz aus reinlicheren Quellen, systematisiertem Steuerwesen gewinnt, zählte Anfang 1926 etwa 100 000 Mann. (Eine richtige Flotte besitzt China kaum. Ein einziges Schiff, ein alter Kreuzer von 1900, umfaßt 4000 Tonnen, alles übrige ist Kleinkram. Dafür aber besitzt China mehr Admirale als andere Länder geringerer Ausdehnung.)

 

Die Subsistenz der Armee! Schon im Altertum, im dritten Jahrtausend vor Christi Geburt, sang ein chinesischer Dichter aus der Provinz Szetschuan ein melancholisches Lied über die Militärhorde mit ihrem grausamen General, die das verarmte Land plünderte, aussog, das Leben des Bürgers bedrängte, die Städte zerstörte und die jungen Männer fortschleppte. Räuberbanden und zusammengerottetes Gesindel unter der Führung verzweifelter Verbrecher brandschatzten seit urewigen Zeiten das Land. Heute ist das nicht anders. Verfolgt man den Lebenslauf der großen Generale, so merkt man genau, daß, wie sich Militarismus aus Plünderungssucht und Mordtrieb, Armeen aus Räuberrotten, Generale aus Wegelagerern entwickeln. Der chinesische Militarismus zeigt am deutlichsten das wahre Gesicht des Militarismus überhaupt auf: Söldner, käufliche Parasiten, Räuber und Erpresser, geborene Feinde der Arbeit und des geordneten Daseins des Menschen; in der Gesellschaft ein verachtetes und gefürchtetes Gewerbe; der Soldat in China (wie der Schauspieler und der Barbier) der tiefsten Klasse zugerechnet. Disziplin gibt es wohl in einer chinesischen Armee. Ich erwähnte schon: kein Kadavergehorsam, sondern wirkliche Disziplin, und zwar auf die einfachste und erklärlichste Art und Weise der Welt. Bei einem Sieg der Armee nämlich stiehlt und raubt der General so gut wie der letzte Mann. Das hält die Körperschaft zusammen und bildet das gemeinsame Motiv, das gemeinsame Interesse der Aktion. Ob sie nun christliche Hymnen singen beim Vorübermarsch oder irgendein chinesisches Tipperary – Raub, Plünderung und Erpressung ist, was das Heer zusammenhält.

In Provinzen, in denen der Militarismus besonders stark wuchert, wachsen herrliche weite Felder rot und üppig, z. B. in den Provinzen 290 Fukien, in Szetschuan; wo immer der chinesische Militarismus sich auf die Dauer eingenistet hat, blüht das Opiumgewerbe allen Prohibitionsmaßregeln und Aktionen zum Trotz. Opium und Militarismus sind sozusagen untrennbare Faktoren; das Militär bezieht aus dem Opiumhandel eine wesentliche Beisteuer zu seinem Unterhalt.

Natürlich sucht man sich auch jener Landesteile zu bemächtigen, in denen man am leichtesten die Hand auf die Zölle und Abgabeeinkünfte legen kann, z. B. Schanghais und Tientsins. Die Rivalität der Generale bewegt sich eben um die Gewinnung der Revenuen, mehr um die Revenuen als um die zentrale Macht. Die zentrale Macht zu gewinnen, davor graut es dem siegreichen General einigermaßen.

Wiederholt war Tschang Tso Lin, der Beherrscher der Mandschurei, so weit, die Hand auf Peking zu legen. Warum stoppte er die Aktion vor den Toren Pekings? Die Gründe sind evident. Wer die Macht über die Hauptstadt hält, ist gezwungen, eine Regierung einzusetzen. Wer eine Regierung einsetzt, ist gezwungen, mit den Mächten, die im Gesandtschaftsviertel ihre Vertreter haben, freundschaftlich-friedliches Einvernehmen zu erlangen. Weitaus einträglicher aber ist es, aus der Umgebung Pekings kleine erpresserische Mahnungen an jene Vertreter in der Gesandtschaftsstraße zu schicken, die den Vormarsch dann durch Barzahlung verhüten.

Die Generale sind ja, wie allgemein bekannt, von den Mächten bezahlt und ausgehalten. Japan, Amerika, England, Frankreich (und wahrscheinlich auch Rußland) halten die wichtigsten Heerführer aus, bezwecken und bewirken mit beträchtlichen Geldunterstützungen eine allgemeine Zermürbung Chinas, um dann im psychologischen Augenblick mit einem gewichtigen Schlage ihre Interessenpolitik (oder in einem Falle Ideenpolitik) dem niedergebrochenen Lande aufzwingen zu können. Das ist die Erklärung aller bisherigen militärischen Aktionen gewesen. Man kann indes sagen, daß sich seit kurzer Zeit, besser gesagt seit einem Jahre, nämlich jenem Maitage in Schanghai, der Chinas Zukunft seine Wegrichtung gezeigt hat, die Verhältnisse geändert haben. Die chinesischen Generale sind (mit Ausnahme Feng Yü Siangs) größte Feinde des Bolschewismus, dessen Siegeszug ihnen allmählich die Macht aus der Hand winden, sie zu einer Unterwerfung unter eine zentrale Regierung zwingen wird, wie er das in dem konsolidierten 291 Süden Chinas, in Canton, bereits getan hat. Es liegt den Generalen natürlich daran, den Status quo möglichst lange aufrechtzuerhalten, auch die fremden Geldgeber in dem Glauben zu erhalten, daß man mit aller Energie und Konsequenz den Boden für ihre Interessen bereitet, – und daneben das eigene Volk bis aufs letzte Hemd zu berauben und auszusaugen.

Tschang Tso Lin

Tschang Tso Lin

Man kann dabei kaum von einer feststehenden Einzelorganisation der im Bürgerkrieg feindlich gegeneinander stehenden Heere sprechen, viel eher von einer Hydra der Generale. Sowie nämlich einer von diesen Generalen, der an der Spitze einer formidablen Armee steht, gewisse Macht erlangt hat, Erfolge aufweisen und seinen ausländischen Hintermännern, Geldgebern vorführen kann, entsteht in seinem Stab der Trieb der unteren Generale, sich selbständig zu machen. Das geschieht auf folgende Weise. Hat Tschang Tso Lin sich durch Unterstützung Japans in die Höhe geschwungen, so werden seine Untergenerale unter der Hand mit Amerika oder England zu verhandeln suchen, um die Armee zum Dienst der Interessensphäre dieser Länder hinüber zu eskamotieren. Es hat daher gar keine Bedeutung, eine Betrachtung über den chinesischen Militarismus mit Namen von Generalen zu spicken. Was hat es zu bedeuten, daß momentan neue Namen wie Tschung Tschang Tschung, Li Tsching Lin usw. in aller Munde sind. Schlägt man der Hydra einen Kopf ab, wachsen ihr dafür zehn neue. Die neuen Köpfe sind unbekannte Größen. Man weiß wohl, daß sie von irgendwoher Geld bekommen haben, daß sie bestechlich und korrupt sind, aber das große Rätselraten will kein Ende nehmen: woher hat dieser neue Kondottiere sein Geld? was wird die nächste Phase der chinesischen Politik sein?

Wu Pei Fu

Wu Pei Fu

Die chinesische Politik! Zwei Generale kämpfen um Übermacht und Vorrecht in einer einträglichen Provinz. Ein dritter vereitelt den Sieg. Einige Male war dieser Dritte schon der »christliche« General Feng, jener General, dessen sauber gekleidete Soldaten jetzt zur Zeit meines Aufenthaltes in Peking die christlichen Hymnen in den Straßen singen und wahrscheinlich vier Wochen später sich raubend und plündernd zurückziehen werden, um vielleicht Tschang Tso Lin das Feld und die Stadt zu räumen – falls es nicht Wu Pei Fu sein sollte, der hier den Sieg erringen wird.

292 Das Lob Fengs habe ich in allen Gegenden Chinas und der Mandschurei singen hören, am schwärmerischsten von einem jungen chinesischen Beamten einer großen Bank in Mukden, einem christlichen Studenten, Mitglied der Y. M. C. A., der Christlichen Vereinigung Junger Männer, die in China energisch die Interessen des amerikanischen Ölkapitalismus verficht. Dieser sympathische junge Chinese, der mir ein ausführliches System der Fordisierung Chinas, d. h. einer Industrialisierung des großen Reiches nach dem ökonomischen System Fords darstellte, pries Feng geradezu als den einzigen berufenen Diktator Chinas. Er hatte in Philadelphia studiert und sah etwas von Amerikas religiöser Gesinnung (so sagte er, nicht ich!) und zivilisatorischer Energie in Feng verkörpert. Feng Diktator – der starke Mann von puritanischer Einfachheit, der unter seinen Mannschaften jede Korruption mit eiserner Strenge ausrottet, dessen Offiziere sich christlicher Zucht befleißigen, der überall, wo er Fuß faßte, Straßen bauen ließ, Siedlungen schaffte, Schulen errichtete, in denen der Tag, wie in seinen eigenen Kasernen, mit dem Absingen einer christlichen Hymne und mit Gebeten anfing!

 

Von anderer Seite aber hörte ich, daß Feng gerade der schlaueste, undurchsichtigste von allen Generalen sei, der am klügsten seine Intentionen zu maskieren, seine Hintermänner auszunutzen und im geeigneten Augenblick zu hintergehen verstand. Feng der Fuchs!

Die Wahrheit wird wohl schwer festzustellen sein.

Von den zweiundzwanzig Provinzen Chinas ist allein das nordwestliche Schansi vom Bürgerkrieg verschont geblieben; auch in anderer Beziehung ist Schansi eine Musterprovinz, blühend und kulturellen Einrichtungen und Neuerungen zugänglich. Manche Provinzen, im Zentrum Chinas gelegen, abseits von den großen Wasserwegen und daher fast außer der Welt liegend, in Geheimnis undurchdringlich gehüllt, sind, wie spärliche Kunde schauernd berichtet, durch Kämpfe, Massakers fortwährend bis zum Untergang erschüttert und vernichtet.

 

Ich erwähnte bereits, daß das Militär in China eine verachtete Menschenklasse darstellt. Groß war meine Überraschung daher, als ich in der kleinen, eine halbe Tagereise von Schanghai entfernten 293 Provinzstadt Sootschau, die ich bereits erwähnte, eine Straßenszene beobachten konnte, die mir einen ganz neuen Begriff von dem Verhältnis des Volkes zu den militärischen Machthabern vermittelte. Auf dem Wege durch eine kleine Bazarstraße wurde ich mit meinem Begleiter durch einen Zug aufgehalten, der uns vom andern Ende der Straße entgegenkam. Es war wie ein wüster parodistischer Wildwestfilm. Abenteuerlich aufgetakeltes Reitervolk auf wohlgenährten Rössern, junge Burschen mit Rauhreiterhüten, Lederhosen und mexikanischen Steigbügeln ritten vor einer Sänfte, hinter der wieder allerlei wildes und buntes Reitervolk, aber auch einige regulär uniformierte chinesische Kavalleristen klirrend dahertrotteten. In der Sänfte, auf die hinten eine zusammengerollte Matratze gebunden war, saß ein militärischer Würdenträger. Wir hatten uns an die Mauer gedrückt, um nicht unter die Hufe zu geraten. Der Würdenträger schoß auf uns einen raschen scharfen Blick im Vorüberwanken ab. Es war ein blasser, vornehmer Chinese mit lang herunterhängendem Schnurrbart. Er hielt die Hände vor sich gefaltet, und seine Lippen waren eng zusammengepreßt. Wo er vorüber kam, die ganze Straße entlang, stürzten aus ihren Läden die Kaufleute hervor und knieten vor den Schwellen ihrer Läden auf dem schmutzigen, feuchten Pflaster nieder: Kotau vor einem Mächtigen der Erde!

Als ich dieses Erlebnis in Schanghai und Peking jungen Studenten und Professoren erzählte, wollten sie es mir nicht glauben, da es dem chinesischen Charakter so völlig entgegengesetzt wäre . . . (»Mögen sie mich hassen [verachten], solange sie mich fürchten!«)

 

Während der Neujahrswoche stand eine Nachricht in den Zeitungen Pekings: die Zentralregierung hatte auf die Eisenbahnfahrkarten einen Aufschlag für kulturelle Zwecke und Bildungsorganisationen, Schulen und Hospitäler verordnet – es waren in der Tat einige Millionen eingegangen, die dann von einem General, dessen Namen ich vergessen habe, mit eleganter Handbewegung für Kriegszwecke in die eigene Tasche weggeschnappt worden seien. Es ist mithin in der Tat vollkommen gleichgültig, ob es englische, französische, japanische oder amerikanische Usurpatoren sind oder einheimische uniformierte Räuber, die den Chinesen ausplündern. Die Generale werden auch auf den 294 Likin, den Inlandzoll, auch auf die Salzsteuern usw. die Hand legen, wenn keine ausländische Kontrolle sie daran verhindert. Vielleicht sind sogar die »Unterstützungen«, die den chinesischen Generalen von den Mächten zuteil werden, nicht allein Zuwendungen, die die allmähliche Zermürbung des Landes bezwecken, sondern auch Besänftigungsgelder, damit kein Mißbrauch von dieser Seite mit den Zöllen und vertragsmäßigen Abgaben geschehe!

Auf alle Fälle kämpft das revolutionäre Intellektuellentum mit dem revolutionären Proletariat Chinas gleichzeitig an der Beseitigung der unerhörten Bedrängnis des Volkes durch die fremden Mächte und die dem eigenen Volke entstammenden Räuber.

 

In der Woche nach Neujahr hat der Flugsand aus der Wüste Gobi die nördlichen und östlichen Schützengräben um die Stadt verweht und zugedeckt.

In der bitterkalten Woche, die den Februar beendet, fahre ich von Peking nach Tientsin, um mich nach Dairen einzuschiffen. In Peking herrscht Ruhe, ringsum im Land Ruhe. Friedlich geht jeder seinem Gewerbe nach. Aber schon zwei Stunden hinter Peking ist zu sehen, wie das Militär seinem Gewerbe nachgeht.

Wir können nur langsam fahren, denn es sind große Züge, Lastzüge unterwegs. Die Fengarmee wird in die Kampffront gebracht, denn Tschang Tso Lin rückt vom Osten mächtig und mit großem Heeraufwand vor. Aber auch die Fengleute, die zweite Volksarmee, ist gut ausgerüstet. Sie haben zwar nur kleine Feldgeschütze, Mörser und Maschinengewehre, aber Mannschaften und Offiziere sehen frisch und kampflustig aus, sie führen in den offenen Frachtwagen Pferde, Kamele mit und Automobile, neu und von guter Konstruktion. Eine Stunde hinter Peking heben Soldaten Schützengräben aus. Wieder hat sich dieser furchtbare Sandsturm erhoben, der das Land in eine undurchdringbare Wolke von Gelbgrau hüllt. Allmählich verschwindet die Außenwelt um unseren Zug vollkommen.

Jetzt, nach Aufnahme der Geschäftsverbindungen, nach Neujahr, ist die Frequenz der Eisenbahn wieder sehr stark geworden. In unserem Zuge ist jeder Platz besetzt. (Gott sei Dank, ich werde das Räuspern und Spucken nur noch ein paar Stunden lang hören. Hoffentlich 295 spucken sie in der Mandschurei und in Japan nicht so wild und ausgiebig wie hierzulande.) Aufmerksam und eindringlich werden die Fahrkarten kontrolliert, sogar zweimal hintereinander. Jedesmal gehen hinter dem Schaffner drei Soldaten den Zug entlang, ein Offizier und zwei geringere Chargen mit dem Gewehr auf dem Rücken und schweren Revolvern in ihren breiten Ledertaschen. Jedes Billett wird von vier Augenpaaren beguckt, acht Händen umgedreht, wahrscheinlich gegen das Licht gehalten. In meinem Wagen stimmt alles.

Auf einmal – die Kontrolle ist eben vorüber, hält unser Zug mitten auf freiem Felde. Sollte der Krieg hier und in diesem Augenblick beginnen? Es wäre unangenehm, denn, wie verlautet, ist die Kriegführung der Chinesen seit dem letzten Zusammenstoß aus einem reinen Stellungs- und Davonlaufkrieg zu wirklichen Feueraktionen gediehen. Es handelt sich indes um keine Aktion außerhalb unseres rollenden Zuges, sondern im Zug selbst scheint etwas passiert zu sein. Man merkt das sofort, denn aus dem Nachbarwagen fliegt auf einmal ein großes Bündel die Böschung hinab. Wir stehen alle an den Fenstern und schauen zu, was nun geschehen wird. Dem Bündel folgt ein Mensch in großem Bogen. Offenbar durch einen Fußtritt befördert, fliegt er die Böschung hinunter dem Bündel nach und bleibt liegen. Unsere drei Kontrollsoldaten steigen, von weiteren zweien assistiert, aus dem Zug, springen die Böschung hinunter und packen den Menschen, der soeben seinem Kleiderbündel nachgeflogen ist. Einer packt ihn beim Halse, drückt ihm den Kopf in den Sand, zwei packen seine Beine, halten ihn fest, und nun liegt der Mensch auf dem Bauch mit dem Gesicht nach unten im Sande da. Einer von den Soldaten hat einen derben Knüppel in der Hand, den er, wie wir an den Fenstern – die anderen auf chinesisch, ich auf deutsch – zählen, 25mal auf den Hintern des liegenden Menschen niedersausen läßt, und zwar mit solcher Wucht, daß man das Knacken durch die geschlossenen Doppelscheiben hereinhört. Offenbar ist da einer schwarz gefahren und wird dafür braun und blau geprügelt. Armer Hund. Wird er diese Behandlung überleben? Regungslos liegt er da. Beim 24. Stockstreich wird man unruhig: werden es 50 sein, dann bleibt er liegen! Aber auch so, nach diesen 25, müßte es ein Wunder Gottes sein, wenn er ohne gebrochenes Rückgrat oder Steißbein davonkäme. Nach dem 25. Streich gibt der Offizier dem 296 Lokomotivführer ein Zeichen. Die vier Soldaten lassen ihr Opfer los, steigen rasch in den Zug, der sich in den Gelenken knirschend in Bewegung setzt. Der Mensch, der eben seine Strafe bekommen hat und den wir für halbtot hielten, krabbelt in die Höhe, faßt sein Kleiderbündel unter den Arm, grinst noch einmal zum Zug zurück und läuft, landeinwärts, als ob nichts passiert wäre, mit raschen Schritten davon.

Harter Kerl. Hartes Land. Leb' wohl China.

 


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