Johann Gottfried Herder
Stimmen der Völker in Liedern
Johann Gottfried Herder

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11. Das nußbraune Mädchen

Schottisch.

Ein bekanntes und beliebtes Lied, das der feine und zärtliche Prior in seinen Heinrich und Emma umgebildet hat. Es stehet in seinen Gedichten Vol. 2. und in den Reliq. Vol. 2. p. 26.

Falsch oder wahr, man sagt es klar:
    »Wer traut auf Weibertreu,
Der trügt sich sehr, der büßt es schwer
    Mit mancher späten Reu.«
So spricht die Welt, doch, wenns gefällt,
    Hört ein Geschichtchen an;
Vom Mädchen braun, die fest und traun!
    Liebt, wie man lieben kann.

Es kam zu ihr, leis' an die Thür,
    Ihr Lieb zu Mitternacht,
Thu, Mädchen, auf im schnellen Lauf,
    Eh jemand hier erwacht.
Sie that ihm auf in schnellem Lauf:
    »Ich muß, ich muß von hier,
Zum Tod verdammt, vom Richteramt,
    Nehm Abschied ich von dir. –

Ich muß gar bald in wilden Wald;
    Sonst ists um mich geschehn.«
»O nein, o nein! es kann nicht seyn! –
    Auch ich will mit dir gehn.«
»Was ist der Zeit Glückseligkeit?
    Sie wandelt Lieb' in Noth.«
»O Lieber nein! es kann nicht seyn,
    Uns scheidet nur der Tod.«

»Du kannst nicht mit! Hör' an, ich bitt',
    Hör an und laß es seyn.
Was ist der Wald für Aufenthalt
    Für dich, du Liebe mein!
In Frost und Schnee, in Durst und Weh,
    In Hunger, Furcht und Schmerz;
Nein, Liebe, nein! es kann nicht seyn,
    Bleib' hier und still dein Herz.«

»Nein, Lieber, nein! geh nicht allein!
    Ich muß, ich muß mit dir!
Entfliehest du, wo find' ich Ruh?
    Was bleibt für Leben mir?
In Frost und Schnee, in Durst und Weh,
    In Hunger, Furcht und Schmerz;
Nichts ficht mich an, gehst du voran
    Und stillst mein armes Herz.«

»Ach, Liebe, nein! Ich muß allein,
    Bleib' hier und tröste dich;
Es stillt die Zeit ja alles Leid,
    Sie stillt dirs sicherlich.
Was wird die Stadt, die Zungen hat,
    So scharf wie Spieß und Schwert;
Für bittre Schmach dir reden nach,
    Wenn sie die Flucht erfährt?«

»Nein, Lieber, nein! es kann nicht seyn,
    Mich tröstet keine Zeit;
Ein jeder Tag, der kommen mag,
    Macht neu mir Herzeleid.
Was geht die Stadt, die Zungen hat,
    Was ihre Schmach mich an?
Komm, Liebster, bald zum grünen Wald,
    Wenn er uns sichern kann.«

»Der grüne Wald ist wild und kalt,
    Und drohet mit Gefahr;
Wenn meine Hand den Bogen spannt,
    So zitterst du fürwahr!
Erhascht man mich, so bindt man dich,
    So leidest du mit mir;
So folgt auf Noth der bittre Tod,
    Bleib hier, ich rathe dir.«

»Nein, Lieber, nein! die Lieb' allein
    Macht sicher in Gefahr,
Sie giebt dem Weib' auch Mannesleib
    Und Mannesherz fürwahr.
Wenn deine Hand den Bogen spannt,
    Lausch' ich für dich und mich;
Und trotze Noth und trotze Tod,
    Und sichre mich und dich.«

»Der wilde Wald ist Aufenthalt
    Für Räuber und fürs Thier;
Kein Dach und Fach als Himmelsdach,
    Als Laub zur Decke dir.
Dein' Hütt' und Raum ist Höl' und Baum,
    Dein Bette kalter Schnee;
Dein kühler Wein muß Wasser seyn,
    Dein Labsal Hungers weh.«

»Der grüne Wald ist Aufenthalt
    Der Freiheit mir und dir.
Folg' ich dir nach, was brauch ich Dach?
    Was dir ziemt, ziemet mir.
Dein' harte Hand thut Widerstand,
    Dem Räuber und dem Wild'
Schaft Speis' und Trank und Lebenslang
    Die Quelle süß mir quillt.«

»O nein! o nein, es kann nicht seyn!
    Die seidne Locke hie
Sie muß herab! es muß hinab
    Dein Kleid dir bis zum Knie.
Kommst nimmer nicht vors Angesicht
    Der Schwester, Mutter dein;
Ein Weib ist bald so warm als kalt;
    Leb wohl, es kann nicht seyn.«

»Leb, Mutter, wohl! ich muß und soll
    Gehn mit dem Lieben mein!
Lebt Schwestern all' im Freudensaal,
    Ich geh nicht mehr hinein.
Sieh, wie das Licht des Morgens bricht!
    Auf, Lieber, aus Gefahr!
Was kümmert Kleid und Weiberfreud,
    Was kümmert mich mein Haar?«

»Wohlan, so sey denn fest und treu,
    Und hör' ein ander Wort.
Der grüne Wald ist Aufenthalt
    Für meine Bule dort.
Die lieb' ich sehr und lieb sie mehr
    Als dich, die alt mir ist,
Und wähle dort den Ruheort
    Ohn allen Weiberzwist.«

»Laß immer seyn die Bule dein
    Im grünen Walde dort;
Ich will, wie dir, auch folgen ihr,
    Will horchen ihrem Wort,
Und lieben dich und üben mich,
    (Auch wärens hundert noch)
In süsser Pflicht und fehlen nicht
    Der Liebe treuem Joch.«

»O Liebste mein! kein Flitterschein,
    Kein Wandel ist in dir!
Von allen je, die ich erseh,
    Bist du die Treue mir.
Sey frei und froh, es ist nicht so,
    Ich bin nicht fortgebannt,
Sey ohne Harm, ich bin nicht arm,
    Ich bin ein Graf im Land.«

»Sey was du bist, die mit dir ist,
    Ist immer Königin!
Was wankt so oft und unverhoft,
    Als falscher Männer Sinn?
Du wankest nie! und spät und früh
    Will ich die Deine seyn;
Alt oder neu, bin ich dir treu,
    Lieb' ewig dich allein.«

 


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