Johann Gottfried Herder
Stimmen der Völker in Liedern
Johann Gottfried Herder

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21. Liedchen der Desdemona

Aus Shakespear.

Englisch.

Aus Shakespear's Othello. Akt. 4. 5.

(Othello ist fortgegangen. Aemilie und Desdemona bleiben.)

Aemilie.
Und nun, gnädge Frau? Er sah doch jezt milder aus, als erst.

Desdemona.
Er sagt, er will gleich wieder hier seyn, und
Befahl mir stracks zu Bett zu gehn und hieß mir,
Dich fortzuschicken.

Aemilie                            Fortzuschicken mich?

Desdem.
So sagt er. Also, gute Aemilie,
Gib mir mein Nachtzeug und leb wohl!
Wir müssen ihn jezt nicht erzürnen.

Aemilie.                                                  Oh
Ich wollt', ihr hättet ihn niemals gesehn.

Desdem.
So wollt ich nicht. Und mir gefällt er so,
Daß selbst sein harter Sinn, sein Ernst, sein Schmälen,
(Ich bitt dich, steck mich los!) mir süß und lieb ist.

Aemilie.
Die Tücher, die ihr mir befahlet, liegen
Schon auf dem Bette.

Desdem.                            Alles Eins!
Du guter Vater, wie man thöricht ist!
Sterb ich vor dir, Aemilie, ich bitt dich,
Gib eins von diesen Tüchern mir in Sarg –

Aemilie.
Ah kommt, ihr schwätzet –

Desdem.
Mein' Mutter hatt' ein Mädchen, Barbara
Hies sie, die war verliebt. Und ihr Liebhaber
Ward närrisch und verließ sie. Die hatt' da
Ein Liedchen: Weide, Weide! – 'n altes Ding,
Aber ganz gemacht für ihren Zustand. Sie
Sang es und starb damit. Das Lied will mir
Den ganzen Abend nicht aus meinem Sinn,
Ich hab zu thun, daß ich nicht auch den Kopf
So hangen laß' auf Eine Seit' und sing' es,
Wie die arme Barbara. 'bitt dich, mach fort.

Aemilie.
Soll ich das Nachtzeug holen?

Desdem.                                          Nein, nur hier
Steck mich noch los. Der Ludoviko
Ist doch ein artger Mann.

Aemilie.                                  Ein hübscher Mann.

Desdem.
Und spricht sehr gut. –

Aemilie. Ich weis eine Dame in Venedig, die nach dem gelobten Lande barfuß gewandert wäre, um einen Druck von seiner Unterlippe.

Desdemone singt.
    Arm' Mädchen saß singend, am Waldbaum saß sie,
        Singt alle, mein Kränzel ist Weide.«Nach der alten Volkssitte in England ist Weide das Trauerlaub insonderheit für unglückliche Liebende.
    Die Hand lag am Busen ihr, 's Haupt am Knie,
        Singt Weide, grüne Weide!
    Der Strom kalt daneben ihr, murmelt ihr Ach,
        Singt Weide, grüne Weide!
    Und Thränenfluth floß ihr, die Felsen wohl brach,

'Bitt dich, mach fort, er ist den Augenblick da.

        Singt alle, von Weiden mein Kränzlein muß seyn,
    Komm niemand und tadl' ihn. Er gefällt mir nun so.

Nein das folgt noch nicht. Horch, was klopft?

Aemiliie.
'S ist der Wind.

Desdem.
    Ich nannt' ihn mir treulos. Was antwort't er mir:
    Gefallen mir Mädchen, die Bübchen wohl dir –

So, nun kannst du gehen. Gute Nacht. Mir jucken meine Augen, das bedeutet Weinen.

Aemilie.
O nicht doch! –

<Desdem.>
    Gute Nacht, gute Nacht! Mir steh der Himmel bei,
    Daß ich nicht schlimm durch schlimm, durch Schlimmes besser sey!


Desdemone schläft. Othello mit Licht und Schwert.
Ja es verdienets, es verdients, mein' Seel!
Laßt michs nicht nennen euch, ihr keuschen Sterne!
Verdients! – Doch will ich nicht ihr Blut vergiessen,
Nicht ritzen diese Haut so weiß wie Schnee,
So sanft wie 'n Alabasterbild im GrabmalAusserordentlich treffend im Anblick, wie sie schläft.
    (Er legt das Schwert nieder.)
Nur sterben muß sie, sonst betrügt sie mehr!
Thu aus das Licht! und dann – dann? aus das Licht,
Lösch' ich dich aus, dienstbare Flamme, dir
Kann ich dein erstes Licht wohl wiedergeben,
Falls es mich reute. Aber dir! – Einmal
Dein Licht Dir ausgethan, du künstlichste
Gestalt der Meisterin Natur, so weis ich
Nicht, wo Promotheus <lies: Prometheus> Feuer ist, das dir
Dein Licht anzünde wieder –
    (Er sezt das Licht nieder.)
Hab ich sie abgepflückt die Rose, ich
Kann ihr nie Wuchs des Lebens wiedergeben.
Sie muß verwelken. Nun so will ich dich
Noch kosten auf dem Zweige. (Er küßt sie.) Süsser Hauch!
Fast überredtOthello dünkt sich immer Richter, nicht Mörder. er die Gerechtigkeit,
Ihr Schwert zu brechen. Noch einmal, einmal!
Sey, wenn du todt bist, so, und ich will dich tödten
Und nachher lieben. Einmal noch – das Lezte! –
So süß war nie so traurig! Ich muß weinen,
Nur sinds grausame Thränen. Dieser Schmerz
Ist Himmelszorn, er schlaget, wo er liebt! –
Sie erwacht – – –

 


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