Johann Gottfried Herder
Stimmen der Völker in Liedern
Johann Gottfried Herder

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14. Heinrich und Kathrine

Englisch.

Aus Ramsay's Tea-table miscell. Vol. II. p. 213. Es ist in Ursinus Balladen schon übersezt erschienen.

Vor Zeiten war in Engelland
      Lord Heinrich Weltgepriesen;
Kein Ritter, der mehr Heldenthum
      Und Freudigkeit bewiesen.
Nach Ruhm hinan ging stets sein Sinn,
      Von Liebe nicht verführet;
Das schönste Fräulein hatte nie
      Sein männlich Herz gerühret.

Wohin in aller Schönen Kreis
      Kathrine trat, trat Wonne,
Blüht' auf, als wie die Rose süß,
      Ging auf, als wie die Sonne.
Ob immer war ihr Stand gering,
      Gewann doch sie nur Herzen;
Kein Jüngling sahe sie und sank
      Nicht schon in Liebesschmerzen.

Doch bald verlor ihr Auge Schein
      Und Klarheit. Ihre Wangen
Erblaßten. Ihrem Angesicht
      War aller Reiz entgangen.
Sie siechte lang und nie vertraut
      Sie Jemand ihren Kummer;
In Thränen floß ihr Tag dahin,
      Die Nacht in kurzem Schlummer.

Einmal im Traume rief sie laut:
      »Ach Heinrich, sieh mich leiden!
O hart Geschick! ich armes Kind
      Muß liebeschmachtend scheiden.
Doch ach – ein armes Mädchen muß
      Muß Wahrheit schon verstecken.
Viel lieber todt zehntausendmal,
      Als meine Lieb' entdecken!«

Das hört die treue Wächterin;
      Sie eilt zum jungen Helden,
»Ach, Herr! nun kann ich dir die Noth
      Der kranken Freundin melden.
Ein Traum, ein Traum hat's offenbart,
      Was sie so tief betrübet.
Ach! Katharine liegt und stirbt,
      Stirbt nun – weil sie – dich liebet.«

Das traf des edlen Heinrichs Herz;
      Schnell schlug es auf in Flammen!
»Ach armes unglückseligs Kind! –
      Doch wer kann mich verdammen?
Wust' ich, du zu Bescheidene,
      Was dir den Tod bereite?
Wohlan ich komm'!« Und wie der Wind
      Flog er an ihre Seite.

»Erwach, erwach Holdselige!
      Erwache, meine Schöne!
Ach hätte mirs geahndet je –
      Nicht Eine, Eine Thräne
Hättst du verweinet – Heinrich ruft!
      Mistraue nicht, erwarme!
Blüh auf, wach auf, vom Tode. Komm
      Zurück in meine Arme!«

Da kam die Holdentschlafne noch
      Einmal zurück ins Leben.
Hub matt ihr Haupt und lächelt sanft
      Und wirft mit Freudebeben
Um ihren Langgeliebten sich
      Entzückungsvoll! umfaßte
Den Jüngling. »Liebst du? liebst mich? mich?« –
      Sank nieder und erblaßte.

 


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