Johann Gottfried Herder
Stimmen der Völker in Liedern
Johann Gottfried Herder

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Erstes Buch

1. Das Lied vom Fischer

Deutsch.

Von Göthe. Es stehet mit der Melodie in des Freiherrn von Seckendorfs Volks- und andern Liedern. Th. 1.

Das Wasser rauscht', das Wasser schwoll,
Ein Fischer saß daran;
Sah nach dem Angel ruhevoll,
Kühl bis an's Herz hinan;
Und wie er sitzt und wie er lauscht,
Theilt sich die Fluth empor:
Aus dem bewegten Wasser rauscht
Ein feuchtes Weib hervor.

Sie sang zu ihm und sprach zu ihm:
Was lockst du meine Brut
Mit Menschenwitz und Menschenlist
Hinauf in Todes Glut?
Ach, wüstest du, wie's Fischlein ist
So wohlig auf dem Grund,
Du kämst herunter wie du bist
Und würdest erst gesund.

Labt sich die liebe Sonne nicht
Der Mond sich nicht im Meer?
Kehrt wellenathmend ihr Gesicht
Nicht doppelt schöner her?
Lockt dich der tiefe Himmel nicht
Das feucht verklärte Blau?
Lockt nicht dein eigen Angesicht
Dich her in ewgen Thau?

Das Wasser rauscht', das Wasser schwoll,
Netzt ihm den nackten Fuß;
Sein Herz wuchs ihm so sehnensvoll
Wie bey der Liebsten Gruß.
Sie sprach zu ihm – sie sang zu ihm –
Da wars um ihn geschehn –
Halb zog sie ihn, halb sank er hin
Und ward nicht mehr gesehn.

 


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