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Inzwischen hatte Fräulein von Oderkranz an Ileisa einen Brief gerichtet, in dem sie ihrer Verwunderung und ihrer Enttäuschung Ausdruck verliehen, daß sie so lange nicht bei ihr gewesen sei. Sie sehne sich nicht nur nach einem Wiedersehen, sondern müsse auch noch eine besondere Angelegenheit mit ihr besprechen.

Es beherrsche sie seit Tagen ein Gefühl von Sorge und Angst, dessen sie nicht Herr werden könne. Vielleicht sei's nur körperlich, aber nicht minder unerträglich. Sie möge sie beruhigen und sobald wie möglich kommen.

Ileisa ließ das Schreiben aus der Hand fallen und starrte – tief schwermütig, wie in all diesen Tagen – vor sich hin.

Ihre Tante hatte eine nur zu starke Berechtigung, sich Sorgen hinzugeben.

Ileisa graute vor dem Augenblick, in dem sie ihr alles offenbaren sollte. Sie schwankte sogar, ob es überhaupt nicht besser sei, sie erst schriftlich vorzubereiten. Aber sie verwarf doch diesen Gedanken wieder. Sie würde dadurch die Unruhe, die die von ihr über alles geliebte Verwandte beherrschte, sicher noch vermehren.

So machte sie sich denn sogleich auf den Weg. –

Der Hund kläffte wie immer, und die Thür wurde nur spaltenweise geöffnet, wie stets, nachdem Ileisa die Klingel in der Wohnung ihrer Tante gezogen hatte.

Und wie allezeit schritt die alte Dame unter glücklichen Worten voran, und nötigte ihr Herzenskind, sich niederzulassen, nachdem sie ihr selbst behülflich gewesen, sich von ihrem Mantel zu befreien.

»Gott sei Dank, daß du da bist! Wie ich mich gesehnt und gesorgt habe, kannst du dir nicht denken –«

So begann sie, und eine Fülle von warmherzigen Aeußerungen folgte, bis Ileisa endlich auch zum Sprechen gelangte.

Sie erklärte – die notwendige Vorsicht übend – vorerst nur, daß keine Einigkeit zwischen Knoops, Vater und Sohn, sei, daß ihr Mann stets aushäusiger, gleichgiltiger und kälter gegen sie werde, und daß sie schmerzensreiche Tage hinter sich habe. –

»Hm – hm – armes, liebes Kind! Aber sei ruhig, das hat bei Männern seine Zeit! Das kommt dann auch wieder,« tröstete die gute Alte, aber fügte schon gleich hinzu, was sie selbst gegen Arthur vorzubringen hatte. »Ich habe,« hub sie an, »trotz meiner bescheidenen Mahnung, die zugesagte Vierteljahrsrente nicht empfangen, und gestern schreibt dein Mann mir gar: ich wüßte doch, daß er sie überhaupt gar nicht zu entrichten habe, sondern sein Vater! Nichts weiß ich, und eben darüber wollte ich auch mit dir reden. Wußtest du es, Ileisa?«

»Nein, Tante!« stieß Ileisa heraus. »Aber wahrlich! Man darf sich bei meinem Manne über nichts wundern!«

Und durch diese Mitteilung innerlich noch mehr gereizt und zum Reden gedrängt, hielt auch Ileisa nunmehr mit ihren Eröffnungen nicht mehr zurück. Sie erklärte rückhaltlos, was vor sich gegangen war, und nur bezüglich Klamms legte sie sich noch Reserve auf.

Und die alte Dame fiel in ihren Sessel zurück, der Atem wollte ihr vor Erregung stocken.

Also so weit war es schon gekommen! Er drang auf Scheidung!

Und Stunden vergingen, und sie schwanden wie Augenblicke in den Gesprächen über Gegenwärtiges und Zukünftiges.

Und ganz, wie Ileisa es vorausgesehen, so kam's!

Ihre Tante drang zunächst auf sie ein, festzuhalten, dennoch nochmals einen Versuch zu machen, mit Arthur in irgend einer Weise zusammenzubleiben. Ihr schwebte das Urteil der Welt vor Augen, sie überlegte auch, daß Ileisa nun ebenso weit wieder sei, wie sie gewesen. Sie zog ferner die materielle Frage in Betracht, besonders aber lehnten sich ihr Stolz, ihr Selbstgefühl gegen diese Art und dieses frühe Ende auf.

Sie erklärte als ihren unumstößlichen Willen, selbst mit Arthur sprechen und in nichts früher willigen zu wollen, bis sie selbst einen unbedingt richtigen Eindruck gewonnen habe. Und wenn wirklich alles an der Unempfindlichkeit dieses auserlesenen Egoisten scheitern sollte, dann wollte sie im Austausch ihrer Zustimmung zur Scheidung wenigstens ihn bindende materielle schriftliche Zusicherungen erlangen.

Ileisa wollte anfänglich ihrer Tante entgegentreten, aber eine nähere Ueberlegung hielt sie doch davon ab. Sie war es sich schuldig, die Dinge nicht ohne eine nähere Erörterung hinzunehmen. Auch waren die materiellen Verhältnisse zu berücksichtigen. Es hieß einen völlig falschen Stolz anwenden, in Armut zurückzukehren, wo die Umstände so lagen, wie hier.

Ueberdies war Ileisa sicher, daß Arthur auf seinem Scheidungsantrag beharren würde, und wiederum hatte auch Ileisa nichts mehr einzuwenden. Nur eine nicht zu bannende Schwermut, Traurigkeit und Oede beherrschte ihr Inneres. Ein Weh um den Verlust ihrer Ehe war nicht mehr vorhanden. Nur wenn sie Klamms gedachte, schwoll ihr Herz auf.


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