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Inzwischen hatten sehr lebhafte Gespräche zwischen Herrn Knoop und seinen Damen stattgefunden. Die Entschiedenheit, mit der Arthur aufgetreten war, besonders aber die Gleichgültigkeit, mit der er die Zuwendungsfrage behandelt, war Herrn Knoop so überraschend gekommen, daß er zu gar keiner rechten Klarheit gelangen konnte.

Er hatte ja nur zur größeren Wirkung seiner Worte mit der Entziehung der Jahresrente drohen wollen. Nun war durch Arthurs Verzichtleistung, die neben ihrer Unnatürlichkeit sein Herz deshalb so stark berührte, weil sie Arthurs Gemütlosigkeit selbst gegen seine Eltern nur allzu scharf beleuchtete, alles verschoben und auseinander gerissen.

Frau Knoop pflanzte dagegen doch noch Hoffnungen auf. Sie erklärte, daß sie sich von einer Unterredung mit Arthur ein Einlenken verspreche, und daß sie auch Ileisas Einfluß vertraue. Grade dieser Zwischenfall könne vielleicht eine Wandlung in alles bringen. Die Ehegatten würden sich nähern, da nun Arthur materiell von Seiner Frau abhängig werden würde.

»Du wirst ihr doch dasselbe geben, wie ihnen beiden vorher?« schloß Frau Knoop ihre Rede.

Bevor Herr Knoop antworten konnte, sagte Margarete:

»Ich fürchte, liebe Eltern, daß die Dinge einen ganz anderen Verlauf nehmen werden, als ihr voraussetzt.

»Ich stehe unter dem Eindruck, daß Arthur deshalb so entschieden hat, weil er so die beste Gelegenheit findet, sich seiner Frau wieder zu entledigen –«

Herr und Frau Knoop sahen ebenso überrascht wie erschrocken empor. Wenn sie sich auch nicht verhehlten, daß die Ehe drunten im Nebenhause keine glückliche sei, so war ihnen doch der Gedanke nie gekommen.

»Wie, das meinst du?« fiel Frau Knoop, die ihrer Tochter richtigem Instinkt außerordentlich vertraute, höchst beunruhigt ein. »Das wäre ja schrecklich! Hat Arthur in diesem Sinn jemals mit dir gesprochen?

»Du lieber Himmel,« beendete sie seufzend ihre Rede. »Wenn das nun auch noch käme, wenn das das Ende wäre –«

Margarete überlegte, ob sie noch mehr verraten, ob sie ihren Eltern mitteilen sollte, wie sich Ileisa bereits geäußert hatte!

Aber sie schwieg. Sie wußte, daß sie, wenn sie jetzt redete, damit Ileisas Zukunft gefährden könne. Sie würden jetzt Ileisa die Schuld beimessen. Noch waren ihnen, trotz allem Geschehenen, die Augen nicht weit genug geöffnet. Natürlich! Dem Sohne konnte man es zur Not nachsehen, wenn er sich für andere Frauen interessierte, sein eigenes Weib vernachlässigte, oder gar die Treue brach. Aber sie – sie durfte kein anderes Gefühl, als das des Enttäuschungsschmerzes in sich aufkommen lassen!

Das waren die landläufigen Anschauungen der Menschen, und auch die ihrer Eltern.

Margarete mußte, um Gutes für Ileisa zu erwirken, nachweisen, daß alle Schuld Arthur zufalle, der in ihren Augen auch ganz allein der Schuldige war.

»Es ist so, glaubt es mir! Er will wieder frei sein! Und daß Ileisa sich nicht die Augen ausweinen wird, dessen bin ich gewiß! Ist das eine Ehe! Wie geht er mit ihr um! Wann ist er einmal abends zu Haus'? Und wenn er mit ihr zusammen ist, spricht er entweder gar nicht, oder redet mit ihr wie mit irgend jemandem, mit dem ihn der Zufall in Berührung gebracht hat.«

»Na, daß Ileisa auf ihn hätte mehr einwirken, daß sie sich auch ihrer Pflichten besser hätte erinnern können, ist sicher,« fiel ganz nach Margaretes Erwartung ihr ihre Mutter in die Rede.

»Gewiß, sie macht keine Scenen, sie ist fügsam, weiß zu schweigen und klagt nicht. Aber das hat ihn vielleicht grade gereizt. Er mit seinem lebhaften Temperament will Anregung –«

»Es mag sein, Mutter, aber wenn Menschen so verschiedene Interessen besitzen, tritt schon von vorneherein eine Entfremdung ein. Ileisa hat eine ernsthafte Lebensauffassung, ist häuslich, sparsam und wirtschaftlich! Musik, Lektüre und Unterhaltungen, die einen tieferen Inhalt besitzen, langweilen Arthur, Gemütswärme und Zuspruch bezeichnet er als Gefühlskomödie, und Pflichten, die er doch auch wahrlich hat, erkennt er nicht an. Was soll denn die arme Ileisa thun?«

Frau Knoop mußte zugeben, daß ihre Tochter recht hatte. Aber aus der schmerzlichen Einsicht entstand keine milde Gesinnung gegen Ileisa, sondern ein bitteres Gefühl, daß jene so viel mehr wert war, als ihr Sohn.

Herr Knoop hatte stark rauchend bisher zugehört, ohne die beiden Frauen zu unterbrechen. Nun aber sagte er:

»Es muß eine faktische Trennung deshalb verhindert werden, weil wir einen öffentlichen Skandal unter allen Umständen zu vermeiden haben. Das wäre Wasser auf die Mühle aller der uns ungünstig gesinnten, von neidischen Gefühlen erfüllten Familien.

»Nein, nein, das darf und soll nicht sein. – Können sie wirklich nicht mit einander leben – ich hoffe, daß Margarete nur nach Eindrücken urteilt, – dann darf nichts an die Oeffentlichkeit dringen.

»Und du urteilst doch nur vorläufig nach Eindrücken? Du antwortetest nicht auf die Frage deiner Mutter, ob Arthur irgend etwas darüber geäußert hat!«

»Nein, aber sie haben beide mir gegenüber nicht verhehlt, daß sie unglücklich sind –«

»Hm – so also doch – – So weit ist Ileisa schon gegangen?« warf Herr Knoop betroffen hin.

»Für alle Fälle wollen wir hören, wie die Dinge zwischen den beiden drüben verlaufen sind, was Arthur ihr gesagt hat! Geh' hinüber, Frau! Ileisa soll herkommen! Arthur wird ja jedenfalls heute abend wieder nicht zu Hause sein!«

Frau Knoop erhob auch keinen Einwand. Sie nickte still. So viel Trübes ging durch ihr Inneres, und ein Spruch, den sie einmal gelesen, kam ihr ins Gedächtnis:

»Nicht Willkür, Ordnung herrscht,
Wo Sonnen, Monde kreisen!
Gebannt an der Gesetze Kraft
Webt, was die Allmacht einst geschafft!
So sei's ein Vorbild
Dir, o, Mensch! Weich nicht vom Wege!
Weich nimmer von Gesetzen ab,
Die, unbefolgt, selbst Welten stürzt ins Grab!«

Der Zufall wollte es, daß sich Ileisa, von ihrem eigenen drängenden Verlangen nach Aussprache ergriffen, aufgemacht hatte und das Gutshaus betrat, während Frau Knoop zu ihr unterwegs war.

Frau Knoop traf bei ihrer sogleich erfolgenden Rückkehr, ihre Schwiegertochter im Wohnzimmer, und fast gleichzeitig kamen auch Vater und Tochter wieder und betraten das Gemach.

Durch diese Umstände wurde Margarete an ihrer Absicht behindert, Ileisa vor ihrer Unterredung mit ihren Schwiegereltern erst mit einigen Worten vorzubereiten. Sie wollte sie bitten, sich vorsichtig zu äußern, mehr zu hören, als zu reden.

Es ergriff sie eine starke Enttäuschung, als sie nun bereits bei ihrem Eintritt Ileisa thränenüberströmt in den Armen ihrer Schwiegermutter fand.

»Ach, ich bin ganz fassungslos, Mutter. Arthur hat mir vordem erklärt, daß er nicht ferner mehr mit mir leben will,« stieß Ileisa, von ihrer Erregung fortgerissen, heraus und bestätigte somit früher, als gedacht, was Margarete als wahrscheinlich behauptet hatte. –

Der Abend verlief den Familienmitgliedern in einer grenzenlos bedrückten Stimmung. Frau Knoop saß nach dem Abendbrot wie zerschlagen da. Während sich ihre Hände an einer Arbeit rührten, tropfte es immer wieder aus ihren Augen. Herr Knoop ging bald wortlos, bald aufgeregt sprechend, auf und ab. Immer wieder wurde erörtert, wie man Arthur beikommen könne, und immer wieder gelangten die Beteiligten zu dem Schluß, daß mit ihm nichts anzufangen sein werde. Jedenfalls wollten sie alle – das wurde zum Beschluß erhoben, – vorläufig das Gut nicht verlassen.

Sie wichen so besser allen Fragen aus. Hier auf dem Lande lag der Verkehr weit auseinander, und ein erheblicher oder engerer hatte sich, wie schon erwähnt, überhaupt zu ihrer Enttäuschung nicht entwickelt.

Und auch das Aeußerste wurde bereits ins Auge gefaßt.

Wenn schließlich die Dinge das traurige Ende wirklich nahmen – wenn Arthur auf Scheidung bestand – dann waren Knoops dafür, daß Ileisa mit ihrer Tante Berlin und überhaupt die Provinz verließ.

Dann wollten auch Knoops fortziehen.

Herr Knoop dachte an seine Heimat, an Holstein, wogegen die Frauen durchaus nichts einzuwenden hatten. Wenn ihr Vater sich dort ein Gut kaufte, war's ganz in ihrem Sinne.

Fräulein von Oderkranz und Ileisa konnten vielleicht künftig in Hamburg wohnen. Dann konnten sie sich untereinander leicht erreichen.

So endete dieser Tag, und so wurde wiederum ein erheblicher Teil von dem »großem Glück« abgebröckelt, das dem Verkauf des Geschäftes und der Nobilitierung hatte folgen sollen. –


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