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Neun Monate waren nach diesen Ereignissen vergangen.

Ileisa hatte geheiratet, mit Arthur eine Hochzeitsreise gemacht, war zurückgekehrt und nun bereits gewohnt worden, daß sie ihr Mann abends häufig allein ließ. Gegenwärtig waren die alten Knoops nicht in Berlin. Sie hatten sich nach dem Süden begeben, um die Nachwirkungen einer stärkeren Unpäßlichkeit, die sie beide ergriffen hatte, endgültig zu beseitigen.

Die Nobilitierung war noch immer nicht erfolgt, aber Arthur hatte auch noch immer keine Thätigkeit gefunden. Er hatte sich Pferde und Equipagen angeschafft und in auffallende Livreen gekleidete Diener waren angenommen worden.

Im Grunde konnte er sich diesen Luxus neben den vielen anderen Ausgaben nicht leisten, aber er rechnete auf die Einnahme, die ihm durch seine Thätigkeit werden würde.

Theodor Knoop hatte Berlin ebenfalls vorübergehend verlassen. Es hieß, daß er sich zum Vergnügen nach Paris begeben habe. Mit der Provision in der Tasche, die ihm sein Bruder ausgezahlt hatte, konnte er sich wieder einmal auf's Nichtsthun und Wohlleben legen.

Die Haltung Klamms hatte seinen Fortgang beschleunigt. Man hatte ihm erzählt, daß Klamm geäußert hätte, er werde ihm, wenn er sich nicht aus Berlin entferne, wegen alter Unregelmäßigkeiten rücksichtslos zu Leibe gehen.

Ileisa suchte sich durch einen lebhaften Verkehr mit ihrer Tante für das zu entschädigen, was sie in ihrer Ehe entbehrte, und Arthur hinderte sie nicht daran. Wenn ihn sein fortwährender Vergnügungsdrang aus dem Hause trieb, war sie nicht immer allein. Es paßte ihm eine solche »Aja« vortrefflich.

Viel beschäftigte sie sich auch mit Lektüre und Musik, und setzte aus der Ferne die Beziehungen zu Margarete durch eine regelmäßige Korrespondenz fort. Sie holte sich Wohlgefühl und Erhebungen, wo sie sie fand. Im übrigen war in ihrem Hause alles so neu, so schön, so ausreichend und bequem, daß schon die Freude an dem Besitz ihr anfangs leichter über die Leere weghalf, die sie an der Seite ihres Mannes fand, nachdem seine Leidenschaft abgekühlt und der alte Mensch wieder in ihm eingezogen war.

Arthur war weder warm, noch besonders rücksichtsvoll. Er verkehrte mit ihr, wie mit allen anderen.

Aber er war auch gelegentlich gar schon brutal gegen seine Frau gewesen.

Wenn sie ein einschränkendes Wort über Ausgaben gewagt hatte, die er machen wollte, hörte sie Worte, wie:

»Du sollst es ja nicht bezahlen! Also verdrehe dir deinen Kopf, nicht den meinen! Gewöhne dir überhaupt das Moralisieren ab. Damit hat niemand Glück bei mir!«

Und ein andermal, als sie ihn gefragt, ob er noch immer keine Thätigkeit und keinen Verdienst gefunden, hatte er ihr erwidert:

»Na, hast du's denn noch nicht gut genug? Früher warst du – so viel ich weiß – bei deiner Tante doch nicht so sehr verwöhnt –«

Und als ihr unter Erblassen die Worte entschlüpft waren:

»Ah – wie – unzart, ah, wie –« hatte er zornsprühend gerufen:

»Nun –? Was denn noch mehr? Was beliebt noch?«

Und: »O, nein – nein – nichts! – Gar nichts!« war ihm Ileisa, sich erschrocken fügend, in die Rede gefallen, hatte die Hand auf die erregte Brust gedrückt und sich seinem Anblick entzogen. –

»Dieser Schuft, dieser Lump, dieser Theodor,« hatte grade an einem der letzten Tage Arthur bei Tisch herausgestoßen.

»Du meinst? Ist wieder etwas geschehen?« hatte Ileisa sanft gefragt.

»Ja, ich meine, wie er uns mit seinen Zusicherungen beschwindelt hat. Nichts regt sich. Von der Nobilitierung schweigt alles. Als ich heute vormittag einen Unterbeamten im Heroldsamt zu sprechen wußte, erklärte der mir, daß die Akten gar nicht wieder behandelt wären. Er glaube nicht, daß dem Antrag Folge gegeben werden würde –«

»So lasse es denn, lieber Arthur! – Wir haben ja alles, was wir wünschen und brauchen! Wenn du auch noch eine Beschäftigung findest, können wir doch wahrhaft mit unserm Schicksal zufrieden sein.«

»Nun kommet du wieder mit deiner Beschäftigung,« stieß Arthur, aufgeregt und rücksichtslos im Ton, heraus.

»In den letzten Tagen haben mich die im anderen Hause mit diesen Reden schon halbtot geödet. Namentlich entwickelt Margarete darin eine solche bevormundende Beharrlichkeit, daß ich ihr schon erklärt habe, sie möge sich gefälligst um ihre eigenen Kochtöpfe bekümmern, mich aber in Ruhe lassen. Ich werde schon wissen, was ich zu thun habe. –

»Da fällt mir übrigens ein: Sie wünschen, daß wir heute abend zu ihnen zum Abendbrot kommen. Wir treffen uns um acht Uhr dort! Ich kann dich nicht abholen, ich muß heute nachmittag Geschäfte besorgen.«

Ileisa hatte sich schon daran gewöhnt, daß sie eigentlich nur neben ihrem Gatten einherging. Wenn er einmal, entsprechend seinem Verhalten während der Verlobungszeit, wieder ein fügsames und gemütlicheres Wesen hervorkehrte, so mußten sie diese Augenblicke für seine Unpersönlichkeit und Kälte entschädigen, denen allerdings auch alle anderen, die mit ihm in Berührung traten, ausgesetzt waren.

Das waren dann die kleinen lachenden Inseln, die in dem uferlosen Meer auftauchten, auf dem sie sich befand. Es war eben alles so eingetroffen, wie sie es – von Zweifeln während ihrer Brautzeit wiederholt ergriffen – vorhergesehen. Neuerdings kam sie, da mit den alten Knoops auch Margarete wieder zurückgekehrt war, leichter über die Entbehrungen ihres Herzens und die sich in ihr immer mehr festsetzende Bitterkeit fort. – –


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