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Der Abschluß war erfolgt. Herr Friedrich Knoop hatte seine Buchdruckerei und seine Leitung an die Aktiengesellschaft für den von ihm bedungenen Preis verkauft. Die Anzahlung war bereits gemacht, und die Erledigung der übrigen Raten war von der an dem Geschäft beteiligten Bank garantiert worden.

Und Freiherr Alfred von Klamm war als Vorsitzender des Aufsichtsrates mit der Maßgabe erwählt worden, daß es ihm überlassen sei, für die Direktionsgeschäfte eine passende Persönlichkeit ausfindig zu machen. Vorderhand sollte er selbst aber als Direktor eintreten, und im Fall er Neigung besitze, diese Thätigkeit fortzusetzen, den Vorsitz an eine andere Persönlichkeit abgeben. Eine starke Enttäuschung hatte die Familie Knoop dadurch erlitten. Auf Arthur war nicht – wie Friedrich Knoop und die Damen angenommen und gewünscht hatten – die Wahl gefallen.

Klamm war vor dem Uebergang an die neue Gesellschaft einigemale mit Arthur in Berührung gelangt, hatte jedoch an der Selbstgefälligkeit und der unangenehm wirkenden Sicherheit des sich mit den Händen in den Hosentaschen vor ihm ausstellenden jungen Menschen so wenig Geschmack gefunden, daß er ihn aus der Zahl der Bewerber von vornherein ausgeschieden.

Er wünschte gegebenen Falles völlig neue Bahnen, und hatte sich deshalb auch in der Wahl der Anstellung anderer Beamten das Recht selbständiger Entscheidungen vorbehalten.

Knoops waren auch schon aus dem Wohnhause fortgezogen, Klamm hatte dort seinen Einzug gehalten.

Sonst hatte sich äußerlich zunächst nichts verändert.

Klamm empfing sämtliche Angestellte und versicherte sie, daß jeder, der seine Pflicht, wie bisher, gewissenhaft ausübe, auf seinem Platz bleiben und von ihm bestens beschützt werden werde.

Wo früher Herr Friedrich Knoop in dem Arbeitszimmer mit den zahlreichen Klingelknöpfen geherrscht, da saß nun – der einst kurzweg Entlassene! –

Und in einem vornehmen Villenbau in der Kurfürstenstraße, den Herr Knoop gekauft hatte, wurden zu gleicher Zeit die Hochzeitsfeierlichkeiten zwischen Arthur und Ileisa vorbereitet. Das Aufgebot war erfolgt, und der Tag der Vermählung bereits festgesetzt.

Zunächst waren die Gemüter auch noch sehr gehoben. Die Erwartung hielt alle in Atem, sie ließ sie zu rechten Nebengedanken nicht gelangen. Herr und Frau Knoop beschäftigte die Sorge, wie sie ihrem Sohn alles möglichst vollkommen herrichten könnten. Sie waren viel unterwegs, prüften, wählten und zogen den Geldbeutel.

Aber auch die beiden jungen Mädchen waren ganz bei der Sache, und wenn nicht Ileisa die Nadel rührte oder mit Margarete Aussteuer-Angelegenheiten überlegte, begab sie sich an ihres Verlobten Arm auf die Suche nach einer Wohnung.

Und der junge Mann kritisierte nach seiner Art das meiste, zeigte aber doch auch dabei den praktischen Sinn, der eine seiner besten Eigenschaften war.

Im übrigen hatte er sich auch schon nach einer neuen Thätigkeit umgesehen.

Sein Vater hatte sich bereit erklärt, ihm und Ileisa den Zinsgenuß einer Million Mark zu überweisen; eine gleiche Rate sollte Margarete bei ihrer Hochzeit werden. Den Rest wollten die Alten für sich verwenden.

Kapital wollte Herr Friedrich Knoop nicht hergeben. Sein Sohn und sein künftiger Schwiegersohn sollten der Gefahr entgehen, jemals zu verarmen. Sie sollten sich, falls sie Geld für Geschäftszwecke brauchten, anderweitig umsehen.

Arthur hatte auch keinen Einwand erhoben. Wenn er über eine Rente von 40 000 bis 50 000 Mark verfügte, dann konnte er »standesgemäß« existieren.

Es würde sich finden, was er noch that und wie er sich einrichtete.

Als Ileisa einmal bescheiden davon gesprochen hatte, daß er ihr einen Liebesbeweis an den Tag legen würde, wenn er ihrer Tante eine jährliche Beihilfe zuwende, hatte er »solches zu überlegen« versprochen. – Es war aber sehr bezeichnend gewesen, daß er seinen Vater ersucht hatte, diese Last zu übernehmen.

Herr Knoop hatte unter der Bedingung ja gesagt, daß die Dame ihm dagegen nach ihrem Tode ihr Vermögen überweise.

Dann vermochte er sich voll oder zum Teil wieder von dem Ausfall zu erholen. Fräulein von Oderkranz konnte noch zwanzig Jahre und länger leben! Es hieß also eine erhebliche Summe verschenken, wenn sie ein hohes Alter erreichte.

Arthur hatte nicht den Mut gehabt, seiner Braut diese »kaufmännischen Pläne« zu unterbreiten, er hatte nur gesagt, daß er es geordnet habe, daß die alte Dame die von Ileisa gewünschte vierteljährliche Rate erhalte.

Und sie hatte ihn – ahnungslos über die Vorgänge – geküßt und sich bedankt.

Vier Tage vor der Trauung hatte Ileisa noch eine Unterredung mit ihrer Tante in der früher erwähnten Wohnung.

Fräulein von Oderkranz schaute auf, und auf den knochigen Backen erschien das Rot freudiger Erregung, als Ileisa in einem äußerst geschmackvollen, neuen Radkostüm in dunkelblauem Stoff zu ihr ins Zimmer trat.

»Reizend siehst du aus, mein süßes Kind! Wohl ein Geschenk von Arthur?« warf sie belebt hin.

»Ja, Tante! Aber nicht nur das! Sechs neue Roben hat er mir auf einmal gekauft, und alles, was irgendwie sonst noch dazu gehört. Und sieh nur, das Geschenk von Vater!«

Hierbei knöpfte sie das Jacket auf und zeigte auf eine Brosche, die einen Saphir in der Mitte barg, der von zahlreichen Brillanten umgeben war. Es blitzte das Geschmeide. Die klassische Büste des schönen Mädchens hob sich unter dem straff geschnittenen Kleide, und ein Ausdruck glücklicher Befriedigung verschönte ihre Züge. Sie hatte, wie sie so dastand, etwas Berückendes.

Unwillkürlich stieß die alte Dame heraus:

»Nun? War's nicht gut, daß wir's so machten? Haben wir nicht alles erreicht? Bist du nicht glücklich?«

Und Ileisa nickte und zwang sich, an etwas zu glauben, was ihr Inneres bestritt, schwatzte aufgeräumt und verließ ihre Tante erst nach geraumer Zeit.

Aber an dem Abend desselben Tages nach dem Zusammensein mit ihrem Verlobten, lagen Schatten auf ihrer Stirn, es wühlte und nagte etwas in ihrem Innern, dessen sie nicht Herr werden konnte.

Bevor sie an diesem Abend zur Ruhe ging, warf sie sich Margarete an den Hals und weinte und schluchzte bitterlich.

»Was ist, meine einzige Ileisa!« flüsterte die warmherzige Freundin.

»Ach, Grete! Glaubst du, daß ich deinen Bruder glücklich machen werde?« sprach sie nach deren wiederholter Aufforderung, ihr ihr Herz auszuschütten, mit verzagender Stimme.

»Seltsam! Je näher der Augenblick kommt, desto mehr ängstige ich mich! Wenn wir nur zu einander passen, Grete. – Natürlich, nur dir sage ich das – und nur zufolge meiner Gewissenhaftigkeit in allen ernsten Dingen. Glaube nicht, daß ich irre geworden bin. Jeder hat ja seine Art. Arthur wird auch manches an mir lieber anders sehen –

»Es ist körperlich – gewiß nur körperlich! Ich erleichtere mich schon durch Aussprechen –«

So belog sie sich selbst, zog in demselben Augenblick zurück, was sie eben betont hatte, und setzte voraus, daß Grete alles so hinnähme, wie es ihr in ihrer wechselnden, durch ihre seelische Bedrückung hervorgerufenen Stimmung wünschenswert war.

Die kluge Margarete schwankte, ob sie Ileisa zurufen sollte: »Was nützt die Verstellung, was nützt das Hinausschieben! Sage noch heute: Ich kann nicht! Ich will nicht! Sei wahr und ehrlich gegen dich und meinen Bruder, dem ich mich niemals zu eigen geben würde.«

Aber dieselben Bedenken, die Ileisa bestimmten, sprachen auch bei ihr.

Was sollte aus ihrer Freundin werden? Stieß sie auch hier zurück, was sich ihr bot, war's sicher für immer aus.

Daß sich ihr Vater, und daß Arthur sich niemals ferner um sie kümmern würden – und wenn sie selbst in höchste Not geriet – wußte sie. Sie wußte es, obschon ihr Vater ein zu beeinflussender Mann war, obschon ihre Mutter ein gutes Herz besaß. Und Arthur? Er würde vielleicht sogar eine boshafte Freude empfinden, wenn die, die ihn verschmäht hatte, unterging.

Sie sprach zu ihrer Freundin:

»Ich las jüngst, daß ein Mann vor der Ehe seiner Tochter riet:

»Nimm dir vor, dem Mann deiner Wahl ein guter Kamerad zu sein! Prüfe, ob er Widerspruch verträgt! Wenn nicht, beherrsche ihn durch Schweigen! Willst du etwas erreichen, was ihm und dir nützlich ist, wähle immer den rechten Augenblick. Darauf kommt alles an. Selbst Teufel haben eine Stelle, wo sie, angefaßt, vergessen, daß sie Engel zu bekämpfen haben! Kannst du nicht in ›Liebe‹ leben, so erstrebe, es in ›Frieden‹ zu können. Das ist das A und O der Ehekunst –«


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