Alfred von Hedenstjerna
Allerlei Leute – Erster Band
Alfred von Hedenstjerna

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Unter dem Siegel der Beichte.

Der Gerichtsbauer Stark war der Großbauer des Kirchspiels, sein Haus das größte, seine Felder die bestbestellten, sein Vieh das fetteste in der Gemeinde. Er hatte als armer Knecht begonnen und sich Schritt für Schritt durch alle Grade heraufgearbeitet; er hatte ein Stück Land für die Hälfte des Ertrages bearbeitet, dann eins gepachtet, darauf war er Kleinbauer, dann Halbhofsbauer geworden, später Großbauer, Wortführer der Armenordnung, Freibauer mit Adelsrechten, Kirchenvorsteher und Gerichtsbauer. Wenn er gewollt hätte, so wäre er auch Reichstagsabgeordneter geworden; aber er wollte nicht, weil es bei ihm zu Hause zu viel zu thun gab und er zu viel eingebüßt hätte, wenn er dies Andern überlassen müßte.

Schon als Halbpächter hatte er sich ein Weib genommen; eine hübsche, starke und arbeitsame Frau, die ihm in den mühevollen, schweren Jahren treu zur Seite stand, sich für Zwei abplagte und sich nicht scheute, überall selbst Hand anzulegen, die aber auch, als Wohlstand und gute Tage kamen, sich dieselben zu Nutzen zu machen verstand und vielleicht täglich einige Tassen Kaffee mehr trank und ihr städtisches Kleid ein wenig mehr im Kirchenstuhl ausbreitete als, streng genommen, nöthig war.

Stark selbst war ein hübscher, stattlicher Mann, der sich in Herrengesellschaft gerade so gut zu benehmen wußte wie unter Bauern, aber es lag ein Zug von Wehmuth auf der hohen Stirn und die starken, dunklen Brauen zuckten oft nervös. Die Krankheit des Jahrhunderts »Nervenschwäche« hatte eigenthümlich genug diese starke, scheinbar so kerngesunde Bauernnatur ergriffen, und einmal, als das Kreisgericht über eine besonders gräßliche Brandstiftung aburtheilen mußte, und ein Zeuge aufstand und beschrieb, wie die armen Creaturen drinnen in den Ställen vor Todesangst brüllten, da hatte es den Gerichtsbauer Stark wie im Fieberfrost geschüttelt und er war mitten im Gerichtshofe in Ohnmacht gefallen.

»Für einen Mann aus dem Volke hat er einen ungewöhnlich feinfühligen und zarten Sinn«, sagte der Kreisrichter, als er bei einer Abendgesellschaft in der Stadt die Geschichte erzählte, und einen Monat später wurde Stark durch ein besonderes Schreiben zum Mitglied des Thierschutzvereins ernannt. Der Hof des Gerichtsbauern war ein schönes Bauernanwesen. Allerdings war es nur nach Art der alten, gewöhnlichen, rothangestrichenen, rechtwinkeligen, zweistöckigen Holzhäuser mit weißen Läden gebaut; aber schöne, stets weiße Gardinen zierten die Fenster und prunkvolle Blumentöpfe standen dahinter, ein Wald von Flieder duftete dem Kommenden im Sommer aus dem Vorgarten entgegen und ein schöner Obstgarten erstreckte sich bis zum See.

Unten lag die Küche, in der Mitte und zu beiden Seiten derselben am Ende des Hauses zwei große Stuben mit je einer Seitenkammer nach alter Bauernweise. Aber oben war eine gute Stube, ein Saal und mehrere Fremdenzimmer mit feinen Stadtmöbeln, vielen, vielen Daunenbetten und zwei großen Leinenschränken. Doch Alles das war nur für Gäste, und da für gewöhnlich dort Niemand wohnte, sah es ein Bischen unbewohnt und gasthausmäßig aus, trotz der feinen Tische, Stühle, Decken und des großen Photographiealbums.

Unten in den Wohnräumen zwischen dem Tisch von Tannenholz, den Geschirrschränken, dem Roßhaarsopha und dem Kachelofen mit Eiseneinsatz war es ganz anders. Hier erleuchteten Wohlstand und Behaglichkeit jeden Winkel. Sie strahlten über das Zifferblatt der alten Dalekarlieruhr, sie warfen ihren Schein über die Silberbecher auf der Commode, sie tanzten mit den Sonnenstrahlen durch die hohen, luftigen Fenster auf dem sandbestreuten Tannenfußboden, sie liebkosten die blauangestrichenen Spinnrocken mit den vollen Garnspulen und hatten doch noch Glanz genug für die Kätzchen unterm Herd und für den Grabkranz des jüngsten Mädchens, der unter Glas und Rahmen an der Wand hing.

Den Gerichtsbauersleuten ging Alles so gut von der Hand. Auf Mutter Start's, seit den letzten Jahren etwas schwammigem Gesicht lag beständig ruhige Zufriedenheit; Frohsinn und Gesundheit strahlten aus den Augen der Kinder, von der 20jährigen Maria, der ältesten der Unverheiratheten, bis zum kleinen Sven, der eben in die Kleinkinderschule gekommen war. Die Dienstboten wurden gut behandelt und waren zufrieden, selbst das Vieh sah bei dem Gerichtsbauern ganz anders und besser aus als anderswo.

Es war wirklich eigenthümlich, wie Stark mit den Thieren umging. Heutzutage denkt wohl kein Bauer daran, sein Vieh zu mißhandeln, aber Stark war »rein kindisch mit seinem Gethue mit den Creaturen«, meinten die Knechte. Er schalt, wenn ein Ochse einmal einen kleinen Klaps bekam, und er konnte wohl eine halbe Stunde stehen und ein Kalb streicheln, und dabei sah sein Gesicht so seltsam aus, gerade als wollte er anfangen zu weinen. »Die Verrücktheiten hat er in der Stadt von den feinen Herren im Thierschutzverein gelernt«, meinte der Oberknecht, als die Rede auf die Weichheit des Bauern gegen die Thiere kam. –


Am Sonntagabend bekam Stark Lungenentzündung, und Dienstag Morgen sagte der Doctor, es würde schwer halten, den Gerichtsbauern durchzubringen, mit so entsetzlicher Gewalt hatte die Krankheit den kräftigen Mann ergriffen.

Stark erbleichte und seufzte schwer.

»Muß ich an dieser Krankheit sterben, Herr Doctor?«

»Das habe ich nicht gesagt. Aber Sie sind ja ein muthiger Mann, Gerichtsbauer, und haben ein großes Haus zu bestellen. Darum halte ich es für meine Pflicht, Ihnen zu sagen, daß Gefahr vorhanden ist.«

Stark lag eine ganze Stunde schweigend da, ab und zu schüttelte es ihn wie ein Frostschauer. Große Schweißtropfen traten auf seine Stirn, und er sah unheimlich aus. Wohl glaublich, daß es nicht leicht ist, dem Tode in's Auge zu sehen, wenn man es so gut und schön auf der Welt hat. Schließlich flüsterte er seiner Frau zu: »Bitte den alten Pastoren, gleich her zu kommen.«

Mutter Stark erhob sich.

»Gleich! Hörst Du!« rief Stark ihr nach.

Als der Pastor nach ein paar Stunden die Thür öffnete, fuhr Stark im Bette empor und blickte ihn mit großen, erschreckten Augen an.

»Es ist – ist – entsetzlich, wie schnell Sie kommen, Herr Pastor – ich –«

»Guten Tag, Gerichtsbauer! Wie steht's? Ja, mein lieber Freund, als der Bote sagte, es sei eilig, machte ich mich natürlich so schnell wie möglich auf.«

»Gehe hinaus, Anna, und laß Niemand hereinkommen; ich will allein mit dem Herrn Pastor sprechen!«

Der Pastor setzte sich an's Bett und stellte die Kirchengeräthe auf den Tisch.

»Nein, nein, Herr Pastor, warum haben Sie das mitgebracht; ich will nicht – ich will nicht das Abendmahl nehmen.« –

»Lieber Gerichtsbauer, ich will Sie nicht dazu überreden. Ich brachte es für alle Fälle mit, als ich hörte, daß Sie schwer krank seien.«

»Wenn man einem Prediger Etwas unter dem Siegel der Beichte anvertraut, so darf er es nicht verrathen, was es auch sei und was auch daraus entstehe; ist es nicht so?«

»So ist es. Jedes schuldbeladene Herz kann frei und furchtlos seinem Seelsorger »Alles« anvertrauen.«

»Verzeihen Sie, Herr Pastor, aber sehen Sie, bitte, nach, ob Jemand in der Küche steht ...«

Der Pastor öffnete die Küchenthür, verriegelte sie dann und setzte sich wieder vor's Bett, aber rückte erschreckt ein wenig zur Seite, als er Stark's von Todesangst unheimlich verzerrtes Antlitz sah. Mild faßte er die Hand des Kranken.

»Beruhigen Sie sich, Gerichtsbauer. Sie sind gewiß sehr schwach.«

»Herr Pastor, haben Sie mich stets für einen ehrlichen Mann gehalten?«

»Wozu die Frage, Stark? Ich weiß ja, daß, was bürgerliche Rechtlichkeit betrifft, Sie der ganzen Gemeinde zum Vorbilde dienen können. Aber ich weiß auch, daß das vor Gott nicht genügt, und die Krankheit hat Sie vielleicht dasselbe gelehrt?«

Der Gerichtsbauer richtete sich im Bette auf, ergriff die Hand des Predigers und stieß mit wild starrenden Augen hervor: »Still, still, ich bin ein Brandstifter!«

Stark erwartete augenscheinlich, daß seine Worte den alten Prediger mit Abscheu und Entsetzen erfüllen würden. Doch der Pastor lächelte nur wehmüthig und theilnehmend.

»Gerichtsbauer, seht, Sie sind jetzt zu krank, um zu denken und zu reden. Ich werde wiederkommen, wann Sie wollen, Tag oder Nacht, sobald Ihre Fieberphantasien sich gelegt haben. Jetzt muß ich Mutter Anna rufen. Sie sind sehr krank, armer Stark!«

Aber der Kranke faßte seinen Rock mit einem solchen Ausdrucke tiefster Seelenqual im Antlitz, daß sich der Pastor gezwungen sah zu verweilen.

»Um Jesu Christi Barmherzigkeit willen, gehen Sie nicht! Ich dürfte in diesem Leben vielleicht nicht wieder mit Ihnen sprechen können. Ich weiß genau, was ich sage. Sehen Sie mich an, Herr Pastor!«

Der alte Prediger erbleichte und seine runzeligen Finger begannen zu zittern. Er ahnte Schreckliches. Und Stark erzählte, Anfangs leise und abgebrochen, als sei jedes Wort ein Dolch, der in seinem Herzen umgedreht würde, dann leichter und zuletzt mit fieberhafter Hast.

»Ja, ich bin ein Brandstifter. Sie waren da noch nicht hier, Herr Pastor. Ich hatte gerade Hallstena gekauft. Ich hatte drückende Schulden, und es war ein erbärmlicher Hof, auf den ich hereingefallen war. Die feinen Gebäude waren das Einzige, was einigen Werth hatte, aber davon konnte ich ja nicht leben. Ich hatte gestrebt und gespart. Ach, ich hatte mich abgemüht und abgearbeitet wie ein Vieh, um zu eigenem Besitz zu kommen. Herr Pastor, wenn Sie wüßten, wie müde ich lange, lange Jahre Abend für Abend war. Und nun hatte ich ein Bischen erworben, und das sollte nun wieder in alle vier Winde gehen. Ach, wer das nicht selbst versucht hat, der kann nicht wissen, was man fühlt, wenn man sein im Schweiße Erworbenes so Heller für Heller zusammenschmilzen sieht. Man stemmt sich dagegen, man spart, man darbt, man arbeitet noch einmal so hart wie sonst, aber doch geht Alles dahin. Glauben Sie, Herr Pastor, daß man sich da klar macht, was man thut? Ja, ja, man thut es doch wohl; aber ich hatte fünfzehn Jahre gestrebt und war nun dabei, Alles zuzusetzen. Fünfzehn Jahre so gearbeitet, daß der Rücken schmerzte und die Brust springen wollte! Fünfzehn ruhelose und freudlose Jahre! Glauben Sie, Herr Pastor, daß es Vergebung giebt für, einen Menschen, der sich fünfzehn Jahre lang abgequält hat und wie von Sinnen ist, daß er nun Alles verlieren soll? Nein, nein, die giebt es wohl nicht? Ein Anderer hätte sich vor dem Unglück gebeugt und wäre in's Armenhaus gegangen. Ich weiß, so hätte ich handeln müssen. Aber Stark wollte nicht wieder arm sein! Und dann waren die Gebäude so hoch versichert. Das Schlimmste war das Vieh. Ich hätte es so gern geschont, aber es war auch versichert, und dann, was hätten die Leute gesagt, wenn es im Novembermonat brennen würde und alles Vieh herausgelassen wäre.

Ich habe das Feuer nicht selbst angezündet. Nein, nicht direct. Ich hatte die warme Asche aus dem Heerd gekratzt, sie in eine Holztonne geworfen und diese in die Scheune gestellt. Ich überließ es unserm Herrn, ob das abbrennen sollte oder nicht. Ja, das that ich. Es hätte ja sein können, daß die Tonne nicht Feuer fing. Man wirft ja so oft Asche in solche Tonnen und setzt sie in die Küche oder in den Keller, aber ich, ich setzte sie in die Scheune. Gott vergebe mir, das that ich, und darum komme ich nun in die Hölle – – o – o! –

Es ist doch Niemand in der Küche?

O, wie es brannte! Ich lag im Bett und hörte es, aber ich wollte nicht so früh wecken, denn es hätte dann ja vielleicht noch gelöscht werden können. Alles stand in heller Gluth, als wir hinauskamen, und bald wurde auch das Wohnhaus ergriffen. Es ist merkwürdig, die Sünde, die ich gegen Gott, die Menschen und die Versicherungsgesellschaft beging, hat mir nie so schwer auf dem Herzen gelegen, wie die Qual der armen Thiere, und hauptsächlich um derentwillen werde ich nun auch verdammt werden, das fühle ich. Man konnte sie gerade durch die Flammen sehen. Da war ein kleines, rothes Kalb, mit dem die Kinder immer zu spielen pflegten, wenn es Abends von der Weide kam. Es war schon todt, als ich heraus kam, aber das Feuer leckte an ihm und die Flammen leckten gerade an seinem kleinen, weißen Maule. – Und dann waren da meine kleinen, jungen Ochsen, die ich selbst gezähmt hatte. Sie waren immer so gehorsam und zogen so gut. Es schnitt mir in die Seele, ihr Angstgebrüll zu hören! O, wie war es schrecklich, als schließlich das Holz der Stände aufbrannte, und sie los kamen und aus den Buchten sprangen, aber auf den Boden fielen, weil ihre Füße bis zu den Knieen verbrannt waren! Ich fühle, daß so Etwas nie, nie vergeben werden kann, aber ich will doch mein Herz erleichtern.

Die alte Mähre, die mein Schwiegervater Anna zur Aussteuer gegeben hatte, stand da und stöhnte, als ob sie weinte, und dann stemmte sie sich, riß sich los und sprang gegen die Wand, denn die Augen waren schon vom Feuer zerstört, und dann fiel sie mit zertrümmerter Hirnschale zu Boden und ächzte so schrecklich. Ach, das Aechzen höre ich seit nun bald zwanzig Jahren jede Nacht!

Manchmal, wenn ich im Gericht Beisitzer war, glaubte ich den verbrannten, blinden Kopf der alten Minka mir von der Eidesbibel zunicken zu sehen, und immer, wenn ich zum Tische des Herrn ging, erblickte ich die armen, halbgebratenen, brüllenden Kühe am Altar. Herr Pastor, Sie wissen, daß ich damals, als die Brandstiftung verhandelt wurde, die Besinnung verlor. Da glaubte ich steif und fest, ich hätte in der Bewußtlosigkeit Alles gestanden und sollte nun eingezogen werden. – O, Gott im Himmel, rette mich, rette mich vor dem Feuer!« –

Der alte Pastor saß wie niedergeschmettert da. Stark's ganzes Leben lag nun klar vor ihm. Durch die erschlichene Versicherungssumme war seine wirtschaftliche Stellung gerettet, und von der Zeit an war ihm Alles zum Guten ausgeschlagen, aber unter allem äußeren Glück und Erfolg seines von da an rechtschaffenen und ehrlichen Lebens hatte er in seiner Brust einen Vorschmack des »Wurmes der nie stirbt, des Feuers, das nie erlischt« gefühlt. Was er an Trost und Hoffnung geben konnte, das gab er mit milden, ernsten Worten. Aber unter dem Versprechen der Vergebung und des Friedens muß stets eine Forderung ruhen, die Forderung das Unrecht wieder gut zu machen, wenigstens die Bereitwilligkeit zur Versöhnung. Diese Forderung wurde nicht hart, kalt und unerläßlich gestellt, aber auch bei den milden Worten glaubte der Gerichtsbauer Stark die Handschellen rasseln und die Gefängnißthür in ihren Angeln knarren zu hören. Würde er bereit sein, sie wirklich zu hören, wenn ihm Gott das Leben ließe? Was nützte eine Reue, die nicht den Willen hatte, hienieden die Strafe zu erleiden, um auf Vergebung von oben hoffen zu können?

So lag er in stillem, heißem Jakobskampfe zwei lange Stunden und der alte Pastor wich nicht von seiner Seite. Doch dann war der Sieg auch errungen, und der Gerichtsbauer Stark ließ seine Frau und seine Leute rufen, um Alles zu bekennen.

Er begann auch sein Bekenntniß mit deutlicher, obwohl bebender Stimme, doch bald trat der Todeskampf ein, begleitet von Bewußtlosigkeit und Visionen, und ließ Alles, was er offenbaren wollte, in einem wirren Redefluß untergehen. »Arme Kuh, thut es so weh! Der Bauer wird Dir aus dem Feuer helfen. Komm her, kleine Kuh! Alte Minka, Du glaubst doch nicht, daß der Bauer Dich verbrennen will? Nein, meine Alte, nein, der Bauer ist gut, er will sein altes Pferd nicht quälen. – Armes, kleines Lamm, Du sollst nicht auch im Feuer umkommen! Kommt her, ich will Euch allen Wasser auf den Kopf gießen! Wasser, Wasser! Es brennt! Jesus! Hülfe!«


Am folgenden Tage verbreitete sich die Nachricht vom Tode des Gerichtsbauern über das ganze Kirchspiel. Er hätte eine schwere Sterbestunde gehabt und in schrecklichem Fieber gelegen und den ganzen, letzten Tag irre geredet und geglaubt, er müsse sein Vieh aus dem Feuer retten; die Liebe zu den Thieren hing ihm sogar noch im Tode an!

Und Mutter Stark, die nicht glauben konnte, daß die Fieberreden Etwas zu bedeuten hatten, ließ ihm ein schönes Kreuz auf's Grab setzen mit einem Verse aus den schönen, treu- und ehrenfesten Gesängen des Bischofs Wallin, die einem reinen, tugendhaften Leben die Seligkeit verheißen.

Der alte Pastor verbrachte eine schlaflose Nacht. Das Siegel der Beichte war von dem Todten selbst noch bei vollem Bewußtsein zerbrochen und die Beichte gegen ein freies, offenes Bekenntniß vertauscht worden. Doch da dieses unvollendet geblieben war und mit Phantasien geschlossen hatte, und da der Pastor von einem befreundeten Juristen erfuhr, daß die Brandversicherung gesetzlich darauf hin von der Familie des Verstorbenen keine Entschädigung beanspruchen könne, so ließ er der Sache ihren Lauf.

Aber er hielt eine erschütternde, tief ergreifende Grabrede, die Aller Herzen rührte, obgleich Niemand recht begreifen konnte, was all das Gerede von »der Macht des Gewissens«, »Reue« und »Zerknirschung« eigentlich mit einem so rechtschaffenen, durch und durch ehrlichen Manne zu thun hatte, wie der Gerichtsbauer Stark gewesen war.


 << zurück weiter >>