Wilhelm Hauff
Der Mann im Mond
Wilhelm Hauff

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Zurüstungen

Es war ein sonderbarer Anblick, den des Präsidenten Haus in diesen Tagen gewährte. Das Rennen und Laufen der Schneider und Schneiderinnen, Nähterinnen, Schuster, Schreiner, Schlosser, Küster, Bäcker, Fleischer, Köche, Kaufleute usw. wollte gar kein Ende nehmen. Beinahe in jedem Zimmer sah man, auf jeder Treppe stieß man auf einen Handwerker, und alle taten, als ob von ihrer Nadel oder Pfriemen die ganze Hochzeit abhinge.

Machten aber diese schon wichtige Gesichter – hu! da grauste einem ordentlich, es lief wie eine dicke Gänsehaut über den Körper, wenn man den Hofrat sah. Er war in diesen Tagen der Vorbereitung viel magerer und bleicher geworden; seine Augen lagen tief und entzündet, ein Zeichen, daß er viel bei Nacht wachte; und es war auch so; bei Tag lief er sich beinahe die Füße ab wie die Hündin des Herrn von Münchhausen aufschneiderischen Angedenkens, da war zu bestellen und zu besorgen, er lief hin und her, in alle Ecke und Ende der Stadt, ja man will ihn an mehreren Orten zugleich gesehen haben.

Bei Nacht – nein, es war ein Wunder, daß der Mann nicht schon längst tot war, nachdem er sich müde gelaufen, müde gesorgt, müde gesehen, müde geschwatzt, müde gescholten, müde erzählt hatte – kam erst kein Schlaf über ihn.

Er streckte sich ins Bett, ließ zwei Wachskerzen und einigen Glühwein auf den Nachttisch setzen, in einem großen Korbe standen vor ihm Bücher, ein ganzer Schatz von Festen; da war das seltene Werk: »Wahrhafte und akkurate Beschreibung des Solennesten Festins am Hofe Ludwigs XIV.« Ferner: »Der allzeitfertige Maître de plaisir, für Hofleute, vornehme Festlichkeiten und anderen Kurzweil.« »Der galante Junker, oder wie Tänze, Schmäuse, Hochzeiten, Kindtaufen usw. am schönsten zu arrangieren.« Sogar das Festbüchlein von Krummacher hatte er sich aus dem Buchladen kommen lassen, denn er dachte nicht anders, als es müssen darin allerhand neue und nie gesehene Festivitäten erzählt sein. Er soll sich übrigens sehr geärgert haben, als dem nicht also war.

Aus dieser Festbibliothek nun, die er Stück für Stück mit der größten Geduld und Aufmerksamkeit durchlas, machte er sich Randglossen und Auszüge, er kam aber dadurch am Ende selbst mit sich in Streit, denn das sah er ein, wenn man alle die schönen Sachen, die er sich aufnotiert hatte, ausführen wollte, so mußte man vierzehn Tage lang Hochzeit halten, und doch konnte er nicht mit sich einig werden, was er weglassen sollte. So lebte er in einem ewigen Zappel, ja es war ordentlich rührend anzusehen, wenn er hie und da bei Ida bis zum Tode ermüdet in ein Sofa sank, den brechenden Blick auf sie heftete, als wollte er sagen, »Sieh, für dich opfere ich mein Leben auf.«

Und Ida? habt ihr, meine schönen Leserinnen, je ein geliebtes Bräutchen gesehen, oder waret ihr es einmal oder – nun wenn ihr es selbst noch seid, gratuliere ich von Herzen, nun wenn ihr ein solches süßes Engelskind kennt, mit dem bräutlichen Erröten auf den Wangen, mit dem verstohlenen Lächeln des kußlichen Mundes, der sich umsonst bemüht, sich in ehrbare Matronenfalten zusammenzuziehen, mit der süßen, namenlosen Sehnsucht in dem feuchten, liebetrunkenen Auge, wenn ihr sie gesehen habt in jenen Augenblicken, wo sie dem geliebten Mann, dem sie nun bald ganz, ganz angehören soll, verstohlen die Hand drückt, ihm die Wange streichelt, wenn sie den weichen Arm vertrauungsvoll um seine Hüfte schlingt, wie um eine Säule, an der sie sich anschmiegen, hinaufranken, gegen die Stürme des Lebens Schutz suchen will, wenn sie mit unaussprechlichem Liebreiz die seidenen Wimpern aufschlägt und mit einem langen Blick voll Ergebenheit, voll Treue, voll Liebe an ihm hängt, wenn die Schneehügel des wogenden Busens sich höher und höher heben, das kleine, liebewarme Herzchen sich ungeduldig dem Herzen des Geliebten entgegendrängt – kennet ihr ein solches Mädchen, so wißt ihr, wie Ida aussah; kennet aber ihr ein solches Engelskind, ihr Tausende, die ihr einsam unter dem Namen Junggesellen über die Erde hinschleicht, ohne wahre Freude in der Jugend, ohne Genossin eures Glückes, wenn ihr Männer seid, ohne Stütze im Alter – wißt ihr eine solche frische Hebe-Blüte und ein fröhliches Amorettenköpfchen, das etwa auch so warme Küßchen, auch so liebevolle Blicke spenden könnte wie Ida, o so bekehret euch, solange es Tag ist; wenn sie sich euch vertrauungsvoll im Arme schmiegt, wenn sie das Lockenköpfchen an eure Brust legt, aus milden Taubenaugen zu euch aufblickt, mit dem weichen Samtpatschchen die Falten von der Stirne streichelt – ihr werdet mir danken, euch den Rat gegeben zu haben.

Und Emil? Nun ich überlasse es meinen Leserinnen, sich einen recht bildhübschen Mann aus ihrer Bekanntschaft zu denken, zu denken, wie er den Arm um sie schlingt, ihnen recht sinnig ins Auge blickt und sie kü–

Nun erschrecken Sie nur nicht! es tut nicht weh; Sie haben sich einen gedacht? – Ja? – nun gerade so sah Emil von Martiniz als Bräutigam aus.

So sah ihn auch die Gräfin; das Herz wollte ihr beinahe bersten, daß der herrliche Mann nicht ihr gehören sollte. Eines Morgens, ehe man sich's versah, sagte sie adieu, ließ packen und – weg war sie.


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