Wilhelm Hauff
Der Mann im Mond
Wilhelm Hauff

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Das Soirée

»Was aber der Präsident Sanden dick tut«, sagten die Freilinger, als jetzt die Lakaien in der Stadt umherflogen und zum Souper einluden. Die meisten dachten, es geschehe der Gräfin Aarstein zu Ehren, bei welcher er sich auf alle mögliche Weise zu insinuieren suche, um später einmal Minister zu werden.

Als man aber abends in den Salon des Präsidenten trat, wurde man noch mehr von diesem »Dicketun« überzeugt. Außer den prachtvollen Lustres, die gewöhnlich bei Gesellschaften angezündet wurden, war eine ganze Galerie der geschmackvollsten Wandleuchter von Bronze angebracht und Walratlichter, so durchsichtig und klar wie Glas, eine ganz nagelneue Erscheinung für Freilingen strahlten ein Feuermeer von sich. Die Wände waren mit Festons von Blumen und grünen Zweigen geschmückt, die sich in den deckenhohen Spiegeln zu einem ganzen Wald von Kränzen und Girlanden vervielfältigten. Ein ganzer Hausrat der prächtigsten Kristalls, Vasen, Teller, Becher, Platten, Schüsseln, Bouteillen blinkte mit seinen geschliffenen Figuren in tausend vielfarbigen Lichtern. Das schwerste Silber an Bestecken und Leuchtern ward heute aufgesetzt und jedermänniglich war erstaunt über diese Pracht.

Einige aber, die feinere Nasen hatten als die übrigen, legten die Finger daran und klügelten hin und her, was dies alles zu bedeuten habe; denn man wußte so ziemlich allgemein, daß der alte Sanden ohne Not und wichtige Ursache nicht so viel Umstände mache. Doch aus seinem Gesicht konnte man nicht recht vernehmen, was er in petto habe. Er empfing seine Gäste höchst freundlich aber zeremoniös, sprach mit keinem sehr viel und lange, sondern teilte sich überall und allen mit. Die Gräfin – nun die kam endlich, sah aber nicht darnach aus, als ob ihr das Fest gehöre, denn sie war wie gewöhnlich prachtvoll, aber nicht gerade festlich gekleidet.

Die einzigen von allen Gästen, die mit ihren Erwartungen so ziemlich am nächsten ans Ziel trafen, waren wohl Lieutenant Schulderoff und seine Kameraden. Sie waren seit der Duellgeschichte die eifrigsten Freunde des Polen geworden und hatten ihre geheime Schadenfreude daran, daß der Goldfisch wahrscheinlich der Aarstein, welche die Garnisonsoffiziere sehr über die Achsel angesehen und ganz obenhin behandelt hatte, entschlüpfen würde. »Wenn die Ida doch keinem von uns gehören soll«, hatte Schulderoff geäußert, »so gönne ich sie am liebsten dem Martiniz; er ist Soldat und das muß man ihm lassen, brav wie der Teufel, stand er doch da als die blaue Bohne auf ihn zusurrte, als wäre es ein Schneeglöckchen, so kalt und fest habe ich in meinem Leben keinen sich schießen sehen. Und am Ende hatte er doch recht, denn Sporeneck räsonierte doch über die Ida, daß es mir selbst das Herz im Leib hat zerreißen wollen. Das kommt aber von niemand her als von der Aarstein, die den guten Jungen, den Sporeneck zum Teufel moduliert hat, und nebenbei kommt es auch von meiner Frau Mama mit ihrer ewigen Planmacherei, mich unter die Haube zu bringen und nebenbei auch von der falschen Katze, der Sorben, die gegen jedermann ergrimmt ist, wer nicht von ihren Reizen hingerissen wird.«

So urteilte der Lieutenant und mit ihm seine Kameraden; so sehr hatte die Uniform und der Orden auf Martiniz' Brust die ganze Sache verändert.

Endlich war die ganze Gesellschaft beisammen. Man konversierte in dem festonierten Saal ehe man zu den Spieltischen ging, und die Gräfin hatte den größten Hof um sich, denn man dachte nicht anders, als sie müsse doch vielleicht die Königin des Festes sein. Es fehlte niemand mehr; doch ja Martiniz und Ladenstein fehlten noch, die Gräfin suchte vergebens mit ihren rastlosen Blicken nach dem ersteren. Sie hatte eine tüchtige Schelte einstudiert, um ihn für seine Vernachlässigung zu strafen; überhaupt hatten sich ihr heute so sonderbare Gedanken aufgedrängt – der Graf, der sich doch sonst an sie angeschlossen, dem sie so merklich als möglich ihre Neigung zu ihm gezeigt hatte, war zwei Tage gar nicht für sie sichtbar; sie wußte, daß er heute im Haus gewesen und doch hatte er sie nicht besucht; der Rittmeister – der war ihr nun ganz unbegreiflich und sie war bitterböse auf ihn. Im ganzen war er ihr gleichgültig, denn ihre Neigungen waren sehr flüchtiger Natur, auch war ihr der Graf jetzt bei weitem interessanter und sie gestand es sich selbst, sie hätte ein Wohlwollen zu ihm, das beinahe Liebe war – aber dennoch sollte der Rittmeister noch immer der Cavalier servante sein und dennoch konnte er es wagen, zwei Tage sich nicht mit einem Blick sehen zu lassen. Wenn er auf die Jagd geritten war, wie die übrigen Offiziere äußerten, so hätte er wenigstens ein Billett an sie hinterlassen können – aber sie wollte es ihm entgelten.

Der Arme; er lag gerade jetzt auf seinem Schmerzenslager und fluchte die fürchterlichsten Flüche, daß er sich jemals in die Dienste dieser Sirene begeben habe. –


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