Wilhelm Hauff
Der Mann im Mond
Wilhelm Hauff

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Der Rittmeister

Was doch oft an einem kleinen unscheinbaren Zufall das Glück der Menschen hängt! So fragte an diesem Abend der Kellner die beiden Fremden, ob sie unten an der Tafel oder hier oben in ihren Appartements speisen wollen? Der Graf, der seit des Hofrats Reise abends selten mehr hinabgekommen war, stimmte dafür, auf dem Zimmer zu speisen, indem er sich schlechte Unterhaltung unter den Offizieren, Assessoren, Ober- und Unterjustizleuten versprach. Der ältere Herr aber redete ihm zu; man sehe und höre doch manches unter den Gästen, was zum Nachdenken oder zur Augen- und Ohrenweide dienen könne – sie gingen. Gerade an diesem Abend hatte der Rittmeister von Sporeneck einige Freunde der Garnison zu sich auf ein Abendbrot in den Mond gebeten.

Sie hatten schon auf seinem Zimmer mit Rheinwein angefangen und waren bereits ganz kordial. Der Rittmeister hatte auch alle Ursache, ein kleines Sieges- und Jubelfest zu veranstalten. Die Gräfin hatte ihm, wie gewöhnlich durch ihre Zofe, die mit seinem Bedienten in telegraphischer Verbindung stand, geschrieben, daß Idas Niederlage jetzt vollkommen sei. Der Graf sei nie so warm gegen sie gewesen wie diesen Abend, und sie sehe nächstens einer Erklärung von seiner Seite entgegen. Das hatte der Rittmeister seinen Vertrauten, dem Lieutenant von Schulderoff und einigen andern vorgetragen, man stieß an, auf das neue gräfliche Paar und auf den galanten Hausfreund, und so kam man auch, weiß nicht wie, darauf, ob man nicht den Grafen auch einmal ein wenig schrauben sollte. Sie stimmten alle darüber ein, daß dies sehr dienlich wäre, um Unterhaltung für den heutigen Abend zu haben, und sie machten sich auch gar kein Gewissen daraus; »Ja wenn er Soldat wäre, dann wäre es etwas anderes; einen Kameraden schraubt man nicht gerne, aber solch ein ziviles Gräfchen, das in der Welt umherreist, um den Damen schönzutun und sein Geld auf die langweiligste Manier totzuschlagen – nun das kann man mit gutem Gewissen.«

Mit diesem löblichen Vorsatz hatten sich die Marssöhne nicht weit von der Stelle plaziert, wo Martiniz gewöhnlich zu sitzen pflegte und harrten, ob er nicht komme. Er kam und mit ihm der andere Gast, aber diesmal ohne Ordensband, denn er hatte nur einen unscheinbaren Oberrock an. Martiniz und der ältere Herr unterhielten sich flüsternd miteinander; um so lauter waren die Kriegsgötter; die Pfropfen der Champagnerbouteillen fingen an zu springen, und in kurzem waren die Herren allesamt kreuzfidel und erzählten allerlei Schnurren aus ihrem Garnisonsleben. Die übrigen Gäste hatten sich nach und nach verlaufen. Das Kapitel der Hunde und Pferde war schon abgehandelt und der Rittmeister hielt es jetzt an der Zeit, die Schraube anzuziehen. Er gab also Schulderoff einen Wink und dieser ergriff sein Champagnerglas, stand auf und rief: »Nun Bruder Sporeneck, eine Gesundheit recht aus dem Herzen – deine Ida!«

Auf flogen die Dragoner von ihren Sitzen, tippten die feinen Lilienkelche aneinander und sogen den weißen Gischt mit einer Wollust aus, als hätte die Gesundheit ihnen selbst gegolten. Martiniz biß die Lippen zusammen und sah den Theresienritter an.

»Auf Ehre, ein Götterkind, Herr Bruder«, fuhr Schulderoff fort, »ich wäre selbst imstande gewesen, sie zu lieben, hätte ich nicht deine frühern Rechts gewußt und mich daher bescheiden zurückgezogen.«

»Auf Ehre, ich hätte es ihr wohl gönnen mögen«, antwortete der großmütige Liebhaber, »wenn man so einen Winter allein zubringen soll, ist es für ein junges, warmes Blut immer fatal, wenn es sich nicht Luft machen soll. Einen braven Kerl, wie du bist, hätte ich ihr zum Intermezzo wohl gewünscht, wäre mir lieber gewesen, als hören zu müssen, daß mir so ein fremder Gelbschnabel ins Nest habe sitzen wollen.«

Das Herzblut fing dem Grafen an zu kochen. In solchen Ausdrücken von einem Mädchen reden zu hören, das er liebte und ehrte – es war beinahe nicht zu ertragen, doch hielt er an sich, denn er wußte, wie schlimm es ist, in einem fremden Lande ohne ganz gegründete Ursache Händel anzufangen.

»Hattest du bange?« lachten die Reiter den Rittmeister an.

»Nicht im geringsten«, replizierte dieser; »ich kenne mein Täubchen zu gut, als daß ich hätte eifersüchtig werden sollen; wenn auch zehn solcher Wichte ins Nest gesessen wären, sie hätte sich doch von keinem andern schnäbeln lassen, als von ihrem Hähnchen.«

Allgemeines Gelächter applaudierte den schlechten Witz. Der Graf – es war ihm kaum mehr möglich, anzuhalten; er sah voraus, es werde so kommen, daß ihm nur zwei Wege offenstehen würden, entweder sich zu entfernen oder loszubrechen.


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