Wilhelm Hauff
Der Mann im Mond
Wilhelm Hauff

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Fortsetzung der Freier

Sie wurden von Emil unterbrochen, der in stürmischer Eile Ladenstein zum Präsidenten hinabrief. Dieser ging und ließ die beiden allein. Emil sagte seinem Mädchen, daß der Papa durchaus nicht abgeneigt scheine, nur habe er bange, was der Hof dazu sagen werde; er für seinen Teil könne diese Bedenklichkeiten nicht begreifen, denn offenbar gehe es den Hof nicht im mindesten etwas an, wen er heiraten wolle. Ida konnte wohl ahnen, was ihr Vater unter diesen Bedenklichkeiten wegen des Hofes verstand, aber sie scheute sich, den Geliebten darüber zu belehren. Es wäre aber auch Sünde gewesen, ihn in seinem Glück zu stören; er saß so selig neben dem bräutlichen Mädchen, er war so trunken von Wonne und Glück, daß er nichts anderes mehr zu hören und zu denken schien, als sie.

Man konnte aber auch nichts Holderes, Lieblicheres sehen als das Mädchen. Ihr Auge glänzte voll Liebe und Seligkeit, auf den Wangen lag das heilige Frührot der bräutlichen Scham, um den Mund spielte ein reizendes Lächeln, das bald Verlegenheit über den ihr so ungewohnten Stand einer Braut, bald Wonne und Freude verriet.

»Mein holdes, einziges, mein bräutliches Mädchen«, rief der glückliche Martiniz, nachdem er sie lange mit seinen trunkenen Blicken angeschaut hatte; »Mein lieber, guter Emil«, lispelte sie und sank in seine Arme, und barg ihr tief errötendes Köpfchen an seiner Brust. Aber obgleich es ihm Freude machte, das Engelskind so an sein treues Herz geschmiegt zu sehen, das schöne Haar mit seinen Ringellöckchen zu betrachten, und in den herrlich gewölbten Nacken, so rein und weiß, so glänzend wie aus Wachs geformt niederzubücken, so machte ihm doch die Kehrseite mehr Freude. Er faßte das Engelsköpfchen an dem sanften Kinn und hob es aufwärts, wie mild, wie treu blickten ihn diese Augen an, wie würzig wölbten sich die Purpurlippen ihm entgegen. Er schlang den Arm um den schlanken Leib, er preßte sie an sich, und sog in langen, langen Küssen das süßeste Leben in sich ein.

Nein, wahrhaftig, so sonderbar war ihr in ihrem ganzen Leben nicht zumut gewesen, wie in diesen Augenblicken; es prickelte und zuckte ihr durch alle Nerven, durch alle Glieder und Gliedchen, bis hinaus in die Fingerspitzen, bis hinab in den großen Zehen; es war ihr so wohl, so wonnig zumut, als sollte sie, aufgelöst in innige Liebe vergehen. Sie wollte ihn ansehen, und hatte doch das Herz nicht dazu, sie wollte sich schämen, und schalt sich wieder aus über die Torheit, denn es war ja ihr Bräutig–; nein, das fiel ihr eben siedendheiß ein, es war noch nicht ihr Bräutigam, Papa hatte ihm seine Einwilligung noch nicht zugesagt – es schickte sich doch nicht so recht, sie wand sich verschämt aus seinen Armen, und wollte eben sagen, daß er doch ein wenig einhalten –

Da ging die Türe auf, und mit freudestrahlendem Gesicht, den lächelnden Präsidenten an der Hand, schritt Ladenstein herein. »Ich gratuliere«, rief er, »der Herr Papa willigt ein.« Ida flog an den Hals ihres Vaters; sie weinte, sie lachte in einem Atem, sie streichelte seine Wangen und küßte ihn, und war ein so munteres, wohliges Kind, als habe er ihr eine hübsche Puppe zum Weihnachten oder als Geburtstagsangebinde geschenkt.

Auch Emil war aufgestanden und zum Präsidenten getreten; er fragte ihn voll Freude, ob es ihm erlaubt sei, ihn Vater zu nennen?

Der Präsident lächelte und zeigte auf Ladenstein, »Nach dem, was Seine Exzellenz ihr Herr O–« ein Wink des alten Herrn machte, daß er sich schnell korrigierte – »was Herr von Ladenstein mir sagte, ist durchaus kein Zweifel mehr in mir, der dieser Verbindung entgegen wäre.«

Die Glücklichen sanken sich in die Arme, sie umarmten sich, den Vater, den guten Ladenstein, ja es schien fast, als möchten sie noch mehr Zeugen ihres Glückes. Und nun ging es an ein Akkordieren wegen der Hochzeit, der Graf wollte lieber heut als morgen, und hätte gern sein liebes Bräutchen nur so im Hauskleidchen wie sie da stand, ins Münster geführt; aber dagegen sträubte sie sich selbst; sie sah gar zu naiv aus, als sie so ernsthaft sagte: »Nein, wenn es einmal sein muß, so muß es auch recht sein. Im Hausüberröckchen traut man kein reputierliches Fräulein.« Der Präsident stimmte bei, er sagte, »Sie haben ja noch gar nichts, wo sie nur ihr Haupt hinlegen könnten, keine Wohnung, keinen Stuhl, kein Bette!«

Aber dagegen protestierte wieder Ladenstein feierlich: »Ein Vierteljahr ist viel zu lang, und was den Ort betrifft, wo sie ihr Haupt hinlegen könnten, da habe ich ein so anständiges Plätzchen ausersehen, wie man es nur wünschen kann. Da ist –« er zog eine große Schreibtafel hervor, nahm mehrere Papiere heraus und entfaltete sie –, »da ist ein gerichtlich ausgefertigter Kaufbrief, von Schloß und Herrschaft Groß-Lanzau drei Viertelstunden von hier, angekauft für den Herrn Grafen Emil von Martiniz, wenn Sie ihn kennen, und ihm von seinem Oheim zur Morgengabe übermacht, kann heute schon bezogen werden, wenn es ihm gefällig ist.« –

Die drei machten große Augen; Emil stürzte dem alten Herrn an den Hals, »Mein teurer, väterlicher –«

»Still, still, ist schon gut«, unterbrach ihn der alte Herr, indem er ihm die Hand auf den Mund legte, »bedenke dein Versprechen; ich habe hier nur den Geschäftsträger gemacht, danke deinem Oncle, wenn er einmal da ist!« »Ach wo ist er denn, der gute Oncle«, rief Ida, »daß ich ihm danken kann für seine unendliche Güte!«

»Wird auch kommen zu seiner Zeit«, antwortete Ladenstein, indem ihm eine Träne der Rührung im Auge blinkte, »er wird schon kommen und eine Freude an seinem holden Töchterchen haben, einstweilen soll ich Idchen in seinem Namen küssen.« Er gab ihr einen recht väterlichen Kuß auf die schöne Stirne.

Der Präsident hatte indessen die Papiere durchgesehen, je länger er las desto größer und staunender wurden seine Augen; ehrfurchtsvoll faltete er die Papiere zusammen und sagte: »Nein das ist zu arg, das ist zuviel, bedenket Kinderchen, nicht nur das herrliche Groß-Lanzau mit dem schönen neuen Schloß ganz durch und durch elegant ausmeubliert, mit Stallung und Pferden, mit Scheunen und Knechten, mit Wäldern und Feldern, weiß Gott seine zweimalhunderttausend Taler unter Brüdern wert, nein bedenkt auch noch –«

»Still alter Herr«, unterbrach ihn Ladenstein, »macht kein solches Wesen von dem Zeug; ihr wißt, der alte Martiniz kann es geben und gibt es gern. Da ist auch noch etwas in den Papieren für das liebe Bräutchen, nämlich ein kleines Schlößchen, hart am Fluß ein Stündchen von hier, man hat mir gesagt, daß Idchen immer gerne an jenem Plätzchen gewesen sei, und deswegen hat es der Herr Oncle seiner lieben Nichte erb- und eigentümlich zum Brautgeschenk übermacht. –«

Voll freudigen Schreckens schlug das Mädchen die Hände zusammen, »Doch nicht mein liebes Blauenstein?« – rief sie.

»Eben dasselbe«, antwortete Ladenstein, und überreichte ihr die Schenkungsakte.

Sie konnte es nicht fassen, sie tanzte mit dem großen Brief im Zimmer umher wie närrisch und rief immer, »Mein Blauenstein, mein liebes herziges Blauenstein!« daß die drei unwillkürlich über die possierliche Freude des Mädchens lachen mußten.

Es ist aber auch wahr, man kann nichts Schöneres sehen als dieses Blauenstein. Ein allerliebstes Schlößchen, mit fünf bis sechs elegant eingerichteten Zimmern und einem Salon, auf drei Seiten von einem schönen Wald umgeben und die vierte Seite, die Façade des Schlößchens gegen den schönen Fluß geöffnet, und eine paradiesische Aussicht hinüber in Täler und Berge – und dieses lauschige, liebliche Plätzchen ihr ganz eigen, ihr, dem fröhlichen Bräutchen, und dort zu wohnen als Frauchen mit ihrem Emil – gewiß ein solcher Gedanke hätte manche andere tanzen gemacht!

Und jetzt hatte der Präsident auch nicht das geringste mehr einzuwenden, und die Hochzeit wurde vor den Ohren des errötenden Mädchens auf die nächste Woche festgesetzt. Heute abend aber wollte Papa Präsident große Gesellschaft geben, und dort das junge Paar als Braut und Bräutigam präsentieren.


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