Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Nach Bredow.
1.
Antonius, welcher die Leibwache des Cäsar befehligte, stellte die Ordnung wieder her. Der Senat haßte und fürchtete ihn, war aber zu ohnmächtig, ihn zu stürzen. Auf die Soldaten kam Alles an, und diese hingen an ihm, weil er ein Freund Cäsar's war. So setzte es Antonius durch, daß ihm die Provinz Gallien überwiesen wurde; dort wollte er, dem Cäsar gleich, sich ein Heer sammeln.
Unterdessen war ein Neffe Cäsar's, der junge Cäsar Oktavianus, aus Kleinasien, wo er eben studirte, herbeigeeilt, und machte Ansprüche auf das Erbe seines Oheims. Er war kein tapferer Kriegsmann, wie Antonius, aber sehr gewandt und schlau. Den Plan des Antonius durchschauete er sogleich, und er beschloß, ihn zu vereiteln. Vor Allem mußte er sich in die Gunst des Volkes setzen; darum verkaufte er alle seine Landgüter und gab Festspiele zu Ehren Cäsar's; auch die Bildsäule seines Oheims stellte er in einem Tempel auf, und mit den alten Soldaten war er sehr freundlich. So gewann er einen Anhang, der sich mit jedem Tage vergrößerte, und selbst der Senat neigte sich zu ihm, um ein Gegengewicht gegen den Antonius zu haben.
Jetzt trat Cicero auf, ein Mann von außerordentlicher Rednergabe, der römische Demosthenes genannt, und donnerte gegen den Antonius, als den gefährlichsten Feind des Vaterlandes. Er suchte den noch vorhandenen Freiheitssinn zu entflammen und brachte es auch dahin, daß der Krieg gegen Antonius beschlossen wurde. Oktavianus begleitete die Konsuln, die mit einem Heere nach Oberitalien zogen, dem Antonius entgegen. Bei Mutina kam es zur Schlacht, in welcher die Konsuln siegten, aber auch beide ihr Leben verloren. Nun stand Oktavianus an der Spitze des Heeres. Aber anstatt den Sieg zu verfolgen, verbündete er sich mit Antonius und dessen treuem Anhänger Lepidus, und stiftete mit ihnen ein zweites Triumvirat, worin sich die Drei in die Herrschaft über das römische Reich theilten.
Die Triumvirn zogen auf Rom los, das, auf das Höchste überrascht, nun wieder traurige Zeiten erlebte. Alle Feinde des Cäsar und Freunde der Freiheit wurden in die Acht erklärt; auf jeden Kopf eines Vornehmen wurde ein Preis von 5000 Thalern gesetzt; sämmtliche abgehauenen Köpfe wurden auf der Rednerbühne des Forums ausgestellt. Oktavianus, der gern den Cicero gerettet hätte, mußte dem erzürnten Antonius auch das Leben dieses berühmten Mannes preisgeben. Der Unglückliche war bei Zeiten aus Rom entflohen, aber die Mörder holten ihn ein, hieben ihm den Kopf und die rechte Hand ab, und wurden dafür vom Antonius königlich belohnt. Seine Gemahlin, die böse Fulvia, durchstach noch die Zunge des Redners mit glühenden Nadeln.
2.
Alle Freiheitsfreunde waren nach Macedonien geflüchtet, wo Brutus und Kassius ein Heer sammelten. Die Triumvirn zogen mit ihren Kriegsschaaren ihnen nach und bei Philippi kam es zur Schlacht, in welcher die Republikaner auf's Haupt geschlagen wurden. Brutus, voller Verzweiflung, stürzte sich in sein eigenes Schwert. Antonius betrachtete den Leichnam mit Rührung und Bewunderung; Oktavianus ließ ihm den Kopf abschneiden und in Rom aufstecken. Antonius aber verbrannte den übrigen Leichnam und sandte die Asche der Mutter des Brutus.
Jetzt, da die Sieger keinen Feind mehr zu fürchten hatten, theilten sie die Provinzen des großen römischen Reichs; Lepidus, der weder besonders tapfer, noch klug war, erhielt blos die Provinz Afrika, Antonius wählte Asien, Oktavianus Italien. Doch die Freundschaft der Dreimänner dauerte nicht lange; denn Oktavianus machte heimlich Pläne, die ganze Oberherrschaft an sich zu reißen. Unterdessen schwelgte Antonius in Asien ohne Maß und Ziel. In die Stadt Ephesus zog er als Gott Bacchus verkleidet ein; die Bürger und ihre Frauen und Töchter kamen ihm als Diener und Dienerinnen des Bacchus mit Weinschläuchen und Stäben, um die sich Weinlaub rankte, entgegen; sein Aufenthalt dort war ein immerwährendes Trinkgelage.
In Aegypten regierte Kleopatra, die durch Cäsar zur Königin erhoben war. Sie war eine schöne und geistreiche, aber auch eine eitle und herrschsüchtige Frau, die darauf ausging, wo möglich Königin Roms zu werden. Erst hatte sie es mit dem Cäsar gehalten; sobald dieser ermordet war, hielt sie es mit den Mördern des Cäsar; und als diese geschlagen waren, suchte sie den Sieger Antonius durch ihre Reize zu gewinnen. Antonius forderte sie vor sich, um sie zur Verantwortung zu ziehen, daß sie seine Feinde unterstützt hatte. Sie kam aus einem prächtigen Fahrzeuge mit silbernen Rudern, purpurnen Segeln und reichen Vergoldungen. Eine liebliche Musik begleitete den Takt der Ruder, und eine Menge schöner Knaben und Mädchen, als Liebesgötter gekleidet, folgten aus Kähnen neben ihr, die in der Gestalt der Venus, der Göttin des Liebreizes und der Anmuth, vor Allen hervorstrahlte. Sie war damals 25 Jahre alt, und hatte durch einen passenden Schmuck die Schönheit ihrer Gestalt noch zu erhöhen gewußt. Als die Umstehenden sie erblickten, riefen Alle jubelnd: »Venus kehrt beim Bacchus ein!« Die schlaue Frau verfehlte ihren Zweck nicht. Mit Witz und Scherz, mit ihrem feinen Verstand und Geschmack, und mit tausend angenehmen Gaukeleien nahm sie den entzückten Feldherrn so ein, daß er von diesem Tage an für nichts Anderes mehr Sinn hatte, als für Kleopatra. Schmausereien und Lustbarkeiten waren das Hauptgeschäft des Tages, und Einer suchte den Andern in Anordnung derselben zu übertreffen. Einmal wetteten sie, wer von Beiden die kostbarste Mahlzeit geben würde. Antonius ließ die theuersten Leckerbissen anschaffen; die Königin dagegen bewirthete ihn ganz einfach, zum Schluß der Mahlzeit aber gab sie einen Becher mit wenig Flüssigkeit, die nach unserem Gelde eine Million Gulden kostete; es war nämlich eine Perle in Essig aufgelöst, die ihrer seltenen Größe wegen diesen Werth gehabt hatte.
Einmal kam ein Fremder in Antonius' Küche und sah acht wilde Schweine an Spießen braten. Er erstaunte und meinte, es sei wohl große Gesellschaft heute. Ach nein! sagte der Koch, es sind nur zwölf Gäste; allein unter diesen Schweinen ist immer eins später aufgesteckt, als das andere, damit wir gerade in dem Augenblicke, wenn unser Herr befiehlt, das aussuchen können, welches den höchsten Wohlgeschmack hat. – Antonius und Kleopatra belustigten sich zuweilen mit Angeln. Antonius fing selten Etwas und ward dafür ausgelacht. Er befahl aber heimlich einem geübten Schwimmer, unvermerkt unterzutauchen und einen schon gefangenen Fisch an seine Angel zu stecken. Dies geschah, und Antonius fing mit jedem Zuge die schönsten Fische. Kleopatra, welche den Betrug merkte, befahl indeß ihrem besten Taucher, jenem Schwimmer zuvorzukommen. Antonius warf die Angel aus, und zugleich fühlte er ein schweres Gewicht an seiner Schnur; er zog es mit Mühe herauf und siehe! es war ein großer eingesalzener Fisch aus einem entfernten Meere. Alle lachten; Antonius erröthete vor Beschämung; Kleopatra aber wußte den Spaß trefflich zu wenden: »Ueberlaß uns kleinen Fürsten, Fische zu angeln; du, Feldherr, fange Länder, Könige und Völker!«
3.
Indeß hatte Antonius in Rom eine Gemahlin zurückgelassen, Fulvia mit Namen, die sehr unzufrieden darüber war, daß ihr Mann in Aegypten bei der Kleopatra lebte. Sie fing Unruhen in Italien an, reizte den Oktavianus gegen Antonius, um diesen zur Rückkehr zu zwingen. Er kam; da aber Fulvia starb, wußte Antonius den Oktavianus zu besänftigen, sie versöhnten sich wieder, und nach dem Wunsche des Volks, das der neuen Eintracht lange Dauer wünschte, heirathete Antonius die Stiefschwester des Oktavianus, die schöne und tugendhafte Oktavia. Das ganze Reich nahm Theil an der Freude Roms und Jeder sah einer ruhigen Zukunft entgegen.
Wirklich schien auch die Sanftmuth und Güte der Oktavia den Antonius von seinem ausschweifenden Leben zurückzubringen. Sie war jung und schön, er lebte mit ihr in vergnügter Häuslichkeit und widmete sich wieder ernsten Geschäften. Doch bald entspannen sich wieder neue Streitigkeiten mit Oktavianus, welcher dem Lepidus alle Truppen abspenstig gemacht und den unfähigen Anführer in einen kleinen Ort verbannt hatte, so daß ihm bloß noch Antonius im Wege stand. Dieser, welcher mit seiner jungen Gemahlin in Griechenland lebte, schiffte sich mit einem Heere nach Italien ein. Als er hier gelandet war, bat ihn die sanfte Oktavia, er möchte sie, ehe die Feindseligkeiten anfingen, voran zu ihrem Bruder schicken. Oktavianus stand bereits gerüstet an der Spitze eines zahlreichen Heeres; doch seine Schwester versöhnte wieder Bruder und Gemahl. Eine große Zahl der Soldaten aus beiden Heeren, die als Feinde gekommen waren, eilten jetzt zu einander und umarmten sich als Freunde, und die beiden neu versöhnten Feldherren gaben sich gegenseitig prächtige Gastmähler. Darauf ging Antonius wieder nach Asien zurück, Oktavia aber reiste mit ihrem Bruder nach Rom, um ihres Gemahls Andenken in Liebe hier zu erhalten.
Doch er war der treuen Liebe nicht werth. Kaum war er in Asien, so fing er sein ausschweifendes Leben mit der Kleopatra wieder an und dachte nicht mehr an seine treffliche Gattin. Sie duldete dies lange Zeit, bis sie sah, daß ihm in Rom neue Gefahr drohe, während er unbekümmert fortschwelgte. Nun machte sich Oktavia auf, ihn zu besuchen. Er aber schrieb ihr, sie möchte nur in Athen bleiben, er habe gerade jetzt einen Feldzug gegen die Parther beschlossen. Sie blieb mit ihren Kindern in Athen, und obgleich ihr Bruder sie zu bereden suchte, sie möchte den Schimpf nicht dulden und sich öffentlich in Rom über Antonius beschweren, so blieb sie dennoch ihrem Manne ergeben. »Wenn du mich nicht sehen willst,« schrieb sie an ihn, »so melde mir wenigstens, wohin ich das Geld und die Truppen und die Kleidungsstücke schicken soll, die ich für dich mitgebracht habe, um dich zu überraschen!« Dies rührte den Antonius, doch sobald das Kleopatra merkte, bot sie alle ihre Künste auf, um ihn zu umstricken; sie stellte sich krank, zeigte sich immer mit verweinten Augen und ihre Kammerfrauen mußten dem Antonius versichern, daß sie gewiß sterben werde, wenn er seine Liebe von ihr wende und zu Oktavia zurückkehre, die ja doch nur aus schlauer Berechnung des Oktavianus sein Weib geworden sei! So ward ihm selbst Argwohn gegen die edelste Frau eingeflößt; er vergaß ihrer nach und nach ganz und jede gute Regung seines Herzens ward in dem unaufhörlichen Taumel von Vergnügungen erstickt, in welchem ihn die ägyptische Königin zu erhalten wußte. Endlich machte er sogar die beiden Söhne, die ihm Kleopatra geboren hatte, zu Königen und schenkte ihnen im Voraus die Provinzen Syrien und Sicilien. Hierdurch reizte er den Unwillen des römischen Volkes auf's Aeußerste. Sobald Oktavianus das merkte, klagte er den Antonius öffentlich an; dieser ward für einen Feind des Vaterlandes erklärt und der Kleopatra wurde der Krieg angekündigt. Mit Freuden gab sie zu dem Kriege Geld und Schiffe her, sie ging dem Antonius nicht von der Seite und vermochte ihn sogar, daß er seine edle Gemahlin in Rom aus seinem Hause weisen ließ. Oktavia ging mit Thränen; ihre Kinder nahm sie alle mit, und als Antonius und Kleopatra gestorben waren, nahm sie auch deren Kinder zu sich und erzog sie alle zu tugendhaften und achtungswerthen Menschen.
4.
Antonius und Kleopatra zogen mit ihrer Flotte dem Oktavianus entgegen; bei Aktium im Adriatischen Meere kam es (31 v. Chr.) zu einer Seeschlacht. Die Soldaten des Antonius fochten, trotz ihrer schwerfälligen Schiffe, mit gewohnter Tapferkeit, als mitten im Gefecht, da noch Nichts entschieden war, Kleopatra ihren Schiffen Befehl gab, nach Hause zu fliehen. Antonius folgte ihr auf dem Fuße nach; die braven Soldaten, die in der Hitze des Kampfes den Feldherrn nicht sogleich vermißten, fochten tapfer bis an den Abend, da endlich ergaben sie sich dem Oktavianus. Die Landarmee, welche die verlorene Seeschlacht durch einen Sieg zu Lande wieder gut machen konnte, wartete mit Sehnsucht auf Antonius; da er aber nach sieben Tagen nicht erschien, ging Alles zum Oktavianus über. Dieser folgte den Geflohenen nach Aegypten. Kleopatra, die treulose, hätte nun gewiß gern den Antonius verrathen, wenn sie nicht von Oktavianus sehr kalt und stolz behandelt worden wäre. So wurde sie gezwungen, sich zu stellen, als ob sie es noch immer mit Antonius hielte. Antonius wollte noch einmal das Kriegsglück versuchen; er stellte seine Truppen zur Schlacht, aber mit Schrecken sah er, daß eine Truppe nach der andern, wahrscheinlich auf Kleopatra's Befehl, zum Feinde überging. Verlassen eilte er nach dem Schlosse der Königin. Auch sie verbarg sich vor ihm, verschloß sich in ein Grabgewölbe und ließ dem Antonius sagen, sie sei gestorben. Diese Nachricht brachte ihn zur Verzweiflung; er stieß sich den Degen durch den Leib, allein die Wunde war nicht tödtlich und er quälte sich lange zwischen Leben und Sterben. Da sagte man ihm, Kleopatra lebe noch. Er bat, daß man ihn zu ihr bringen möchte. Man that es und nach langen Zuckungen starb er zu ihren Füßen.
Oktavianus zog als Sieger in die Hauptstadt Aegyptens, Alexandrien, ein, er ließ den Antonius prächtig begraben und stellte sich gar freundlich gegen Kleopatra, daß sie seine Absicht nicht merken sollte; denn er hatte vor, sie an seinem Triumphwagen gefesselt in Rom mit auszuführen. Doch sie errieth seine Gedanken und kam ihm durch schnellen Selbstmord zuvor; man sagte, sie habe ein paar giftige Schlangen sich in die Brust beißen lassen. Darauf sandte sie einen Brief an Oktavianus, worin sie ihn bat, daß er sie bei Antonius begraben lassen möchte. Er hielt dies für eine List, schickte sogleich Leute auf ihr Zimmer, aber diese fanden sie bereits tobt in ihrem königlichen Schmucke auf dem Ruhebett liegend.
5.
Aegypten war nun eine Beute des Siegers und ihm gehorchte fast der ganze bekannte Erdkreis. An dem Titel »König« lag ihm nichts; es war ihm der Name »Imperator«, erster und einziger Feldherr aller Heere, genug; das Volk gab ihm aber den schmeichelhaften Beinamen »Augustus«, der Erhabene, Ehrwürdige. Er war ein Enkel der Schwester des ermordeten Cäsar, welcher ihn an Kindesstatt angenommen hatte, und da auch seine nächsten Nachfolger zu dieser Familie gehörten, wurde der Name »Cäsar« (woraus unser Kaiser entstanden ist) die Bezeichnung für das oberste Haupt des Staates. Augustus war klug genug, dem Volke den Schein der Republik zu lassen, er ließ wieder Konsuln wählen, übertrug dem Senate mancherlei Geschäfte, ja sogar Volkstribunen wurden noch vom Volke erwählt. Aber die Wahl fiel natürlich immer auf Solche, welche dem Imperator ergeben waren, und der Senat mußte zu Allem »ja« sagen. Augustus regierte unumschränkt, aber doch waren die meisten Bürger froh, daß endlich wieder Ruhe und Ordnung im Reiche herrschte, denn sie sahen, daß für Rom keine andere Rettung sei, als in dem kräftigen Regiment Eines Mannes. Augustus stellte sich zuweilen, als wollte er die Herrschaft niederlegen; dann bat ihn das Volk dringend, er möchte doch die Obergewalt wieder übernehmen. Allmählich änderte sich die Republik um in eine Monarchie (Alleinherrschaft); die Heere wurden stehend, die Beamten erhielten feste Besoldungen und wurden so an die bestehende Regierung gebunden. Augustus vereinigte endlich die wichtigsten Stellen des Staates in seiner eigenen Person und seine Unterthanen waren es zufrieden.
6.
Doch die Macht hilft nicht immer zum Glücklichsein. Augustus, der dem gewaltigen römischen Reiche vom Tajo bis zum Euphrat, von den Sandwüsten Afrika's bis zur Themse im nördlichen Britannien gebot, konnte sich keine Ruhe in seinem eigenen Hause gewinnen. Er hatte zu seiner dritten Gemahlin eine sehr böse Frau, die Livia, genommen. Diese sah es mit Eifersucht, daß Augustus eine Tochter aus voriger Ehe, die Julia, sehr lieb hatte, und noch mehr erbittert ward sie, als der Gemahl der Julia, der treffliche Marcellus, von den Bürgern Roms allgemein geehrt und geliebt und ihren beiden Söhnen, dem Tiberius und Drusus, vorgezogen wurde. Sie war so boshaft, daß sie dem Marcellus Gift beibringen ließ. Nun hoffte sie, ihren Liebling Tiberius, einen kühnen, aber heimtückischen Menschen, dem Herzen des Kaisers allmählich näher zu bringen. Aber Augustus, der den Tiberius nicht leiden konnte, erklärte nach einigen Jahren zwei Söhne seiner Tochter Julia für seine Nachfolger, zog auch den Drusus immer noch dem Tiberius vor. Dies erbitterte die Livia auf's Aeußerste, und da Giftmischerei gleichsam ihr Gewerbe war, so schaffte sie nicht bloß ihres Mannes Enkel, sondern auch ihren eigenen Sohn Drusus aus dem Leben. Augustus war ganz untröstlich bei dem Tode seiner Enkel und hing nun mit doppelter Liebe an seiner Julia. Auch dies konnte die Grausame nicht ertragen, sie klagte die Julia eines ausschweifenden Lebens an und da sie durch Zeugen überführt ward, mußte sie der Kaiser aus Rom verbannen. So brachte es die Livia dahin, daß Augustus den Tiberius zu seinem Nachfolger erklärte. Bald darauf, als Tiberius einen Kriegszug unternehmen wollte, begleitete ihn der alte Kaiser bis nach Neapel, wohnte hier den Schauspielen bei, die man zu seinem Geburtstage gab, und war sehr heiter. Auf einer nahen Insel lebte der jüngste Sohn seiner geliebten Tochter Julia als unschuldig Verbannter. Seine Liebe zu dem Jünglinge erwachte; doch wagte der schwache Greis es nicht, der Livia seinen Wunsch zu äußern. Heimlich schiffte er hinüber und Großvater und Enkel sahen sich wieder. Doch die auflauernde Gemahlin des Augustus erfuhr es; sie fürchtete von dieser Zusammenkunft alles Böse für sich und ihren Liebling. Plötzlich hieß es, Augustus sei krank. Keiner ward zu ihm gelassen, nur Livia war bei ihm und die ließ schnell ihren Sohn Tiberius rufen. Als er gekommen, ward bekannt gemacht, Augustus sei todt, und Tiberius wurde zum Kaiser ausgerufen.
Vierundvierzig Jahre hatte Augustus das Weltreich mit Umsicht und Mäßigung regiert; kurz vor seinem Tode soll er die um sein Bett stehenden Freunde gefragt haben: »Habe ich meine Rolle gut gespielt? Nun so klatschet Beifall, denn die Komödie ist zu Ende!«
Rückblick auf die Kultur der Römer.
In der ältesten Zeit war der Römer, wie jeder andere Natursohn, mit den Verfeinerungen des Lebens noch ganz unbekannt. Zuerst waren seine Häuser und Tempel bloße Lehmhütten; dann bauete man von Stein, aber Marmor ward erst zu Sulla's Zeiten angewandt. Die Kleidung war eine Art Hemde ohne Aermel, bis auf die Kniee reichend, von Wollstoff (Tunika), und darüber eine Art Mantel (Toga), der bloß aus einem viereckigen Stück Tuch bestand; Arme und Beine blieben nackt. Das Bett war ein Strohlager. Die Speisen bestanden lange Zeit in einem einfachen Mehlbrei und in Mehlklößen; erst nach Beendigung der punischen Kriege bekamen die Römer Bäcker. Das Abendessen war die Hauptmahlzeit, die aus Honig, Bohnen, Früchten, Fleisch und Oel bestand; Wein mit Wasser vermischt wurde auch nur Abends getrunken. Das Mittagsmahl war ein leichtes Frühstück, das um 11 oder 12 Uhr genommen wurde.
Mit Künsten und Wissenschaften war man anfangs so unbekannt, daß man unter Numa den Tag noch nicht in seine Stunden einzutheilen verstand. Die Münze war bis auf die punischen Kriege Kupfermünze, anfangs ohne Gepräge. Am Ende des zweiten punischen Krieges kamen Goldmünzen auf, und es war darauf das Bild eines Thieres, eines Schafs oder Ochsen ( pecus-pecunia) geprägt. Cäsar vertauschte diese Schafs- oder Ochsenköpfe mit seinem Brustbilde.
Der Ackerbau war die Hauptbeschäftigung, und selbst Konsuln schämten sich nicht, hinter dem Pfluge herzugehen und ihr kleines Erbgut zu bestellen, von welchem sie ausschließlich lebten. Von anderen Gewerben wußte man wenig. Die Sklaven, welche nachmals Feldbau und Künste treiben mußten, brauchte man anfangs gar nicht für den Ackerbau.
Jeder Hausvater war König in seinem Hause. Noch in späteren Zeiten hatte er volle Gewalt über das Leben seines Sohnes, so lange er ihn noch nicht völlig freigesprochen hatte. Er konnte seine Kinder tödten oder zu Sklaven verkaufen, ohne daß ihn Jemand darüber belangen durfte. Auch den Schuldner, der nicht bezahlen konnte, durften die Gläubiger tödten oder als Sklaven verkaufen.
Die strengste Sitteneinfalt war noch nach einem halben Jahrtausend so groß, daß es für etwas Außergewöhnliches galt, als man dem Seehelden Duilius erlaubte, er dürfe mit einer Fackel sich nach Hause geleiten lassen. So lange diese Sitteneinfalt blieb, blieb auch des Römers unwiderstehliche Kraft und Festigkeit, durch welche er die Welt besiegt hatte. Freilich stand er in Künsten und Wissenschaften weit hinter dem Griechen zurück. Zwar plünderten die Römer Asiens Schätze und kauften Griechenlands Kunstwerke und Gemälde zu ungeheuren Summen, aber nur aus Prachtliebe, nicht aus Kunstsinn. Ein köstliches, in Korinth erbeutetes Gemälde brauchten die Soldaten als Würfeltisch, und als ein asiatischer König 30,000 Thaler dafür bot, gab es Mummius nicht her, weil er glaubte, es sei eine Zauberkraft darin verborgen.
Schauspiele auf öffentlicher Bühne wurden schon drittehalbhundert Jahre vor Christo gegeben, allein der blutgierige Sinn des Volkes fand mehr Gefallen an den Fechterspielen, die ihren ersten Grund Wohl in dem Gebrauche haben mochten, am Grabe der Vornehmen Sklaven und Gefangene hinzurichten. In Rom kam man auf den Einfall, diese Unglücklichen sich selbst hinrichten zu lassen, woraus dann die Fechterspiele entstanden, welche zuletzt so furchtbar wurden, daß zuweilen Tausende auf dem Platze blieben. Die jungen Gladiatoren wurden oft mit Peitschenhieben und glühenden Eisen gegen ihre überlegenen Gegner getrieben. Auch mußten Menschen mit reißenden Thieren kämpfen, und je mehr Blut floß, je mehr Todesseufzer stöhnten, desto größer war das Entzücken der Zuschauer.
Mit den von fremden Völkern gewonnenen Reichthümern wuchs die Ueppigkeit, mit der Ueppigkeit alle Arten von Schändlichkeiten und Verbrechen. Der alte Kato eiferte schon 200 Jahre v. Chr. gegen den Aufwand, und meinte, daß ein Staat schwer zu retten sei, in dem ein Fisch mehr koste als ein Ochs. Mancher Seefisch wurde mit 200 bis 300 Thalern bezahlt.
Unzählige Schaaren von Sklaven, denen man zuletzt alle Arbeit überließ, die alle Wissenschaften, Künste und Gewerbe trieben, wurden gehalten; die Reichen hatten mehrere Tausend derselben, unter welchen die Geschicktesten zuweilen 5000, ja bis 10,000 Thaler gekostet hatten. Die Ungeschickten wurden aber so gering geachtet, daß Pollio, ein Freund Augusts, sie für begangene Fehler in Stücke zerhauen und die Fischteiche mit der angenehmen Mast versorgen ließ. Antonius hatte bloß für Maurer- und Zimmerarbeit 500 Sklaven.
Was war aus den anfänglich so einfachen Mittag- und Abendmahlzeiten geworden! Lukullus, ein reicher Feinschmecker, erhielt einst unerwarteten Besuch von Cäsar und Pompejus, und in aller Eile ward ein ländliches Abendessen veranstaltet, welches 10,000 Thaler kostete. Sulla hatte die Bürger Roms mehrere Tage lang mit den leckersten Gerichten und feinsten Weinen bewirthet, und wie Viel auch an jedem Tage übrig blieb, es wurde in die Tiber geworfen.
Der Schwiegersohn Sulla's, Markus Skaurus, ließ, nur um für einen Monat das Volk zu belustigen, ein Theater mit 80,000 Sitzen bauen, das auf schönen, mit Marmor bekleideten Säulen ruhete, mit 3000 kostbaren Statuen und Gemälden geschmückt war und Jahrhunderten hätte Trotz bieten können; es wurde aber nach dem Monate des Gebrauchs wieder abgebrochen. Kurio bauete zwei große Theater, die man durch Maschinen herumdrehen, auseinander und nebeneinander rücken konnte. Die Schaubühne und das Amphitheater waren in Rom wie in Griechenland offen, aber seit Cäsar wurden sie mit Purpurdecken überzogen zum Schutz vor den Sonnenstrahlen. Durch Wasserkünste ließ man, zur Erfrischung der Zuschauer, einen seinen Staubregen von Wein und Wasser sprühen.
In der Zeit des Prunkes waren die Tischsitten ganz den athenischen ähnlich; Schaaren von Schauspielern, Sängern und Tänzern mußten zur Unterhaltung dienen. Nur in den Leckereien und in der Kostbarkeit der Gerichte wurden die Griechen von den Römern übertroffen. Um Seefische unterhalten zu können, wurden eigens Kanäle gegraben, welche das salzige Meerwasser in die Fischteiche leiteten. Dem Römer Hirtius kostete die Unterhaltung seiner Seefische jährlich 400,000 Thaler. Auch für ausländische Vögel wurde viel verschwendet, man baute ihnen die schönsten Prachtgebäude. Schiffe und Karawanen führten damals nach Rom die Leckereien und Kostbarkeiten der fernsten Länder; Schaaren von Köchen und Lakaien wurden gehalten, alle prächtig gekleidet; wenn einer dieser Sklaven während des Aufwartens bei Tische nieste oder hustete, bekam er Peitschenhiebe.
Der Römer war von den ältesten Zeiten dem religiösen Aberglauben ergeben; in diesem Punkte bildete er seinen Geist nur langsam aus. Seine meisten Gottheiten waren von den Griechen entlehnt; Vieles in seinem Gottesdienste kam von den Etruskern. In den alten (sybillinischen) Büchern fand sich eine Weissagung, Griechen und Gallier würden Roms Boden einnehmen. Man ließ daher, auf Anrathen der Priester, von jeder Nation ein Paar in die Erde graben, damit so ohne Nachtheil für Rom die Weissagung erfüllt würde. Als die Römer (150 v. Chr.) gegen Perseus fochten, setzte sie eine Mondfinsterniß in Schrecken. Sie schlugen (ganz so wie die Südamerikaner) ihre metallnen Schilde gegen einander – wahrscheinlich um den Feind des Mondes zu verscheuchen –, hielten brennende Fackeln gen Himmel, und brachten nach Ablauf der Finsterniß noch große Opfer. Und wenn eine Stadt zerstört werden sollte, flehete im Stillen der Konsul die Schutzgötter derselben an, herauszugehen, Rom zu ihrem Sitze zu erwählen und den unterirdischen und bösen Göttern den Ort zu überlassen.
Man zählte zuletzt in Rom 424 Göttertempel, unter welchen das Pantheon (Tempel aller Götter) eine runde Gestalt hatte und sein Licht von oben her erhielt. Jupiters prächtiger Tempel auf dem Kapitol hatte dreifache Säulengänge. Die Prachtgebäude waren nach griechischen Mustern angelegt und oft noch großartiger als die griechischen. Die öffentlichen Badehäuser hatten Platz für mehrere Tausend, die auf Ein Mal baden konnten. Ausgezeichnet waren die großen Wasserleitungen und Heerstraßen. Jene führten das Wasser meilenweit her in alle Häuser, diese gingen von Rom aus in alle Gegenden und Provinzen und hatten Ruhebänke und Baumschatten. Die berühmteste dieser Straßen war die appische, die aus großen, selbst verkitteten Quadern gebaut war, und von der noch bis jetzt einzelne Theile der Zerstörung getrotzt, haben.
Einer der größten Plätze in Rom war der länglich runde Circus maximus, auf welchem die Kampfspiele gehalten wurden. Er hatte eine Länge von 3000 Fuß und faßte 250,000 Zuschauer. An dem einen Ende desselben standen drei Pyramiden, als Ziel für die Wettrenner.
Von den Palästen in Rom werden als ausgezeichnet und besonders prunkvoll genannt das Haus des Cicero, dessen Werth man auf 240,000 Thaler, und das Haus des Klodius, das man auf 800,000 Thaler schätzte. Vor allen aber prangte das Haus des Mäcenas, des Freundes und Rathgebers des Augustus, majestätisch und groß. Dieser reiche Mann beförderte auch die Künste und Wissenschaften, und die römische Dichtkunst feierte unter Augustus ihr goldenes Zeitalter. Da verfaßte Virgilius Maro sein Heldengedicht, die Aeneïde, worin er die Abenteuer des Aeneas nach der Zerstörung von Troja besang; Horatius Flakkus schrieb seine meisterhaften Lob- und Spottgedichte (Oden und Satyren) und Ovidius Naso seine Metamorphosen (Verwandlungen), worin die Göttersagen sehr anmuthig erzählt sind. Auch treffliche Geschichtsschreiber lebten um diese Zeit, ein Livius, Sallust, Kornelius Nepos, deren Werke aber nur unvollständig auf uns gekommen sind.
Diese Blüthe des geistigen Lebens war aber nur von kurzer Dauer, denn die ganze römische Herrschaft war bereits faul in ihrer Wurzel.
Das Christenthum.
Das Reich des mächtigen Cyrus in aller seiner Macht und Herrlichkeit zerfiel, als der große Held Alexander nach Asien zog; die schöne Blüthe des griechischen Staates verwelkte schon zu Philipp's und Alexander's Zeiten; das macedonische Weltreich, kaum gegründet, brach schnell wieder zusammen, und dem noch größeren und mächtigeren Römerreiche sollte es eben so ergehen. Die Menschen kämpften und stritten für ihre Ehre, zu des Vaterlandes Ruhm; aber das, wofür sie kämpften, war doch nur ein Irdisches, Vergängliches. Das Höchste, wonach der Mensch ringen soll, das, was ewig und unvergänglich ist, was kostbarer als Gold und Edelstein, das Reich Gottes, das alle Menschen ohne Ausnahme umfaßt, in welchem es weder Herren noch Sklaven gibt, wo der König gleich ist dem Bettler, in welchem die Liebe waltet und der Geist des Friedens, der keinen Krieg und kein Blutvergießen kennt – dieses Reich blieb dem Alterthum verborgen, darum waren die Menschen dahingegeben an ihres Herzens Lüste und Begierden, darum konnte alle griechische Weisheit und Kunst ihnen nichts helfen, darum wandelte das Volk in der Finsterniß und im Schatten des Todes. Die Vornehmen und Reichen schwelgten in Wohlleben oder in Ehre und Macht, aber sie fühlten doch das Richtige und konnten die Stimme ihres Gewissens, das nach Gott verlangte, nicht übertäuben; das Volk betete und opferte vor den Götzenbildern, aber es fühlte, daß diese Götter ihm nicht helfen konnten. Die Festauszüge und Opfer, die Wahrsagerei und Zeichendeuterei war den Priestern selbst zum Spott geworden; wenn sich zwei römische Auguren begegneten, mußten sie lachen. Einzelne Männer, wie Sokrates, mochten wohl eine Ahnung von dem wahren Christengott haben, aber ihre Lehre drang nicht in das Volk, denn es fehlte ihr die göttliche Kraft; solche Männer waren Lichtfunken, die schnell erloschen und die allgemeine Finsterniß dann nur um so bemerkbarer machten. Die Menschheit sehnte sich nach dem Heil, nach der Erlösung von der Sünde, nach reiner Gotteserkenntniß und nach reiner Gottesverehrung; wer konnte aber das Bessere bringen, wer anders als Gott selber? Er sandte seinen eingebornen Sohn, Jesus Christus, den Heiland der Welt, mitten in das verderbte Menschengeschlecht, und mit ihm kam eine neue Gotteskraft in die ermatteten Seelen. Von ihm, dem König aller Könige, ward ein Reich gestiftet, das bereits viel größer ist, als die Weltmonarchie eines Alexander oder Augustus, das schon länger gestanden hat, als alle Weltreiche der alten und neuen Zeit und das bestehen wird bis an den jüngsten Tag.
Und Gottes unendliche Weisheit sandte den Heiland zu einer Zeit, welche der Ausbreitung des Evangeliums großen Vorschub leistete.
Jesus Christus ward geboren, »als die Zeit erfüllet war,« unter dem Kaiser Augustus. Unter dessen Scepter waren die entlegensten, die rohesten und gebildetsten Völker mit einander in Verbindung gebracht; nach erschöpfenden Bürgerkriegen war endlich eine längere Ruhe gekommen; im ganzen Umfange des Reichs ward die griechische Sprache geredet und die Boten des Evangeliums konnten sich Allen verständlich machen. Es waren die Juden, durch ihre Religion und Hoffnung aus einen Erretter (Messias) am ersten für die neue Lehre empfänglich, schon früher durch alle Länder, des römischen Reiches zerstreut, und ihre Lehr- und Bethäuser (Synagogen) waren auch den Heiden geöffnet. So fand die neue Lehre einen guten Anhalt. Selbst die Verfolgungen mußten dazu dienen, die Herrlichkeit des Christenglaubens zu offenbaren, welcher das Himmelreich höher achtete als Ehre und Leben unter den Menschen. Als nun das römische Reich auseinander fiel wie ein morsches Gebäude, da kamen die germanischen Völkerstämme, rohe, kräftige, unverdorbene Söhne der Natur, und nahmen die frohe Botschaft von Jesu Christo auf in ihr Herz; und da fand der Same den rechten Boden, in welchem er zu einem herrlichen Baume erwachsen konnte. Davon soll der zweite Band unserer »Charakterbilder« ein Mehreres erzählen.