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III. Die Phönicier.

 

1.

Das älteste und berühmteste Handelsvolk im Alterthume waren die Phönicier. In dem ältesten uns erhaltenen Buche, dem ersten Buche Mosis, heißt Sidon, die Hauptstadt der Phönicier, der erstgeborne Sohn Kanaans. »Kanaan« nannten die Juden die ganze Küste des Mittelmeeres von Kleinasien bis Aegypten, und dieß hebräische Wort bedeutet »Land der Kaufleute.«

Das Ländchen war ein schmaler Küstenstrich, vom Mittelmeere bespült; seine Breite betrug kaum fünf Meilen, seine Länge 25 Meilen. Von dem übrigen Asien war es durch das hohe Gebirge des Libanon und Antilibanon geschieden. Der Boden war felsig und unfruchtbar und gestattete weder Viehzucht noch Ackerbau. So sahen sich die Phönicier hinausgedrängt auf das Meer, das ihre eigentliche Heimath und nährende Mutter wurde, und ihnen vorläufig seinen Reichthum an Fischen darbot.

Der Fischfang machte die Leute mit dem Meere und dessen Gefahren bekannt. Da ihnen gegenüber die große Insel Cyprus lag, so zimmerten sie Schiffe und wagten sich hinüber. Cypern war aber schon bevölkert, und als Fremde, die man für Feinde ansah, wollte man die Phönicier nicht landen lassen. Diese erzwangen mit List und Gewalt die Landung, fanden Manches, was ihnen fehlte, plünderten und schifften wieder zur heimischen Küste zurück. Die Schifffahrt weckt den Muth der Menschen, macht sie listig und erfinderisch. Die Phönicier wiederholten ihre Fahrten, und als sie bemerkten, daß die arglosen und unwissenden Inselbewohner auf kleine bunte Spielsachen großen Werth legten, brachten sie dergleichen mit und begannen einen Tauschhandel. Das Plündern ward aber nicht vergessen, und wenn sie konnten, führten die Phönicier auch Menschen mit sich fort, um sie anderwärts als Sklaven zu verkaufen. Bald wußten sie es dahin zu bringen, daß die Cyprier für sie arbeiteten; sie brachten ihnen dagegen, was sie hatten, und verhandelten die von ihnen gewonnenen Früchte und Arbeiten wieder in andere Gegenden. So wurden die Phönicier nach und nach Herren der Insel Cyprus. Mehrte sich nun zu sehr die Anzahl der Einwohner im eigenen Vaterlande, so ging ein Haufen nach Cypern hinüber und bauete sich dort an. Eine solche Ansiedlung im fremden Gebiet heißt eine Kolonie.

Die Kolonie auf Cypern gab wegen der reichhaltigen Kupferbergwerke der Insel guten Gewinn, und erweckte die Lust, noch mehrere Kolonien zu gründen. So segelten die Phönicier nach der ferner gelegenen Insel Kreta, dann um ganz Kleinasien herum bis nach der Meerenge der Dardanellen, welche Asien von Europa trennt. Sie fuhren durch diese Meerenge hindurch und beschifften die Ufer des Schwarzen Meeres. Ueberall errichteten sie feste Punkte, wo sie später ihre Schiffe ausbessern, Nahrungsmittel einnehmen und Waaren austauschen konnten. Dann segelten sie nach dem europäischen Griechenland und in das griechische Inselmeer. Doch die Griechen in Kleinasien wurden nun selbst Seefahrer, nahmen die Phönicier zu ihren Lehrmeistern und verdrängten sie dann von allen Handelsplätzen. Doch konnten die europäischen Griechen der Phönicier nie ganz entbehren, weil sie ihnen manche wohlriechende Kräuter, Harze, Früchte, edle Metalle u. s. f. brachten, die sie für ihre Opfer und Tempel brauchten.

Desto fester siedelten sich dafür die Phönicier an der Nordküste Afrika's an. Hier legten sie auf einer hervorragenden Landspitze, der Insel Sicilien gegenüber, die berühmte Kolonie Karthago an, die nachher ein eigener mächtiger Staat wurde, und von dort schifften sie über nach Sicilien, baueten auch hier Städte und machten sich einen großen Theil der Insel unterthan. Endlich schifften sie noch weiter gegen Westen bis zu den Säulen des Herkules (der Meerenge von Gibraltar), die von den Alten als das Ende der Welt betrachtet wurden. Sie landeten an der europäischen Seite in Spanien und fanden hier anfangs eine solche Menge von Silber, daß sie alle ihre Geräthe von Holz, Stein und Kupfer dort ließen und silberne dafür zurückbrachten. Selbst die Anker sollen sie sich von Silber gegossen haben. Ihre berühmteste Kolonie in Spanien war Tarsis oder Tartessis.

Doch fand auch hier die Gewinnsucht der kühnen Kaufleute kein Ziel; sie schifften noch über das vermeinte Ende der Welt hinaus und kamen nach den britischen Inseln, wo sie ein neues Metall, das Zinn, fanden, weshalb sie auch das Land die Zinninseln nannten. Als sie mit Glück ihre Fahrt dahin öfters wiederholt hatten, gingen sie bis an das Nordufer Deutschlands, und fanden hier an der preußischen Küste den glänzenden Bernstein, von den Griechen Elektron genannt. Als sie diesen wunderbaren durchsichtigen Körper in die Länder des Mittelmeeres brachten, betrachtete man ihn als das kostbarste Kleinod und schätzte ihn höher als Gold. Wie man jetzt goldene Ringe mit Edelsteinen besetzt, schmückte man sie damals mit Bernstein.

Aus allen Gegenden der bekannten Erde führten nun die Phönicier jedem Volke das zu, was es sich vorzüglich wünschte, und durch mancherlei Kunstgriffe wußten sie sich im Besitz des gewinnreichen Handels zu erhalten. So erzählten sie, wenn man über die Säulen des Herkules hinauskomme, würde das Meer so dick wie Gallerte und man müßte sich durch feuerspeiende Seeungeheuer hindurchschlagen. Versuchte dennoch ein fremdes Schiff, ihnen zu folgen, um ihre heimlichen Wege kennen zu lernen, so führten sie dasselbe absichtlich in die Irre, bis es auf eine Sandbank gerieth oder an Klippen zerschellte.

Doch nicht bloß zu Wasser, auch zu Lande trieben die Phönicier durch Karawanen Handel nach Norden, Osten und Süden. Sie holten aus dem innern Lande nordwärts von Phönicien, nämlich aus Armenien, Eisen und Stahl, Pferde und Sklaven; von Osten aus Babylonien und Persien Leinwand, vielleicht auch Seide; aus den südlicher gelegenen Ländern Gewürze und Specereien. Sie folgten da dem Gestade des Arabischen Meerbusens, und fanden an der Küste der großen Halbinsel Arabien jene Harze und wohlriechenden Kräuter, welche alle Völker zu ihren Opfern verbrannten. Auch entdeckten sie dort einen Ueberfluß an Gold und die Zähne des Elephanten, aus welchen man das Elfenbein schnitt. Als es erst kund ward, daß Kaufleute in Arabien landeten, kamen die entferntesten Völker und brachten ihre Waaren zum Austausch. So führten östliche Völker über den Persischen Meerbusen die Früchte Ostindiens den Phöniciern zu, ohne daß diese je Ostindien kennen lernten. Besonders werthvoll waren ihnen die Pfauen und Affen und der Zimmet von der Insel Ceylon; die Phönicier glaubten, alle diese Erzeugnisse kämen aus dem Innern von Arabien.

 

2.

Der Zufall hatte die Phönicier auf mehrere Entdeckungen geführt, die sie kunstreich zu benutzen wußten, um glänzende, in die Augen fallende Waaren zu liefern. Sie erfanden das Glas und die Purpurfarbe; auch das kunstreiche Weben der Wolle sollen sie erfunden haben, und selbst den ersten Gebrauch der Buchstabenschrift schreibt man ihnen zu.

Phönicische Kaufleute – erzählt man – welche Salpeter aus ihrem Schiffe führten, landeten nicht weit von Sydon am Flusse Belus, an dessen Ufern ein feiner Kiessand lag. Sie wollten sich hier ein Essen bereiten, und da es ihnen an Steinen fehlte, den Kessel über dem Feuer zu erhalten, nahmen sie große Stücke von Salpeter aus ihrem Schiffe, legten diese auf den Sand und setzten den Kessel darauf. Der Salpeter ward in der Hitze flüssig, vermischte sich mit der Asche und dem glühenden Sande, und als die Flamme erloschen war, blickte den Ueberraschten eine glasartige Masse entgegen. Das Glas war erfunden, aber man wußte es vorläufig zu nichts Anderem zu gebrauchen als zu Schmuck und Zierrath. Fenster von Glas kannten die Alten nicht, sie hatten bloß Vorhänge oder Jalousieen. Ihre Trinkgefäße waren meist irdene Krüge oder metallene Becher, auch ihre Spiegel waren von Metall. Dagegen schmückten sie die Decken und Wände ihrer Zimmer mit Glas. Nachher ging die Kunst des Glasmachens zu den Aegyptern über; diese verstanden die flüssige Masse durch Blasen zu bilden, ihr dann auf einer Drehscheibe die erforderliche Gestalt zu geben oder sie auch nach Belieben zu schneiden. Die Römer erhielten zur Zeit Christi fast all ihr Glas aus Aegypten; ein gläserner Becher war aber theurer als ein goldener.

Ein andermal weidete ein phönicischer Hirt seine Heerde nicht weit vom Meeresufer bei Tyrus. Sein Hund hatte die Schale einer Meerschnecke zerbissen und kam mit hochroth gefärbter Schnauze zu seinem Herrn zurück. Dieser, in der Meinung, der Hund sei verwundet, wischt ihm mit einem Knäuel Wolle das vermeintliche Blut ab; da fand sich keine Wunde, aber die Wolle hatte die schönste rothe Farbe angenommen. Nun forschte der Hirt weiter nach und entdeckte die zerbissene Schnecke, welches die echte Purpurschnecke war. Bald wurde der tyrische Purpur weit und breit berühmt und galt für die größte Kostbarkeit, so daß nur Könige und reiche Leute ihn tragen konnten.

Wie viele andere Erfindungen mögen noch von dem betriebsamen gewerblustigen Völkchen ausgegangen sein! Die Rechenkunst wird noch ausdrücklich als ihre Erfindung ausgegeben, und ihr Handel mußte nothwendig darauf führen. Wie sehr sie in der Baukunst erfahren waren, beweist der prachtvolle Tempel in Jerusalem, welchen Salomo durch phönicische Künstler ausführen ließ, die ihm sein Freund, der König Hiram, zugeschickt hatte.

 

3.

Durch einen so ausgebreiteten Handel und Verkehr über alle Länder und Meere hin waren die Phönicier das reichste und wohlhabendste Volk der ganzen Welt geworden. »Ihre Kaufleute – sagt der Prophet Jesaias – sind Fürsten, ihre Krämer die Herrlichsten im Lande.« Ihr früher so armes Ländchen glich nunmehr einem schönen Lustgarten. Alle vier Stunden war eine Hauptstadt mit fortlaufenden Meiereien bis zu der folgenden Stadt. Und welches Leben überall! Da flatterten die Segel, da schnurrten die Räder, da pochten die Hämmer; Alles lebte und webte, Alles handelte, Städte und Küsten wimmelten von geschäftigen Menschen. Phönicien war der Markt der ganzen Welt.

Doch der Reichthum und Wohlstand des Kaufmanns-Völkchens reizte die kriegerischen Nachbarn. Sein naher Untergang ward ihm von den Propheten Hesekiel und Jesaias vorhergesagt: »Klaget, ihr Schiffe von Tarsis! Daheim ist Verheerung! Auf's Meer streckt Gott den Arm, und Reiche beben; Verderben trifft, so will es Gott, Phöniciens Städte. Du beraubtes Sidon, jauchzest nicht mehr, und deine Veste, o Tyrus, wird zerstört!«

Es war um das Jahr 600 v. Chr., als Nebukadnezar mit großer Heeresmacht hereinbrach. Sidon eroberte er leicht, Tyrus aber mußte er dreizehn Jahre lang belagern, so hartnäckig wehrten sich die Einwohner. Und als er es endlich erobert hatte, fand er doch nur eine menschenleere Stadt, denn die Einwohner hatten sich mit all ihrer Habe auf eine benachbarte Insel geflüchtet und dort wieder angebaut. Hier erhob sich bald ein neues Tyrus mit der Pracht der alten Landstadt, und wurde abermals der Sitz des Welthandels. Das blieb es bis zum Jahre 333 v. Chr., wo der Welteroberer Alexander der Große, König von Makedonien, heranzog.

Die Tyrier schickten ihm Geld und Lebensmittel entgegen, doch versagten sie ihm den Einzug in die Stadt. Das brachte den stolzen Krieger auf, und er beschloß, sich den Einzug mit Gewalt zu eröffnen. Die Stadt lag eine Viertelstunde vom festen Lande ab und war durch eine hohe Mauer geschützt. Alexander ließ einen festen, 200 Fuß breiten Damm in's Meer bauen, wozu er besonders die Trümmer des alten Tyrus benutzte. Mit Erstaunen und Schrecken sahen die Tyrier den Damm ihrer Stadt immer näher kommen. Fast schon war er fertig, als ein heftiger Sturm einen großen Theil des in's Meer geworfenen Schuttes fortschwemmte. Alexander ließ sich dadurch nicht abschrecken; mit verdoppelter Anstrengung ward die Arbeit von Neuem begonnen, eine Flotte schützte die makedonischen Arbeiter gegen die Angriffe der Phönicier, besonders gegen die Taucher derselben, die unversehens unter dem Wasser heranschwammen und die Arbeiter überfielen. Bald hatte der Damm wieder die Insel erreicht. Jetzt begann die eigentliche Belagerung der Stadt, und die Macedonier stürmten mit solcher Wuth, daß die Mauer bald einstürzte. Doch eine neue und weit stärkere war bereits von den Tyriern innerhalb der ersten Ringmauer aufgeführt. Auch diese wurde eingestoßen, Alexanders Soldaten drangen in die Stadt; aber die Tyrier vertheidigten sich mit solcher List und Tapferkeit, daß jene wieder zurück mußten. Die Oeffnung in der Mauer ward schnell ausgebessert, und bei neuen Angriffen umschlangen die Tyrier ihre Feinde mit Netzen, bestreueten sie mit glühendem Sande, daß jetzt so Alexander selbst auf den Rückzug dachte. Noch einen letzten Versuch wollte er wagen; er umschloß mit seiner Flotte die ganze Stadt und ließ sie von allen Seiten bestürmen. Indeß hätte er vielleicht auch jetzt noch nicht die Stadt erobert, wenn nicht ein thörichter Aberglaube der Tyrier ihm zu Hülfe gekommen wäre. Sie meinten, einer ihrer Götter habe Tyrus verlassen, und verloren nun den Muth. So drang Alexander endlich in die Stadt, die er 7 Monate lang belagert hatte. Er war so erbittert über den hartnäckigen Widerstand, daß er die Stadt verbrannte, 2000 Gefangene kreuzigen ließ und 30,000 als Sklaven verkaufte. Zwar ward später Tyrus wieder aufgebaut, aber seine Kraft und sein Ruhm war dahin, und der Welthandel zog sich nach Alexandrien, der von Alexander neugegründeten Stadt an der westlichen Mündung des Nil.


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