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Nach Althaus »Geschichte der alten Welt..
1. Möris.
Das älteste Volk, welches wir in der Geschichte kennen, sind die Aegypter. Vor mehreren tausend Jahren herrschte über sie der König Möris, der ließ von seinen Unterthanen einen großen See ausgraben, um das Wasser des Nil darin zu sammeln und es für die heiße Jahreszeit, wo es an Wasser mangelte, aufzubewahren. Denn Aegypten ist ein heißes und trockenes Land, wo es fast niemals regnet oder thaut. Aber der Nil fließt mitten hindurch und macht es fruchtbar durch seine Ueberschwemmungen. Im Monat März fängt sein Wasser an zu steigen von dem vielen Regen, der in den Bergländern fällt, aus denen der Nil entspringt; dann wächst er immer mehr, bis er aus den Ufern tritt, und im Monat August überschwemmt er das ganze Aegypterland, so daß man mit Kähnen über die Felder fährt und die Städte wie Inseln aus einem großen See hervorragen. Wie dies vor drei- und viertausend Jahren geschah, geschieht es auch noch jetzt. Erst um die Zeit, wenn bei uns der Winter anfängt, fällt das Wasser wieder in seine Ufer, dann säet man ohne zu pflügen und zu eggen in den Schlamm hinein, und schon im December blühet der Flachs, im Januar schlägt der Weinstock aus, im März ist das Korn reif zum Schnitt und im Juni hat man schon reife Weintrauben.
Wenn aber der Nilfluß nicht hoch genug steigt, oder wenn er zu sehr das Land überschwemmt, kommt Aegypten in große Gefahr. Darum ließ der König Möris jenen großen See graben, der nach ihm der Möris-See genannt wurde und eine große Wohlthat für die Aegypter war. Stieg nämlich das Wasser zu hoch, so wurde es in das Seebecken geleitet, und trat große Trockniß ein, konnte man wieder das Wasser des Sees auf das Feld leiten. Viel tausendmal tausend Menschen mußten viele Jahre lang arbeiten, um die Erde fortzuschaffen; als das Becken tief genug war, ließ der König noch zwei große Pyramiden mitten in dem See erbauen, zum Denkmal für sich und die Königin. Auf die Pyramide des Königs ward noch dessen Standbild gesetzt, auf einem Throne sitzend; auf die Pyramide der Königin kam gleichfalls ein Thron und das Standbild der Frau des Königs. – Alles aus schwarzem weißgefleckten Marmor gearbeitet.
2. Sesostris.
Nach dem Möris regierte der König Sesostris. Da seinem Vater vom Phtha Gott des Feuers. verkündigt worden war, daß sein Sohn der Herr der Erde werden solle, ließ er alle mit seinem Sohne an Einem Tage gebornen Knaben an den Hof bringen und mit dem Prinzen Sesostris erziehen, damit sie seine treuesten Diener und Feldherren würden. Beim Anfange seiner Züge waren deren 1700, die alle Anführerstellen bekamen. Sie waren tüchtig abgehärtet und durften z. B. immer erst nach einem Wege von mehreren Meilen essen.
Sesostris war kriegerisch; sein erster Zug ging gegen die Araber. Dann griff er Libyen (den nördlichen Theil Afrika's) an und breitete seine Herrschaft bis an den Atlantischen Ocean aus. Hierauf ward ein Eroberungszug von neun Jahren unternommen, der allen reichen Goldländern galt; zuerst ward Aethiopien bezwungen, das seinen Tribut in Gold, Elfenbein und Ebenholz entrichten mußte. Unterdessen ging eine Flotte von 400 Schiffen in die persischen und indischen Gewässer, eine andere in's Mittelmeer und eroberte alle Küsten und Inseln. Mit seinem Landheere soll Sesostris bis an den Ganges und an den Indischen Ocean gekommen sein; dann ging er nordwestlich zu den Skythen und unterwarf sie sich bis an den Don. Erst Europa setzte seinen Siegen Grenzen, sei es, daß Hunger und Beschwerden oder die kriegerischen Geten fast sein ganzes Heer aufrieben. Ueberall ließ er Säulen zum Andenken an seine Siege errichten. Eine Menge von Menschen brachte er als Sklaven mit nach Aegypten zurück; gefangene Könige mußten seinen Siegeswagen ziehen. Da geschah's, daß einer dieser Könige unverwandt auf Ein Rad blickte, und darum befragt zur Antwort gab: »O König, das Umdrehen des Rades erinnert mich an die Veränderung des Glücks. Wie hier das Unten ein Oben und das Oben bald ein Unten wird, so ist es auch mit den Königen, die heute auf dem Throne und morgen in Knechtschaft sind!« Dieß Wort rührte den Sesostris, und die gefangenen Könige zogen fortan nicht mehr den Siegeswagen.
Die unterjochten Völker wurden zu Arbeitern verwandt für die Riesenbaue, welche Sesostris aufführte. Noch heute sind in Aegypten die ungeheuren Ruinen davon zu sehen. Zuerst stehen hohe Spitzsäulen da, die man Obelisken nennt; manche sind so hoch wie Thürme, und doch nur aus einem einzigen Stein gehauen. Viele Inschriften und Figuren sind aus den Obelisken eingegraben. Dann kommen lange Alleen von steinernen Thierbildern, durch diese gelangt man in einen großen Säulenhof, hinter welchem der Tempel liegt. Die Decke des Tempels wird von 134 Säulen getragen, von denen manche 30 Fuß im Umfange haben. So ließ Sesostris von den Sklaven Tempel und Paläste bauen; vor seinem schönsten Palaste stand seine eigne Bildsäule, 60 Fuß hoch, und die seiner Frau, eben so hoch; vier steinerne Gestalten, jede 40 Fuß hoch, stellten seine vier Söhne vor. Auf den Wänden der Gebäude waren seine Kriege und Triumphzüge abgemalt und alle bezwungenen Völker mit ihren Trachten und Waffen abgebildet.
Nachdem Sesostris länger als ein Menschenalter regiert hatte, ward er blind und brachte sich selber um's Leben. Alle von ihm unterworfenen Völker machten sich aber wieder von der ägyptischen Herrschaft frei. Von jenen Bildern sind aber noch manche übrig geblieben, doch muß man mit Fackeln in die düstern Tempelgänge eindringen, wenn man sie besehen will. Denn die Aegypter bauten ihre Tempel und Paläste sehr düster, manche sogar in Felsengrotten und unterirdischen Räumen.
3. Cheops und Chephren.
Unter dem König Cheops mußte das ganze Volk arbeiten, um für ihn die große Pyramide zu bauen, in der er sich begraben lassen wollte. Da mußten zuerst in dem arabischen Gebirge die Steinblöcke gebrochen werden, die wurden dann bis an den Nil geschleift und auf Schiffen herüber gebracht. Auf dem Wege nach dem Hauptplatze mußte mitten durch einen Berg ein Gang gebrochen werden, der war eine Viertelstunde lang, und man mußte zehn Jahre lang daran arbeiten. Bei dem Pyramidenbau waren immer hunderttausend Aegypter zu gleicher Zeit beschäftigt, und alle drei Monate kamen andere Hunderttausend an die Reihe, und zwanzig Jahre dauerte es, bis die eine Pyramide fertig war. Sie wurde aber auch so hoch erbaut, wie ein mäßiger Berg, viel höher als der Straßburger Münster. Im Innern machte man Gänge in ein Grabgewölbe, in das der Sarg zu stehen kam. Die innere Steinmasse bestand aus Kalksteinen, die äußeren Steinplatten waren von Granit und Marmor; diese sind jetzt aber nicht mehr vorhanden. Doch der Riesenbau selber hat den Jahrhunderten getrotzt und steht noch unerschüttert da.
Funfzig Jahre lang soll Cheops regiert haben, und nach ihm sein Bruder Chephren eben so lange Zeit. Auch dieser zwang die Aegypter, eine große Pyramide zu bauen. Diese und die des Cheops und noch eine dritte sind die größten; es gibt aber noch eine Menge kleinerer. Alle sind noch wohl erhalten und stehen in Mittelägypten. Man zählt im Ganzen vierzig und theilt sie in fünf Gruppen. In der Form sind alle gleich; von einer breiten Grundlage ausgehend laufen sie nach oben spitz zu und endigen sich in eine platte Decke. Eine Seite schaut genau nach Ost, die entgegengesetzte nach West, die dritte nach Nord, die vierte nach Süd.
4. Verehrung der Todten.
Die Aegypter verwandten viele Mühe darauf, ihre Todten zu ehren, und da sie glaubten, daß die Seele sich nicht von dem Körper trenne, so lange dieser nicht verwest sei, wandten sie die größte Sorgfalt darauf, die Leichname zu erhalten und vor der Verwesung zu schützen. Sie hatten drei Arten, die Leichen zu behandeln, eine für die geringen Leute, eine für die mehrangesehenen und endlich die umständlichste und kostbarste Art für die Könige und Vornehmen. Wenn einer von den letztem gestorben war, nahm man die innern Theile aus dem Körper heraus und wusch ihn inwendig mit Wein. Dann füllte man den so gereinigten Körper mit Räucherwerk und wohlriechenden Specereien, nähete ihn wieder zu und legte ihn 70 Tage lang in Salz. Wenn diese Zeit um war, umwickelte man ihn von oben bis unten ganz mit seinen Binden, über das Gesicht wurde Gyps gestrichen und auf dem Gyps das Gesicht mit Farben abgemalt. Dann stellte man den Leichnam in einen verzierten Sarg, auf welchem allerlei Inschriften und Zeichen (Hieroglyphen) waren. Die Leichen der Geringen aber wurden nur in Salz gelegt und dann mit Binden umwickelt; alle Todten aber wurden nicht in die Erde begraben, sondern in unterirdischen Gemächern aufbewahrt, die bei jeder Stadt angelegt waren. Wenn nun eine Stadt so groß wie Theben war. wo die großen Tempel und Paläste des Sesostris stehen, dann wurde aus diesen Gräbern nach und nach eine ganze unterirdische Todtenstadt. Die bei Theben zieht sich zwei Stunden Wegs unter der Erde hin und alle Kammern sind unter einander verbunden, so daß es sehr schwer ist, wieder den Ausgang zu finden. Drinnen ist es entsetzlich heiß und ein betäubender Dunst von den vielen ausgetrockneten Leichen oder Mumien, wie man sie auch nennt. Zum Theil sind diese Mumien an den Wänden aufgestellt, zum Theil sind sie heruntergefallen oder herabgerissen, so daß man im Todtenstaube geht. In vielen Kammern sind die Wände auch mit Figuren bemalt, deren Farben sich noch ganz frisch erhalten haben. Da sind Küchengeräthschaften abgebildet, Möbeln der Vornehmen, Waffen der ägyptischen Krieger, Barken und Nachen mit Musikern besetzt, die auf 21saitigen Harfen spielen.
Auf diese Art sind wir hauptsächlich zur Kenntniß der Sitten und Gebräuche der alten Aegypter gekommen. Es war natürlich, daß sie ihre Grüfte und Grabmäler mit eben solcher Pracht ausstatteten wie ihre Paläste. Die besten Kunstwerke zierten die Todtenstadt; das Gold war bei der Bereitung der königlichen Mumien verschwendet. Man hat Mumien gefunden, denen alle Finger und alle Zehen, das Gesicht und vielleicht der ganze Kopf in massivgoldenen Futteralen eingeschlossen waren; andere hatten einen ganzen goldenen Ueberzug und waren mit Juwelen bedeckt. Unsere Museen (Kunstsammlungen) besitzen einen Ueberfluß an Halsketten, Ringen und andern Kleinoden von Gold und Edelstein, die Ausbeute der Gräber. Da die Königsgräber die reichsten sein mußten, so wurden sie auch am meisten mißhandelt. Die Ueberwinder der Pharaone (Könige) fanden in den Gräbern reiche Schätze.
5. Todtengerichte.
In jenen Todtenstädten wurden aber nur Diejenigen ordentlich in den Mumienreihen mit aufgestellt, die im Leben nichts Schändliches begangen hatten. Daher wurde über jeden Verstorbenen ein Todtengericht gehalten, wo Kläger und Vertheidiger auftreten konnten. Manchen ereilte die Strafe noch im Tode, wenn er sich auch im Leben derselben entzogen hatte, und eine größere Schande gab es kaum, wie diejenige der Verweigerung des ehrenvollen Begräbnisses.
Die Sage meldet, daß Aegyptens Könige Achtung und Liebe genossen, denn sie waren den Gesetzen gehorsam, und ihre Namen vermischten sich mit allen Gebeten und Opfern des Volkes. Bei dem Tode des Königs legte das ganze Volk Trauer an, die Tempel wurden geschlossen, 72 Tage lang blieben alle Festlichkeiten eingestellt, Männer und Frauen bestreueten ihr Haupt mit Asche, beteten und fasteten. Mittlerweile wurde des Königs Mumie und Sarg bereitet. War die Trauerzeit verflossen, so stellte man die Leiche am Eingange des Grabmals aus, und da hatte Jeder aus dem Volke das Recht, den König wegen irgend einer schlechten Handlung anzuklagen. Hierauf hielt der Priester die Trauerrede, erinnerte an die Tugenden des Hingeschiedenen und an die Dienste, welche er dem Vaterlande geleistet hatte. Entschied nun der Beifall der versammelten Menge, so sprach das Gericht der 42 Geschworenen das Urtheil, und der König empfing die Ehren des Begräbnisses. Einige Fürsten sagt man – haben durch das Mißvergnügen und die Einrede des Volkes diese letzte Ehre verwirkt und so für ihre schlechten Thaten die gerechte Strafe erfahren. Die Furcht vor dem Todtengerichte war sehr geeignet, die Fürsten auf der Bahn der Gerechtigkeit und der Tugend festzuhalten. Noch trifft man in Aegypten sehr sprechende Zeugnisse für diesen Brauch. Die Namen mehrerer Herrscher sind auf den Denkmälern, die sie bei ihren Lebzeiten errichten ließen, sorgfältig ausgetilgt; sie wurden weggehämmert selbst in den Gräbern.
6. Kasten.
Die Priester hatten die meiste Macht im Lande neben den Königen. Alle Aegypter waren in Stände eingetheilt, die man nach einem portugiesischen Worte »Kasten« genannt hat, und deren man sechs bis sieben zählte. Die hauptsächlichsten waren die Kasten der Priester, der Krieger, der Ackerbauer, Handwerker und Hirten. Keiner durfte aus einer Kaste in die andere übertreten; war der Vater ein Hirt, so mußte auch der Sohn wieder ein Hirt werden, wenn er auch keine Lust dazu und die besten Anlagen zu etwas Höherem hatte. Alles Land war in drei Theile getheilt: der eine Theil gehörte dem Könige, der andere den Priestern, der dritte den Kriegern. Die Ackerbauer hatten kein eigenes Land, sondern mußten es für die Grundbesitzer bestellen, und die Hirten waren die verachtetsten und geplagtesten aller Stände. Darum mußten auch die Israeliten, die zu den verhaßten Nomaden gezählt wurden, von den Aegyptern eine so harte Behandlung erleiden.
Die geehrteste Kaste war die der Priester. Sie waren die Erzieher und Räthe des Königs, sie gaben die Gesetze und richteten das Volk nach diesen Gesetzen. Sie bestimmten nach dem Laufe der Gestirne und dem regelmäßigen Austreten des Nil die Eintheilung des Jahres und Ordnung des Kalenders; sie waren die einzigen Gelehrten im Lande, die Pfleger der Künste und Wissenschaften. Zugleich waren sie auch die Aerzte, doch so, daß Jeder nur für eine bestimmte Krankheit die Heilmittel studirte. Es gab also Aerzte für Augenkrankheiten, Magenkrankheiten, für gebrochene Glieder u. s. w., wie das auch bei uns zum Theil der Fall ist. Von ihrer Kenntniß der Naturkräfte zeugen die Wunder, die sie vor den Augen des Moses verrichteten. Darum wurden sie auch vom Volke als Zauberer angesehen.
Der Oberpriester wohnte am Hofe des Königs; die Söhne der Priester hatten die vornehmsten Stellen bei Hofe, und mit ihnen wurden die Prinzen erzogen. Mit ängstlicher Genauigkeit war dem Könige vorgeschrieben, wann er aufstehen, opfern, essen, zu seiner Gemahlin gehen durfte. In der ersten Stunde nach dem Aufstehen wurden die Depeschen eröffnet. Dann verfügte sich der König, angethan mit prächtigen Gewändern, Krone und Scepter, nach dem Tempel. Hier predigte ihm der Oberpriester, was für Eigenschaften ein guter König haben müßte, und las ihm einen Abschnitt aus der Reichsgeschichte vor, um ihn zu belehren.
Nächst den Priestern waren die Krieger die angesehenste Kaste. Diese bildeten aber nicht ein stehendes Heer von Söldlingen (Soldaten), wie bei uns. Der Gedanke eines Miethheeres, welches Leib und Leben einem Herrn verkaufte, kam den weisen Aegyptern gar nicht in den Sinn. Das Gesetz hatte den Kriegsdienst einer Klasse der Nation als ein Vorrecht übertragen und damit eine Ausstattung an Ländereien verbunden, die ihr erblich blieben wie ihr Beruf. Die Aegypter dachten, daß es vernünftig sei, die Obhut des Staates Leuten anzuvertrauen, die Etwas besaßen, dessen Vertheidigung ihnen am Herzen lag.
7. Götter- und Thierdienst.
Die Aegypter sind wohl das frömmste Volk gewesen, das je gelebt hat. Sie hatten eine Menge von Gottheiten, die sie verehrten und heilig hielten; vor Allem war es der Nilstrom, der den Grund und Mittelpunkt bildete ihres Gottesdienstes. Aegypten ist ja nichts, als ein Stück Pflanzenerde im Wüstensande, geschaffen und erhalten durch den Nil. Daher wurde dieser wohlthätige Strom nicht nur durch den Beinamen des Heiligen, des Vaters und Erhalters gefeiert, sondern als ein Gott verehrt, ja als das sichtbare Abbild der obersten Gottheit Ammon betrachtet, der in dieser Gestalt Aegypten belebte und bewahrte. Darum nannten auch die Griechen den Nil den ägyptischen Jupiter.
Die ägyptischen Philosophen hatten sich am Himmel ähnliche Eintheilungen ersonnen wie auf Erden, sie hatten einen himmlischen und einen irdischen Nil. Der himmlische Nilgott hat drei Vasen, als Sinnbilder der Ueberschwemmung: eine dieser Vasen bezeichnet das Wasser, welches Aegypten selbst hervorbringt; die zweite das, welches zur Zeit der Ueberschwemmung aus dem Ocean nach Aegypten kommt; die dritte die Regen, welche beim Steigen des Nil in den südlichen Theilen Aethiopiens fallen. Der große Gott Cnuphis, auf einer großen Zahl von Denkmälern dargestellt, ist Quell und Richtmaaß des irdischen Nil. Er hat menschliche Gestalt, sitzt auf einem Thron und ist von einer blauen Tunica umhüllt. Auf dem menschlichen Körper aber sitzt ein Widderkopf mit grünem Gesicht; und in der Hand hält er ein Gefäß, woraus er die wohlthätigen Wasser ausgießt.
Das Sinnbild der fruchtbaren Erde war die Göttin Isis, mit welcher sich der Gott Osiris als Nilgott vermählte. Beide Gottheiten, Osiris und Isis, sind aber zugleich die Sonne und der Mond; Osiris machte das Sonnenjahr, Isis das Mondenjahr. Beide wurden auch in menschlicher Form abgebildet und dem Volke zur Verehrung aufgestellt. Selbst dem Typhon, dem versengenden Winde, jetzt »Chamsin« genannt, hatte man Tempel geweihet, denn man hielt ihn für den Vater des Bösen und suchte ihn durch Opfer zu versöhnen.
Dankbarkeit und Furcht trieben auch zur Verehrung der Thiere, je nachdem sich diese den Menschen nützlich oder schädlich erwiesen. So wurde der storchartige Vogel Ibis verehrt, weil er die im Nilschlamm nistenden Schlangen wegfraß. Das Krokodil, diese 20 Fuß lange gefräßige Eidechse, die blitzschnell auf ihre Beute losschießt, und mit ihrem Schuppenschwanze ein ganzes Boot umschlägt, ward aus Furcht verehrt. Der Feind des Krokodils ist das Ichneumon oder die Pharaons-Ratze; diese weiß die Krokodileier im Sande zu finden und verzehrt sie. Darum ward es von den Aegyptern in hohen Ehren gehalten und empfing Dankopfer. Einer ausgezeichneten Verehrung genossen die Katzen. Sie ruheten auf kostbaren Decken und Polstern, wurden mit den leckersten Speisen gefüttert und nur mit silbernen und goldenen Gefäßen bedient. Wer eine Katze unvorsichtiger Weise tödtete, mußte ohne Barmherzigkeit sterben. Der Leichnam des heiligen Thieres ward einbalsamirt, in köstliche Leinwand gewickelt und feierlich bestattet.
Doch war es nicht selten, daß man in einer Stadt Thiere als heilige verehrte, die man in einer andern ohne Bedenken schlachtete. Allen Aegyptern ohne Ausnahme war aber der Ochs, Apis genannt, heilig; denn er war ihnen ein Sinnbild des Ackerbaues, und auf dem Ackerbau ruhete das ganze bürgerliche Leben. Der heilige Ochse mußte am ganzen Leibe schwarz sein und vor der Stirn einen viereckigen weißen Fleck haben; nur dann war der Gott echt. Sein Palast war in der Königsstadt Memphis; Priester bedienten ihn und reichten ihm knieend die Speisen. – War ein neuer Apis gefunden, so jubelte das ganze Volk. In feierlichem Aufzuge wurde das göttliche Thier von den Priestern zum Tempel geleitet. Krieger zogen vor ihm her, zur Seite gingen zwei Reihen schön geschmückter Knaben und sangen Loblieder. Sieben Tage dauerte das fröhliche Fest. Starb aber der Gott, so trauerte das ganze Land und zwar so lange, bis ein neuer Apis gefunden war.
8. Psammetich.
Um die Zeit 666 v. Chr. vereinigten sich zwölf Fürsten und theilten sich in die Herrschaft über Aegyptenland. Zur Verewigung ihres Namens baueten sie das berühmte Labyrinth. Herodot, der Vater der Geschichte, hat es auf seiner Reise in Aegypten besucht und war ganz erstaunt über die wunderbare Pracht und Größe des Gebäudes. Er beschreibt es also: »Man erblickt im Innern zwölf Vorsäle, von einem Dache bedeckt und mit einander gegenüberstehenden Thüren. Sechs dieser Säle liegen gegen Norden, sechs gegen Süden. Die Gemächer in dem Gebäude des Labyrinths sind alle doppelt, die einen unterirdisch, die andern über diesen; ihre Zahl ist 3000, 1500 in jedem Stock. Die über der Erde haben wir durchschritten, von den untern wissen wir aber nichts, als was man uns gesagt, da die Aufseher sie um keinen Preis uns zeigen wollten. Es wären darin, hieß es, die Gräber der Könige, welche das Labyrinth bauen ließen, sowie jene der heiligen Krokodile. Was aber die oberen Gemächer anlangt, so müssen wir gestehen, daß wir nie etwas Großartigeres gesehen haben unter den Werken von Menschenhand; die unendliche Mannichfaltigkeit der mit einander verbundenen Galerien und Säle und Gemächer verursacht tausend Ueberraschungen, indem der Beschauer bald aus einem der Säle in die sie umgebenden Gemächer, bald aus diesen Gemächern in Säulenhallen, bald aus den Säulenhallen in andere Säle gelangt. Die Decken und Wände sind überall von Stein, und auf den Wänden sind eine Menge von Figuren eingegraben. Jeden der Säle faßt eine Reihe von Säulen ein, die aus ganz weißen Steinen zusammengefügt sind. An der Ecke, wo das Labyrinth sich schließt, erhebt sich eine 240 Fuß hohe Pyramide, die mit großen Figuren in erhabener Arbeit geziert ist. Mittelst eines unterirdischen Wegs hängt diese Pyramide mit dem Labyrinth zusammen.«
Der Riesenpalast war aus zwölf einzelnen Palästen zusammengesetzt, nicht bloß nach der Zahl der oben erwähnten zwölf Fürsten, sondern auch nach der Zahl der zwölf Provinzen Aegyptens. Wenn die Abgeordneten derselben sich versammelten, brachte jeder seine Priester und Opferthiere mit, und in den großen Sälen hielt man Rath.
Uebrigens war die gemeinschaftliche Regierung der zwölf Pharaonen von kurzer Dauer. Es war eine alte Weissagung vorhanden, daß derjenige einst ganz Aegypten beherrschen würde, der sein Opfer in einer ehernen Schale brächte. Da geschah es bei einem Feste, wo alle zwölf Könige versammelt waren, um den Göttern zu opfern, daß der Priester nur eilf goldene Schalen austheilte und Psammetich keine bekam. Schnell entschlossen nahm dieser seinen Helm vom Haupte und brachte in diesem das Trankopfer. Die Fürsten erschraken, und aus Furcht, die Weissagung möchte in Erfüllung gehen, verbannten sie den Psammetich in die sumpfigen Gegenden Nieder-Aegyptens. Die Priester aber weissagten ihm, es würden eherne Männer aus dem Meere aufsteigen und ihn an den eilf Fürsten rächen. Das schien dem Psammetich unmöglich, doch nicht lange darauf kamen treue Diener und berichteten ihm, daß am Ufer des Meeres geharnischte Männer gelandet seien, ganz mit Erz bedeckt vom Kopf bis zu den Füßen. Es waren griechische Seeräuber, die Alles in Schrecken setzten, denn noch nie hatte man in Aegypten einen geharnischten Mann gesehen. Psammetich gewann die fremden Männer zu Freunden und mit ihrer Hülfe vertrieb er seine Mitkönige. So erfüllte sich das Orakel und Psammetich wurde Alleinherrscher. Aus Dankbarkeit bewilligte er den Griechen Wohnplätze an der pelusischen Nilmündung, erlaubte auch den Ausländern, in ägyptische Häfen mit ihren Waaren einzulaufen, und so entstand ein lebhafter Handelsverkehr, besonders mit Griechenland. Auch bildete sich jetzt eine neue Kaste, die der Dolmetscher. Das bisher verschlossene Aegypten ward nun von vielen Fremden besucht, nicht bloß des Gewinnes halber, sondern um der Weisheit willen, die bei dem hochgebildeten Volke zu finden war.
9. Necho.
Psammetich's Sohn Necho (Necao) folgte den Grundsätzen seines Vaters und beförderte Handel und Schifffahrt. Zu diesem Zwecke machte er den Versuch, durch einen Kanal den Nil mit dem Arabischen Meerbusen zu verbinden. Er nahm auch phönicische Seefahrer in seinen Dienst und ließ von diesen ganz Afrika umsegeln. Man fuhr aus dem Rothen Meere (dem Arabischen Meerbusen) ab und steuerte nach Süden, immer der Küste entlang. Die Fahrt ging freilich nicht so schnell, als heutzutage; wenn es Herbst war, stiegen die Schiffenden an's Land und säeten Korn, bauten sich Hütten und warteten so lange, bis das Korn reif war. Dann ernteten sie und fuhren weiter. Im dritten Herbst kamen sie durch das Mittelländische Meer glücklich nach Aegypten zurück.
Necho war auch kriegerisch und drang erobernd bis an den Euphrat vor; bei Circesium aber ward er von Nebukadnezar, dem König von Babylonien, geschlagen und mußte sich eiligst zurückziehen. Unter seinen Nachfolgern sank das Reich mehr und mehr und ward 525 v. Chr. eine Beute der Perser. Psammetich und Necho hatten zuerst das verschlossene »bittere« Aegypten, wie es die Fremden nannten, dem Auslande geöffnet und mit der einheimischen fremde Sitte gemischt; aber der alte ägyptische Staat war damit nicht stärker geworden, denn die Völker sind nur stark, wenn sie nach ihrer Weise wachsen und sich entwickeln können.