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Sechster Abschnitt.

A. Rom unter Königen.

(753-510 v. Chr.)

 

I. Romulus und Numa Pompilius

Nach Plutarch..

 

Romulus.

 

1. Romulus und Remus.

Nach der Zerstörung Troja's flüchtete sich Aeneas mit den Seinigen. nach Italien und landete an der Tibermündung in der Landschaft Latium. Dort bei den Latinern gründete Ascanius, des Aeneas Sohn, die Stadt Albalonga, welche bald die Hauptstadt eines kleinen Reiches wurde, aus dem die stolze, weltbeherrschende Roma hervorgehen sollte.

Dreihundert und sechszig Jahre hatten schon Könige in Albalonga geherrscht, da geschah es, daß der König Prokas starb und zwei Söhne hinterließ, Numitor und Amulius. Der ältere, Numitor, war gutmüthig und sanft; der jüngere, Amulius, ehrsüchtig und rauh; der stieß seinen Bruder Numitor vom Throne. Damit aber auch Numitor's Sohn nicht einstmals sein Recht von dem herrischen Oheim zurückfordern möchte, ließ dieser ihn ermorden und zugleich die Tochter des Numitor, Rhea Sylvia, zur Vestalin weihen. Die vestalischen Jungfrauen waren die Priesterinnen der Göttin Vesta und durften nie heirathen. So vermeinte Amulius sicher zu sein, daß keine Nachkommenschaft des Numitor ihm gefährlich sein würde. Nun trug's sich aber zu, daß eines Tags die Jungfrau im heiligen Hain des Kriegsgottes Mars Wasser schöpfte, als plötzlich der Sonne Licht erlosch und ein Wolf sie in eine Höhle verscheuchte, wo sie der Gott Mars sträflich umarmte. Bei Todesstrafe durfte keine Vestalin mit einem Manne zusammen kommen, doch die That war einmal geschehen, und Rhea Sylvia gebar Zwillingsknaben, den Romulus und Remus. Darüber erschrak der Oheim und befahl, die Mutter in's Gefängniß, die Kinder in die Tiber zu werfen. Die königlichen Diener legten die Zwillinge in einen Korb und setzten diesen auf das Wasser der Tiber, die zum Glück eben ausgetreten war, so daß der Strom das Schifflein nicht fortführte. Der Korb blieb an einem wilden Feigenbaume hängen, und als das Wasser gefallen war, stand er auf dem Trockenen. Der Gott Mars aber erbarmte sich seiner Söhne und sandte die ihm geheiligten Thiere zur Rettung. Eine durstige Wölfin kam an den Fluß, hörte der Kinder Wimmern, trug sie in ihre Höhle, leckte und bettete sie auf ein weiches Lager und säugte sie dann. Später flog auch der Vogel Specht, der Vogel des Mars, herbei und brachte Fleisch. So wurden die Knaben mit kräftiger Speise genährt.

Solches Wunder erblickte Faustulus, des Königs Hirte, und sein Herz erbarmte sich der Knaben. Er brachte sie zu seiner Frau, die ihr Söhnlein durch den Tod verloren hatte, und Acca Laurentia, die Hirtenfrau, pflegte die Zwillinge wie eine Mutter. Romulus und Remus wuchsen heran und tummelten sich mit zwölf anderen Hirtenknaben weidlich herum. Als sie mit ihren Gespielen heranwuchsen, baueten sie sich selber Hütten auf dem palatinischen Berge; die Jünglinge kämpften rüstig gegen Raubthiere und tapfer gegen Räuber, jeder an der Spitze einer kleinen Schaar. Zuweilen führten sie auch wohl Krieg untereinander, öfter noch geriethen sie in Händel mit andern Hirten, namentlich mit denen Numitor's, die auf dem aventinischen Berge weideten. Bei solch' einer Fehde wurde einst Remus gefangen und vor Numitor gebracht. Diesem fiel die edle Haltung des kräftigen Jünglings auf und er forschte nach dessen Herkunft. Da begab sich Faustulus mit seinem Pflegesohn Romulus nach Albalonga und entdeckte dem Numitor Alles. Mit Freuden erkannte dieser seine herrlichen Enkel und offenbarte ihnen, was Amulius Uebels gethan. Alsbald machten sich Romulus und Remus mit ihren Gefährten auf, erschlugen den bösen König Amulius und setzten den guten Numitor aus dessen Thron. Dann gründeten sie an der Stelle, wo der heilige Tiberstrom sie an den Feigenbaum gesetzt hatte, mit ihren Freunden eine eigene Stadt, im Jahre 753 v. Chr. Romulus bespannte einen Pflug mit zwei weißen Rindern, zog um den palatinischen Berg im Viereck eine Furche, und neben dieser Furche ließ er rings herum einen Erdwall aufwerfen. An der Stelle, wo später ein Thor sein sollte, ward der Pflug aufgehoben. In den innern Raum aber wurden kleine ärmliche Lehmhütten gebauet, die mit Schilf und Stroh kümmerlich bedeckt waren.

Als der Bau vollendet war, entstand unter den Brüdern ein Streit, welcher von ihnen der neugegründeten Stadt den Namen geben und als König über sie herrschen sollte. Auf den Rath ihres Großvaters Numitor beschlossen sie, der Götter Willen durch den Vogelflug zu erkunden, und wem zuerst ein glückliches Zeichen sich offenbaren würde, der sollte König sein. Lange harrten sie auf verschiedenen Bergen. Endlich erschienen dem Remus sechs Geier; er brachte die glückliche Kunde seinem Bruder Romulus, da flogen an diesem zwölf Geier vorüber unter Donner und Blitz. Remus behauptete, er müsse den Vorzug haben, weil ihm zuerst die Schicksalsvögel erschienen seien: Romulus behauptete, er sei König, weil ihm noch einmal so viel Vögel erschienen seien. Doch Remus verspottete den Bruder und sprang über die niedrige Stadtmauer, um sich über die armselige Stadt lustig zu machen. Da ergrimmte Romulus und schlug seinen Bruder Remus todt. »So fahre Jeder, der nach dir über meine Mauer setzt!« – Diesen Fluch sprach Romulus aus, und die Stadt wurde nach seinem Namen genannt.

 

2. Der erste König.

Romulus war nun König und Herr der neugegründeten Stadt. Um die Zahl seiner Unterthanen zu erfahren, ließ er eine Zählung veranstalten und es fanden sich 3300 starke wehrhafte Männer, die theils aus seinen Gefährten, theils aus eingewanderten Albanern bestanden. Die hausten nun dort auf ihrem Hügel, wie in einem wohlverschanzten Lager, und die Nachbarn sahen mit Schrecken das kriegslustige Volk, angeführt von einem starken und kühnen Herrscher.

Zum Zeichen seiner Königswürde umgab sich Romulus mit einer Leibwache von 300 Reitern, aus deren Nachkommen sich später ein besonderer Stand, der Stand der Ritter, bildete. So oft er öffentlich erschien, schritten zwölf Gerichtsdiener, Liktoren genannt, mit Beilen und Ruthenbündeln bewaffnet, in stattlicher Reihe vor ihm her, theils um Ordnung und Anstand unter dem Volke zu erhalten, theils um die nöthigen Strafen auf der Stelle zu vollziehen. Aus den angesehensten und erfahrensten Männern wählte er sich einen Rath der Alten ( Senatus), der anfangs aus hundert Mitgliedern bestand, später aber bedeutend vermehrt wurde. Die Senatoren sollten mit dem Könige gemeinschaftlich das Beste der Gemeinde berathen, sie sollten die Väter ( Patres) des gemeinen Volkes sein. Daher nannte man auch ihre Nachkommen, die einen erblichen Adelsstand ausmachten, Patricier, zum Unterschiede von den gemeinen Bürgern, die Plebejer genannt wurden.

Die Stadt theilte Romulus in drei Bezirke, tribus genannt, jede Tribus wieder in zehn Kurien, so daß im Ganzen dreißig Kurien waren. Nach diesen Kurien mußten sich alle Bürger auf dem Volksplatze ( forum) versammeln, um über die Angelegenheiten der ganzen Gemeinde Entschlüsse zu fassen und zu berathen.

Um die Zahl seiner Unterthanen zu vermehren, eröffnete Romulus eine Freistätte (ein Asyl), wohin jeder verfolgte Unglückliche, aber auch jeder verbannte Verbrecher sich retten durfte. Durch dieses Mittel erhielt die Stadt einen bedeutenden Zuwachs an Männern. Aber nun fehlte es an Frauen, Um diese zu erhalten, schickte er an die benachbarten Völker Gesandte und ließ freundlich bitten, sie möchten ihre Töchter den römischen Männern zur Ehe geben. Aber die Nachbarn wiesen die Gesandten höhnisch zurück, keiner wollte mit den Wildfängen und Räubern etwas zu thun haben.

 

3. Raub der Sabinerinnen.

Nun veranstaltete Romulus ein glänzendes Fest dem Neptun zu Ehren, und glänzende Festspiele sollten dabei gefeiert werden. Das lockte die Bewohner der benachbarten Städte herbei, die bei dieser Gelegenheit auch einmal die wunderschöne Hügelstadt zu sehen wünschten. Besonders zahlreich fanden sich die Sabiner mit ihren Weibern und Töchtern ein. Die Römer hatten ihre Hütten festlich ausgeschmückt und nöthigten die Fremden, Alles in Augenschein zu nehmen. Dann begannen die Spiele; aber während die Augen Aller auf das Schauspiel gerichtet waren, siehe, da stürzten auf ein gegebenes Zeichen die römischen Jünglinge in die Haufen der Zuschauer, und jeder riß sich eine Jungfrau heraus, die er auf seinen Armen in die Stadt trug. Die bestürzten Eltern flohen von allen Seiten schreiend und wehklagend auseinander.

Die geraubten Sabinerinnen ließen sich in Rom von ihren Männern leicht besänftigen, aber ihre Väter daheim sannen auf blutige Rache. Und wären jetzt die Völker alle vereint gegen Rom gezogen, so wäre es um den jungen Staat geschehen gewesen. Da sie aber in ihrer Wuth eine gemeinschaftliche Rüstung nicht abwarten konnten, so wurden sie, einzeln wie sie kamen, vom Schwerte der Römer blutig zurückgewiesen.

 

4. Titus Tatius.

Die größte Gefahr für Rom drohete aber von dem kriegerischen Volke der Sabiner, die jetzt unter ihrem Könige Titus Tatius wohlgerüstet heranzogen. Nach mehreren Gefechten kam es in einem Thale zwischen zwei Hügeln zur Schlacht. Während die beiden Schlachtreihen grimmig gegen einander standen, während die Pfeile hinüber und herüber flogen und die Männer niederstreckten: stürzten plötzlich die geraubten Sabinerinnen mit fliegenden Haaren mitten zwischen die feindlichen Reihen und fleheten hier zu ihren Männern, dort zu ihren Brüdern und Vätern, sie nicht zu Wittwen und Waisen zu machen.

Dieser Anblick rührte die Heere und ihre Anführer. Es erfolgte eine tiefe Stille. Gerührt traten die beiden Könige in die Mitte und schlossen Frieden unter der Bedingung, daß beide Staaten vereinigt, die Regierung von Romulus und Tatius gemeinschaftlich zu Rom geführt, die Römer aber fortan Quiriten genannt werden sollten von der sabinischen Hauptstadt Kures. Durch diesen Frieden wurde die Macht Roms ansehnlich vermehrt. Der nahegelegene Hügel Quirinalis wurde noch mit in das Gebiet der Stadt gezogen und mit Sabinern besetzt. Doch der herrschsüchtige Romulus, der nicht einmal seinen Bruder hatte neben sich dulden können, wollte noch weniger mit einem Fremden den Thron theilen; nach einigen Jahren räumte er ihn aus dem Wege und regierte wieder allein.

 

5. Romulus' Ende.

Alle schwächeren Nachbaren mußten sich vor dem Romulus beugen; alle stärkeren fürchteten ihn. Das tapfere Volk von Veji wurde auch besiegt und in einer Schlacht bei Fidenä soll Romulus allein mehrere Hundert erschlagen haben. So großes Glück machte ihn übermüthig und er wurde immer herrischer gegen seine Untergebenen, immer stolzer gegen die Patricier. Er trug ein purpurnes Unterkleid und eine purpurverbrämte Toga; bei allen öffentlichen Geschäften sah man ihn auf einem Throne mit einer Lehne sitzen. Immer umgab ihn eine Schaar von Jünglingen, die celeres oder Schnellen genannt, von der Schnelligkeit, mit welcher sie seine Befehle ausführten. Die Liktoren (von ligare = binden) verhafteten und banden Jeden, welcher die Unzufriedenheit des Königs erregte.

Solche unbeschränkte Macht erregte den Unwillen und Haß der Patricier und sie verschworen sich, den Romulus heimlich zu überfallen und umzubringen. Einst hielt der König eine große Volksversammlung, als plötzlich ein großes Ungewitter entstand. Der Himmel wurde schwarz, Blitze zuckten, der Donner rollte; alles Volk lief auseinander, um Schutz vor dem Sturme zu suchen. Diesen Augenblick der allgemeinen Verwirrung benutzten die Senatoren, ihren Racheplan auszuführen. Romulus war plötzlich verschwunden. Das Volk kam wieder zusammen und verlangte seinen König zu sehen. Da erhob sich Julius Proculus, ein vornehmer Patricier, schwur einen Eid, Romulus sei ihm erschienen, schöner und größer, als er ihn je zuvor gesehen, mit prächtigen, flammenden Waffen geschmückt. Ueber diesen Anblick bestürzt, habe er ihn gefragt: »O König, womit haben wir dich gekränkt, daß du uns verlassest und die ganze Stadt um dich trauern muß?« Darauf habe Romulus geantwortet: »Es war der Götter Wille, o Proculus, daß ich wieder dorthin zurückkehren sollte, von woher ich stamme, nachdem ich mein Werk auf Erden vollbracht habe. Sage den Römern, sie würden den höchsten Gipfel menschlicher Macht erreichen, wenn sie Mäßigung und Tapferkeit üben. Ich aber werde euch ein gnädiger Schutzgott sein!« Eine wunderbare Bewegung ergriff nun alle Gemüther, und fortan wurde Romulus unter dem Namen »Quirinus« göttlich verehrt.

 

Numa Pompilius.

 

1. Die Wahl.

Nachdem Romulus gestorben war, beschlossen die Patricier, 150 an der Zahl, nun selber das Regiment zu führen. Jeder von ihnen sollte sechs Stunden des Tages und sechs Stunden des Nachts mit der obersten Gewalt bekleidet werden, Purpurkleid und Scepter, die Zeichen der königlichen Würde, tragen und den Göttern die gebräuchlichen Opfer bringen. Diese Einrichtung gefiel den Senatoren sehr, denn sie konnten alle Jahre ein paar Mal als König sich zeigen, aber das Volk murrte, daß es nun statt eines 150 Könige erhalten habe, und verlangte, man solle wieder einen einzigen König wählen.

Allein die Wahl war sehr schwierig, denn die Sabiner, welche Rom bevölkert und mächtig gemacht hatten, wollten aus ihrer Mitte den neuen König gewählt haben, die Römer aber wollten nicht gern einem sabinischen Manne gehorchen. Endlich kam man darin überein, daß die Römer allein wählen sollten, daß jedoch der neue König aus dem Volke der Sabiner zu wählen sei. Es ward lange in der Volksversammlung berathen; endlich erklärten sich die meisten Stimmen für Numa, den weisen Mann aus Kures, der Hauptstadt der Sabiner. Man schickte nun die Vornehmsten beider Völker als Gesandte an den Mann mit der Bitte, er möchte kommen und die Regierung übernehmen.

 

2. Sinnesweise des Numa.

Numa war der Sohn eines geachteten Mannes und von vier Brüdern der jüngste. Durch göttliche Fügung war er gerade an dem Tage geboren worden, an welchem Rom durch Romulus gegründet war. Sein Herz war für alles Gute und Schöne empfänglich und er hatte es durch Lernen, Dulden und Nachdenken noch mehr veredelt. Von aller Raubsucht und Gewaltthätigkeit hielt er sich fern und ersetzte echte Mannestugend in Beherrschung der Leidenschaften durch Vernunft. Aus seinem Hause verbannte er alle Pracht und Ueppigkeit, und er diente bereitwillig jedem Einheimischen und Auswärtigen als Schiedsrichter und Rathgeber. Seine Mußestunden widmete er nicht dem Genießen und Erwerben, sondern dem Dienste der Götter und der Betrachtung ihres Wesens und Wirkens. Deswegen war er auch bei Allen hochgeehrt, und Tatius, der mit Romulus auf dem römischen Throne saß, gab ihm seine einzige Tochter zur Frau. Diese hohe Verbindung konnte aber den Numa nicht bewegen, daß er zu seinem Schwiegervater zog, sondern er blieb im Sabinerlande, seines greisen Vaters zu pflegen.

Zuweilen verließ Numa das Getümmel der Stadt und begab sich in die Einsamkeit und Stille des Landlebens. Da sah man ihn oft ganz allein in heiligen Wäldern und Auen, in deren geheimnißvoller Stille ihm die Nymphe Egeria erschien, die ihn lieb hatte. Von dieser Göttin lernte Numa hohe Weisheit, und es ward ihm Manches offenbart, was den andern Menschen verborgen bleibt.

 

3. Regierung.

Einen bessern Mann als Numa hätten die Römer nicht wählen können. Als er sich entschlossen hatte, den Ruf zur Königswürde anzunehmen, brachte er den Göttern Opfer und begab sich auf die Reise. Senat und Volk gingen ihm freudig entgegen. Die Frauen empfingen ihn mit lauten Glückwünschen, in allen Tempeln wurde geopfert, und überall war Jubel. Als ihm die Zeichen der königlichen Würde gebracht wurden, bat er um Aufschub, da er noch einer Bestätigung der hohen Götter bedürfte. Er nahm Auguren, die aus dem Fluge der Vögel weissagten, und Priester mit sich auf das Kapitol, welches damals noch der tarpejische Hügel hieß. Hier ließ ihn der erste Augur das verhüllte Gesicht gegen Mittag wenden, trat dann hinter ihn, berührte sein Haupt mit der Rechten, sprach ein Gebet und schaute sich rings nach allen Seiten um, ob die Götter durch ein Zeichen ihren Willen zu erkennen geben möchten. Indessen herrschte auf dem Markte unter der großen Menge die tiefste Stille, denn Alle harrten begierig des Ausgangs. Siehe, da erschienen günstige Vögel und flogen von rechts heran. Nun erst legte Numa den Königsmantel um und kam zum Volke von der Burg herab. Da erscholl lauter Freudenruf, und Alles hieß ihn, als den frömmsten Mann und größten Liebling der Götter, willkommen.

Das Erste, was Numa that, war, daß er die 300 Trabanten, mit denen Romulus sich umgeben hatte, entließ. Mit Vertrauen und ohne Rückhalt wollte der friedliebende König unter seinem Volke wandeln, das ihn liebte und verehrte. Es war keine leichte Sache, den raub- und kriegslustigen Sinn der Römer für den Frieden und die Gerechtigkeit zu gewinnen. Doch es gelang dem Numa, die rauhen Sitten des Volkes zu mildern, weil er vor Allem auf die Ehrfurcht gegen die Götter hielt. Darum ordnete er den Gottesdienst, leitete selbst die Opfer und Festaufzüge, verband damit auch festliche Reigen, an denen sich des Volkes Sinn ergötzte. Er bauete neue Altäre und einen neuen Tempel, den Janustempel, der nur in Kriegszeiten offen stehen solle, damit man darin um Frieden beten möchte. Dann ordnete er auch die Reihe der Festtage und bestimmte die priesterlichen Würden. In Albalonga bestand schon seit langer Zeit der Orden der vestalischen Jungfrauen, und derselbe ward nun auch in Rom eingeführt.

Das Amt der vestalischen Priesterinnen bestand besonders darin, auf dem Altar ihres Tempels das heilige Feuer zu bewahren. Wie in jedem Wohnhause auf dem Heerde des Vorhofs ein stets brennendes Feuer war, so sollte auch für den Staat das Feuer im Tempel der Vesta der geheiligte Mittelpunkt sein. Das Verlöschen dieses Feuers ward für ein großes, den Staat bedrohendes Unglück gehalten, und diejenige Vestalin, welche sich dabei einer Nachlässigkeit schuldig machte, erfuhr eine harte Strafe. Auch durfte keine Vestalin heirathen; verletzte sie das Gelübde der Keuschheit, so ward sie lebendig begraben. Am kollinischen Thore war ein Hügel, in welchem man eine tiefe Höhle grub. In diese Höhle setzte man ein Bett und einen Tisch mit Brot, Wasser, Milch und ein wenig Oel, und stellte eine brennende Lampe daneben. Dahin nun ward die Verurtheilte in einer verhüllten Sänfte getragen. Wer dem traurigen Zuge begegnete, ging still vorbei oder folgte mit wehmüthigem Blicke schweigend nach. Am Eingange der Höhle verrichtete der Oberpriester einige Gebete, hob dann die tiefverschleierte Vestalin aus der Sänfte und stellte sie auf die Leiter, auf der sie hinabsteigen mußte. Die Leiter ward dann zurückgezogen, und die Unglückliche in ihren Grabeskerker eingeschlossen. Doch genossen auf der andern Seite die Vestalinnen der höchsten Ehren und das Volk wußte ihre strenge Enthaltsamkeit zu schätzen. Auf der Straße schritt ein Liktor vor ihnen her; begegneten sie durch Zufall einem Menschen, den man zum Tode führte, so ward die Hinrichtung nicht vollzogen.

Numa gründete ferner den Priesterorden der Fetialen. Die Fetialen waren bei Kriegserklärungen und Friedensschlüssen wirksam. Wenn ein Volk die Römer verletzt und zum Kriege gereizt hatte, so wurde durch jene Priester erst Genugthuung gefordert, und wenn diese nicht erfolgte, erschienen sie wieder an der Grenze und erklärten den Krieg unter gewissen Ceremonien. Diese Feierlichkeiten sollten den jähen Ausbruch wilder Leidenschaften zurückhalten.

Zu ähnlichem Zwecke diente auch die göttliche Verehrung des Jupiter Terminalis oder des Gottes Terminus (Grenze), dem alle Grenzsteine geheiligt wurden. Bei diesen mußten jährlich unblutige Opfer dargebracht werden, theils, damit die Grenze immer in Erinnerung gehalten, theils, damit die Verletzung derselben als ein Frevel gegen die Götter betrachtet werden möchte. Und wie diese Grenzsteine nicht bloß das Gebiet der Römer von dem der benachbarten Völker schieden, sondern auch die Ländereien der einzelnen Bürger abgrenzten; so sollte die Verehrung derselben nicht bloß den Krieg mit den Nachbarvölkern verhindern, sondern unter den römischen Bürgern selber Frieden und Eintracht erhalten.

Die Jahre von Numa's Regierung verflossen in stillem Glück, ohne Trübsal, ohne Krieg. Der Janustempel blieb verschlossen. Waren die Römer unter Romulus gefürchtet und gehaßt, so wurden sie unter Numa geachtet und geehrt: nur dann, wenn zur rauhen Kraft die milde Sitte sich gesellt, ist der Mensch unserer Liebe und Bewundrung werth.


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