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IX. Alexander der Große.

Nach Th. Welter.

 

1.

Philipp's Tod machte nur einem noch Größeren Platz, seinem Sohne Alexander.

Alexander war ein Prinz von den vortrefflichsten Anlagen. Seinem Vater lag nichts mehr am Herzen, als diese durch allerlei Leibesübungen und durch einen guten Unterricht auf das Beste auszubilden. Er berief deshalb den Griechen Aristoteles, den ausgezeichnetsten Weisen damaliger Zeit, an seinen Hof, um die Erziehung seines hoffnungsvollen Sohnes zu übernehmen. »Ich freue mich,« – schrieb er dem Aristoteles, – »daß das Kind geboren ist, während du lebst, um es unterrichten und zu einem guten Könige bilden zu können.« Nie hat ein größerer Erzieher einen größeren Zögling gehabt. Alexander hing aber auch mit ganzer Seele an seinem Lehrer.

Schon früh sehnte sich des Knaben Herz nach hohen ruhmwürdigen Dingen. Ueber die ganze Welt wünschte er König und der alleinige Besitzer aller menschlichen Kenntnisse zu sein. Selbst seinen Vater beneidete er wegen seiner Thaten. So oft die Siegesboten die Nachricht brachten, Philipp habe diese oder jene Stadt eingenommen, dieses oder jenes Volk bezwungen, so wurde der Kleine traurig und sagte mit Thränen in den Augen: »Ach, mein Vater wird noch die ganze Welt erobern und mir nichts zu thun übrig lassen!« – Am liebsten hörte er es, wenn seine Lehrer ihm von den Großthaten der alten Helden, von Krieg und Schlachten erzählten. Homer war deshalb sein Lieblingsbuch. Ein Held zu sein wie Achilles, war sein größter Wunsch; aber auch so schön besungen zu werden, war sein Verlangen. Die homerischen Gesänge waren ihm so lieb geworden, daß er sie des Nachts unter sein Kopfkissen legte, um darin lesen zu können, sobald er erwachte. Auch aus seinen Feldzügen trug er das Buch bei sich und bewahrte es in einem goldenen Kästchen. Wie der Held Achilles, so war auch er ein Meister in allen körperlichen Uebungen, vorzüglich in der Behendigkeit. »Willst du denn nicht« – fragten ihn einst seine jungen Freunde – »bei den öffentlichen Wettkämpfen der Griechen mit um den Preis laufen?« »O ja,« versetzte er stolz, »wenn Könige mit mir um die Wette laufen?« Einst wurde seinem Vater ein prächtiges, aber sehr wildes Streitroß, Bucephalus genannt, für den ungeheuren Preis von dreizehn Talenten (10,000 Thaler) angeboten. Die besten Reiter versuchten ihre Kunst an demselben, aber keinen ließ es aufsitzen. Der König befahl, das Thier wieder wegzuführen, da es doch kein Mensch gebrauchen könne. Da bat Alexander, daß man ihn noch einen Versuch machen lasse. Mit stolzer Zuversicht näherte er sich dem Pferde, griff es beim Zügel und führte es gegen die Sonne. Denn er hatte bemerkt, daß es vor seinem Schatten sich scheuete. Dann streichelte und liebkosete er es und ließ heimlich seinen Mantel fallen. Ein Sprung jetzt und der Jüngling sitzt oben. Pfeilschnell fliegt mit ihm das Pferd dahin! Philipp und alle Umstehenden zittern für das Leben des Kühnen. Wie er aber frohlockend umlenkt und das Roß bald rechts, bald links, so ganz nach Willkür tummelt, als sei es das zahmste Thier von der Welt, da erstaunen Alle. Philipp weint vor Freuden und umarmt Alexander mit den Worten: »Mein Sohn, suche dir ein andres Königreich, Macedonien ist zu klein für dich!« – Persische Gesandte, welche den Knaben in Macedonien sahen, erstaunten und fürchteten sich schon vor der Kraft und Macht seines künftigen Reichs.

Achtzehn Jahre alt, focht er tapfer mit in der Schlacht von Chäronea, in welcher die Griechenstämme unterlagen. Der Sieg war hauptsächlich sein Werk. In seinem 20. Jahre wurde er König. Schwer war für den jungen Herrscher der Anfang seiner Regierung. Rings umher standen die unterjochten Völker wieder auf; Alle gedachten der Freiheit. Die Athener spotteten des jungen Macedoniers, nannten ihn bald einen Knaben, bald einen unerfahrenen Jüngling, von dem nichts zu fürchten sei. »Unter den Mauern Athens«, – sprach Alexander, – »werde ich ihnen schon zeigen, daß ich ein Mann bin!« Sogleich brach er mit seinem Heere auf. Das wirkte; Alles huldigte ihm. Jetzt eilte er zurück und unterwarf sich unter harten Kämpfen die Völker im Norden und Westen. Plötzlich verbreitete sich das Gerücht, Alexander sei umgekommen. Da war ein Jubel in ganz Griechenland, denn die macedonische Oberherrschaft war den freiheitslustigen Griechen verhaßt. Feste wurden gefeiert und Opfer gebracht, die Thebaner tödteten sogar den macedonischen Befehlshaber in ihrer Stadt und verjagten die Besatzung. Aber blitzschnell stand Alexander vor ihren Thoren und zeigte ihnen, daß er noch lebe. Denn als sie ihm auf seine Aufforderung, sich zu unterwerfen, eine kecke Antwort gaben, nahm er mit stürmender Hand die Stadt und zerstörte sie von Grund aus. Nur das Haus des Dichters Pindar verschonte er, weil dieser in so schönen Liedern die Sieger in den griechischen Kampfspielen besungen hatte.

Ein so fürchterliches Beispiel der Strenge verbreitete Schrecken über ganz Griechenland; Alle beugten sich vor dem gewaltigen Sieger und gelobten Gehorsam. Alexander verzieh Allen und ging nach Korinth, um sich dort, wo eine allgemeine Griechenversammlung gehalten wurde, gleich seinem Vater zum Oberanführer der Griechen gegen die Perser ernennen zu lassen. Die Spartaner waren die Einzigen, die von seiner Befehlsherrschaft nichts wissen wollten. »Wir sind gewohnt«, – ließen sie ihm sagen – »Andere zu führen, aber nicht uns führen zu lassen.« Sie nahmen keinen Theil an dem Zuge.

 

2.

Zu Korinth lebte damals ein sehr weiser, aber auch ein sehr sonderbarer Mann, Namens Diogenes. Den Grundsatz, der Mensch müsse so wenig als möglich bedürfen, trieb er in's Lächerliche. Er trug einen langen Bart, einen zerrissenen Mantel, einen alten Ranzen auf dem Rücken und wohnte in einer Tonne. Wenn Alexander Alles, so wollte Diogenes Nichts besitzen, und warf sogar sein Trinkgeschirr entzwei, als er sich überzeugte, daß man auch aus der hohlen Hand trinken könne.

Alexander hatte Lust, den Sonderling zu sehen und ging, von einem glänzenden Zuge begleitet, zu ihm. Er saß gerade vor seiner Tonne und sonnte sich. Als er die Menge Menschen auf sich zukommen sah, richtete er sich ein wenig auf. Alexander grüßte ihn freundlich, unterredete sich lange mit ihm und fand seine Antworten sehr geistreich. Zuletzt fragte er ihn: »Kann ich dir eine Gunst erweisen?« »O ja,« – versetzte Diogenes, – »geh' mir ein wenig aus der Sonne!« Hierüber erhoben die Begleiter Alexander's ein lautes Hohngelächter; Alexander aber wendete sich um und sagte: »Wenn ich nicht Alexander wäre, möchte ich wohl Diogenes sein!«

Auch die Künstler besuchte Alexander fleißig; denn durch griechische Maler, Bildhauer und Steinschneider hoffte er verewigt zu werden. Er zeigte sich aber in allen diesen Dingen, die er nicht verstand, zuweilen etwas vorlaut, und mußte dann manchen Spott verschlucken. Einst tadelte er an einem Gemälde die unrichtige Zeichnung des Pferdes, und befahl, sein Pferd selbst zur Vergleichung herbeizuführen. Es kam und wieherte sogleich dem gemalten entgegen. »Sieh da!« sagte der Maler, »dein Pferd versteht sich besser auf die Kunst als du.« – Als der junge König ein ander Mal mit viel Anmaßung und wenig Kenntniß über Gemälde urtheilte, stieß ihn der Meister Apelles an und sagte: »Höre doch auf, Alexander! Sieh nur, wie die Jungen dort lachen, die mir die Farbe reiben.«

 

3.

In seinem dreiundzwanzigsten Jahre – es war im Frühlinge des Jahres 334 – brach Alexander mit dem Heere der verbundenen Griechen und Macedonier nach Persien auf. Seinen Feldherrn Antipater ließ er als Statthalter in Macedonien zurück, um die feindlich gesinnten Völker, besonders die Spartaner, in Schrecken zu erhalten. Er selbst setzte bei Sestus über den Hellespont (die jetzige Meerenge der Dardanellen), sprang in voller Rüstung zuerst an's Ufer von Asien, und rief freudig aus: »Mein ist Asien, es werde nicht verheert, ich nehme es als erobert in Besitz!« Auf dem Schlachtfelde von Troja besuchte er die Grabmale der alten Helden, besonders das des Achilles. Er schmückte dasselbe mit Blumen und wünschte nichts mehr, als daß einst ein Dichter wie Homer auch seine Thaten durch Gesänge verherrlichen möge. »O glücklicher Achilles,« rief er, – »der du im Leben einen treuen Freund, und im Tode einen Sänger deiner Thaten gefunden hast!« Hephästion, der Freund Alexanders, bekränzte Patroklus' Grabmal. Dann ging's weiter bis nach dem kleinen Flusse Granikus, jetzt Ouswola genannt. An dem jenseitigen Ufer entlang stand ein großes persisches Heer, unter Anführung mehrerer Satrapen (Statthalter), um den Macedoniern den Uebergang zu verwehren. Alexander hielt Kriegsrath. Sein erfahrener Feldherr Parmenio rieth, den Abzug der Feinde abzuwarten. »Der Hellespont würde sich ja schämen müssen«, – rief Alexander, – »wenn wir uns vor diesem Flüßchen fürchteten!« Er sprang hinein, seine Macedonier ihm nach, die Tapferen wateten durch, griffen an und schlugen die Perser in die Flucht. Im Getümmel der Schlacht wäre der allzukühne Heldenjüngling beinahe um's Leben gekommen. Zwei persische Feldherren, die ihn an dem hochwallenden Federbusch aus dem blinkenden Helme erkannten, sprengten auf ihn los. Er vertheidigte sich tapfer, doch bekam er einen Hieb auf den Kopf, daß der Helm zersprang; und als er sich gegen den Hauenden wendete, hob schon der zweite Perser das Schwert zum Todesstreiche auf. Aber in diesem Augenblicke eilte Klitus, ein braver Macedonier, herbei, und schlug dem einen Perser mit einem fürchterlichen Hiebe Arm und Schwert zugleich zur Erde, während Alexander den andern niederstreckte.

Durch diesen Sieg ward er Herr von Kleinasien. Mit seinem jubelnden Heere eilte er von Stadt zu Stadt; welche sich ihm nicht freiwillig unterwarf, wurde mit Sturm genommen. In Tarsus war sein Leben in Gefahr. Mitten durch die Stadt schlängelt sich der anmuthige Cydnusbach, dessen klares Wasser ihn zum Bade einlud. Mit Staub und Schweiß bedeckt stieg er hinein. Da überfiel ein plötzliches Zittern alle Glieder, er wurde leichenblaß und mußte aus dem Bade getragen werden. Die Aerzte gaben ihn auf; sie getraueten sich nicht, Etwas zu verordnen. Nur einer, Namens Philippus, entschloß sich, in dieser Noth ein gefährliches, aber entscheidendes Mittel zu gebrauchen. Der König war eben im Begriff, die ihm verordnete Arznei zu nehmen, als ein Brief von Parmenio anlangte mit der Warnung: »Traue dem Philippus nicht, er soll vom Perserkönige bestochen worden sein, dich zu vergiften.« Der König gab den Brief ruhig an seinen Arzt, und während dieser ihn las, nahm er die Arznei. Sein edles Vertrauen ward durch eine schleunige Genesung herrlich belohnt. Schon am dritten Tage stand er wieder an der Spitze seines, den geliebten Feldherrn jubelnd umringenden Heeres. Er drang durch die unbesetzten Engpässe Ciliciens und kam nach Issus. Hier, an der äußersten Küste, wo das Mittelländische Meer sich nach Süden herunterzieht, stand der Perserkönig Darius Kodomannus mit einem Heere von 600,000 Mann zur Schlacht bereit. Wie eine schwere Gewitterwolke kam die macedonische Phalanx unverzagt herangezogen, so daß die Perser trotz ihrer Ueberzahl ein Grauen überfiel. Sie wichen nach dem ersten Angriff zurück; bald lösete sich das ganze Heer in wilde Flucht auf. Schrecklich war das Gemetzel; über 100,000 Perser blieben auf dem Platze. Darius' Wagen konnte wegen der Menge der um ihn gehäuften Leichen nicht von der Stelle gerückt werden. Er sprang hinaus, ließ Mantel, Schild und Bogen zurück, warf sich auf sein Pferd und jagte, ohne anzuhalten, Tag und Nacht fort. Seine Mutter, eine seiner Frauen, zwei Töchter und ein unmündiger Sohn fielen dem Sieger in die Hände. Sie brachen in lautes Wehklagen aus, weil sie glaubten, Darms sei erschlagen. Alexander aber tröstete sie und gab ihnen die Versicherung, daß Darms noch lebe. Er behandelte die hohen Gefangenen mit der größten Theilnahme und Hochachtung, gerade als wäre es die Familie eines Freundes. Als später Darius hiervon glaubhafte Nachricht erhielt, streckte er die Hände gen Himmel empor und rief: »Götter, erhaltet mir mein Reich, damit ich mich dankbar bezeigen kann; habt ihr aber den Untergang desselben beschlossen, so gebet es keinem Andern, als dem Alexander von Macedonien!«

 

4.

Die glorreiche Schlacht bei Issus ward im Jahr 333 v. Chr. gewonnen. Nun zog der junge Held, unbekümmert um Darius, längs der Meeresküste nach Süden. Die einzelnen Städte unterwarfen sich ihm bereitwillig, weil sie sahen, wie äußerst gnädig der Sieger die eroberten Länder und Völker behandelte. Für die Widerspenstigen aber mußte das Unglück der Stadt Tyrus zur Warnung dienen. Die Bürger derselben versperrten ihm den Eingang und wehrten sich tapfer; aber nach einer Belagerung von 7 Monaten mußten sie sich ergeben, und die reiche Handelsstadt wurde gänzlich zerstört.

Hierauf ward Palästina erobert und dann zog Alexander über die Landenge von Suez nach Aegypten. Er schiffte auf dem Nil hinunter bis nach Memphis; der Weg durch dieses Land glich einem Triumphzuge; des persischen Joches müde, empfingen Alle frohlockend den Sieger. An einer der westlichen Nilmündungen gründete Alexander, als Ersatz für das zerstörte Tyrus, eine neue Handelsstadt, die nach seinem Namen Alexandria genannt und bald der Sitz des Welthandels wurde.

Westlich von Aegypten, in der großen libyschen Sandwüste, lag eine Oase, d. i. eine grüne, mit schattigen Palmen und Oelbäumen besetzte und wohlbewässerte Fläche, Ammonium genannt, das heutige Siwah. Hier stand ein uralter Tempel des Jupiter Ammon. Die Priester dieses Gottes standen, gleich denen zu Delphi, im Rufe hoher Weisheit, als verkünde der Gott durch ihren Mund die Zukunft. Perseus, Herkules und andere Helden des Alterthums hatten, der Sage nach, hier hohe Weissagungen erhalten. Alexander, der kein geringerer Held sein wollte, als diese, unternahm den höchst mühsamen Weg dahin. Die beiden ersten Tagereisen ging es erträglich; aber solche Einöden hatte man noch nie gesehen. So wie es weiter in das Sandmeer hineinging, wurde die Hitze immer unerträglicher; kein Baum, kein grünes Plätzchen, keine Spur von Pflanzenleben war zu sehen. Der Wasservorrath, den die Kameele trugen, war erschöpft, und in dem glühenden Sande kein Tropfen zu finden. Zum Glück kam ein kleiner Regen, und gierig haschte man nach dieser Erquickung, indem man das Wasser, das vom Himmel fiel, mit dem Munde auffing. Man brauchte vier Tage, um die Wüste zu durchziehen. Als man dem Ziele der Fahrt nahete, diente ein Schwarm Raben Alexander's Heere zum Führer. Endlich langte er in der Oase an, kam zu dem in einem schattigen Haine erbauten Tempel und sah seinen Wunsch erfüllt. Die Priester erklärten ihn für einen Sohn Jupiter's.

 

5.

Nun wendete sich Alexander, nachdem er sein Heer wieder vollzählig gemacht hatte, nach Asien zurück, um abermals den Darius zu verfolgen. Von diesem kamen ihm unterwegs Gesandte entgegen, die eine ungeheure Summe als Lösegeld für die hohen Gefangenen, ferner die Hand der königlichen Tochter und endlich alles Land vom Euphrat bis zum Hellespont boten. »Was meinst du?« fragte Alexander den Parmenio. »Ich würde es thun, wenn ich Alexander wäre!« antwortete dieser. »Ich auch, wenn ich Parmenio wäre!« antwortete Alexander lächelnd. Er wies den Friedensantrag mit stolzer Verachtung zurück; doch versprach er dem Könige eine ehrenvolle Behandlung, wenn er zu ihm käme. Sonst würde er ihn aufsuchen. Noch einmal wollte der bedrängte Perserkönig sein Glück versuchen, und er stellte seine Schaaren bei Gaugamela in Assyrien (nicht weit von Arbela) auf. Die macedonischen Feldherren waren betroffen über die große Zahl der Feinde, und riethen am Abende vor der Schlacht ihrem Könige, die Perser lieber in der Nacht anzugreifen. Alexander aber antwortete mit stolzer Zuversicht: »Nein, stehlen will ich den Sieg nicht!« – und ging mit größter Ruhe zum Schlaf. Am andern Morgen weckte ihn Parmenio und sprach verwundert: »Du schläfst so fest, o König, als ob du schon gesiegt hättest!« – »Und haben wir denn nicht gesiegt,« war des Königs Antwort, »da wir endlich den Darius vor uns haben?« Der Kampf war sehr hitzig; die Perser fochten wie Verzweifelte, aber Alexander's Kriegskunst siegte.

Durch den Sieg bei Gaugamela wurde Alexander Herr des großen persischen Reichs. Ein wunderbarer Wechsel! Wer hätte 150 Jahre früher, zu den Zeiten des Miltiades und Themistokles, gedacht, daß einst das griechische Völkchen dem großen Perserreiche das Schicksal bereiten würde, welches die Perser den Griechen zu bereiten versuchten! An Widerstand war nun nicht mehr zu denken; die Soldaten Alexander's durchzogen das weite Perserland nach allen Richtungen und thaten sich gütlich. Die Beute, die sie in den alten Königsstädten Babylon, Susa, Persepolis und Ekbatana machten, war unermeßlich.

Unterdessen floh der unglückliche Darius, stets aufgejagt und verfolgt, von einem Orte zum andern. Beim Verfolgen kam einst Alexander mit seinem Heere selbst in große Gefahr. Er zog durch eine Sandwüste, die gar kein Wasser hatte. Endlich hatte ein Reiter Etwas aufgefunden und brachte es im Helme seinem Könige. Als aber dieser sah, daß seine Krieger eben so wie er nach Wasser lechzten, sprach er: »Soll ich der Einzige sein, der trinkt?« und goß das Wasser auf die Erde. Als nun die Soldaten solche Enthaltsamkeit ihres Königs sahen, riefen sie begeistert: »Führe uns nur weiter, wir sind nicht müde, nicht durstig, auch nicht sterblich, wenn ein solcher König uns führt!«

Der flüchtige Darius ward endlich von seinem eigenen Statthalter in Baktrien – Bessus hieß der Treulose – gefangen genommen und fortgeführt. Dieser Elende ließ sich sogar zum Könige ausrufen. Das hörte Alexander und jagte sogleich mit einem Trupp Reiter ihm nach. Als der Verräther seine Verfolger in der Nähe witterte, versetzte er seinem Könige mehrere Dolchstiche und eilte dann mit seinen Leuten auf raschen Pferden davon. Alexander's Reiter fanden den Unglücklichen, mit Blut und Staub bedeckt, in den letzten Zügen. Er bat sie um einen Trunk Wassers, und ein Macedonier brachte ihm solches in einem Helme. Erquickt sprach der Unglückliche: »Freund, das ist das höchste meiner Leiden, daß ich die Wohlthat dir nicht vergelten kann: doch Alexander wird sie dir vergelten. Ihn mögen die Götter für die Großmuth belohnen, die er an meiner Mutter, meiner Gemahlin und meinen Kindern geübt hat. Hier reiche ich ihm durch dich meine Hand.« Nach diesen Worten verschied er. Eben jetzt kam Alexander selbst herangesprengt. Gerührt betrachtete er die Leiche des Mannes, den er, ohne ihn zu hassen, so eifrig verfolgte, und ohne es zu wollen, so unglücklich gemacht hatte. Er breitete seinen Mantel über ihn aus und ließ ihn nach Persepolis bringen, wo er in der königlichen Gruft feierlich beigesetzt wurde. Dann brach er schnell wieder auf, um den schändlichen Mörder zu verfolgen, und ruhete nicht eher, bis er seiner habhaft wurde. Bessus ward hingerichtet.

An der Spitze des frohlockenden Heeres zog nun Alexander durch Arien, Hyrkanien, Baktrien und Sogdiana; es war ein ununterbrochener Triumphzug. Die Soldaten konnten ihre reiche Beute gar nicht mehr tragen, und hätten Ruhe gewünscht. Als sie gar kein Ende des Kriegszuges absahen, wurden sie unwillig und murrten laut. Alexander gefiel sich so sehr in Persien, daß es gar nicht den Anschein hatte, als wolle er wieder nach Macedonien zurückkehren. Er verheiratete sich mit einer Perserin, ließ sich auf morgenländische Weise bedienen, forderte, daß man nach morgenländischer Art sich vor ihm niederwerfen sollte, kleidete sich auch wie ein Perser. Ja, er wurde selbst grausam, wie ein Despot, und hörte es gern, wenn man ihm über alle Maßen schmeichelte. Als einst bei einem Schmause die Rede auf die Helden des Alterthums kam, sagten die Schmeichler, sie wären Alle nichts gegen die Heldenthaten des großen Alexander. Nur Klitus gestand freimüthig, daß ihn doch sein Vater Philipp übertreffe. Da erhob sich Alexander finster von seinem Sitze; sein Auge funkelte vor Zorn, Alle zitterten für das Leben des Klitus, und man führte diesen eiligst hinaus. Doch vergebens gewarnt, trat er wieder ein und behauptete noch kräftiger die Wahrheit seiner Aussage. Da sprang Alexander wüthend von seinem Sitze, riß einem Trabanten die Lanze aus der Hand und durchbohrte den, der ihm am Granikus das Leben gerettet hatte. Kaum war aber die blutige That geschehen, so kam er wieder zur Besinnung. Er entsetzte sich, weinte laut und rief unaufhörlich: »Klitus, Klitus!« Er verwünschte sein eigenes Leben, und verschloß sich, ohne das Mindeste zu genießen, drei Tage und drei Nächte in seinem Zelte. Seine Soldaten wurden unruhig und jammerten: »Wer wird uns wieder in unser Vaterland zurückführen, wenn Alexander nicht mehr ist!« Endlich drangen die Freunde Alexander's in sein Zelt, trösteten ihn, der Tod des Klitus sei von den Göttern so bestimmt gewesen, und baten, daß er dem trauernden Heere sich zeige. Da kam er wieder hervor, aber seine Reue war kurz, sein Uebermuth blieb. Er wollte wie ein Gott verehrt sein.

 

6.

An eine Rückkehr war aber noch nicht zu denken; immer weiter nach Osten ging der Zug, auch die reichen Goldländer Indiens wollte Alexander erobern, ja, bis an's Ende der bekannten Erde vordringen. Indien war allerdings ein sehr reiches, gesegnetes Land und sehr bevölkert. Die Bewohner, gleich den Aegyptern in Kasten getheilt, unter denen die Priester und Gelehrten, Braminen genannt, die vornehmste Kaste waren, erfreuten sich hoher Bildung. Sie gehorchten mehreren Königen und Fürsten. Mehrere derselben kamen ihm mit Geschenken entgegen, als er über den Indusstrom setzte. Alexander rückte weiter vor bis an den Hydaspes, jetzt Dschilum genannt. Hier fand er Widerstand. Am jenseitigen Ufer stand der König Porus mit einem großen Heere, um ihm den Uebergang über den reißenden Fluß zu versperren. In einer schauerlichen Nacht, während es donnerte und blitzte und der Regen in Strömen floß, setzte der kühne Held über und schlug das Heer des Porus in die Flucht. Porus kämpfte wie ein Löwe und war der Letzte, welcher das Schlachtfeld verließ. Von Wunden erschöpft, ergab er sich dem Alexander. Dieser ging ihm entgegen, verwunderte sich über seine Größe, über seine Schönheit und sein edles Benehmen, und fragte ihn: »Wie willst du behandelt sein?« »Wie ein König!« erwiederte Porus. »Verlangst du sonst nichts von mir?« fragte Alexander weiter. »Sonst nichts,« – war die Antwort, – »Jenes begreift schon Alles in sich!« Sein Verlangen ward ihm mehr als erfüllt; er bekam nicht nur sein ganzes Königreich wieder, sondern auch mehrere neue Besitzungen zu demselben.

Die Nachbarvölker, durch die Niederlage des Porus erschreckt, verließen ihr Land und flohen bestürzt über den Hyphasis, jetzt Bejahs genannt. Auch über diesen Fluß wollte Alexander setzen. Da aber wurden seine Macedonier unruhig und empörten sich. Sie waren es endlich müde, sich unaufhörlich von einem Volke auf das andere hetzen zu lassen; sie sehnten sich nach der Heimath, von welcher sie über 600 Meilen entfernt waren. Alexander wollte sie aufmuntern. Vergebens! Es erhob sich ein dumpfes Gemurmel; Manche weinten. Da sprach der König erzürnt: »Ich werde weiter ziehen, und es werden sich noch genug finden, die mich begleiten; wer nicht will, der kehre um und verkündige daheim, daß er seinen König verlassen hat!« Dann verschloß er sich drei Tage lang in seinem Zelte, und Keiner durfte ihm vor die Augen kommen. Als er aber merkte, daß das Heer bei seinem Vorsatze blieb, erklärte er, daß er mit ihnen umkehren wolle. Da erscholl ein jauchzendes Freudengeschrei aus dem ganzen Lager. Alle drängten sich um ihren König, ihm zu danken. Heitere Waffenspiele wurden angestellt, große Opfer gebracht. Zum Andenken erbaute man zwölf thurmhohe Altäre auf der Stelle der Umkehr.

Der größte Theil des Heeres schiffte sich über den Indus nach dem indischen Ocean ein, um von dort in den persischen Meerbusen zu segeln, und so den Seeweg nach Indien zu erforschen. Alexander selbst kehrte mit dem übrigen Theile seines Heeres unter unsäglichen Beschwerden durch die Sandsteppen von Gedrosien und Karmanien zurück nach Babylon, wo er wieder mit seinen eingeschifften Kriegsleuten zusammentraf. Babylon sollte die Hauptstadt seines Weltreiches werden, denn er hatte vor, alle unterworfenen Völker zu einem einzigen großen Reiche zu vereinigen und dieses auf die höchste Stufe menschlicher Bildung zu bringen. Aber mitten in seinen großen Entwürfen erkrankte er; die vielen Anstrengungen, aber auch das schwelgerische Leben, dem er sich ergeben hatte, stürzten ihn in ein hitziges Fieber, das nicht mehr zu heilen war. Seine Feldherren standen trauernd an seinem Krankenlager und reichten ihm die Hand. Er hob den Kopf etwas in die Höhe, sah jeden bedeutungsvoll an und sprach: »Ich ahne, es werden nach meinem Tode blutige Kämpfe erfolgen.« Man fragte den Sterbenden, wen er zu seinem Nachfolger bestimme, denn er selbst hatte keine Kinder. Er antwortete: »Den Würdigsten.« Hierauf verschied er, in einem Alter von dreiunddreißig Jahren, nachdem er nur 12 Jahre 8 Monate regiert hatte. Sein früher Tod war ein unersetzlicher Verlust für die Menschheit, denn er hinterließ eine Welt in Trümmern.


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