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II. Kämpfe zwischen Patriciern und Plebejern.

 

1. Ein Schuldknecht. Nach Althaus.

Als die Patricier keinen Krieg mehr zu fürchten hatten, wurden sie immer übermüthiger gegen die Plebejer, und besonders behandelten die Reichen die Armen, die ihnen Geld schuldig waren, hart und grausam. Die Gesetze schützten die Armen nicht gegen solche Bedrückungen, denn die Patricier hatten die Gesetze gemacht und so waren sie fürchterlich streng. Wenn ein Schuldner nicht bezahlte, hatte der Patricier das Recht, ihn zu seinem Knechte zu machen, ihn an Andere zu verkaufen, ja sogar ihn zu tödten. Die Plebejer haßten darum die Patricier von ganzem Herzen und warteten nur auf eine Gelegenheit, sich von ihnen zu befreien. Alles war in Rom in Uneinigkeit und Erbitterung und zu diesen Wirren im Innern kam große Gefahr von Außen.

Die Volsker griffen Rom an und die Plebejer wurden von den Konsuln zu den Waffen gerufen. Jetzt in der Gefahr gab man den Plebejern gute Worte. Da geschah es, daß ein alter, aus dem Schuldkerker entsprungener Mann in Lumpen, mit verwildertem Haar und blutigen Maalen schwerer Mißhandlung auf den Markt stürzte und um Hülfe schrie. Er erzählte, wie er in achtundzwanzig Schlachten gefochten, wie ihm Haus und Hof, während er im Felde kämpfte, geplündert und verbrannt sei, wie Krieg und Hungersnoth ihn gezwungen habe, Alles zu verkaufen, wie er dann habe borgen müssen, aber die Wucherer seine Schuld in's Unerschwingliche getrieben hätten. Das Volk lief zusammen und erkannte wirklich in ihm einen alten wackeren Hauptmann. Da murrten die Plebejer und versagten den Kriegsdienst gegen die Volsker. Doch der Konsul Servilius beruhigte die Leute, indem er versprach, fortan dürfe auch jeder Schuldknecht in's Feld ziehen und Niemand solle ihm während des Krieges Kind und Habe pfänden.

Das geduldige Volk war zufrieden gestellt, rückte nun hinaus zur Schlacht und siegte; aber nach Hause zurückgekehrt, fand es den alten Jammer wieder. Ein stolzer Patricier, Appius Klaudius, widersetzte sich jeder milderen Maßregel und schickte alle seine Schuldner in den Kerker.

 

2. Der Diktator Valerius.

Im folgenden Jahre entstand ein neuer Aufstand. Das arme Volk forderte Erlaß seiner Schulden. Da schrie Appius Klaudius, den Lumpen sei zu wohl, man müsse ihnen den Uebermuth brechen! Die Gefahr, worin die Stadt schwebte, war groß, denn schon zogen Sabiner und Volsker mit ihren Verbündeten wieder gegen Rom. In dieser Noth wählte der Senat einen Diktator. Das geschah nur in großen Gefahren, denn ein Diktator hatte unumschränkte Macht über Leben und Tod, er stand über dem Gesetze und jeder mußte seinem Willen gehorchen. Ein dem Volke freundlich gesinnter Patricier, Valerius, wurde zum Diktator erwählt, der versprach den Plebejern, ihre Lasten sollten erleichtert werden. Mit zehn Legionen zog er aus und besiegte in drei Treffen die Sabiner, Aequer und Volsker. Triumphirend kehrte er heim. Aber als die Gefahr vorüber, hielten ihm die Reichen wieder nicht Wort und kerkerten wiederum ihre Schuldner ein. Voll gerechten Zorns legte nun Valerius sein Amt nieder, das Volk aber zog aus auf den heiligen Berg außerhalb der Stadt, wo es sich in einem Lager verschanzte.

 

3. Menenius Agrippa.

Nun geriethen die Patricier in Angst. Sie schickten zehn Gesandte aus der Mitte des Senats, welche mit dem Volke unterhandeln sollten, daß es wieder in die Stadt zurückkehren möchte. Unter den Gesandten war auch Menenius Agrippa, ein Liebling des Volkes; der führte das Wort: »Hört« – sprach er – »was ich zu erzählen habe. Einst hatten sich alle Glieder des Körpers wider den Magen verschworen, denn sie wollten es nicht länger dulden, daß dieser allein in behaglicher Ruhe nur immer genießen wollte, was die Glieder durch schwere Arbeit erworben hatten. Sie versagten ihm also den Dienst und begaben sich auch zur Ruhe. Die Hände führten keine Speise mehr zum Munde, der Mund rührte sich nicht, um mit den Zähnen die Speise zu zermalmen, und so ging der Magen leer aus. Bald schrumpfte dieser zusammen, aber auch der Körper wurde nun matt und krank, die Arme verloren ihre Kraft zur Arbeit, der Mund seine Lust zum Sprechen. Da merkten die Glieder, daß doch der Magen es sei, von welchem Kraft und Munterkeit in den ganzen Körper überströme, sie gaben ihr thörichtes Vorhaben auf und sehnten sich mit dem Magen wieder aus.«

Die Plebejer verstanden das Gleichniß und hörten nun versöhnlich die Friedensvorschläge an, die Menenius Agrippa überbrachte. Alle Schuldknechte sollten freigelassen, den ganz Armen aber die Schulden erlassen werden, und das Volk sollte fortan ein wichtiges Recht erhalten. Es sollte alljährlich aus seiner Mitte zwei Beamte, Tribunen genannt, wählen dürfen; diese Tribunen sollen unverletzlich sein, Keiner ihnen eine Gewalt anthun. Das geheiligte Amt, welches die Tribunen übten, war: darüber zu wachen, daß dem Volke kein Unrecht geschähe. Um das Unrecht zu verhüten, hatten sie die Macht, bei jedem Beschlusse des Senats, der ihnen für das Volk verderblich schien, ein Veto oder Nein in den Saal hinein zu rufen; dann war der Senatsbeschluß ungültig. – Auf solche Bedingungen kehrten die Plebejer wieder nach Rom zurück.

 

4. Marcius Koriolanus.

Die Patricier hatten das Alles nur aus Noth und sehr ungern zugestanden. Vor Allen aber zürnte über die neuen Rechte der Plebejer ein junger Patricier, Marcius, mit dem Zunamen Koriolanus. Er war ein stolzer und tapferer Mann; im letzten Kriege mit den Volskern hatte er die Stadt Korioli mit Sturm erobert und davon den ehrenvollen Beinamen »Koriolanus« empfangen. Als nun in den folgenden Jahren eine Hungersnoth entstand, rieth er den Senatoren, das Brodkorn theuer zu verkaufen und dadurch die Plebejer wieder zu Schuldnern und Knechten der Patricier zu machen; denn die Patricier allein müßten herrschen, so wäre es von Anfang an gewesen und so müßte es bleiben.

Als die Tribunen das hörten, riefen sie ein Volksgericht zusammen und verbannten den Koriolanus aus Rom. Da schwur der gekränkte Patricier, sich an diesen Plebejern zu rächen und sie zu züchtigen für ihren Uebermuth. Er ging zu den Volskern, den Feinden Roms, und versprach ihnen, sie zum Siege gegen die Römer zu führen. Sie machten ihn zu ihrem Feldherrn, er drang in das römische Gebiet ein, verwüstete alle Aecker der Plebejer und lagerte sich nahe bei Rom. Das Volk war nicht zum Kriege gerüstet, zwischen Plebejern und Patriciern herrschte großes Zerwürfniß, kein Heer war aufzubringen. Da schickte der Senat Gesandte, die um Frieden bitten und den Koriolan feierlich in seine Würde als römischer Bürger wieder einsetzen sollten. Doch der aufgebrachte Mann wies sie stolz und höhnend zurück.

Nun sandte der römische Senat eine zweite Gesandtschaft, Priester und Augurn in ihrer heiligen Tracht, die heiligen Gefäße vor sich hertragend; sie richteten eben so wenig aus. Da versammelte eine ehrwürdige Matrone, Valeria, alle edlen Römerinnen, ging mit ihnen zu Marcius' kummervoller Mutter Veturia und seinem gebeugten Weib Volumnia und alle zusammen zogen nun in's feindliche Lager hinaus. Dem Fußfall der alten Mutter und den Bitten des liebenden Weibes, deren Kinder weinend die Kniee ihres harten Vaters umschlangen, konnte der Mann im ehernen Brustharnisch nicht widerstehen, und als ihn endlich noch die geliebte Mutter Veturia zürnend fragte, ob sie denn einen Verräther des Vaterlandes geboren haben sollte, da ward das Herz des stolzen Mannes überwältigt. Er stürzte ihr in die Arme und rief: »O Mutter, Mutter! Rom hast du gerettet, aber deinen Sohn verloren!«

Marcius gab dem Heere der Volsker den Befehl zum Rückzug; diese aber, aus Rache, daß ihr Feldzug vereitelt war, schlugen den Römer todt.

 

5. Die Zehnmänner und Appius Klaudius, ihr Oberhaupt. Nach Th. Welter.

 

1.

Kaum athmeten die Römer freier, so begannen auch wieder die alten Streitigkeiten, die jetzt um so heftiger wurden, da das Volk seine eigene Macht erfahren hatte. Jetzt wollte es auch wissen, nach welchen Grundsätzen die Patricier, seine Richter, ihm das Recht sprächen, was diese ihm bisher sorgfältig verheimlicht hatten. Da trat der Tribun Terentillus Arsa mit dem wichtigen Antrage auf, gleichmäßiges Recht allen Bürgern durch geschriebene Gesetze zu bestimmen. Aber dieser billigen Forderung widersetzten sich die Patricier mit der unbesonnensten Hartnäckigkeit. Auf's Neue entstand Bürgerzwist in Rom und wiederum benutzten fremde Völker, namentlich die Sabiner, den günstigen Zeitpunkt, um die Römer zu überfallen. Der Feind drang sogar in die Stadt und besetzte das Kapitol. Nur von einem Manne hoffte man Rettung und den wählte man zum Diktator. Dieser Mann hieß Quinctius Cincinnatus. Als die Boten anlangten, um ihm die Wahl zur höchsten Würde zu melden, fanden sie ihn auf seinem Felde hinter dem Pfluge, nach Landmanns Weise nur mit einem Schurz bekleidet. Seine Hausfrau reichte ihm eiligst die Toga, damit er würdig die Befehle des Senats entgegennähme. Cincinnatus eilte nach Rom auf das Forum. Alle Buden wurden geschlossen, alle Processe schwiegen, die Aushebung begann, der Soldat zog muthig dem Feinde entgegen. Die Sabiner hatten sich bereits zurückgezogen, die Aequer wurden entscheidend geschlagen.

 

2.

Zum zweiten Mal drohten die Aequer und Sabiner; da verweigerte das Volk den Kriegsdienst, denn man hatte es wieder mit leeren Versprechungen wegen der geschriebenen Gesetze hingehalten. Nun entschlossen sich doch endlich die Patricier, drei Senatoren nach Griechenland zu senden, besonders nach Athen, das damals unter Perikles blühete, um dort die besten Gesetze zu sammeln. Darauf wählte man zehn Patricier ( decemviri), welche aus den fremden Gesetzen und einheimischen Satzungen eine Gesetzgebung für den römischen Staat ausarbeiten sollten. Während dieser Zeit wurde den Zehnmännern die höchste Staatsgewalt übertragen, jedem Decemvir schritten zwölf Liktoren voran. Am Ende des ersten Jahres waren schon zehn Gesetztafeln fertig, aber sie reichten noch nicht hin; so wurde das Amt der Zehnmänner auf das zweite Jahr verlängert. Appius leitete die Wahl auf sich und seine Anhänger; doch kamen diesmal auch fünf Plebejer hinzu. Nachdem noch zwei Tafeln mit Gesetzen beschrieben waren, konnte man die Gesetzgebung schließen.

 

3.

Die Zehnmänner hatten indeß keine Lust, ihr Amt, durch welches sie die ersten und mächtigsten Herren in Rom geworden waren, sobald wieder niederzulegen. Ohne sich um die Zustimmung des Volkes und des Senates zu kümmern, behielten sie sich auch für das dritte Jahr ihr Amt bei. Ja, Appius Klaudius, das Oberhaupt der Zehnmänner, schien es darauf angelegt zu haben, sich die Alleinherrschaft zu erringen. Solcher Uebermuth empörte Alle, die Patricier sowohl als die Plebejer. Endlich kam der lange verhaltene Ingrimm durch eine Gräuelthat des Appius zum Ausbruch. Dieser Tyrann wollte einem Bürger Roms, mit Namen Virginius, seine Tochter Virginia mit Gewalt entreißen, da das schöne und sittsame Mädchen nichts von den Anträgen des bösen Mannes hören wollte. Er behauptete frech, Virginia sei die Tochter einer seiner Sklavinnen, also sein Eigenthum; durch seine Diener ließ er sie auf offener Straße ergreifen und vor ein Gericht schleppen, das sie unter dem Schein des Rechts ihm zusprechen sollte.

Als der unglückliche Vater sah, daß gegen den Gewaltigen Niemand ihn schützen konnte, stellte er nur noch die Bitte, seine Tochter etwas fragen zu dürfen. Er trat mit ihr beiseit, riß von einer Schlächterbude ein Messer weg und stieß es seiner Tochter in's Herz. Mit dem blutigen Messer eilte er, wie einst Brutus, durch die Haufen des Volkes und rief Götter und Menschen um Rache an. Das ganze Volk gerieth in Aufruhr. Appius wurde ergriffen und in's Gefängniß geworfen, wo er sich selbst entleibte; seine Genossen flohen aus Rom. So nahm die Regierung der Zehnmänner ein Ende und die Konsuln und Tribunen traten wieder in ihre Rechte ein. Zum zweiten Mal ging Roms Freiheit aus dem Blute einer edlen mißhandelten Römerin hervor!

 

6. Kamillus und Manlius.

 

1.

Sobald die Römer wieder Kräfte gesammelt hatten, wollten sie den schon Jahrhunderte lang dauernden Kampf mit Veji endlich auskämpfen. Veji war die größte und mächtigste Stadt Etruriens; sie lag auf einer Anhöhe, am rechten Ufer der Tiber. Ueberragende Felsen und Mauern schienen sie gegen jeden feindlichen Angriff hinreichend zu schirmen. Dennoch unternahmen die Römer (im Jahre 406) die Belagerung; sie warfen Wälle aus, errichteten Sturmdächer und ließen selbst im Winter nicht von der Belagerung ab. Doch ward die Stadt erst im zehnten Jahre, wie das einst von den Griechen belagerte Troja, eingenommen. Der Held, dem die Eroberung gelang, war der Diktator Kamillus. Dieser ließ unter den Mauern hindurch einen unterirdischen Gang graben, und während er von Außen stürmen ließ, stiegen von Innen die geharnischten Männer aus der durchbrochenen Kluft in die Stadt und überrumpelten die Einwohner. Unermeßlich war die Beute, die man in Veji fand. Das Triumphgepränge übertraf alles bisher Gesehene. Der Diktator fuhr in einem mit vier weißen Rossen bespannten Wagen das Kapitol hinan. Das schien Vielen sträfliche Hoffart, denn weiße Rosse waren dem Jupiter und der Sonne heilig. In der That wurde auch Kamillus bald sehr übermüthig, und einen Theil der Beute unterschlug er. Darum ward er von dem Volkstribun Apulejus angeklagt, entzog sich aber der Strafe durch eine freiwillige Verbannung nach Ardea. Scheidend that er das unedle Gebet, daß die Römer bald in Noth kommen und sich nach seiner Hülfe sehnen möchten. So beteten die Vaterlandsfreunde Aristides und Demosthenes nicht.

 

2.

Dem Kamillus ward sein Wunsch nur zu bald erfüllt. Im Norden von Italien, dort, wo das Land von den hohen Alpen begrenzt wird, hausete ein wilder Stamm der Gallier, die Senonen. Diese mochten nach den reichen Wein- und Kornländern Italiens lüstern geworden sein und drangen mit 30,000 streitbaren Männern nach Süden vor bis vor Klusium (Chiusi) in Etrurien. Die erschrockenen Klusiner riefen eiligst die Römer zu Hülfe. Diese schickten, um vorläufig den Feind zu erkunden, drei Gesandte, welche Brennus, den Oberanführer der Gallier, fragten, mit welchem Rechte er denn in das Gebiet freier Männer falle? »Das Recht,« – erwiederte der tapfere Mann, – »führen wir auf der Spitze des Schwertes. Dem Tapferen und Starken gehört die Welt!« Ueber solche Keckheit ergrimmten die Gesandten; sie stellten sich selbst an die Spitze der Klusiner, machten einen Ausfall, und einer der römischen Jünglinge tödtete mit eigener Hand einen gallischen Anführer.

Wüthend über eine solche Verletzung des Gesandtschaftsrechts zog Brennus gegen Rom. An dem Flusse Allia, zwei Meilen vor der Stadt, kam es zur Schlacht (390 v. Chr.). Beim Anblick der wilden gallischen Männer mit ihrer barbarischen eigenthümlichen Bewaffnung kam ein Schrecken über das ganze römische Heer; die Soldaten flohen nach allen Seiten auseinander. In Rom war kein Heer mehr vorhanden; da faßte man auf den Rath des Manlius den Entschluß, die unhaltbare Stadt aufzugeben, Schätze, Lebensmittel, Heiligthümer auf das feste Kapitol zu flüchten und dieses mit den wehrhaftesten Männern zu besetzen. Die übrige Habe wurde vergraben; wer fliehen mochte, floh. Nur achtzig Greise und Priester, welche Rom nicht überleben wollten, und sich durch den pontifex maximus (den Oberpriester) dem Tode hatten weihen lassen, setzten sich, in weißer Toga und mit Stäben in der Hand, ernst und unbeweglich auf den Prachtstühlen des Marktes nieder. Die Gallier erstaunten nicht wenig, als sie in die offenen Thore eindrangen, die Straßen leer fanden und dann auf das Forum gelangten, wo sie die lange Reihe ehrwürdiger Greise erblickten. Sie meinten anfangs, es wären Götterbilder. Neugierig, ob die unbeweglichen Gestalten auch wohl Leben haben möchten, nähert sich ein Gallier einem der Priester und zupft an dessen Bart. Der erzürnte Greis gibt dem Verwegenen einen Schlag mit seinem elfenbeinernen Scepter. Da hauet ihn der Gallier nieder; zugleich werden die Andern alle umgebracht. Nun wird die Stadt angezündet und in einen schaudervollen Schutthaufen verwandelt. Doch die Stürme auf das Kapitol werden von den Vertheidigern muthvoll zurückgeschlagen. Brennus beschloß, die Besatzung auszuhungern, und sandte indeß seine Schaaren nach Latium und Apulien, um Lebensmittel einzubringen.

 

3.

Ein Theil des gesprengten Römerheeres hatte sich in Ardea gesammelt, wo Kamillus als Verbannter lebte. Der tapfere Kriegsmann wußte den Verzagten wieder Muth einzuflößen, stellte sich an ihre Spitze und schlug mehrere Haufen plündernder Gallier in die Flucht. Die römischen Soldaten meinten, Kamillus sei nicht länger mehr ein Verbannter, da kein Vaterland mehr sei; er möge wieder den Oberbefehl über das ganze Heer annehmen. Kamillus aber verlangte zuvor die Genehmigung der Obrigkeiten auf dem Kapitol. Der kühne Publius Kominius wagte es, die Einwilligung der Senatoren zu holen. Im schlichten Kleide, unter welchem Kork verborgen war, erreichte er des Nachts die Tiber, schwamm eine Strecke weit hinab, schlich sich mitten durch die feindlichen Posten an das karmentalische Thor, wo das Kapitol für unersteigbar galt, und es gelang ihm wirklich, die steile Höhe zu erklimmen. Da meldete er den Sieg Kamill's und den Antrag der Soldaten, und Kamillus ward zum Diktator ernannt.

 

4.

Die Fährte des Kominius ward aber von den Galliern entdeckt und wurde zu einem Ueberfall benutzt. In einer stillen, mondhellen Nacht klimmten die Feinde zum Kapitol hinan. Dort lag Alles im Schlaf, die Schildwachen, selbst die Hunde schliefen. Schon war ein Gallier fast oben, als plötzlich die Gänse, welche der Juno geheiligt waren und darum trotz der Hungersnoth nicht geschlachtet wurden, ein so starkes Geschnatter erhoben, daß der Senator Manlius davon erwachte. Der eilte schnell an den bedrohten Ort, hieb dem nächsten Gallier die rechte Hand ab, den folgenden stürzte er mit seinem Schild in die nächtliche Tiefe, so daß auch die Nachfolgenden zurücktaumelten und das Kapitol gerettet war. Die Wachtposten, welche so schlecht Wache gehalten hatten, wurden am nächsten Morgen zum tarpejischen Felsen hinabgestürzt. Für den Manlius aber darbte sich Jeder etwas Wein und Mehl ab. Aus dem letzten Rest von Getreide buk man Brod und warf es, als hätte man dessen noch zu viel, beim Sturm gegen den Feind. Da sank den Galliern die Hoffnung, die Römer auszuhungern, um so mehr, als das Gerücht sich verbreitete, Kamillus sei mit einem Heere im Anzuge.

Brennus zeigte sich zu einem Friedensvertrage bereit, unter der Bedingung, daß die Römer ihm 1000 Pfund Gold auszahlten. Beim Abwägen des Goldes übten die Gallier Betrug, und als sich die Römer darüber beschwerten, warf Brennus noch sein Schwert und Wehrgehänge zu dem Gewicht, mit den Worten: »Weh' den Besiegten!« Aber während man so vor- und nachwog, zählte und zankte, erschien der Diktator. Ihm machten die Römer ehrerbietig Platz; Kamillus warf das Gold von der Waage den Seinen mit den Worten zu: »Die Römer bezahlen mit Eisen, nicht mit Gold; der Vertrag gilt nicht, denn er ist ohne den Diktator geschlossen!« Nun kam es zum Gefecht, aber Brennus ward in die Flucht geschlagen.

 

5.

Kamillus war ein Feind des Manlius, welcher der »Kapitoliner« genannt und vom Volke hochgeachtet ward. Da Kamillus einen zahlreichen Anhang unter den Patriciern hatte, ward er mit Belohnungen überschüttet, doch Manlius blieb unbelohnt. Das erregte seinen Groll und er trat auf die Seite des Volks, dessen Druck und Plage ihm auch redlich zu Herzen gegangen sein mag. Ein als Schuldknecht vom Wucherer gefesselter alter Hauptmann und Kriegskamerad wurde von ihm auf der Stelle losgekauft. Das Volk jubelte ihm Beifall. Da schlug er auch sein bestes Landgut los und schwor, keiner solle, so lange er ein As besitze, als Schuldknecht abgeführt werden. Er lieh den Armen ohne Zins. Bald wurde sein Haus ein Sammelplatz der Unzufriedenen; vor ihnen klagte er, wie das gallische Geld unterschlagen worden sei. Er forderte zum Besten des Volks eine neue Vertheilung der Aecker und Verkauf des Gemeindelandes zur Schuldentilgung für die Armen, welche durch den Wiederaufbau der zerstörten Häuser vollends den Reichen in die Hände gefallen waren. Da wurde durch den Einfluß der Patricier ein Diktator ernannt, der ließ den Manlius als einen der Republik gefährlichen Mann, als Meuterer und Verleumder verhaften. Die Plebejer trauerten um ihren Patron in zerrissenen Kleidern und lagerten sich an seiner Kerkerschwelle. Der Volksauflauf ward immer bedenklicher und der Senat sah sich genöthigt, den ihm Verhaßten wieder frei zu geben.

Es dauerte nicht lange, so klagten die Tribunen den Manlius an, daß er nach Alleinherrschaft strebe. Man hoffte, nun werde er sich selbst verbannen; er erwartete aber unbiegsam und furchtlos das Gericht. Er zeigte auf seine Wunden, auf die Waffen von dreißig erlegten Feinden, auf das gerettete Kapitol; er rief die Götter an, gerechter als die Menschen sich seiner Noth zu erbarmen. Da wurde er abermals entlassen. Als aber sein Anhang sich bereitete, das Kapitol bewaffnet zu behaupten, und ihn völlig zur Empörung hindrängte, da wurde Kamillus, sein Feind, zum vierten Mal Diktator und Manlius abermals in die Acht erklärt. Klüglich versammelten sich dies Mal die Patricier in einem Haine, wo das Kapitol nicht sichtbar war. Dort sprach man die Todesstrafe gegen den Unglücklichen aus, er wurde auf den tarpejischen Felsen geschleppt und dann in den furchtbaren Abgrund hinab gestürzt. »Es sind nur wenig Schritte vom Kapitol zum tarpejischen Felsen«, das ist seitdem ein Sprüchwort geworden.

 

6.

Noch immer wurden den Plebejern die Rechte geschmälert; da erhoben sich zwei wackere Volkstribunen, Licinius und Sextius, und Kamillus war hochherzig genug, sie zu unterstützen. Der Senat erkannte endlich, daß es Zeit sei, dem Volke nachzugeben, und glücklich wurden die licinischen Anträge durchgebracht und zu Gesetzen erhoben:

1. Von den Schulden mußte ein Theil den Plebejern erlassen werden;

2. Bei den Ackervertheilungen durfte Keiner mehr als 500 Joch (480 Magdeburger Morgen) erhalten, und auch die Plebejer mußten dabei bedacht werden,

3. Von den beiden Konsuln sollte fortan einer aus den Plebejern genommen und von den Plebejern gewählt werden.

Als diese Gesetze angenommen waren, geschah es, wie Kamillus gelobt hatte; die Römer bauten der Eintracht (Konkordia) einen Tempel. Anderthalbhundert Jahre hatten bis jetzt die Plebejer unablässig gestrebt, ihren Theil an der Staatsgewalt zu erlangen; vieles Blut war um dieses Recht vergossen, viele Tribunen und Freunde des Volkes waren erschlagen, und auch von Außen hatten die Römer, weil sie uneins waren unter sich, großes Unglück erlitten und zuweilen an dem Abgrund des Verderbens gestanden. Jetzt aber, da im Innern Friede und Eintracht herrschte und die Rechte des Volkes gesichert waren, nahm die römische Republik mit jedem Jahre an Kraft zu; keiner verweigerte mehr Kriegsdienste, und das Volk hatte frische Lust, große Thaten zu vollbringen, weil es sein Vaterland liebte.


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