Franz Gräffer
Josephinische Curiosa
Franz Gräffer

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73. Kaiser Joseph als Mensch; sein Privatcharacter; seine Lebensweise und Gewohnheiten; seine Neigungen und Eigenheiten, und seine Persönlichkeit überhaupt.

»Niemand ist ein Held vor seinem Kammerdiener.«
Montaigne.
   

Über jene individuellen Eigenheiten des Kaisers Joseph II. haben seine Biographen sich mehr oder weniger verbreitet; die meisten aber haben das nur gar zu oberflächlich und dürftig gethan, so, daß der Leser nur ein sehr mattes schales Bild vor Augen hat. Am Treffendsten und Schärfsten, wenn auch nur als Skizze, hat ihn ein Mann characterisirt, der, ein Zeitgenosse des erhabenen Fürsten, Gelegenheit gehabt hat, ihn häufig in unmittelbarer Nähe zu beobachten; ein Schriftsteller, dessen Arbeiten unter die partheylosesten und gediegensten gehören, und in All und Jedem der österreichischen Literatur zur Ehre gereichen. Dieser Autor nun (der Nahme thut gar nichts zur Sache und der kundigere Leser wird ihn sogleich erkennen) zeichnet mit folgenden Strichen die Silhoette Josephs:

Joseph der Zweyte war von mittelmäßiger Leibesstatur: er mochte etwa 5 Fuß 6 Zoll haben. Sein Körper war sehr gut gebaut: nervig, ohne plump; kernhaft, ohne fett; mehr voll als mager. Seine Leibes-Constitution zeugte von jener Geistesblüthe, von jenem Feuer, das er aus Franzens und Theresiens Geblüt ererbt hatte. Er besaß eine Gesundheit, Kraft und Stärke, die es allein möglich machten, daß er alle die unaufhörlichen und gräulichen Beschwerlichkeiten ertragen konnte, welche jeden anderen würden aufgerieben haben.

Er besaß eine schöne gewölbte Stirne, starke Augenbrauen, eine große gebogene Adlernase, Augen von so schönem Blau, daß es in Österreich eine Zeit lang Mode war, Kleider von der Farbe seiner Augen zu tragen; und diese Farbe hieß buchstäblich in allen Kaufmannsläden Kaiser-Augenblau. Seine Haare waren lichtbraun. Er trug sie in einem Zopfe gebunden, nach Art der Officiere, mit zwey ganz ungekünstelten Seitenlocken, und einem kurz abgeschnittenen ToupetToupet: eine um 1780 übliche Mode, die unmittelbar über der Stirn befindlichen Haare rückwärts in die Höhe gekämmt und gekräuselt zu tragen..

Seine Gesichtsmiene war in jüngeren Jahren unbeschreiblich angenehm, und zugleich majestätisch. Seine unmäßigen körperlichen Beschwerden aller Art zogen ihm einige kleine Gebrechlichkeiten zu: er bekam Aderbrüche in den Füßen, Flüsse in den Augen, die RoseIm gemeinen Ausdrucke: der Rothlauf. am Kopfe. Um die Heilung dieser letzteren bequemer zu besorgen, fing er im Jahre 1785 an, Perrücken zu tragen, welche ihn schon stark entstellten. In späteren Jahren war seine Gesichtsfarbe, durch die vielen Reisen, durch den Aufenthalt im Felde, wo er weder Frost noch Hitze, weder Schnee noch Regen scheute, stark rothbraun geworden. Auch bekam er allmählich tief herunter hängende Backen, wodurch jene Züge von Anmuth und freundlicher Theilnehmung beynahe ganz verwischt wurden.

Er sprach meistentheils hastig und ernsthaft. Wenn er zornig ward, so zog er die Oberlippe stark aufwärts, daß man die Zähne sah; die Augen wurden starr und feurig; er pflegte in diesem Zustande wohl auch mit den Füßen zu stampfen.

In seiner frühesten Jugend wurde Joseph Ungarisch gekleidet. In seinen Jünglingsjahren wechselte er diese Tracht mit der Deutschen; und im männlichen Alter ging er immer in deutscher Kleidung. Nur am Theresientage 1765 zog er zum ersten Mahle die blaue Husaren-Uniform an, von dem Regimente, welches seinen Nahmen führte; und in dieser Uniform stattete er an diesem Tage seiner Mutter den Glückwunsch ab. Auch trug er einige Jahre hindurch bey verschiedenen Anlässen diese Husaren-Uniform, besonders wenn er bey den jährlichen Manövres in die Gegend kam, wo sein Husaren-Regiment mit exercierte.

Seit dem Jahre 1768 ungefähr, kleidete er sich gewöhnlich in deutsche Uniform, entweder weiß und roth, oder grün und roth, wie das nach ihm benannte Regiment Chevauxlegers. Auch auf der Reise, wenn sie nicht über die Gränzen seines eigenen Staates hinaus ging, trug er beständig die Uniform. . . Die grüne stand ihm am besten zum Gesichte.

Ob er diesen militärischen Anzug deßwegen trug, weil ihm seine Frau Mutter nach Franzens Tode das ganze Kriegswesen übergeben hatte; ob es aus eigenem Geschmacke, aus Hange zur Simplicität, mitunter auch als Nachahmung des Königs Friedrich geschah, den er öfters mündlich und schriftlich seinen Meister in der Kriegskunst genannt hatte, weiß ich nicht. Aber dieses weiß ich, daß man ihn außer der Zeit seiner militärischen Beschäftigungen, auch lieber ohne Soldatenkleidung gesehen hätte; weil ein Landesherr nicht bloß Vertheidiger seines Staates, sondern auch Gesetzgeber und Bürger seyn muß.

Auf der Reise in fremde Länder, oder sonst im Negligee zu Hause trug er gern einen braunen oder andern dunkelfarbigen Frack; und über alle diese Kleidungen in der kälteren Jahreszeit einen grünen oder dunkelblauen Capot; einen schlichten Hut ohne alle Verzierung, Stiefel und Sporn.

An Galla-Tagen, Ritterordensfesten, bey der Frohnleichnamsprocession, und bey andern öffentlichen feyerlichen Anlässen, trug er die Feldmarschalls-Uniform, nähmlich weiß und roth; an der Brust die mit Brillanten gestickten Sterne, und über die rechte Schulter, nach der linken Hüfte, die Bänder der beyden inländischen Orden; um den Hals den goldenen Vließ; große Schuhschnallen mit Brillanten, aber äußerst selten Ringe an den Fingern. – »Man muß sehr schöne Hände haben, wenn man Ringe tragen will,« sagte er.

Er hielt sich in seinem Anzuge nett und reinlich, und sah es gern, wenn die Leute, welche um seine Person zu thun hatten, nicht prächtig, aber ebenfalls nett und reinlich im Anzuge waren.

Seit dem Tode seines Vaters schlief der Kaiser Joseph der Zweyte beständig auf Stroh. In Wien hatte er seine Strohsäcke mit Stroh von türkischem Weizen gefüllt; darüber lag eine Hirschhaut ausgebreitet; auf derselben ein Leintuch, und ein mit Roßhaaren ausgestopftes, mit Leder überzogenes Kopfkissen. . . . Auf Reisen nahm er gemeines Stroh, und allemahl die Hirschhaut darauf. Man denke aber nicht, daß er dieses nur in Dörfern oder solchen Örtern that, wo er gar keine oder nur schlechte Betten haben konnte: nein, auch in Pallästen und Schlössern von Fürsten und Großen ließ er die Betten aus seinem Schlafzimmer wegräumen, und legte sich auf das Stroh. . . Mit Mühe konnte man ihn bey Verschlimmerung seiner Krankheit, im Frühjahre 1789, bereden, daß er sich statt des Strohsackes eine Matratze unterlegen ließ.

Er stand im Sommer längstens um 5 Uhr Morgens auf, im Winter etwas nach 6 Uhr. Die Cabinets-Secretäre, welche jeden Tag den Dienst hatten, mußten dann schon in Bereitschaft gegenwärtig seyn. . . . So bald der Kaiser munter war, wurde, in den kältern Monathen nähmlich, in dem Camine des Schlafzimmers, Feuer gemacht. Zu diesem stellte er sich, zog ein frisches Hemd und eine bequeme Morgenkleidung an, und begann dann sogleich die Arbeit. Gegen 9 Uhr nahm er sein Frühstück, ehemahls Caffeh mit Milch, den er sehr gern trank; in den letzteren Jahren aber Chocolate. Um diese Zeit zog er sich auch ordentlich an, ließ sich von einem Kammerdiener das Haar in Ordnung richten, welches so geschwind als möglich abgethan seyn mußte, und nahm sich täglich selbst den Bart ab.

Während dieser Zeit des Frühstückens und Anziehens, war gewöhnlich der Oberst Kämmerer, Graf Rosenberg, zur Conversation bey dem Kaiser.

Sein Schlafzimmer war in der eigentlichen sogenannten Burg im ersten Stockwerke, auf die Bastey hinaus, neben dem großen Altane. Wenn er gefrühstückt hatte und angezogen war, ging er aus dem Schlafzimmer hinunter in das Cabinet auf den Controlorgang, wo er mit seinen Secretären fortfuhr in Staatsgeschäften zu arbeiten. Hier ging er beynahe von Stunde zu Stunde auf den Gang hinaus, hörte Leute an, nahm Bittschriften und Vorträge ab; ließ diejenigen, welche mündlich mit ihm sprechen zu müssen glaubten, zu sich in das Zimmer treten, und fertigte sie so bald als möglich wieder ab, um andere anzuhören.

Leute jedes Standes, Alters und Geschlechts, konnten hier täglich, in allen Arten von Angelegenheiten, zu ihm kommen. Dieses geschah auch. Der Controlorgang war meistens den ganzen Tag über dergestalt mit Leuten angefüllt, daß ein ordentliches Gedränge an der Thüre zum Cabinete entstand. . . . So dauerte es bis gegen 12 Uhr. Dann ritt oder fuhr er ein Paar Stunden spazieren. Bey schöner Witterung saß er in einem offenen, grün lackirten und ausgefütterten Pirutsch, immer nur mit zwey Pferden bespannt, die er sehr gern und fast immer selbst lenkte, bis auf die letzten Jahre, da er schon kränklich oder nicht gut aufgeräumt war. Ein einziger Bedienter saß oder stand hinten auf. Beym Reiten hatte er meistens ein Paar Handpferde, und einen Bereiter mit sich; manchmahl auch einen Chevalier, und in den letzteren Jahren von Zeit zu Zeit seinen Neffen, den Erzherzog Franz, zur Gesellschaft. Er ritt oder fuhr in den Augarten, in den Prater, auf die übrigen Donau-Inseln, in die Gegend von Schönbrunn, oder sonst ausser den Linien auf offenem Felde herum.

Die Stunde zu speisen war bey ihm nicht festgesetzt. Er aß manchmahl um 3, um 4, auch wohl um 5 Uhr zu Mittag, je nachdem er sich von seinen Geschäften los machen konnte oder wollte. Die Hofköche hatten für seine Person alle nichts zu thun, sondern eine einzige Mundköchinn kochte für ihn. In früheren Zeiten hatte er zuweilen selbst einen Küchenzettel gegeben; in den letzteren Jahren aber überließ er die Auswahl der Speisen seiner Köchinn. Die Tafel war eben nicht sehr prächtig. Sie bestand gewöhnlich aus zwey Trachten, und jede derselben aus 6 Schüsseln, alle kleinen Zwischenspeisen und den Nachtisch mit eingerechnet. Unter diesen 12 Schüsseln aß er täglich Suppe, Rindfleisch, grünes Gemüse, Braten, gekochtes Obst und süßes Backwerk. Von allen diesen genoß er eine ziemlich starke Portion. Von den übrigen Schüsseln wählte er manchmahl etwas, wenn es gerade nach seinem Appetite war; manchmahl aber auch nichts. Vorzüglich liebte er das gekochte Obst, und hatte es alle Tage ohne Ausnahme auf seinem Tische. Übrigens aß er noch gerne Kalbsbraten, Fasanen, Kapaunen, Backwerk und süßes Confect, von welchem er den Tag über stets etwas in seinem Zimmer, oder auch wohl in der Tasche hatte.

Sein Trank war von jeher und blieb beständig bloßes Wasser. Nur im Feldzuge gegen die Türken und in seiner letzten Krankheit trank er, auf Zureden seiner Ärzte, manchmahl ein wenig Tokayer.

Wenn er in der Stadt wohnte, speiste er immer ganz allein. Im Augarten oder in Laxenburg hatte er Gäste. Auf der Reise speisten gewöhnlich die Secretäre mit ihm. Wenn er allein oder mit den Secretären speiste, so war die ganze Tafel allemahl in einer halben Stunde geendigt; denn er benahm sich bey dem Essen eben so hastig, wie in allen seinen übrigen Verrichtungen. . . . Es war ihm sehr lästig, daß er an den Festen der drey Ritterorden, als Großmeister, mit Pomp und Ceremoniel an offener Tafel speisen mußte. Auch genoß er gewöhnlich nichts von einer solchen Tafel, sondern unterhielt sich durch Gespräche mit den neben ihm stehenden Großen.

Nach seiner Tafel hatte er beynahe täglich etwa eine Stunde lang in seinem Zimmer Musik, wobey er sehr oft selbst mitspielte. Nach der Musik arbeitete er wieder, oder gab Audienzen, gewöhnlich bis um 7 Uhr Abends, wo er dann entweder in das Theater, oder in Gesellschaft, oder in das Theater, und nachher auch in Gesellschaft ging.

Indessen mußten täglich Abends noch von allen Stellen die nöthigen Depeschen, Entscheidungen und andere Staatspapiere zur Unterschrift oder anderen Verfügungen, zu ihm in das Cabinet gebracht werden. . . . Gegen 11 Uhr kam er nach Hause, und erbrach unfehlbar alle Pakete. Fand sich etwas Dringendes dabey, so arbeitete er noch stundenlang in die Nacht hinein. War dieses nicht, so legte er sich um 11 Uhr zu Bette.

Ein Nachtmahl nahm er zu keiner Zeit. Begehrte er aber vor dem Schlafengehen noch eine Suppe, so war es ein Zeichen, daß er sich nicht ganz wohl befand.

Dieß war seine Tagesordnung im Winter. Blieb er den Sommer über in Wien, so wohnte er in seinem Gebäude im Augarten, manchmahl auch einige Wochen in Laxenburg. Hier beobachtete er im Grunde dieselbe Ordnung, nur daß er im Augarten des Tages ein paar Mahl sich unter die dortigen Spaziergänger mischte, und im Garten herum ging.

In Laxenburg geschah eben dieses; und nebst dem ging er auch auf die Reigerbeitze. Schönbrunn hat er niemahls bewohnt.

Vier Kammerdiener, wovon abwechselnd zwey und zwey im Dienste waren, ein Kammerlakay und einige Leib-Lakayen, dieß war alles, was zu seiner persönlichen Bedienung gehörte.

Er nahm in Wien an allen öffentlichen Vorfällen schleunigen Antheil. Bey Feuersbrünsten, auch mitten in der Nacht, bey Überschwemmungen &c. war Kaiser Joseph allemahl einer der ersten auf dem Platze, zu welchem Ende Tag und Nacht ein Reitpferd für ihn gesattelt und bereit stehen mußte. . . . Er ordnete an, ermunterte die Arbeitenden und Helfenden, durch Theilnehmung, Gegenwart, Zuspruch, und wo es Noth that, auch durch Geschenke.

Es verflossen wenige Sommer, während welcher Joseph nicht eine Reise machte. Besuchte er keine auswärtigen Länder, so reiste er wenigstens in seinen eigenen Provinzen herum. . . . Auf diesen Reisen ging es Tag und Nacht, in jeder Witterung, auf guten und schlimmen Wegen, mit gleicher Standhaftigkeit fort. Es kümmerte ihn sehr wenig, ob er in einer Stadt oder in dem elendesten Dorfe zu übernachten kam, oder auch ganze Nächte lang fahren mußte; ob er viel oder wenig, Warmes oder Kaltes, oder gar nichts zu essen vorfand; auf alle Fälle und zur größten Nothdurft war doch immer etwas in einem Wagen des Gefolges vorräthig.

Weil er auch auf diesen Reisen die Staatsgeschäfte keineswegs aus den Händen ließ, so hatte er stets ein Paar seiner Cabinets-Secretäre mit sich. . . . In früheren Jahren nahm er eine Begleitung von einigen Cavalieren mit sich, besonders wenn er innerhalb der Gränzen seiner eigenen Länder reiste. Diese Gesellschaft aber wurde von Jahr zu Jahr kleiner; und in den letzten Zeiten nahm er etwa nur noch Einen Generalen, oder gar Niemand mehr mit sich.

Allenthalben untersuchte er genau den Zustand des Landes, die öffentlichen Anstalten; sprach mit Leuten aus allen Ständen; hörte ihre Beschwerden an; half oft auf der Stelle, wenn es seyn konnte, oder versprach doch schleunige Hülfe.

Seine Reisen waren in keinem Betrachte Lustreisen, und für Jedermann äußerst ermüdend; nur Er fühlte weder Beschwerde noch Ermattung dabey. Er ging einst in vier Tagen und einigen Stunden von Pisa nach Wien, eine Reise, worauf selbst Couriers über fünf Tage zubringen. In Ungarn machte er oft 14 Posten in 6 Stunden.

Kaiser Joseph besaß ein außerordentlich glückliches Gedächtniß, einen schnell durchdringenden Verstand, eine äußerst lebhafte Phantasie, rasche Beurtheilungskraft, und eine höchst reichhaltige Ader von Witz,

– – dem's nie an Reitz gebrach;
Zu stechen, oder liebzukosen
Gleich aufgelegt. – –

Im Arbeiten hatte er eine Fertigkeit erlangt, daß es ihm an Schnelligkeit, Vielfältigkeit und ausdauernder Anstrengung keiner seiner Beamten gleich that.

Eine Menge von ihm selbst entworfener, geschriebener oder dictirter Aufsätze, Resolutionen, Handbillets &c. beweisen jenen Grad von Verstand, Beurtheilungskraft und Witz. . . . . . Niemanden fiel es bey, ihm diese Gaben je streitig zu machen; wohl aber hat man oft gewünscht, daß es ihm möglich gewesen wäre, hier und da etwas mehr kalte Vernunft, ruhige Überlegung, ernsten Forschgeist in seinen Geschäften und Entscheidungen anzuwenden. Manche Stellen, manche Chefs und andere Beamte, mußten bey seinen eigenhändigen Zuschriften schmerzliche Hiebe von der Geißel seines Witzes und feurigen Verstandes aushalten.

Er hat keine Bücher zum Drucke geschrieben. Auch seine freundschaftliche Correspondenz wird wahrscheinlich ganz, oder doch größten Theils dem Publicum unbekannt bleiben. Aber gewiß ist, daß seine Briefe so reichhaltig an schönen und großen Grundsätzen, an Welt- und Menschenkenntniß, an den treffendsten Bemerkungen über Länder und Fürsten und Völker; über große und kleine Begebenheiten in der politischen und moralischen Welt; so voll gesunden Menschenverstandes, natürlichen Witzes, oft auch satyrischer Laune; und in einem so körnichten, ausdrucksvollen Style geschrieben sind, als sie je aus der Feder irgend eines berühmten Fürsten der ältern oder neuern Zeit geflossen sind. Es müssen mehrere Tausende solcher Briefe in ganz Europa existiren. . . . . . Seine Handschrift war deutsch.

Von seinen witzigen Einfällen, Antworten &c. auf Reisen und zu Hause, haben die Anecdotensammler schon manches aufgeschrieben, und werden die Sammlung jetzt, nach seinem Tode, vermuthlich noch um vieles vermehren.

Schon in der Jugendgeschichte Josephs habe ich angeführt, daß es mit seinem Schulfleiße schlecht stand. Bey den öffentlichen Prüfungen, welche jährlich in Gegenwart des Kaiser Franz, der Kaiserinn Theresia, und der ansehnlichsten Männer vom Hofe, mit den Prinzen vorgenommen wurden, waren Josephs Lehrer gewöhnlich übel daran, weil er wenig von dem lernte, was vorgeschrieben war. Methodische Schulkenntnisse erlangte er also während seiner Studierjahre nur wenige.

In Sprachen machte er sehr guten Fortgang. Er sprach sein ganzes Leben hindurch gut Deutsch, Französisch, Italienisch und Lateinisch. Auch schrieb er alle diese Sprachen, zwar nicht ganz fehlerfrey, wie ich es aus einigen seiner eigenhändigen Billets gesehen habe, aber doch, im Vergleiche mit anderen Königen und Geschäftsmännern über die Erwartung gut. Auch Böhmisch sprach er sein ganzes Leben hindurch mit vieler Fertigkeit. Ungarisch hatte er in seiner Jugend gut geredet, in älteren Jahren verlor er zwar die Übung darin, aber doch ohne es ganz zu vergessen. Mit den vornehmen Ungarn, Croaten, Pohlen, Slavoniern, Illyriern und Wallachen sprach er also bey seinen Reisen durch diese Länder, oder in Geschäftssachen, immer Latein.

Bey reiferen Jahren fing er an, aus eigenem Geschmacke und Wissenschaftstriebe, Kenntnisse für seinen künftigen Stand zu sammeln. Er las Bücher über die militärischen Wissenschaften, über die Regierungskunst, Staats-Ökonomie, über den Zustand und das Verhältniß der Europäischen Länder und Staaten. Aus der Französischen großen Encyclopädie und einigen andern Schriften der sogenannten Ökonomisten, die er einige Zeit hindurch fleißig las, scheint er seine Grundsätze und Anhänglichkeit an das physiocratische System geschöpft zu haben, das er in seinem Staate einführen wollte. Darum las er auch Schlettwein's Schriften.

In der Zeit seiner wirklichen Regierung nahm er sich wenig Muße mehr zum Lesen, und that es in einigen Stunden Morgens und Abends, mehr zur Unterhaltung als zur Belehrung. Dazu nahm er vorzüglich Voltaires Schriften, die also ihren Verfasser für die Kälte entschädigten, welche Joseph, bey seiner Reise durch Ferney, gegen denselben geäußert hatte.

Die Schriften, worin Er selbst, seine Anstalten und Unternehmungen getadelt wurden, las er mit Aufmerksamkeit. Der Procés des trois Rois, des Mirabeaud Doutes sur la liberté de l'Escaut, die kühnsten Broschüren, welche in Wien wider ihn erschienen, gehören dahin. Eben so nahm er Notiz von dem, was in periodischen Schriften über seine Regierung und seinen Staat gesagt wurde. Darum mußten seine Secretäre den deutschen Merkur, das deutsche Museum, Schlözers Staatsanzeigen, die Ephemeriden der Menschheit, Linguets Annalen &c. immer durchgehen, und ihm die Aufsätze zum Lesen anzeichnen, welche Ihn selbst betrafen.

Im Allgemeinen genommen, muß man gestehen, daß Er eben keine gar hohe Meinung von den Gelehrten hegte. Dazu hat freylich der Umstand viel beygetragen, daß er so viel schlechtes Geschmiere an das Licht kommen sah, und daß er selbst von mehrern großen und kleinen Büchermachern einige Mahle mit unverschämter Dreistigkeit angefallen ward. . . . . . Es geschah auch, daß Sachen, die er als Staatsgeheimnisse bewahrt wissen wollte, durch den Druck bekannt wurden. Dieses schmerzte ihn. Er betrachtete nun die gewöhnlichen Schriftsteller als Leute, die aus Gewinnsucht schrieben, und die sich alles erlaubten, um ihre Bücher desto besser zu verkaufen. Darum sah er es nicht gern, wenn Leute in öffentlichen Staatsdiensten sich mit Bücherschreiben abgaben.

Aus diesen Gründen entstand auch eine Gleichgültigkeit über Lob und Tadel der Journalisten und Schriftsteller. Er verschmähte die von ihm so genannten kleinen Mittel, sich Ruhm zu verschaffen; aber er that Unrecht, diese kleinen Mittel nicht zu achten; denn mancher Fürst hatte und hat denselben so viel zu danken, daß es nebst dem persönlichen Ruhm, selbst für das Wohl seines Staats, wesentliche Folgen hatte. Kaiser Joseph war zu sehr in seinen Lieblingsprojecten, in seinen großen Planen vertieft. Er achtete nicht genug auf die Bemerkung, daß die Welt durch Meinungen beherrscht werde, daß einem Monarchen unserer Zeiten die öffentliche Meinung nicht mehr gleichgültig seyn dürfte; und daß diese öffentliche Meinung im Grunde doch von den Journalisten, Broschüristen, und Schriftstellern überhaupt geleitet wird.

Dessen ungeachtet haben mehrere Gelehrte die Ehre seines Besuchs, seiner Zuschrift, haben Geschenke, auch Belohnungen von ihm erhalten.

Überhaupt schätzte er eigentlich jene Wissenschaften, die ich, nach seinem Sinne, die practischen nennen möchte; solche nähmlich, aus deren Betrieb sogleich thätiger, handgreiflicher Nutzen entstand: als Chirurgie, Mineralogie, Mechanik, Mathemathik, in so weit sie für das Kriegswesen &c. nothwendig ist; Technologie, Naturgeschichte, in Beziehung auf nützliche Staatsanstalten &c. – Für speculative und schöne Wissenschaften aber war er kälter.

Kein Monarch vor Ihm und mit Ihm hat sich wohl seinen Stand, im Puncte der Vergnügungen, so wenig zu Nutze gemacht, hat so wenig auf Zerstreuungen und Lebensgenuß gehalten, wie Kaiser Joseph der Zweyte.

Wer den Kaiser und seine Verhältnisse genauer kannte, der darf wohl behaupten, daß der geringste Handwerksmann, daß der Taglöhner in seiner Art weniger arbeitete, und sich mehr Ergötzlichkeiten verschaffte, als sein Landesherr.

Indessen, da es keinem Menschen möglich ist, unaufhörlich angestrengt zu seyn, so erlaubte sich auch Joseph einige Vergnügungen.

Die politischen Absichten weggerechnet, waren seine Reisen ein wirkliches Vergnügen für ihn. So viele Länder, so viele Völkerschaften, die abstechenden Sitten, Gebräuche, Lebensart kennen zu lernen, hatte einen unauslöschlichen Reitz für ihn. Und es ist ein sehr gültiger Beweis von großem Geiste, wenn man das Reisen liebt. Dabey verschaffte ihm sein gewöhnliches Incognito, seine simple Art zu reisen, hundert lustige Auftritte in fremden Ländern. Bald ließ er sich zum Gevatter bitten, bald wohnte er einer ländlichen Hochzeit bey, bald tröstete er hülflose Ältern, bald überraschte er mit glänzenden Geschenken unschuldige Kinder.

Musik war eine seiner angenehmsten Vergnügungen. Ich habe schon weiter oben angeführt, daß er sie bey seinem Aufenthalte in Wien beynahe täglich nach Tische hatte. Wenn ein großes vollstimmiges Concert war, so spielte er oft das Violoncello dabey. Bey Quartetten und kleineren Partien aber spielte er das Clavier, und sang manchmahl Arien aus den auf dem Theater aufgeführten Opern. Er sang einen reinen angenehmen Paß.

Das Theater liebte, schützte und unterstützte er großmüthig. Muntere komische Stücke und lustige Opern hörte er gern. Er saß niemahls in der eigentlichen Hof-Loge, sondern in der dritten Loge neben dem Theater. Wenn er von großen Reisen zurück kam, und das erste Mahl wieder in dem Theater erschien, empfing ihn das Publicum mit einem allgemeinen Geklatsche. Er neigte sich dann über die Loge heraus, und dankte freundlich. Manchmahl hielt er das ganze Stück aus. Öfter aber blieb er nur während ein Paar Acten, oder hörte nur einige Arien aus einer Oper, und ging noch vor dem Ende des Stückes hinweg.

Die Jagd brauchte er mehr wie eine, seiner natürlichen Thätigkeit nothwendige Leibesübung, als ein Vergnügen. Er jagte Hirschen in der Gegend von Stammersdorf, schoß Wild im Prater, in der Brigittenau, selten auf seinen Familiengütern. Einst war er dabey in großer Lebensgefahr. Ein Hirsch sprang auf ihn zu, kam mit dem Geweih in sein Kleid, und hob ihn von der Erde auf; aber das Kleid riß aus, der Hirsch rannte davon, und der Kaiser hatte eine Contusion auf der Brust, die er Monathe lang empfand. Während seines Feldzuges gegen die Türken hob er die Equipage der Parforce-Jagd gänzlich auf.

Statt des Theaters, oder aus dem Theater weg, ging er gewöhnlich in Gesellschaft. Sie war gemischt von geistreichen Damen und Männern. Er besuchte verschiedene Häuser; von jeher aber hatte er eine besondere Gesellschaft von 5 Damen, die er mit dem allgemeinen Nahmen die Fürstinnen nannte. Es waren die Wittwe des Fürsten Franz Liechtenstein, die Fürstinn Carl Liechtenstein, ihre Schwester die Gräfinn Ernst Kaunitz, die Fürstinn Kinsky, die Fürstinn Clary: dieselben, an welche er das oben angeführte Abschieds-Billet schrieb. Diese Gesellschaft versammelte sich abwechselnd in einem Hause von den 5 Damen, am öftesten aber bey der Fürstinn Franz Liechtenstein. Von Männern kam dazu Graf Ernst Kaunitz, Rosenberg, Lacy. Es dauerte gewöhnlich bis nach 10 Uhr, und am Sonntagen bis 12 Uhr Nachts. Joseph erschien hier nicht als Monarch, sondern als Bürger und angenehmer Gesellschafter.

In der That besaß er dieses Gesellschafts-Talent im vorzüglichen Grade. Er hatte Welt, Anstand, Witz, Feinheit und Leichtigkeit im Ausdrucke, war mit den Damen galant, höflich und gesprächig mit Jedermann. Zeugen davon sind alle jene Länder und Höfe, die er auf seinen Reisen persönlich besuchte. Man war allenthalben von seiner Person und seiner Art, mit den Leuten umzugehen, bezaubert. König Friedrich behauptet in seinen Schriften sogar, man sey in einigen Ländern auf Joseph heimlich eifersüchtig geworden, weil dieser durch seine gute, feine, gefällige Lebensart Jedermanns Neigung gewann, und manchen anderen Fürsten an Popularität weit übertraf.

Wenn er während des Sommers im Augarten wohnte, mischte er sich gewöhnlich des Tages ein Paar Mahl unter den Schwarm der Spaziergänger, und ging stundenlang im Garten, auch im Prater herum. . . . Selbst wenn er Jemanden etwas abschlug, geschah es auf eine freundliche Art. Nur in den zwey letzten Jahren seines Lebens war er etwas mürrischer und auffahrender.

Cholerisch-sanguinische Leute sind die, welche sich in der Welt am meisten bemerkt und gefürchtet, welche Epoche machen; am kräftigsten wirken, herrschen, zerstören und bauen.

Josephs Temperament war das cholerisch-sanguinische, und seine Handlungen verriethen es. Herrschen, wirken, zerstören, bauen, war ganz und unaufhörlich seine Sache. Alle seine Fehler und Schwachheiten waren Resultate seines Temperaments.

Rasch und aufbrausend, schnell ergreifend, und eben so schnell wieder verwerfend, war seine Gemüthsart. Rasch sein Gang, rasch seine Geberden, rasch all sein Thun. Weichlichkeit war eine ihm unbekannte Sache, und Sorge und Schonung für sein Leben und Gesundheit waren ihm lästig. Er stürzte mit Pferden, gerieth auf Reisen in aufgeschwollene reißende Ströme, kaum Nagel breit mehr vom Tode entfernt; war zwey Mahl auf dem Puncte, von Hirschen gespieset zu werden. Alles das machte ihm keine Minute Sorge, machte ihn nicht schüchtern, sondern gab ihm Gelegenheit, darüber zu scherzen.

Sein sonst offener Character gewann allmählig mehr Zusatz von Mißtrauen, und darum begünstigte er das Denunciren etwas zu stark. Er hatte aber gesehen, wie sehr das Zutrauen seiner Mutter von verschmitzten Leuten mißbraucht worden; hatte an sich selbst erfahren, wie oft er hintergangen ward, wie selten seine Absichten recht ausgeführt, wie häufig seine Befehle verdreht wurden. Dieß mußte ihn mißtrauisch und eigensinnig machen. Könnte man, zum Beyspiele, dem Publicum nur genau und umständlich erzählen, welche Hindernisse, Gehässigkeiten, Schwierigkeiten und Verdrießlichkeiten man ihm bey der einzigen Einführung der Toleranz in den Weg legte, die doch so öffentlich und allgemein gepriesen wurde; das Publicum würde Mitleiden mit ihm haben, würde ihm manchen heftigen Schritt, manchen harten Ausspruch zu gute halten.

Ohne Schmeicheley darf man es behaupten: Josephs erste und stärkste Leidenschaft war, herrschen, regieren, arbeiten. Dieser opferte er alles Übrige auf. . . . Ambition hatte Joseph ebenfalls; und ein Monarch eines so mächtigen Staates muß sie haben. Zum Zorne machte ihn sein aufbrausendes Temperament geneigt; und dieses erfuhr zu Zeiten seine Dienerschaft, die er überhaupt strenge hielt; in späteren Jahren aber reichlicher beschenkte, als ehedem.

Eigentliche Favoriten hatte Joseph nicht. Denn, daß er einem Kammerdiener oder Kammer-Lakayen gewisse häusliche Vertraulichkeiten machte, das heißt in der politischen Welt kein Günstling.

Seinem geraden, hitzigen, offenherzigen, thätigen Character gemäß, hatte er eine unüberwindliche Abneigung gegen alles, was weitschweifig, steif, schwülstig, was Ceremoniel, Etikette, überflüssige Formalität war. Es fiel ihm lästig, daß er manchmahl im feyerlichen Aufzuge bey offener Tafel speisen, daß er bey geistlichen und weltlichen Ceremonien im Pomp erscheinen sollte. Er war der erste, welcher die Gewohnheit aufhob, daß immer die adelichen Leibwachen neben dem Wagen der Personen vom regierenden Hause reiten mußten. Er verboth durch eine eigene Verordnung das Kniebeugen vor sich selbst und seinem Hause, weil dieses eine dem höchsten Wesen allein zuständige Ehrenbezeugung sey. Er schränkte die Zahl der dienenden Kammerherren auf 36 ein, und überhob auch diese sehr oft ihres Dienstes.

Indessen gestehe ich ganz willig, daß sein moralischer und politischer Character, genau genommen, noch eine Art von Räthsel ist: eine wunderbare Mischung von Gutherzigkeit und Härte, von großen und kleinen, von überdachten und übereilten Ideen, von weit aussehenden und kurzsichtigen Planen und Entwürfen.


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