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Der königliche Geschichtschreiber erwähnt in den Denkwürdigkeiten des bayerischen Erbfolgekrieges (1778 V. Oeuvres posthumes de Frédéric II. Vol. V. p. 247.) auch das Zwistes, der sich wegen der geheimen Sendung des Freyherrn von Thugut an den König zwischen Maria Theresia und Joseph erhoben. »Der Kaiser,« so lautet Friedrichs Worte, »davon benachrichtigt, wurde darüber äußerst aufgereitzt, (en fut furieux), und schrieb seiner Mutter: er werde nie mehr nach Wien zurückkehren, wenn Sie Frieden schließen wolle, sondern lieber nach Aachen oder in eine andere Stadt sich begeben, als jemahls wieder ihrer Person nähern. Die Kaiserinn ließ den Großherzog von Toscana kommen, und sandte ihn sogleich zum Heere, um seinen Bruder, den Kaiser zu besänftigen, und ihm friedlichere Gesinnungen einzuflößen. Allein diese Zusammenkunft diente nur, um beyde Brüder zu entzweyen, die bis dahin in vollkommener Eintracht gelebt hatten.« »Dieselbe Thatsache, auf die Berichte des englischen Gesandten am Wiener Hofe, des Lord Keith, sich stützend, erzählt auch Coxe in der Geschichte des Hauses Österreich, indem er den, Theresien bezeichnenden Zug beyfügt: »Sie habe dem Könige durch den Freyherrn von Thugut mündlich sagen lassen: Sie sey in Verzweiflung zu sehen, wie Sie im Begriffe ständen, einander ihre vom Alter gebleichten Haare auszureißen.«
Alle diese Angaben sind vollkommen gegründet; wir fügen bloß einige noch unbekannte Einzelheiten hinzu, welche als denkwürdige Züge in dem Leben einiger berühmten Männer aus jener Zeit zu betrachten sind, durch die ihr Character noch genauer bekannt wird.
Über die wichtige Frage, ob Österreich auf einen Theil seiner wohlbegründeten Ansprüche auf Bayern verzichten, und den Forderungen des Königs von Preußen in dieser Hinsicht nachgeben solle, waren nicht bloß Theresia und Joseph, sondern auch die Glieder des Staatsrathes in ihren Ansichten getheilt. Fürst Kaunitz und Graf Lascy sprachen sich für die Fortsetzung des Krieges mit Nachdruck aus, und der Erste erklärte wiederhohlt: Füge sich Österreich, ungeachtet seiner erwiesenen Rechte den Forderungen des Königs von Preußen, so zeige es eine Furcht, die mit der Würde und den Kräften des Staates in keinem Einklange stehe; Preußen, durch diese Nachgiebigkeit ermuntert, werde seine bisherige Opposition auf dem Reichstage zu einer Dictatur erheben, die mit dem Ansehen des Reichsoberhauptes unvereinbar sey. Allein auch der König fühle die Last des Krieges, und könne nicht wünschen, ihn Jahre lang hinzuziehen, und die Kräfte seines Staats für eine fremde Sache zu opfern; eine größere Entschlossenheit von Österreichs Seite werde auch ihn nachgiebiger machen. Wenn dieses daher, auf seine weiteren Ansprüche verzichtend, sich mit der Inngränze begnüge, so seyen dieß Cessionen, die keinesweges die Furcht vor den preußischen Waffen abgepreßt, sondern die seine erhabene Kaiserinn dem Frieden zum Opfer bringe; dieß müsse nicht bloß Preußen, sondern ganz Europa laut erkennen, und nur unter diesen Bedingungen könne er zur Anknüpfung von Friedensunterhandlungen rathen. – Über das von Senkenberg in den Papieren seines Vaters aufgefundene Document, kraft dessen Herzogs Albrecht (V.) von Österreich seinen Ansprüchen auf Niederbayern angeblich entsagt haben soll, sprach er stets im Tone tiefer Verachtung: Wozu nützen alle alten, mit Sorgfalt aufgehobene Urkunden, wenn zuletzt über die heiligsten Verträge nach der Copie einer Copie, deren Original nirgends aufgefunden worden, Rechtens entschieden werden soll?
Von derselben Meinung war auch Graf Lascy beseelt, und bestritt in der Unterredung, welche der Kaiser mit dem Großherzoge zu Gitschin gehabt, des Letztern Gründe für den Frieden so lebhaft, daß Joseph es zuletzt für schicklich hielt, das Gespräch durch Eröffnung der Thüre schnell abzubrechen, indem er mit erkünsteltem Scherze den Streitenden, ein großes Kreuz über sie schlagend, zurief: Pax vobiscum! – Wenn auch einige Mitglieder des Staatsrathes der entgegengesetzten Meinung waren, so beachteten sie doch weit mehr die Gemüthsunruhe, und die daraus entspringenden Wünsche ihrer guten Kaiserinn, als alle noch so kräftigen politischen Gründe. Da Joseph seine Behauptung durch die vollgültigen Betrachtungen eines Kaunitz und Lascys gerechtfertiget sah, hielt er bey seinem Gefühle des Rechtes sich durch die geheime Sendung des Freyherrn von Thugut äußerst gekränkt, und die Bedingungen, unter welchen die Kaiserinn den Frieden abschließen wollte, für so wenig ehrenvoll, daß er sich gegen mehrere Vertraute erklärte: Er werde sich nie herbeylassen, einen solchen Frieden zu unterzeichnen, und im äußersten Falle lieber zu Frankfurt am Main seine Residenz aufschlagen, als nach Wien zurückkehren. Er hoffte, daß gerade die Männer, die für die Fortsetzung des Krieges gestimmt, auch seinen Entschluß billigen würden; allein in dieser Meinung fand sich Joseph sehr getäuscht, und schon Graf Lascy, dem er zuerst diese Idee mitgetheilt, erschrack heftig darüber, und bath den Kaiser, nur sogleich diesen unheilbringenden Gedanken aufzugeben, indem er ihm alle nachtheiligen Folgen, die ein solcher Schritt nach sich ziehen müsse, mit der Gründlichkeit des Staatsmannes, und der Wärme des Freundes auseinander setzte. Ein Stocken in den wesentlichsten Zweigen der Staatsverwaltung werde eintreten, vorzüglich in der Bildung des Heeres, das der Stolz Sr. Majestät, eine kräftige Stütze des Staates sey. Die Feinde Österreichs würden diese Uneinigkeit zwischen Mutter und Sohn gewiß benützen, um von der Nachgiebigkeit der Kaiserinn noch größere Concessionen zu erhalten, die Sr. Majestät nur durch ihre Gegenwart zu verhindern im Stande sey. Auf Josephs Bemerkung: Er sey über die Äußerung seines Freundes erstaunt, der sich für die Fortsetzung des Krieges so nachdrücklich erklärt, erwiederte der Graf: Er sey auch jetzt noch immer der Meinung, es sey vortheilhafter für den Staat, den Krieg fortzusetzen, als einen Frieden einzugehen, dem man so wohlbegründete Ansprüche opfern müsse; aber eine ganz andere Sache sey der Zwist zwischen Mutter und Sohn, und hätte derselbe auch keine andere Folge als eine Trennung von seinem gnädigsten Monarchen, sey diese auch noch so kurz, so müsse er schon um seinetwillen dagegen rathen; er beschwöre daher Sr. Majestät, – dem edlen Grafen traten jetzt Thränen in die Augen – an Ihren Vorsatz nicht mehr zu denken.
Nicht glücklicher war Joseph bey dem Fürsten Kaunitz, dem er seinen Entschluß schriftlich mitgetheilt. »Er bemerke«, war die frostige Antwort des Fürsten, »daß man seit einiger Zeit seinen Vorschlägen seltener beypflichte, so, daß es schiene, man bedürfe seines Rathes nicht mehr. Diese Betrachtung habe den Gedanken in ihm geweckt, seine Stelle nieder zu legen, und den Rest seiner Tage in Zurückgezogenheit den Freunden und den Wissenschaften zu leben. Der Entschluß Sr. Majestät, Ihre Residenz nach Frankfurt zu verlegen, bestimme ihn nur, seinen Vorsatz sogleich auszuführen; denn er könne unmöglich wünschen, daß man von ihm einst sage, er habe während seiner Verwaltung ein Ereigniß nicht zu verhindern gewußt, das die Welt mit Erstaunen vernehmen, alle österreichischen Völker mit tiefen Kummer erfüllen müsse, und dem Staate höchst verderblich sey.« –
Durch die Äußerungen der beyden Staatsmänner und Patrioten in seinem Entschlusse bereits erschüttert, wünschte Joseph wenigstens Einen Mann von Ansehen zu finden, der seinen Vorsatz billige; um durch dessen Urtheil gerechtfertiget, dann das Verdienstliche seines Benehmens um so mehr hervorzuheben, wenn er alle Staatsrücksichten den kindlichen Gefühlen zum Opfer bringe. Er wandte sich daher an den Mann, der gegen das Ende des Feldzuges durch den Befehl, keine Hauptschlacht zu wagen, gerade in dem Zeitpunct verhindert worden, eine zu liefern, als die Überlegenheit seiner Streitkräfte, der Muth seiner Truppen und die gewagte Stellung des feindlichen Heeres ihm einen glänzenden Sieg über einen der berühmtesten Feldherrn jener Zeit zu erringen versprach; der daher im entscheidenden Augenblicke durch die Friedensliebe Theresiens gezwungen worden, einen schönen Lorber ungepflückt zu lassen. Joseph erwartete daher eine seinen Absichten entsprechende Antwort mit um so größerer Zuversicht, je genauer er unterrichtet war, in welche Gemüthsstimmung Loudon durch jenen Befehl versetzt worden sey. Der Feldmarschall beeilte sich, dem Kaiser zu antworten: »Er theile ganz die Ansichten Sr. Majestät, daß die Nachgiebigkeit Österreichs erst in der Folge ihre herben Früchte tragen werde; und finde daher den Unwillen, welchen der Kaiser über den bevorstehenden Frieden geäußert, ganz natürlich, und betrachte jedes erlaubte Mittel, dessen Abschluß zu verhindern, als ein Geboth der Staatsklugheit. Aber als alter Kriegsmann müsse er dem Wahne widersprechen, als ob Österreich bey einem Heere von 400,000 Mann, mit dem der Kaiser den nächsten Feldzug eröffnen könne, gar nichts zu fürchten habe; das Kriegsspiel sey nun einmahl kein Schachspiel, bey dem man das Terrain übersehe, und vorauswisse, daß jede Figur ihre Schuldigkeit thue; allein dieß sey im Kriege nicht immer der Fall, und die Feigheit eines Einzelnen sey nicht selten die entfernte Ursache des Verlustes ganzer Länder geworden. Auch fehle es Böhmen, dem Hauptschauplatze des gegenwärtigen Krieges, an den nöthigen Festungen; er berufe sich über die nachtheiligen Folgen dieses Mangels auf die Geschichte des siebenjährigen Krieges, ja des letzten Feldzugs selbst; nur diesem Umstande sey es zuzuschreiben, daß der König von Preußen so leicht bis in das Herz dieses Landes eingedrungen, die wichtigsten Magazine weggenommen, Millionen an Brandschatzungen erpreßt, und durch einen errungenen Sieg den Besitz desselben schon zweifelhaft gemacht, wenigstens durch den zeitweiligen Aufenthalt in einem Theile desselben bedeutende Hülfsmittel jeder Art zur Fortsetzung des Krieges gefunden. Anders sey dieß in Schlesien, das nach einem wohlüberdachten System durch Festungen geschützt sey, auf die sich ein geschlagenes Heer zurückziehen, und aus denen es nach Bedarf verproviantirt werden könne.«
»Ferner sey ein zahlreiches Heer noch kein vollkommenes, und das österreichische leide, ungeachtet aller rastlosen Bemühungen Sr. Majestät, denselben abzuhelfen, noch immer an großen Gebrechen, da jede nützliche Reform auch ihrer Zeit zur Reife bedürfe. Es fehle vor Allem an einem wohlorganisirten Generalstabe, wie er bey dem französischen Heere bestehe, dessen Mitglieder, mit den Verrichtungen jeder Waffe vertraut, sie auch für jedes Terrain zweckmäßig zu verwenden und die Verrichtungen eines Artillerie- und Ingenieur-, Pontonier- und Pionier-Officiers zu verbinden verständen, ja selbst durch eine höhere Bildung und Sprachkenntnisse geeignet seyn, diplomatische Verhandlungen zu führen. Er betrachte wenigstens jeden Officier, der alle Eigenschaften und Kenntnisse, die man von einem ausgezeichneten Mitgliede des Generalstabes verlange, als ein außerordentliches Talent, das zu entwickeln und für seine Bestimmung auszubilden man bisher noch nicht die gehörige Sorgfalt angewendet; zwar wähle man bey jedem Anfang eines Krieges die geschicktesten Officiere aus den Regimentern, um aus ihnen den Generalstab zu bilden; allein die Mehrzahl lerne erst im Laufe des Feldzugs ihre hohen Pflichten kennen, aber nicht selten auf Kosten des Heeres. Ein bleibender, und der Anzahl der Truppen angemessener Generalstab, der in Friedenszeiten für seinen höchstwichtigen Dienst gebildet werde, sey ein hohes Bedürfniß für das österreichische Heer, und er wage es, den Wohlthäter und Vater desselben ehrfurchtsvoll zu bitten, diesen Wunsch eines alten Kriegers gnädigst beherzigen zu wollen.«
»Eben so fehle es dem österreichischen Heere an geübten leichten Truppen, seitdem die Croaten immer mehr und mehr zum Liniendienste verwendet würden; man errichte zwar beym Anfang eines jeden Krieges Freycorps und Jägerbataillons; aber auch diese müßten den Vorpostendienst erst erlernen. Er halte es daher für sehr zweckmäßig, nicht allein die Zahl der Scharfschützen bey den Gränzregimentern um das Doppelte zu vermehren, sondern auch wenigstens zwanzig Jägerbataillons zu errichten, dafür aber die deutsche Linieninfanterie um dieselbe Zahl zu vermindern.«
»Nicht weniger bedürfe das Fuhrwesen großer Verbesserungen, und die französische Sitte, die Mannschaft für diese Abtheilung des Heeres zu wählen, verdiene auch in Österreich nachgeahmt zu werden; dort nehme man aus den Dragonerregimentern zuverläßige Veteranen, und erhöhe ihren Sold, da man ihrem Muthe ein bedeutendes Staatsgut anvertraue. Bey dem österreichischen Heere hingegen verwende man nur diejenigen für das Fuhrwesen, die man als unbrauchbar für die deutsche Cavallerie, als wahren Ausschuß betrachte; daher geschehe es auch, daß solche Knechte, ohne Muth und Ehrgefühl, beym ersten blinden Lärm, nur auf ihre Rettung bedacht, die Stränge abhauen, und wie Unsinnige davon jagen, wodurch so oft die größte Verwirrung beym Heere, der Verlust bedeutender Transporte an Munition, Geschütz und Lebensmitteln herbeygeführt worden ist.«
»Doch einer gänzlichen Umstaltung bedürften die Feldspitäler, denn trotz der väterlichen Sorgfalt Sr. Majestät für die Pflege ihrer Soldaten, und trotz Ihres preiswürdigen Eifers, Alles selbst zu besichtigen, hätten Sr. Majestät doch nur einen kleinen Theil des großen Jammers in den Feldspitälern gesehen, wo Tausende von wackern Kriegern das Opfer schlechter Anstalten und der Unwissenheit der Wundärzte geworden sind. Genaue Listen über diejenigen, die während des letzten Feldzugs hier zu Grunde gegangen, verglichen mit der Zahl derjenigen, die vor dem Feinde gefallen, müßten erweisen, wie nothwendig durchgreifende Reformen in diesem Zweige der Heeresadministration, vorzüglich aber, wie unerläßlich die Errichtung mehrerer Anstalten zur Bildung von Feldärzten seyen.«
»Wenn man nun auf die Menge sieht, die allein während des letzten Feldzugs durch die gewöhnlichen Lagerkrankheiten hingerafft worden, ohne über Epidemien klagen zu dürfen, so werde Sr. Majestät leicht einsehen, daß, nach dem Abzuge, welchen schon die Feldspitäler verschlingen, einige Schlachten, verbunden mit den täglichen Gefechten, eine Belagerung auch ein Heer von 400,000 Mann so mindern könne, daß selbst der herzlose, nur auf seinen Ruhm bedachte Feldherr beym Ende der Campagne erschrecke, der Vater seines Volkes aber bittere Thränen vergieße«.
»Die gegenwärtige Aufstellung des Heeres, oder die sogenannte Ordre de Bataille sey pedantisch, zu schnellen Manöuvers nicht geeignet: er schlage daher nach dem Beyspiele der Alten die Eintheilung in kleinere Heerabtheilungen vor, von welchem jede unter dem Befehle eines Feldzeugmeisters oder eines F. M. Lieutenants stehe, ihren eigenen Generalstab habe, so daß sie ein kleines Heer für sich bilde. Durch diese Vertheilung erhalte das ganze Heer eine größere Beweglichkeit, der General en Chef eine leichtere Übersicht des Ganzen, der lächerliche Rangstreit der Regimenter, der zuweilen noch spucke, werde vertilgt, und dem Feinde erschwert, sich eine genaue Kenntniß von der Aufstellung des Heeres zu verschaffen. Dieser Vorschlag sey indeß von solcher Wichtigkeit, daß er eine reife Berathung der erfahrensten Generäle verdiene, bevor man das alte System in dieser Hinsicht ändere.«
»Schließlich erlaube er sich über den ihm vertrauungsvoll mitgetheilten Entschluß Sr. Majestät noch eine unterthänigste Bemerkung zu machen. Das Schauspiel eines Zwistes zwischen Mutter und Sohn sey in jeder Hinsicht ein beklagenswerthes Ereigniß, und die Welt sey glücklicher Weise noch nicht so verderbt, um nicht in einem solchen Falle die Parthey der Mutter gegen den Sohn zu nehmen, selbst wenn das Recht auf dessen Seite stände. Auf die gemüthvollen österreichischen Völker werde dieser Zwist einen um so tieferen Eindruck machen, je mehr sie sich unter der wahrhaft patriarchalischen Regierung der Kaiserinn glücklich fühlen, je größer ihre Verehrung für die beste Landesmutter sey; diese innige Liebe habe in gefahrvollen Zeitpuncten Wunder gewirkt, ja selbst den Staat gerettet. Sr. Majestät, von der Vorsehung erkohren, einst mit der österreichischen Monarchie auch diese Anhänglichkeit der Unterthanen zu erben, werde auf diesen Theil der Erbschaft, durch welchen der andere erst seinen vollen Werth erhalte, gewiß nicht verzichten, oder in einigen Districten von Bayern etwan einen Ersatz dafür suchen; ein so weiser Monarch, der durch seine Handlungen die Aufmerksamkeit der Welt auf sich gezogen, die frohesten Hoffnungen in den österreichischen Völkern geweckt, könne diesen unmöglich das Beyspiel eines mit seiner Erhabenen Mutter im Zwiste lebenden Sohnes geben, und dann von ihnen die Erfüllung der kindlichen Pflichten erwarten, über die er sich selbst hinweggesetzt.«
»Von Sr. Majestät aufgefordert, frey seine Meinung zu sagen, halte er es für eine heilige Pflicht, sie mit aller Freymüthigkeit eines alten Soldaten auszusprechen; er sey aber fest überzeugt, daß, bevor noch sein Brief anlange, die plötzliche Aufwallung des gekränkten Ehrgeitzes sich bereits gelegt, und daß er als ein treuer Diener des österreichischen Hauses noch ferner des Glückes sich erfreuen werde, Sr. Majestät in der kaiserlichen Burg zu Wien seine Huldigung darzubringen.«
Joseph las mit großer Aufmerksamkeit dieses merkwürdige Schreiben, legte es bewegt auf den Tisch, um es nach wenigen Minuten aufs neue zu lesen, und rief einigemal aus: »Aus dieser Sprache erkenne ich den alten Graukopf; doch hätte ich nie geglaubt, daß der rauhe Krieger mit so gemüthvollen Gründen mich aus meiner Stellung heraus manöuvriren werde. Beym ersten Wiedersehen will ich ihm den herzlichsten Dank dafür zollen.«
Daß Joseph, um den Abschluß des Waffenstillstandes zu hintertreiben, und den König von Preußen zur Fortsetzung der Feindseligkeiten zu reitzen, den Befehl ertheilt, Neustadt in Preußisch-Schlesien in Asche zu legen, gehört zu den leidenschaftlichen Beschuldigungen, von welchen auch der königliche Geschichtschreiber nicht ganz frey ist. Eine solche Barbarey lag nicht im Character des Kaisers, wohl aber in der Ungeschicklichkeit des Feldherrn, dem diese Unternehmung aufgetragen war.
Allein Fürst Kaunitz glaubte es seiner Ehre schuldig zu seyn, nach abgeschlossenem Frieden um seine Entlassung anzuhalten. Beyde Monarchen fühlten jedoch zu sehr die Wichtigkeit dieses Mannes, um nicht in ihn zu dringen, sein Vorhaben zum Besten des Staates wieder aufzugeben, und er gab den Vorstellungen seiner Souveräne nach, als er wenigstens in einem Ehrenpuncte seine Forderungen und Wünsche erfüllt sah. Indem der König von Preußen seinem Minister zu Teschen den Antrag gab, nur am Geburtstage der Kaiserinn, deren Friedensliebe allein den Abschluß möglich gemacht, den Vertrag zu unterzeichnen, erkannte er laut das Großartige und Ehrenvolle in Theresiens Benehmen. Alle Bourbonischen Höfe beeilten sich, der Kaiserinn zu dem geschlossenen Frieden Glück zu wünschen, und ihr zu danken, daß sie Europa die Ruhe geschenkt. Diesem Beyspiele folgte Papst Pius VI. und alle Churfürsten des deutschen Reiches. So sprach sich durch die Huldigung, die man wetteifernd ihren Tugenden gebracht, die allgemeine Stimme aus, nicht die Furcht, sondern nur Friedensliebe habe die Kaiserinn bestimmt, so wichtige Concessionen zu machen. Ein anderes Begehren des Fürsten Kaunitz wurde gleichfalls bewilliget, und nach seinem Wunsche zum Vicekanzler der Staatskanzley Philipp Graf Cobenzl ernannt, der Österreichs Bevollmächtigter bey den Unterhandlungen zu Teschen gewesen, und zugleich das volle Vertrauen des Kaisers besaßRidler im Österreichischen Archiv 1831. Es wäre zu wünschen, daß die kleinen zerstreuten historischen Schriften dieses rechtschaffenen und kenntnißbegabten Autors gesammelt erschienen..