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Ehe wir diese auch in geschichtlicher Hinsicht so merkwürdigen geist- und anmuthsvollen Briefe geben, senden wir eine biographische und characteristische Skizze des Prinzen voraus, theils weil dieser selbst einen der hervorragendsten Charactere der Josephinischen Periode bildet, anderseits aber zur nähern Verständigung des Inhalts seiner Briefe selbst.
Carl Joseph Fürst de Ligne war Grand von Spanien erster Classe, k. k. Generalfeldmarschall und Inhaber des 30. Infanterieregiments, Ritter des goldenen Vließes und Commandeur des Maria-Theresienordens. – Seine frühern Titel waren: Fürst des heil. röm. Reiches, erster Pair von Flandern, Pair, Marschall, Grand-Baillif und souverainer Officier der Land- und Grafschaft Hennegau, Gouverneur von Mons, Pair von Namur und Artois; – er war am 23. Mai 1735 zu Brüssel geboren, aus einem der edelsten und angesehensten Geschlechter Belgiens, das 3 Jahrhunderte hindurch in treuer Ergebenheit gegen den Landesfürsten seinen Ruhm in den Waffen gründete. Sein Vater und Großvater standen als Generallieutenants in österr. Diensten. Ein ritterlicher Sinn und Muth, gesteigert durch die vielen Gefahren, denen er sich seit den frühesten Jahren unterzog, ein edles Streben nach rühmlichen Waffenthaten, gaben seinem Geiste eine hohe militärische Richtung, die ihm bis zum Grabe treu geblieben ist. Noch als Knabe hörte er im Vorgefühle seiner künftigen Bahn, die Großthaten der mörderischen Schlacht bey Fontenay erzählen, und ergötzte sich daran. – Zum Jünglingsalter herangereift, widmete er sich dem Studium der classischen Literatur und der Kriegskunde, die er bis zu seinem Lebensende mit rastlosem Eifer und Fleiße betrieb. – Ligne glühte vor Begierde, sich auf dem Felde der Ehre, auf dem sich seine Vorfahren Ruhm und Lorbern gesammelt hatten, auszuzeichnen, so daß er im 15. Jahre seines Alters mit einem Hauptmanne des französischen Regimentes Royal Baisseaux die Verabredung traf, im Falle der Krieg ausbrechen würde, sich aus dem väterlichen Hause zu entfernen, und bei seinem Regimente anzuwerben. Sein Vater wußte diesen erhabenen Sinn für den Militärstand in dem talentvollen Jünglinge zu unterhalten, und ihm eine richtige Bahn vorzuzeichnen. Schon 1755, ausgerüstet mit allen nöthigen Kenntnissen, erhielt er in österr. Kriegsdiensten in dem Regimente seines Vaters eine Compagnie. Nun eröffnete sich die ruhmvolle Bahn des heldenmüthigen Prinzen, eine Bahn, auf der er volle 60 Jahre als Held und Schriftsteller mit Ruhm bekränzt wandelte. –
An den Schlachten von Collin, Breslau, Leuthen, an der Belagerung von Schweidnitz nahm er selbst den thätigsten Antheil, und stellte als Schriftsteller diese Schlachten mit treffenden Bemerkungen und höchst originellen Ansichten historisch dar. – In der Schlacht von Collin erwarb sich das Regiment de Ligne und der junge Fürst, der schon damahls die Seele dieses Regimentes war, unsterblichen Ruhm. In den Treffen, die auf jenen glänzenden Sieg folgten, war Ligne stets auf den Vorposten, und in der Schlacht bey Leuthen, wo Friedrich die Niederlage bey Collin rächte, sammelte er mehrmahls unter dem heftigsten Kugelregen sein Regiment, und führte es mit Blitzesschnelle durch die unwegsamsten Gegenden ohne Verlust nach Böhmen. 1757 wurde er zum Oberstlieutenant befördert. 1758 war er in der Schlacht bei Hohenkirchen, eroberte mit stürmender Hand den sogenannten großen Garten von Dresden, und wurde, da der Oberst des Regiments in die Gefangenschaft gerieth, zum commandirenden Obersten des Regiments ernannt.
Nach dem Siege bey Maxen, an dem er ebenfalls den thätigsten Antheil nahm, wurde er an Ludwig XV. gesandt. In Paris durchlebte er den ganzen Winter, und genoß daselbst nach seiner eigenen Äußerung viele Freuden, die ihm aber manche Unannehmlichkeiten verbitterten. – 1760 befand sich der Prinz bey der Armee unter General Lascy, und wohnte der Einnahme von Berlin, Potsdam und der Schlacht bey Torgau bey. – Nach dem Frieden zu Hubertsburg und bey Gelegenheit der Krönung Josephs II. zum römischen Kaiser wurde er 1764 zum Generalmajor befördert, und begleitete 1770 diesen Fürsten zu jener denkwürdigen Zusammenkunft mit dem König Friedrich II. zu Mährisch-Neustadt, die er mit vielem Scharfsinn entworfen, und dargestellt der Nachwelt aufbewahrte. 1771 wurde er Inhaber eines Infanterie-Regiments, Feldmarschall-Lieutenant und Ritter des goldenen Vließes. Nachdem der siebenjährige Krieg beendigt war, genoß Europa bis zum Ausbruche des Türkenkriegs eines wohlthätigen Friedens, und diese Periode benützte der Fürst, um seine Kenntnisse im Umgange mit den würdigsten Männern und Frauen zu erweitern, und sich die geselligen Tugenden anzueignen. –
In diese Periode fallen auch seine Reisen nach England, Italien und der Schweiz, nach Frankreich, Deutschland und Polen, die vielen Besuche, mit denen er von Prinzen des französischen Regentenhauses auf seinem Landsitze zu Beloeil beehrt wurde, seine Bekanntschaft mit Montesquieu, d'Alembert, Voltaire. Eben so würdigte ihn auch Friedrich II. seines besondern Zutrauens. – Die nähere Bekanntschaft mit dem französischen Hofe machte er durch den Grafen von Artois, den er schon früher in den Niederlanden kennen lernte. – In Paris und Versailles wetteiferten die größten Gelehrten und geistreichsten Männer um die Freundschaft und Gunst des Fürsten. Sein Scharfsinn, sein tiefer Witz, der oft überraschend die Gesellschaft entzückte, erregte allgemeine Bewunderung. – Seine dramatischen Verbindungen zu Paris verwickelten ihn in manche literarische Intriguen, und verleiteten ihn zum Widerwillen gegen Marmontel. – 1778 war er General en Chef in dem kurzen Kriege, und focht gegen den Prinzen Heinrich. In den Niederlanden machte ihn seine Herablassung und Popularität allgemein beliebt, und als die Streitigkeiten 1784 mit Holland einen Krieg vermuthen ließen, traf er als General en Chef die kräftigsten Maßregeln, um der Sache einen ehrenvollen Ausgang geben zu können. –
Schon 1781 besuchte er den Petersburger Hof, von welchem sein ältester Sohn, vermählt mit der Prinzessinn Massalsky, 400.000 Rubel zu fordern hatte. Auch hier genoß er Achtung und Liebe, und gewann die Gunst Catharina's. Bey jener berühmten Zusammenkunft Josephs II. mit Catharina wurde Ligne mit wichtigen Aufträgen an den Petersburger Hof geschickt. Hier verrichtete er seine Aufträge als der treueste Unterthan seines Monarchen, und zeigte sich zugleich als einen feinen Hoffmann gegen die Kaiserinn von Rußland, die er auf ihrer Reise nach Cherson begleitete. Mit vieler Laune scherzte er in seinen Briefen über das sonderbare Versetzen eines so glänzenden Hofes an die Ufer des Boristhenes. – 1788 begab er sich in der Eigenschaft eines Feldzeugmeisters mit diplomatischen Aufträgen an den Fürsten Potemkin, und folgte der russischen Armee bis nach der Eroberung von Oczakow. – Im Türkenkriege 1789 befehligte er mit vieler Auszeichnung ein Armeecorps, theilte mit Loudon bei der Einnahme von Belgrad den Ruhm, und wurde hierauf zum Commandeur des Maria-Theresien-Ordens ernannt. Mit diesem Feldzuge endete auch seine militärische Laufbahn und Thätigkeit. –
Seine Gesinnung und Anhänglichkeit an das Kaiserhaus bewies er bey jeder Gelegenheit auf eine Art, die über jeden Zweifel erhaben war. Er wollte lieber seine schönen Güter in Brabant verlieren, als eine zweydeutige Gesinnung gegen Österreich äußern. Kaiser Joseph II., als er jene Umwälzungen voraussah, sprach am Sterbebette zu dem Fürsten de Ligne: »Ich habe mich von Ihrer Ergebenheit vollkommen überzeugt, gehen Sie nach Brabant, um Ihre eigenen Geschäfte zu besorgen.«– Ligne traf nach dem Verluste seiner Güter noch ein härterer Schlag. Sein ältester Sohn, der Oberst Fürst Carl de Ligne, ein junger Mann, voll Talent und Muth, allgemein geachtet und geliebt, fiel in dem Feldzuge in der Champagne am 14. September 1792. Dieser Schmerz beugte das tief verwundete Vaterherz so sehr, daß sich über ihn die Kraft seines Gemüthes nie emporheben konnte. –
Bis 1807 lebte der Fürst de Ligne in ruhiger Muße der Wissenschaft und Kunst geweiht, von allen öffentlichen Geschäften entfernt. – 1807 ernannte ihn Kaiser Franz I. in Anerkennung seiner Verdienste um das Vaterland und das Kaiserhaus, zum Capitän der Trabantenleibgarde und Hofburgwache, und 1808 zum Generalfeldmarschall. Seit dieser Zeit nahm er sehr oft Antheil an militärischen Berathungen, und präsidirte im Capitel des Maria-Theresien-Ordens. Auch seine Vermögensumstände besserten sich um diese Zeit. Als man zur Entschädigung für diejenigen, die an dem linken Rheinufer ihre Besitzungen verloren, schritt, erhielt Ligne als Entschädigung für seine verlornen Güter die Abtei Edelstetten, ein Ersatz, der den Verlust weit überstieg. – Die Zeit seiner Zurückgezogenheit von öffentlichen Geschäften verwendete er auf literarische Ausarbeitungen. Seine Mémoires sind eine Frucht seiner vieljährigen militärischen Erfahrungen und gründlichen Kriegskenntniß, und wiewohl man in ihnen Ordnung und Zusammenhang vermißt, indem Ligne nach seiner eigenen Äußerung seine Gedanken jedesmahl so niederschrieb, wie sie ihm kamen, so bleiben doch diese Mémoires durch die große Zahl der Begebenheiten, die sie umständlich schildern, für die Geschichte jener Periode von besonderer Wichtigkeit. Die Sammlung seiner übrigen Werke biethet ebenfalls eine interessante Lectüre dar. – Eben so versuchte sich Ligne auch in der Poesie, und zwar mit gutem Erfolge. Die Herausgabe seiner gesammten Werke in 35 Bänden besorgte er selbst zu Wien und Dresden 1795–1811 unter dem Titel: Melanges militaires, litéraires etc. Seine Oeuvres posthumes erschienen 1817 in 6 Bänden. Die von ihm 1809 herausgekommene Schrift: Vie du Price Eugène de Savoye écrite par lui-même ist lediglich fingirt. Er selbst war ebenfalls noch bey seinen Lebzeiten der Gegenstand mehrerer Schriften. – Frau von Staël gab 1806 Lettres et pensées du Prince de Ligne heraus, eine Huldigung, die sie seinen Talenten und seiner Liebenswürdigkeit darbrachte. – Die letzte Zeit seines Lebens, als er zurückgezogen in ländlicher Stille lebte, und eines heitern Greisenalters genoß, war sein Haus der Vereinigungspunct der ausgezeichnetesten Personen. – Als die Souveraine 1814 zu Wien bey dem Congresse versammelt waren, wurde er mit ungemeiner Auszeichnung behandelt, und sein nie alternder Witz, seine Heiterkeit und Lebhaftigkeit wurden allgemein bewundert. –
In seinem Privatleben vereinigte er die mannigfaltigsten Vorzüge. Sein trefflicher Witz ohne Dornen, seine Lebendigkeit mit so viel Ruhe, so viel Eigenthümlichkeit ohne Unart, die seltene Kunst, das Gespräch in ein Spiel zu verwandeln, in dem er seinen Gegner gern gewinnen ließ, und endlich die unerschöpfliche Güte seines Herzens, die hohe Liebenswürdigkeit, das immer rege Bedürfniß, Hülfe und Trost in jedes verwundete Herz zu gießen, hatten über sein ganzes Wesen einen ihm eigenen und eben deßhalb unverwelklichen Reiz verbreitet. Jedem Unglücklichen verwandt, war sein Haus eine Freystätte der gebeugten Menschheit, wie es sich der geselligen Freude öffnete. In einer langen Reihe von Jahren hat er, ein Mann von angenehmer Persönlichkeit, ein Muster von altfränkischer Feinheit und Grazie, mit ausgezeichnetem Erfolge über das gesellschaftliche Leben geherrscht. Eine Existenz, wie die seine, war eine ganz eigene Erscheinung, die von dem nicht begriffen werden kann, der nicht Zeuge davon war. Durch seine vielen Verbindungen in allen Theilen des cultivirten Europa's, noch mehr durch seine witzigen Worte, die oft mit unglaublicher Schnelligkeit in den entferntesten Ländern wiederholt wurden, war nicht sowohl das Eigenthum der Familie, eines Kreises von Freunden, einer Stadt, als er dem ganzen gebildeten Geschlechte seiner Zeit angehörte, und dennoch – von der Familie, von den Freunden, von der Stadt, in der er lebte, wurde er geliebt, als wäre er einzig für sie alle gewesen. Mit der unerschöpflichen Anmuth seines Umganges erfreute er, was in seiner Nähe lebte. Indem er die Gegenwart mit der Heiterkeit seines Humors und mit der Fülle seines Herzens liebend umfaßte und erwärmte, fühlte man es mit Rührung – er war der Widerhall einer schon verklungenen Zeit. Am 13. December 1814 starb er im 80. Jahre seines anakreontischen Lebens.
Dieß ein Lebensabriß des unvergeßlichen Prinzen de Ligne, den man mit Recht den letzten Ritter der Neuzeit nannte; und nun folge die Reihe seiner Briefe an den Kaiser Joseph.
Elisabeth-Gorod,
(Dec. 1787.)
Ich wollte meine Ankunft damit bezeichnen, Ew. kaiserlichen Majestät von Ihren Freunden und Feinden genaue Rechnung abzulegen; allein die letztern sind zu entfernt, und die erstern zu egoistisch. Welch ein Unterschied, dieß Jahr und das vorige! Welch edler Eifer war es, Sire, den Sie damals hier antrafen!
Die Kaiserinn hat mich mehrmahls mit Fragen gepeinigt, ob die Oesterreicher Belgrad genommen? Das letzte Mahl antwortete ich ihr: wie der Pascha von Oczakow viel zu galant sey, um ohne ihre Einwilligung sich zu ergeben. Endlich komme ich hier an. Welch ein Wetter! welche Wege! welch ein Winter! welch ein Hauptquartier! – – Ich bin nicht ohne Selbstvertrauen; ich meine immer, man liebt mich; ich stellte mir vor, daß Fürst Potemkin entzückt seyn würde über mein Kommen. Ich falle ihm um den Hals, ich frage ihn: wenn haben wir Oczakow? – »Gerechter Gott,« antwortete er, »die Garnison ist 18.000 Mann stark; ich habe nicht so viel Leute in meiner Armee. Es fehlt mir an allem; ich bin der unglücklichste Mensch, wenn Gott sich meiner nicht annimmt.«
»Was!« sagte ich, »die Geschichte von Kinburn, die Abfahrt der Flotte – – – das alles wäre also zu nichts? Ich bin Tag und Nacht gerannt, um hierher zu kommen – man sagt mir, Sie haben die Belagerung bereits angefangen.«
»O Jesus,« sagte er, »Gott gebe, daß die Tataren nur nicht hierher kommen, und mit Feuer und Schwert uns vertilgen. Gott hat zwar sich meiner erbarmt, (ich vergesse es niemals,) hat mir vergönnt, was noch von Truppen hinter dem Bog stand, hier zusammenzuziehen, – sonst wäre es ein Wunder, daß ich bis hierher noch so viel Land behalten.« – »Wo sind denn aber die Tataren?« rief ich. – »Himmel, überall!« antwortete mir der Fürst; »und dann steht der Seraskier mit viel türkischer Mannschaft nahe an Ackermann; 12.000 Türken in Bender; der Dniester besetzt, und 6.000 in Chozim.«
Es war aber nicht ein einziges Wort wahr an allen den Reden. – Doch wie konnte ich glauben, daß der Fürst den täuschen wolle, von dem ich glaubte, daß er seiner bedürfe? Wenn ich indessen unglücklich seyn soll, in meiner ganzen militärisch-politischen Sendung, unglücklich; so geschieht mir nach Verdienst. Ich bin, wie der Marschall Neipperg beym Friedensschluße 1739 sagte, Lucifer, den sein Stolz zu Grunde richtet. Glaubte ich mich nicht schon der beiden russischen Armeen Feldherr? Späterhin sagte ich dem Fürsten, wie ich der Kaiserinn abgerathen, eine Flotte in das mittelländische Meer zu schicken, weil diese Flotte ungeheuer viel kosten und nichts helfen werde. Ob nun gleich die Kaiserinn in demselben Augenblicke mir ihr Vorhaben mittheilte, als sie es faßte; so wollte der Fürst mich doch glauben machen, daß es sein Einfall gewesen. Einige Tage später, wo dieß wieder seinen Gedanken entwischt war, sagte er mir, er habe der Kaiserinn geschrieben, die Flotte nicht absegeln zu lassen. – »Aber so macht es die Frau,« setzte er hinzu – »zumal wenn ich nicht da bin. Immer in's Riesenhafte, und warum hat sie Preußen so schnöde geantwortet, das ihr 30.000 Mann Truppen, oder Geld anboth? Immer die verdammte Eitelkeit.«
– »Hier,« sprach ich, »ist ein Brief vom Kaiser, welcher den Plan für den ganzen Krieg enthält; er bezeichnet den Gang der Unternehmungen; Ihre verschiedenen Corps müssen das nun, ohne Verzug und den Umständen gemäß, im Einzelnen ausführen. Se. Majestät haben mich beauftragt, Sie zu fragen, was man eben vorhabe. – Der Fürst antwortete, daß er es mir andern Tags schriftlich sagen werde. Ich warte einen Tag, zwey, drey, acht, vierzehn Tage, endlich gelangt sein ganzer Feldplan an mich; wir hatten keinen andern; hier ist er:
Mit Gottes Beystand werde ich angreifen, alles was vom Bog bis zum Dniester sich mir entgegen stellt.
Ob nun gleich bey dem Allen keine Ursache zum Lachen ist, so hätte ich doch über Eins fast Lust dazu bekommen. Unsere Kosaken – weil sie gut laufen – greifen vier häßliche Tataren, denen nicht einmahl nachgesagt werden konnte, Türken zu seyn. Der Prinz schickt nach mir. Mit verstörtem Ansehen, zitternd stehen sie vor ihm. Ich zittere mit ihnen, denke aber doch, daß er zu menschlich seyn wird, um ihnen, mir nichts, dir nichts, die Köpfe abschlagen zu lassen. Die vier Männer, meine Hoffnung nicht theilend, fühlten meine Angst. Der Fürst befiehlt, sie zu greifen, ich bebe heftiger; allein ich sehe nirgends einen Säbel gezückt. Plötzlich stürzt man sie in eine tiefe Grube, die ich nicht gesehen hatte.
»Gott sey Dank,« rief der Fürst, »da hätten wir einmal wieder Mohamedaner getauft, und zwar auf griechisch, durch Eintauchung.«
»Sie werden den Schnupfen davon bekommen,« sprach ich, »doch, Gott sey gelobt!«
Eine einzig sonderbare Idee hat er gehabt; die Errichtung eines Regiments von Juden, die er Israelowsky nennt. Wir haben schon eine Schwadron davon, die meine Lust ist, denn ihre Bärte, tief auf die Knie herabhangend – so kurz sitzen ihnen die Steigbügel – und die Furcht, welche mit ihnen zu Pferde steigt, gibt ihnen das Ansehen von Affen. Unruhig blicken sie umher; die großen Picken auf die lächerlichste Weise von ihnen gehalten, erregen den Glauben, daß sie es den Kosaken nachthun wollen.
Elisabeth-Gorod,
(April 1788.)
Wenn wir Lebensmittel hätten so marschirten wir; wenn wir Schiffbrucken hätten, so setzten wir über Flüsse; wenn wir Kugeln und Bomben hätten, so belagerten wir; man hat nur eben das vergessen: Der Fürst läßt alles dieses mit der Post kommen, der Munition-Ankauf und Transport beträgt drei Millionen Rubel.
Ich bitte Ew. Majestät, mich vor dem Unwillen des Kriegsrathes und dem der Staatskanzley in Schutz zu nehmen. Denn wenn ich auch wollte, ich habe nichts, Ihnen zu schreiben. Wir thun nichts.
Überdieß, Sire, so möchte die vertraute und aufrichtige Freundinn Ihrer erhabenen Person nicht gern, daß, was sie nur sagt, oder schreibt, Ihre Minister und die andern Höfe erführen.
Könnte ich z. B. einem Menschen mittheilen, was ich Ew. Majestät gemeldet, daß, wenn ich es von Ihnen zugestanden erhalte, den Prinzen Coburg in die Moldau vorrücken zu lassen, die Kaiserinn, ihr kaiserliches Wort uns gibt, daß wir Choczim erhalten, und den Raya, welche Bedingungen man auch beym Frieden machen möchte?
Die Kaiserinn kann es kaum erwarten, und möchte, daß der Krieg schnell vorwärts rückte; sie zweifelt nicht, daß Preußen etwa schon den heißen, verkehrten Kopf des Königs von Schweden bearbeite. So viel fällt wenigstens in die Augen, daß wenn man nicht von hieraus den leicht- oder zu tiefsinnigen Köpfen der französischen Nation, so wie den ohnmächtigen Anschlägen der mißvergnügten Niederländer Einhalt thue, unser ganzer Welttheil bald sich entzünden werde. Es möchte sich nicht gut thun lassen, Asien in Brand zu stecken, um Europa zu retten. Wir haben gerade persische Bothschafter hier, die mit Entschuldigungen angelangt sich, vorgebend, daß Aufruhr bey ihnen selber sie hindere, den Türken Krieg zu erklären.
Mir däucht, Sire, auch Sie sind um nichts glücklicher im Aufwiegeln – und Mahmud, Pascha von Skutari, versöhnt sich mit der Pforte.
Das ist's was uns die Bothschafter mitgebracht haben, welche der Fürst Potemkin in jenes Land geschickt hatte, aber ich verbürge mich nie für diese Nachrichten, weil es zum Charakter dieses Kindes gehört, boshaft zu lügen.
Andern Tages warf ich ihm unsere Unthätigkeit vor. Sogleich läßt er eine Viertelstunde darauf Couriere ankommen mit der Nachricht von einer am Kaukasus gewonnenen Schlacht. – Nun seh't, rief er mir zu, ob ich nichts thue; so eben habe ich 10.000 Circassier, Abyssinier, Immaretten und Georgier getödtet, und 5000 Türken fielen bei Kinburn.
Ich bin entzückt, antwortete ich, so mit Ruhm mich bedeckt zu haben, ohne es gewahr worden zu seyn, denn ich bin nicht von Ihrer Seite gewichen.
Da es einem frey steht, üble Laune zu haben, wenn man vierzehn Tage lang vom Fieber befallen ist; und da es hier gilt zu maulen und verdrießlich zu thun, um seinen Credit zu erneuern; so sagte ich letzthin: ich würde 6.000 Croaten kommen lassen, die hier sehr in Ansehen stehen, um Oczakow einzunehmen.
Ungeachtet aller Fehlgriffe meines Feldherrn, ist er im Besitz einer guten Eigenschaft, die ist, herzliche Ergebenheit an das Haus Österreich. Euere kais. Majestät haben die Gallerie und die Säle von Hermitage für sich, doch nicht das Cabinet. –
Hierbey fällt mir etwas ein. Ich weiß nicht, was letzthin dem Fürsten anwandeln mußte: – in der Mitte der Diamanten, mit welchen er auf seinem Tische Linien und Stellungen zeichnet, lag ein köstliches Vließ, hunderttausend Rubel am Werthe. – Ob es nun da lag, um mir zu bedeuten, daß er die Kaiserinn bereden wolle, es mir zu verehren, wenn ich ihr schriebe, daß alles gut gehe, oder um mir zu verstehen zu geben, daß er es sich selbst schenken werde, wenn Ew. Majestät ihm das Band dazu geben möchten?
Die Kaiserinn wird befremdet seyn, keine Briefe von mir zu erhalten, und sieht sicherlich ein, daß ich ihrer Güte – von Anfang des Fürsten Potemkin Werk – zu dankbar eingedenk bin, um mich über ihn beklagen zu können, und von der andern Seite zu treu der Wahrheit, um ihr schreiben zu mögen, er könne nicht mehr thun, als er thue.
Auch gedenke ich nicht mehr meiner Forderungen an Rußland; Carls Heirath mit einer Massatska betreffend – Forderungen, welche meine erste Reise nach Petersburg veranlaßten. Ich glaube nicht, daß ich noch nöthig haben werde, die Diamanten und Bauern, die man vor einem Jahre mir schenken wollte, von mir abzuwehren.
Wie dem auch sey, ich habe dem Fürsten gesagt, daß ich den Geschmack, welchen er unserem Hofe und dem Kriege gegen die Türken abgenommen habe, nicht anders ansehe, als seinen Geschmack für Schildereyen und Diamanten, befürchtend, er werde eben so leicht wieder davon zurückkommen, als bey diesen es der Fall ist.
Elisabeth-Gorod,
(Mai 1788.)
Wo soll ich Worte hernehmen, meine Dankbarkeit Ew. kaiserl. Majestät auszusprechen für das, was Sie meinem guten Carl gesagt, und an ihm gethan haben? Zwey Gnadenbezeugungen der Art, auf der Bresche ertheilt, und Ihr Brief, Sire, sind furchtbare Rechte, die Sie auf Seel' und Leben von Vater und Sohn erworben haben. Ich habe geweint vor Freuden, vor Zärtlichkeit und vielleicht auch vor Eifersucht. Ich habe alle zum Weinen gebracht, denen ich lesen ließ, was Ew. Majestät geschrieben; da sieht man, wie es noch gute Menschen gibt auf der Erde! Es ist mehr aus diesem trefflichen Carl zu machen, als aus mir, und glücklich will ich mich fühlen, nach meinem Hingang Ew. Majestät einen Unterthan zu hinterlassen, den Sie zu gebrauchen wissen werden.
Eure kais. Majestät haben Ihre Laufbahn damit eröffnet, im Kriege von 1778 dem Wiener-Cabinet, (was wohl das Schwerste seyn mochte,) und späterhin denen von Berlin, von Versailles und Petersburg zu widerstehen. Sie haben sich dem Genie des Königes von Preußen in den Weg gestellt, und es zurückgedrängt; Sie werden die Fülle des Ruhm's durch glänzendere Thaten erwerben: die Einnahme von Belgrad, wird die von Sabatscz herbei führen, und ein vollständiger Sieg diesen neuen Fortschritten auf dem Fuße nachfolgen. Ew. Majestät haben gewollt, und die Moldau war Ihre. Diese Eroberung hat uns nur zwey Märsche gekostet, den Russen zwey Feldzüge im letzten Kriege. – –
Hier eine kleine Geschichte, die mich eben belustiget hat. Lafayette schickte mir einen sogenannten französischen Ingenieur, Marolle genannt, um die Belagerung zu commandiren. Ich trete mit ihm in das Zelt des Prinzen; noch ehe ich ihn vorgestellt habe, ganz dicht an ihn, schreit der Ingenieur: »Wo ist der General?« Hier, sagte ich ihm. »Guten Morgen General! Nun was gibts? Sie wollen Oczakow haben?« – »Ich denke,« sagte der Fürst. »Je nun,« ruft mein Schreyer, »das wollen wir machen. Ist nicht Vauban und Cohorn zur Hand? Ich könnte auch Saint-Remy brauchen, um mich wieder ein wenig auf das zu besinnen, was ich vergessen, oder wohl gar nie so recht ordentlich gewußt habe; denn im Grunde bin ich nur Ingenieur beym Brücken- und Wegebaue.«
Der Fürst, immer gut und liebreich, wenn er die Zeit dazu hat, fing an zu lachen und sagte: »Ruhen Sie nur erst aus von Ihrer Reise, und martern Sie sich jetzt nicht ab mit Lesen; ich werde Ihnen in Ihr Zelt zu essen schicken.«
Ihre Majestät erschrecken mich durch das, was Sie in Hinsicht Frankreichs und Flanderns zu äußern mich würdigen. Es müßten denn doch wahrlich diese beyden Länder seit den zwey Jahren, daß ich sie nicht sahe, durchaus verwandelt worden seyn, wenn man nicht mit Vernunft zu Ihnen reden oder sie zur Vernunft bringen können sollte.
Wenn Ew. Kais. Majestät die drey Körper aufrecht erhalten, welche die Staaten bilden, und die wesentlichen Theile der Constitution in Acht nehmen; so werden es nur Ränkeschmiede und Mißpatrioten seyn, die aus persönlich eigennützigen Absichten sich eine Parthey bilden. Diese Versicherung den Staaten zu ertheilen, sucht' ich Ew. Majestät zu bewegen; und ich würde unter diesen Bedingungen in Zeit von acht Tagen den Frieden überall hergestellt haben. Jetzt wird ein wenig Kraft von Seiten der Regierung Strenge unnöthig machen.
Wenn ich dort wäre, würde ich als ehrenwerther Patriot reden; ein Wort, was widerlich zu werden anfängt; als Bürger, ein ebenfalls entstellter Name; und wenn das nichts hälfe, als österreichischer General reden und handeln: hier einen Erzbischof, dort einen Priester, einen dicken Mönch von Abt, einen Professor, einen Brauer und einen Advocaten einsperren lassen.
Was nun Frankreich betrifft, so werden Ew. Majestät bey ihrem trefflichen Gedächtniß – sich erinnern, mir einst in meinem Gouvernement, bey einem Spaziergange durch die Festungswerke, den ich Sie führte, gesagt zu haben: Sie kennen nur Einen Arzt, dieses Reich zu retten – Herrn Necker!
(Mai 1788.)
Hier sind wir! im Lager zu Novo-Gregori, wo die Nachricht von dem ersten Siege des Prinzen von Nassau uns überbracht ward. Fürst Potemkin ließ mich rufen, umarmte mich und rief: »Das kommt von Gott! Sehen Sie diese Kirche an; ich weihte sie dem heiligen Georg, meinem Schutzpatrone, das Gefecht von Kinburn fand Statt am Tage, der auf seinen Nahmenstag folgt.«
Nach Verlauf von einigen Wochen Aufenthalts und verschiedenen Rückmärschen, der Brücke wegen, die man nicht aufzuschlagen wußte, um über den verdammten Fluß zu kommen, befanden wir uns auf der Höhe von Novo-Gregori, wo die Nachricht von den beyden andern Siegen Nassau's uns gleichfalls erreichte. – »Nun, liebster Freund,« sagte Fürst Potemkin, mir an den Hals springend, »was sagte ich Ihnen von Novo-Gregori? Da haben wir ihn wieder. Leuchtet es Ihnen nicht ein, daß ich des lieben Gottes Hätschelkind bin.« So lauteten seine eigenen Worte, und ich berichte sie nur, um den außerordentlichsten Menschen, der je lebte, noch mehr kenntlich zu machen. »Welch glücklicher Umstand,« sagte der Fürst, »die Garnison von Oczakow reißt aus. Ich mache mich Augenblick's auf den Weg; gehen Sie mit?« Zweifeln Sie daran, war meine Antwort. Anstatt aber geradezu auf diesen Platz los zu rücken, wo ich in zwey Tagen mit meiner ganzen Cavallerie einzutreffen gedachte, brachten wir drey auf dem Wasser zu; legten überall an, um Fische mitzunehmen, und zu essen, und statteten dem siegreichen Geschwader einen Besuch ab.
Aus dem Lager von Arnuntzka.
(Am 18. Juni, Jahrestag der Schlacht bei Collin.)
Heute ist es ein und dreyßig Jahr, daß um diese nähmliche Stunde ich des erhabenen österreichischen Hauses Waffen siegreich in Böhmen sah: möchten sie heut ähnlicher Vortheile über die halben Monde der Osmanen sich rühmen dürfen! Damahls ließ ich mit meinen Wallonen Maria Theresia hoch leben; bald, hoffe ich, wird das Beyspiel und die Anstrengung Ew. Majestät dazu verhelfen, daß man auf den Mauern von Belgrad schreyen höre: »Vivat Josephus secundus!« Das heißt hier: – glücklich, was Ew. Majestät Ihres uneigennützigen, und auf Kosten Ihres eigenen Vortheils sich aussprechenden Eifers für das allgemeine Beste zu seyn, so gar sehr verdienen.
Ich suche hier alle Unzufriedenen Rußland's so viel als möglich zu schonen; nicht um ihnen etwas zu vergeben, aber um unseres Besten willen, das ja auf Rußland selbst wieder zurückstrahlen kann. So sind z. B. die Griechen offenbar von der Kaiserinn vernachlässiget, und vom Fürsten Potemkin vergessen. Ihrer mehr als zwey Hundert hat er länger als drey Monathe hier hingehalten; sie sind zu mir gekommen, und versichern mich, daß Ew. Majestät auf sie rechnen dürfen. Ich habe mir nichts vergeben, denn ich weiß, daß man ihnen nicht trauen darf. Ich mag lieber Geld als Credit einbüßen. Einen jungen, höchst verständigen Mann, Namens Georgi, habe ich dreyhundert Ducaten gegeben; er will Ew. Majestät eine kleine Colonie im Banat zuführen, und sogar zum Besitz einiger Inseln behülflich seyn, die dem Handel von Triest sehr ersprießlich seyn dürften.
Wenn mein Eifer, von Allem Vortheil zu ziehen; wenn Vorwürfe über ihre Unthätigkeit, die ich den beyden Marschällen nicht immer vorenthalten kann, einige Wolken zwischen uns aufthürmen sollten: so werden sie gewiß bald wieder vorüberziehen; die Kaiserinn weiß zu gut, wie sehr ich sie bewundere und anbethe. Wenn sie jener Elisabeth gliche, deren Stelle sie einnahm, so würde ein ihr zugeeignetes Madrigal, ein Lied für den Günstling, und ein Spottgedicht auf die Könige von Preußen und Schweden hinreichend seyn, sie mit mir wieder auszusöhnen. Doch die alte, geprüfte Freundschaft Catharinens, und der Kern guter Gesinnung im Herzen ihres Feldherrn für mich, werden die Marschälle hoffentlich abhalten, über Dinge mit mir zu grollen, die, von einem andern herrührend, ihnen wahrscheinlich mißfallen würde.
Im Lager der Wüste.
(Juni 1788.)
Ich will ein Wagestück begehen! Doch: Zelus domûs tuae comedit me. Ew. Majestät sind gewiß keiner Rathschläge von mir gewärtig; auch würde ich mich nicht damit befassen, wenn ich nicht die Gewißheit vor mir sähe, sehr lange von Ihnen entfernt zu bleiben, und ich nicht hoffen dürfte, daß bis zur Zeit meiner Rückkehr Sie sie entweder befolgt oder vergessen haben würden.
Europa ist in solcher Verwirrung, daß nicht ein Augenblick Zeit zu verlieren ist, um von den Umständen Vortheil zu ziehen. Der König von Preußen nimmt es übel, daß die Kaiserinn ihm sagen läßt, er säße zu kurze Zeit auf dem Thron, um über das Interesse der andern Mächte den Ausspruch zu thun; er solle sich nicht einbilden, dreyen Kaiserthümern, wie der Republik Holland den Kopf zurecht setzen zu können, und sie wie Pohlen zu bearbeiten.
Ew. kaiserliche Majestät werden die Projecte, welchen hier Gehör gegeben werden könnte, zuvorkommen, wenn Sie mich eines ostensiblen Schreibens würdigen, worin Sie versprechen, daß zwey der Theilhabenden Mächte gewaffneten Armes sofort gegen den Dritten aufstehen würden, der auch selbst die kleinste Starostie nur an sich zu reißen Miene machte. Unter dem Vorwande, dem Türken entgegen zu arbeiten, habe ich den Fürsten Potemkin bewogen, den Pohlen 40,000 Flinten auszuliefern, wenn sie sich bereit finden lassen, eine an die beyden Kaiserhöfe sich lehnende Conföderation zu Stande zu bringen.
Mehrere polnische Große, die ich bey dieser Ansicht der Sache zu erhalten suche, erwarten nur die Verwirklichung dieses Projectes, um die preußische Parthey zu ersticken. Ich fordere von ihnen nur Pohlen, und nichts als Pohlen zu seyn. Fürst Cz***, eben so eifrig als hellsehend in seinem Patriotismus, arbeitet ebenfalls darauf hin, und kam gestern mit mir darin überein, daß die Anhänger der fremden Mächte das Unglück des Landes herbeyführen würden. Ich sage ihnen unaufhörlich: Weder nach Wien, noch nach Petersburg, noch nach Berlin haben Sie sich zu wenden, meine Herren; eilen Sie nicht, um Rußlands Joch abzuschütteln, einem noch gefährlicheren zu: dem preußischen Corporalstocke.
Ich habe das Versprechen abgelegt, daß Ew. kaiserliche Majestät die Kaiserinn vermögen würden, den Mißbräuchen Einhalt zu thun, welche ihre Generale und Minister über die Polen sich zu Schulden kommen lassen; dieß wird eben so politisch als moralisch zum Guten führen. Bevor ich mit Geschäften mich abgab, würde ich die Moral der Politik voran gesetzt haben; allein ich sehe, wie man immer mehr zum Schlechten sich hinneigt.
Hier bin ich nun ganz eine gute Bonne; allein mein Kind hier ist groß, stark und halsstarrig. Noch gestern sagte es zu mir: – »Glauben Sie hierhergekommen zu seyn, um mich bey der Nase herum zu führen?« – »Glauben Sie, daß ich gekommen wäre, wenn ich dieß nicht voraus gewußt hätte?« war meine Antwort. – »Träge, und ohne Erfahrung, lieber Fürst, was können Sie Besseres mit sich thun lassen? – Warum wollen Sie sich nicht einem Manne, der wie ein verliebter Thor auf Ihren Ruhm, und auf das Wohl beyder Reiche ersessen ist, gutmüthig anvertrauen? Es fehlt Ihnen so wenig. um vollkommen zu seyn! – Was kann aber ein Genie, wie Ihres, ausrichten, wenn der Freundschaft Arm es nicht unterstützt?«
Hierauf antwortete der Fürst: – »Machen Sie, daß Ihr Kaiser über die Save vorrückt; ich werde über den Bog gehen.« – »Wie können Sie hier nun,« erwiederte ich, »Complimente machen wollen, wie vor der Thür eines Salons? Mein Kaiser läßt Ihnen den Vortritt; er hat eine türkische Armee gegen sich, Sie aber nicht.«
»Glauben Sie wohl, daß er uns das Theresienkreuz geben, das St. Georgen-Kreuz dagegen für die empfangen würde, welche in beyden Armeen sich hervorgethan hätten?« – Ich sahe wohl, wo er hinaus wollte. Er hat einmahl die Ordenswuth, und trägt bereits deren zwölf. Ich sagte ihm: Oczakow sey wohl unser Theresienkreuz werth! Wenn er jedoch Ew. kaiserlichen Majestät die Einnahme von Belgrad zu erleichtern wußte, so würde der Stephans-Orden ihm ebenfalls nicht entgehen. Ich bitte Ew. Majestät, ihm diese Hoffnung zu bekräftigen, und wenn unsere allerkatholischeste Majestät gar sich zu seinen Gunsten bemühen, und ihm das Vließ verleihen wollte, so hätten wir ihn – auf immer.
Lager vor Oczakow.
(Juli.)
Der Prinz sagte mir neulich: »Das Vieh von Stadt setzt mich in Verlegenheit.« Ich antwortete: »Es wird es noch lange, wenn Sie sich nicht tüchtiger dabey benehmen. Von der einen Seite einen falschen Angriff gemacht, von der andern die Verschanzungen gesprengt; alles durcheinander – die Besatzung in die alte Festung gedrängt – dann wird's gehen.« – »Glauben Sie,« war seine Rede, »daß das so gehen wird, wie bey Euerem Sabatsch, wo tausend Mann vertheidigten, und zwanzigtausend einnahmen?«
Ich antwortete, er dürfe hierauf nur zukommen, um mit Respect davon zu reden, ein Angriff wo möglich nachzuahmen sich befleißigend, den Ihro Majestät, der Kaiser, selbst, mit zwei Bataillonen, von Kugeln umsaust, auf die tapferste Weise vollbracht hätten, allem Widerstande ungeachtet, den rechten Augenblick zum Sturmlaufen treffend. Am anderen Tage, als der Fürst eine Batterie von sechzehn Kanonen in Augenschein zu nehmen ging, die er selbst im offenen Felde, achtzig Toisen von den Verschanzungen aufgepflanzt hatte, erinnerte er sich unseres vorabendlichen Gesprächs; und in einem Augenblick, wo Kugeln von allen Seiten auf uns regneten, und dicht neben ihm einen Stückknecht mit seinen beiden Pferden niederrissen, sagte er lachend zum Grafen Branicki: »Fragen Sie einmahl den Fürsten von Ligne, ob sein Kaiser beym Sabatsch tapferer gewesen, als ich hier?« – So viel ist gewiß, daß es bey diesem halben Angriff heiß genug herging; man kann keinen edlern und heiterern Kriegsmuth sehen, als den des Prinzen. Auch war ich an dem Tage und noch an drey andern, wo er sich der augenscheinlichsten Gefahr aussetzte, wie ein Narr von ihm eingenommen; ich sagte ihm, daß ich nun wohl sehe, man müsse mit Kanonenkugeln nach ihm zielen, um ihn guter Laune zu machen.
Da ich dafür hielt, man werde sich nun ernstlich aller Mittel bedienen, die Stadt zu erobern; eines Angriffs aus aller Macht nähmlich, oder einer förmlichen Belagerung, die ungefähr das Werk von acht Tagen gewesen seyn würde: so war mir sehr darum zu thun, bey den Vorpostengefechten zugegen zu seyn. – Ich hatte noch niemahls Spahi's gesehen. Unsere Cirkassier tödteten ihrer viele mit Pfeilen; es war ein unterhaltendes Schauspiel. Zuweilen pfiffen Kugeln um unsere Ohren, aus den Gärten, wo Janitscharen sich verborgen hatten, auf uns abgeschossen; auch viele Pistolenschüsse derer, die sich Bravi nennen. Wir nahmen und verließen abwechselnd die Gärten des Pascha's. Der Prinz führte uns an einem Tage dorthin, um den Überschuß der Kugeln zu empfangen, welcher die von Pahlen commandirten Angreifenden verfehlt hatte. Einmal schlug mein Pferd dort mit mir über; ich weiß nicht, ob vor dem Winde, den eine Kugel machte, oder ob sonst nur aus Furcht. Da ich sehe, daß diese Art zu belagern gefährlicher, als ruhmvoller für die Umhergehenden ist, so vermeide ich, wenn ich daran denke, das Gehen in gerader Richtung; denn kaum tritt man aus des Lagers Linie, so wird man von einem Guß Kugeln, wie von einem Platzregen, überrascht: wir sind also eigentlich eben so wohl Belagerte, als Belagerer.
Ich habe dem Grafen Roger von Damas diese Bemerkung vergeblich gemacht. Eine Kanonenkugel hat ihm gestern, ehe er noch von seiner neulichen Schußwunde ganz hergestellt war, eine Contusion im Schenkel gegeben.
Ich wünsche Ew. kaiserlichen Majestät bald wichtigere Neuigkeiten mittheilen zu können; aber ich fange an, daran zu verzweifeln.
Lager von Oczakow.
(Aug. 1788.)
Ich glaube, man bildet sich ein, die Belagerung von Oczakow bereits angefangen zu haben.
Sieben hundert Toisen abseits von den Verschanzungen, und neun hundert vom Platze, hat man so eben vier elende Redouten vollendet. Der Feind nahm sich nicht einmahl die Mühe, auf die Arbeiter zu schießen, ob man gleich den schönsten Mondschein, und zwey der Taghellsten Nächte zu dieser Arbeit gewählt hatte. Nun heißt es, zwey andere Redouten auf zwey hundert Toisen von jenen, in Verbindung mit einer Batterie von zwanzig Kanonen, die gegen die Mauer anprallt, sollen neuerdings wieder in Arbeit genommen werden. Alles das geschieht nach Angabe von einigen Subalternen, die nichts gesehen haben, und weder zum Ingenieur-Corps, noch zur Artillerie gehören. Der Prinz, um nicht das Ansehen zu haben, sich irgendwo Raths zu erholen, wirft alle Meinungen zusammen, gibt Befehle und Gegenbefehle, Zeit und Menschen zwecklos vergeudend.
Am neun und zwanzigsten näherten sich der Zahl nach höchstens vierzig Türken, das Meer hinauf rudernd und an die Wälle ankletternd, um auf die Batterie zu schießen, von welcher Prinz von Anhalt so eben den General Chotoussoff abgelöset hatte; denselben, welcher im letzten Kriege einen Flintenschuß, seitwärts am Kopfe, hinter dem Auge, davon trug, und fast ohne Beyspiel sein Auge behielt. Dieser General erhielt gestern einen ähnlichen Schuß, und stirbt wahrscheinlich heute oder morgen. Ich nahm den Anfang eines Ausfalls, vor einer Schießscharte stehend, in Augenschein, er näherte sich mir, um ein Gleiches zu thun, und ward augenblicklich niedergestreckt.
Die Jäger, welche den Fall ihres Generals zu rächen entschlossen waren, liefen, ohne die Befehle des Prinzen von Anhalt abzuwarten, der eben anlangte, wild durch einander. Ihre Absicht war, jene vierzig Türken, durch dreyhundert Soldaten des Hassan-Pascha verstärkt, zu verjagen. Das erste Bataillon aus der Gefahr zu retten, mußte Prinz Anhalt sich entschließen, mit dem zweyten vorzurücken: eine Kugel traf ihn, welche zugleich den Grafen Roger von Damas, französischen Freywilligen, an der Achsel verwundete. Fast alle seine Offiziere einbüßend, vertheidigte der Prinz von Anhalt seine Batterie, die die Türken bereits angriffen, und es gelang ihm, nach einem hartnäckigen Feuer sie zurück zu treiben.
Kaum aber waren sie in die Verschanzungen zurück, als man mehr als zwey tausend Türken mit fliegenden Fahnen von Neuem hervorbrechen sah. Prinz Anhalt, der seine Jäger mit sehr vieler Mühe wieder gesammelt hatte, griff diese Türken an. Hunderte sich in den Höhlen der Schießscharte versteckt haltend, schossen ohne Unterlaß; man konnte sie nicht hervortreiben; sie würden die Nacht hindurch hier versteckt geblieben seyn, um sofort die Batterie einzunehmen, zu welcher sie schon den Weg seitwärts an den Gräben ausfindig gemacht hatten.
Endlich hatte der Prinz von Nassau, bis dahin nur eines Befehles gewärtig, die dreyfache Freude, die Batterie und den Prinzen Anhalt zu retten, und zugleich an dem Fürsten Potemkin Rache zu üben, indem er in seinem Bericht an ihn sich entschuldigt, ohne Befehl mit drey Kanonenböten vorgerückt zu seyn, und die Türken zum Rückzuge gezwungen zu haben. Schon vorher hatte in seinem Berichte der Prinz von Anhalt erklärt, daß er dem Nassauer seine Rettung danke. Der Feind zog sich zurück; wir hatten einen General-Major verwundet; ein Oberster, ein Oberst-Lieutenant, ein Major, drey Capitaine, wovon einer Neffe des Generals Chotousoff, sind in Stücken gehauen. Man hat uns an hundert und achtzig Mann erschossen, und in allem, seit sieben Wochen, die wir nun hier sind, ohne noch eigentlich die Belagerung angefangen zu haben, beträgt unser Verlust mehr als zwölfhundert.
Eigentlich geschieht es nur, um Blut zu sparen, daß der Prinz sich so sehr der List und des Geldes bedient. Der winzig kleine Laskasoff, dessen Ansehen im verwichenen Jahre Ew. Majestät so belustigte, bleibt in einem Jagen.
Der Prinz hat sich fest eingebildet, daß die Türken zur Übergabe Lust haben. Nach einer starken Kanonade von der Flotte des Capitän Pascha, dessen herrlich weißen Bart ich sehr wohl unterscheiden konnte, sah man einige Kähne türkischer Zaporoger längs der Küste des schwarzen Meeres sich uns nähern; sogleich sagte Fürst Potemkin zu Revain und zu mir: Ich weiß von guter Hand, daß sie zu uns übergehen wollen. – Schon nahm er sie für so gut, als getauft. Wir gingen auf sie zu, um ihnen landen zu helfen; sie lachten uns aus, schrien und schimpften hinter uns her, und legten ihre Flinten an, um nach uns zu schiessen.
Lager von Oczakow.
(Aug. 1788.)
Wäre ich Monarch, gar sehr würde ich Unterthanen lieben, die ich verläugnen dürfte. Ich bin in diesem Puncte nicht stolz, und es hängt nur von Ihnen ab, Sire, sich diese Freiheit zu erlauben: meine Liebe zu Ihrer Monarchie ist größer, als meine Eigenliebe. Ew. Majestät haben es nicht gern, daß ich mich zu sehr in Pohlens Angelegenheiten mische; allein nur folgender Maßen geschah es, daß ich blindlings einer Anwandlung von politischem Interesse mich hingeben mußte.
Fürst Cz***, einer der Großen unseres Heeres, in welchem ich dem hellsten Verstande begegne, fragte den Fürsten Potemkin: was Rußland nun wohl möchte oder könne. Ich sagte ihm und den Übrigen: Wenden Sie sich weder nach Wien, noch nach Petersburg, noch nach Berlin: bleiben Sie Pohlen, meine Herren! mein Kaiser will Ihnen nichts nehmen. Der Kaiser wird es ebenfalls lieber sehen, den Einfluß auf Ihr Land zu behalten, welchen die geographische Lage ihr zusichert, als einen Theil davon an sich zu reißen. Allein, Sie sehen aus den aufgefangenen Briefen des Ministers Herzberg, daß der Hof von Berlin es ist: qui circuit leo rugiens, quaerens, quem devoret. Er möchte zum allerwenigsten Groß-Pohlen sich zueignen. Fürst Potemkin hat mir 40.000 Flinten von Toula für eine Conföderation gegen die Tataren – so heißt es – zugesagt; eigentlich aber gegen jegliche Macht, der es gelüstete, eine neue Theilung zu machen: Preußen – wenn man recht versteht – ohne es zu nennen. Trauen Sie dem nicht! – Doch wenn, um die langen, losen Zügel abzuschütteln, welche Petersburg in seiner Hand hält, Sie einer Macht sich unterwerfen, die sie näher zu sich hinziehen will; so verschwinden Sie von der Oberfläche der Erde. Sie sind verloren, entweder weil Ihr Land Schauplatz des Krieges wird, oder weil die beyden Kaiserhöfe gezwungen sind, nunmehr auch nach ihrem Antheil zu fragen.
Ich schrieb letzthin dem Könige von Pohlen: Sire, das Ungewitter donnert bereits über Ihrem Haupte! Auf seine gewöhnliche, geistreich gewandte Art – wenn sie zum regieren nur hinreichte – antwortete er mir: Wie er sich nach einem Blitzableiter umsehen wolle, dem Wetterstrahle eine andre Richtung zu geben.
Es langweilt mich, Ew. Majestät mit unsrer Unthätigkeit zu langweilen. Neulich wurden wir auf eine lächerliche Weise daraus aufgerüttelt, ohne zu wissen, warum? Der sogenannte, unüberwindliche Suvarow, nachdem er um acht Uhr Morgens, seiner Gewohnheit gemäß, gut zu Mittag gegessen, ließ, aus eigener Autorität, ohne daß man dessen gewärtig war, seinen linken Flügel in vier Bataillone im Viereck gegen die Verschanzung zur Rechten aufmarschiren. Es war klar, wie der Tag, daß er auf diese Weise nicht hinein kommen würde. Auf halbem Wege nur hatte er auch bereits 1000 Mann verloren, und selbst einen tüchtigen Schuß davon getragen. Da ich all die kleinen türkischen Fahnen auf diesem Puncte versammelt sah, woraus ich schloß, daß die Verschanzung zur Linken nothwendig leer seyn müsse; so eilte ich auf die Rechte zu, um den russischen General aufzufordern, mit seinem rechten Flügel in die Verschanzung einzudringen. Er hatte die größte Lust dazu. Sogleich beorderte ich meine beyden Flügeladjutanten, den österreichischen und russischen, zum Prinzen Potemkin, seine Erlaubniß fordernd. Erst keine Antwort! dafür lieber geweint; dann ein verwünschtes Mitleid – nicht erkünstelt, nur übel angebracht – läßt über die Todten ihn jammern, die doch einmal fallen müssen, um dieser Unternehmung willen. Dann keine Erlaubniß! Ich sprengte vor bis zum Fürsten Repnin, der, ohne lange auf mich zu hören, mit dem Centrum gegen die Verschanzung anrückte, um eine veränderte Stellung zu bewirken; Souvarow's unausstehliche Vierecke auflösend, die, ehe sie einen Schritt gethan haben würden, zu Grunde gerichtet seyn mußten. Diese Bewegung hatte hinlänglichen Erfolg.
Ich bin bemüht, Einigkeit zwischen Rapina und Potemkin, so viel ich kann, zu erhalten, und dieß vermittelst der Bibel, welche bey Letzterem viel Gewicht hat, und vermittelst des Christenthums, welches den andern eben so mild gemacht hat, als sonst schwer mit ihm umzugehen war. Oft sagt er mir, daß er seine Demüthigungen zu den Füssen des Crucifixes niederlege! Ein Mann, der die größte Pünktlichkeit mit der glänzendsten Tapferkeit verbindet. Jüngst gab es eine Gelegenheit, wo beyde ihre Tüchtigkeit auf eine in die Augen leuchtende Weise bewähren konnten. Prinz von Nassau fährt uns in seinem Kahn, Potemkin und mich, um den Platz von der Seeseite in Augenschein zu nehmen. Man grüßt uns mit allerley gehacktem Eisen; man begleitete uns mit Kanonenschüssen; wir sehen, was ich schon im Monath März gesagt hatte, den Thurm und die Ecke der Mauer, die zusammen geschossen werden müssen.
Nun warfen sich eine Menge Türken in kleine, an der Mauer befestigte Kähne, um auf uns zu schießen; andere lösen sie ab, um hinter uns d'rein zu rudern. Alle Feinde des Prinzen, alle Neugierigen der Armee stehen am Ufer, verfolgen uns mit den Augen, thun Gelübde für unsern Untergang.
Ich glaube Nassau getödtet; sein Kopf sinkt auf meine Schulter: allein im Gegentheile, seine nie von ihm weichende Besonnenheit läßt ihn eine Prellkugel richtig beurtheilen, die ohne diese Bewegung ihn niedergeschossen haben würde.
Lager von Oczakow.
(Oct. 1788.)
Meine Lage ist in mancher Rücksicht angenehm: wenn es eine Verschanzung mit Sturmleitern zu erklimmen, eine Unternehmung von Gewicht auszuführen geben wird, verspricht man mir eine Anführerstelle, dem Grade gemäß, welchen ich in beyder Reiche Armeen behaupte. Übrigens bin ich, wie die Günstlinge, Maitressen und Beichtväter, für nichts verantwortlich; allein ich will es seyn, wie hart auch die Bedingung. – Ich fühle Schamröthe, beynahe glücklich mich nennen zu dürfen, da Ew. Majestät leiden. – Sire! vier Ihrer Feldherrn haben Dummheiten begangen, die ich wieder gut zu machen mich bestrebe. Sehr gemäßigt nennen Ew. Majestät in Ihrem Briefe sie Ungeschicklichkeiten. Wenn mir dergleichen widerfährt, so glaube ich nicht, es zu überleben; da ich das Leben aber lieb habe, so will ich meine Anstalten schon zu treffen wissen. Rufen Sie mich zurück, ich reise auf der Stelle.
Ich bin vom Zustande Ew. kaiserlichen Majestät so durchdrungen, daß ich meinem Herzen genug thun muß, indem ich Ihnen schildre, was seit dem Empfange des Briefes, mit welchem unterm 27sten September Sie mich beehrt haben, in mir vorgeht. Ihre Gesundheit beunruhigt mich, Sire, mehr als die Türken, über welche die Zeit gewiß einige Vortheile darbiethen wird; und der erste Vortheil wird mehrere nach sich ziehen. Nicht meine Talente sind es, mit denen ich Ew. Majestät zu huldigen vermag: mein guter Wille, meine Thätigkeit sind es.
Die schauerlichste Felskluft, der winklichste Hohlweg sollen mir erfreuliche Winterquartiere seyn.
Der September wird dienen, das Unglück des Banats und das Nichtglück in Bosnien wieder gut zu machen. Hätte man glauben sollen, daß dieß verfallene Osmanenland den russischen Staat in die traurigste Lage zu versetzen vermögen werde? Der Plan der Türken war wohl berechnet; denn wenn der König von Schweden drey Wochen früher oder später angriff, und wenn es dem Capitän Pascha hätte glücken mögen, mit dem Wald von Masten, die den Liman bedeckten, die armen Fischerkähne und die Küstenfahrzeuge zu vernichten, welche die ganze Flotte unserer romanhaften Fahrt auf dem Boristhenes ausmachten: so ging der König nach Petersburg, und der Pascha nach Cherson.
Lager von Oczakow.
(Letzter Oct. 1788.)
Endlich, Sire, bin ich fertig zur Abreise, es sind nur noch zwey General-Lieutenants hier anwesend, die sich vor den Laufgräben ablösen: mein lieber Prinz Anhalt und Basil Dolgorucki. Ich werde Ew. Majestät Erlaubniß benutzen, – was ich vermag, für Ihre Dienste zu thun. Nur noch eine That der Verzweiflung kann uns in den Besitz Oczakow's setzen, aber auf eine Art wird man sich aus dem Eise, Schnee oder Morast wenigstens ziehen müssen, in welchen jeden Tag wir tiefer einsinken. Branicki ist auf seine Güter gereist, Nassau nach Petersburg, Georg Dolgorucki nach Moskau, Xaver Lubomirski und Solohup nach Pohlen: andere Generale, ich weiß nicht, wohin – es hat es ein jeder zum Eckel, und sie kränkeln fast alle.
Ich habe dem Fürsten nebst fünfzig Generalen, Consuln, Zaporogern, Juden und Armeniern ein Mittagsessen gegeben. Er erschien in Uniform. »Sie haben heut nicht die grüne Kutka an, Prinz! das nehme ich als das sicherste Zeichen Ihrer Ungnade.« Er lachte, warf sich mir an die Brust, und wir umarmten uns wie arme Leute. Da man immer nur vor Popen, Brandschatzern und Ränkeschmieden des Orients, oder vor Neugetauften mit ihm reden kann; so ließ ich ihm sagen, daß ich das Fest seines heiligen Gregor's abwarten werde, der, wie ich hoffte, noch ein Wunder für ihn thun solle, auf den Tag nach dem 12. October aber meine Abreise bestimmt habe.
Er antwortete mir, daß er nur noch eine Fregatte erwarte; sie erschien nicht, aber der Tag des heiligen Gregors war erschienen.
Kein Angriff; nicht einmahl die Rede von einem Angriff! eine Lustbarkeit gedachte er sich und seinem Patron zu geben: an seinem Nahmenstage ein türkisches Schiff erobernd; doch das Schiff ward nicht einmal erobert. Darauf war er den ganzen Tag melancholisch und trüb in sich versenkt, und behandelte mich wie gar nichts, vorzüglich in Gegenwart der Großen seiner Armee. Doch Abends, als ich Abschied von ihm nahm, schien er wie aus einem Traume aufzuwachen, die Worte sagend: – »Sie reisen also!« – – – Wehmuth übermannte ihn, er hielt mich lange und fest in seinen Armen, lief mir nach, fing noch einmal an, und nur mit Mühe konnte ich mich von ihm losreißen.
Ich verlasse ihn, indem ich seinen guten Eigenschaften, seinem Geiste, seinem Anstande, dem guten Tone, den er hat, wenn er ihn haben will, seinem adeligen Gemüth, seiner Tapferkeit, seiner Großmuth, selbst dem, was bey ihm Menschlichkeit ist, Gerechtigkeit widerfahren lasse. Es thut mir leid um ihn, und ihm ist es leid um mich. Ich steige in den Wagen, erschöpft von elendem Essen, elendem Weine, elendem Wasser, von Kälte und langer Weile, und müde des Meeres und der Wüsten Anblick seit einem Jahre. Ich fühle, daß ich mich andern Irrfahrten hingeben werde, die nicht mehr zum Vortheile der beiden Kaiserhöfe, und zu meinem eigenen Genuß gereichen werden, als diese.
Ich verlasse die wilden Sitten, und die asiatischen Feinheiten eines Marschalls, um einen andern aufzusuchen, dessen europäisch abgeschliffene Formen seine wenige Lust verrathen. sich preis zu geben.Marschall Romanzow. Ich weiß sehr gut, daß er immer thut, als habe er sich zu beklagen, als seyen ihm die Hände gebunden, als widerspräche man ihm; doch er weiß sich gut auszudrücken, wenn gleich ein wenig weitläufig; er ist liebreich, verführerisch; er hat ein kriegerisches Ansehen. – Angebethet selbst von denen, über die er sich aufhält; seiner Armee Enthusiasmus einflößend, und sie durch Kriegszucht, so wie sein Hauptquartier durch Anständigkeit und Adel seiner Sitte zusammenhaltend, ist er in Europa geachtet, und von den Türken gefürchtet.
Belgrad.
(Nov. 1789.)
Ich bin außer mir vor Freude, daß Ew. Majestät mir Erlaubniß gewähren, mich zu Ihren Füssen werfen, und in Wien bleiben zu dürfen, bis, wie ich hoffe, die aus Syrmien zurückkehrenden Truppen durch mich nach Schlesien oder Mähren geführt werden. Ich bin empfindlicher für Gnade, als für Ungnade, Sire. Die angestrengte Sorge, welche bey der Belagerung von Belgrad mich nicht verließ, so wie das Fieber, welches der China nicht wich, verhinderten mich, den Kummer zu fühlen, welchen die schreckliche Äußerung mir gegeben haben würde: Machen Sie sich auf Zeichen meiner Unzufriedenheit gefaßt. Ich bin weder geneigt, noch gewohnt, meine Befehle nicht befolgt zu sehen.
Vor eilf Jahren, in Bayern, Sire, wußte ich mich gut in mein Benehmen zu finden, und Sie dankten es mir; dießmal hatten Ew. Majestät mir bey der Rückkehr meines Couriers, des Capitains Jakobiska, befohlen, Ihnen nur Staffetten zu schicken, weil die fremden Minister immer sehr lüstern auf Neuigkeiten sind: daß ich meinen Adjutanten geschickt habe, geschah, weil Graf Choiseul von Constantinopel schrieb, seine für den Marquis von Noailles dem Fürsten Kaunitz mitzutheilende, höchst wichtige Depesche ja auf das vorsichtigste und sorgfältigste zu befördern. Mein Courier hat sich in Laxenburg aufgehalten. Seine Ankunft hat also in Wien kein Aufsehen machen können. Die Staffeten schlafen, betrinken sich, oder werden ermordet. Noch neulich wurden mir mit Blut und Hirn eines armen Teufels besteckte Depeschen überbracht, der im Banat umgebracht war.
Verzeihung, Sire, daß Ihr Zorn mich nicht stärker beunruhigt. Ich blieb ruhig, weil ich mit Ihrer Gerechtigkeit noch inniger bekannt bin. Sehr habe ich die Zeit zurückgesehnt, wo im verflossenen Jahre Ew. Majestät mir Briefe voll Güte und Vertrauen schrieben; aber ich habe nicht gezweifelt, an die Rückkehr derselben, selbst nach dem strengen Befehle nicht gezweifelt, zu meinen Winterquartieren Belgrad oder Essegg, oder Peterwardein zu wählen, anstatt mir zu erlauben, in Wien meine Gesundheit wieder herstellen zu dürfen.
Ich habe bey mir gedacht: eine Reise, die einer meiner Adjutanten nach Brabant, wohl sehr zu unrechter Zeit, als der Aufruhr seine höchste Spitze erreicht hatte, unternahm, ließe Ew. Majestät vielleicht glauben, daß ich für etwas dabei gezählt werde; allein das kann nicht lange währen. Ew. Majestät werden Ihr Gedächtniß zu Hilfe nehmen, und sich dann selbst sagen, daß es unmöglich ist.
Während der Zeit dachte ich auf Rache gegen Sie, Sire, und schrieb an die Königinn von Frankreich, Ihnen den Doctor Seyffert zu schicken, der das große Talent besitzt, schnell die Uebel, an welchen Ew. Majestät leiden, zu heilen. Ich wünsche, daß Sie seiner nicht mehr bedürfen, oder daß er schnell genug eintreffe. Nichts ist mir wichtiger, Sire, als Ihr Ruhm und Ihr Leben, für welches ich das meinige hingeben würde. Herzlich gerne werde ich es wenigstens vor Neiße daran wagen, wenn, wie der Marschall Loudon es wünscht, man ihm erlaubt, sich unter die Mauern dieses Platzes zu stellen, um dem König von Preußen zu verhindern, sich in unsere Angelegenheiten zu mischen, was mir seine Liebhaberey zu seyn scheint.