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Der Spass des Dr. Teufelsdrökh

In demselbigen Sommer war ein Mann nach St. Johann am Mangfall gekommen, der ist nie in die Kirche gegangen. Aber weil er dem Herrn Pfarrer und auch dem Herrn Bürgermeister oft Geld für die Armen ins Haus geschickt hat, hat man ihn in Ruhe gelassen. Er nannte sich Dr. Teufelsdrökh und die bessern Leute wollten nichts mit ihm zu schaffen haben. Der Mann wollte auch mit den Leuten nichts zu schaffen haben. Er hatte einen Haufen unheiliger Bücher mitgebracht, über denen er zuhaus den ganzen Tag lang gesessen ist. Nur am Abend lief er herum in den Feldern und im Walde und manchmal hat er Käfer und Asseln und anderes gottloses Würmerzeug gefangen. Der Mann wohnte bei der Frau Anastasia Hupfauf, der Grantlbäurin. Die war eine Witfrau und das sauberste Weib in der ganzen Gegend. Alles Mannsvolk war vernarrt in sie, auch – der Herr Pfarrer. Ihr Mann war der reiche Grantlbauer gewesen, aber der war im vorigen Jahr umgekommen bei der großen Kirchweih. Der Grantlbauer hat sich nie lumpen lassen, und was so Sachen gewesen sind, wie die Ausschmückung der Dorfkirche, so hat er dafür allezeit Geld ausgegeben. Da hat er denn den Herrn Bürgermeister und den Herrn Pfarrer zum Wein eingeladen, und ging es zuerst recht sittsam zu. Aber weil dem Herrn Pfarrer die andern so viel zugetrunken haben, so sank er schließlich unter den Tisch, daß sie ihn heim zum Pfarrhaus tragen mußten. Der Grantlbauer ist aber mit den sündigen Menschen weitergezogen, und sie haben immer noch mehr getrunken. Da kam der Satan über sie, und sie vermaßen sich ihrer Stärke. Der Grantlbauer sagte, daß er die Tischkante abschlagen könne von dem Eichentisch im Wirtshaus. Und das hat er auch gemacht und den Wein vom Moserbauern gewonnen. Er vermaß sich, daß er den Gemeindestier an den Hörnern aus dem Stall ziehen wolle. Und den rotkropfigen Knecht vom Wirtshaus mit dem Riesengenick, den wolle er mit einem Faustschlage niederhauen. Da sagte der Nebelhofbauer, das möge schon sein, aber er wisse was, mit dem er sich nicht anzubandeln getrauen würde. »Was ist dös?« fragte der Grantlbauer. Der Nebelhofbauer sagte: »Meine Bienen!« Da lachte der Grantlbauer und brüllte, er werde allen Honig herausnehmen und herbringen. Und er schere sich den Teufel um ein paar Bienenstiche. Sie gingen also zum Hof des Nebelhofbauern, aber nur dieser und der Kainzenhofbauer und noch zwei gingen mit, weil die andern schon so voll waren und nicht mehr mitkonnten. Der Grantlbauer hat sich gleich an die Arbeit gemacht und den ersten Stock zerrissen und den Honig herausgenommen. Die Bienen sind herausgeflogen und auf die Bauern los und haben sie nach Herzenslust gestochen. Da sind die andern weg; der Grantlbauer aber hat ihnen nachgeschrien, sie könnten sich seinetwegen zum Wirtshaus scheren, er werde schon nachkommen und ihnen den Honig bringen. Und damit ist er auf den zweiten Stock losgegangen.

Die andern gingen zum Wirtshaus zurück; da saßen sie und tranken und warteten. Aber der Grantlbauer kam nicht; und dann hatten sie auch genug und schliefen ein.

Am andern Morgen fanden ein paar Knechte den Grantlbauern bei den Bienenstöcken; die lagen umgeworfen und zerstört da. Den Grantlbauern aber hatten die Bienen furchtbar zugerichtet. Kein Mensch konnte ihn wiedererkennen, so verschwollen war er. Man trug ihn heim zu seiner Bäurin und dann schickte man zum Bader; aber den konnte kein Mensch wach bekommen. Die Bäurin und die Mägde wuschen den Grantlbauern mit Essig, aber sie richteten nichts damit aus. Man sah wohl, daß sein letztes Stündlein geschlagen hatte. Da schickten sie zum Pfarrhaus, und der Geistliche Herr erhob sich in starker Christenpflicht und bekämpfte seine Müdigkeit und seine menschliche Schwäche zu Ehren Gottes des Herrn. Wie er den Grantlbauern sah, da merkte er wohl, wie der Finger Gottes so wunderbarlich walten konnte, der aus diesem starken Manne und reichen Bauern nun ein so mißgestaltetes, aufgeschwollenes Stück Fleisch gemacht hatte. Da erzählte er zur Erbauung der Grantlbäurin und der Knechte von der großen Güte Gottes und seinen unerforschlichen Ratschlüssen und spendete dem sterbenden Grantlbauern reichen Trost und erweckte große Reue bei ihm über die sündhafte Tat. Dann gab er ihm die letzte Ölung.

Und der Grantlbauer ist einen schönen, christkatholischen Tod gestorben.

Die Grantlbäurin aber hat vom Nebelhofbauern die Bienenstöcke gekauft, hat sie hinter dem Grantlhof aufgestellt und gut versorgt. So ehrte sie das Andenken des Grantlhofbauern und hatte einen sehr guten Honig und verdiente ein schönes Geld damit.

Alles das ist geschehn, wie die Grantlbäurin noch guter Hoffnung gewesen ist. Und sechs Wochen, nachdem sie ihren Mann begraben hatte, kam sie in die Wochen und hat ein hübsches, dickes Mädchen in die Welt gesetzt.

Auf dem Grantlhof wohnte nun der fremde Mann, der Dr. Teufelsdrökh. Eines schönen Tages war er angekommen und der Postwagen hatte ihn am Wirtshaus abgesetzt. Dann war er im Dorf umeinander gestiegen und hat sich überall umgeschaut, auf dem Grantlhof aber hat es ihm am besten gefallen. Und er war bald einig geworden mit der Bäurin, weil er mit schönen blanken Talern zahlte. So hat sie ihm die Zimmer gegeben, die er verlangte, und da wohnte er und las in seinen unheiligen Büchern.

Nun war die junge Witfrau ein schöner Anblick unter den Menschen, und da sie obendrein noch sehr reich war und den größten Hof hatte auf Meilen in der Runde, so war es kein Wunder, daß den Mannsleuten die Hosen juckten, wenn sie vorbeikam. Sie war aber sehr stolz und wollte von keinem etwas wissen und tat, als ob niemand gut genug für sie sei.

Da gefiel es Gott dem Herrn, daß er dem Satan erlaubte, auch das Herz des Geistlichen Herrn, Emmeran Fürnkäs, in sündhafter Lust zu bestricken. Er wich ab von dem Wege der Heiligkeit, und seine Augen sahen nichts mehr als nur das Bild der Bäurin, die überall voll und rund war. Einmal kam er vorbei am Grantlhof, und die Bäurin saß vor dem Hause und nährte ihr Kind. Da packte es den Geistlichen Herrn, und er trat zu ihr hin und konnte sich gar nicht satt sehn an dieser Pracht. Es juckte ihn in den Fingern, aber er widerstand als ein Knecht Gottes – nur das liebe Kindlein wollte er streicheln. Dann aber schuf es der Satan, daß sich seine Hand verirrte auf die schönen Dinge. Da sprang die Bäurin auf und schlug ihm auf die Finger und lachte ihn aus und rannte fort. Aber es kam so weit, daß der arme Herr Pfarrer gar nicht mehr schlafen konnte vor lauter Begier und sich in seinem Bett wälzte und nur nachsann, was er wohl anstellen könne, um die Grantlbäurin zu haben.

Nun war aber der Herr Pfarrer ein sehr gebildeter Mann, der viel mehr wußte als alle Bauernlümmel von St. Johann am Mangfall. So fiel ihm ein, daß er einmal in seiner Jugend gehört hatte, wie man es wohl anstellen könne, um die Liebe einer Frau zu gewinnen. Nämlich, wenn sie Milch hat und ein Kind nährt, so braucht man nur ein paar Tröpflein von dieser Milch zu haben. Ein Tröpflein gibt man sich auf die Lippen und die andern Tröpflein wischt man über Hände und Brust und Leib. Dann muß das Frauenzimmer ganz entflammen vor Lust und Begier und muß einem nachlaufen überall hin, ob es nun mag oder nicht. In früherer Zeit hatte man es wohl oft so gemacht; aber die Leute wußten es nicht mehr. Nur der Geistliche Herr wußte noch darum, und der Satan stach ihn, daß er das Mittel versuchen sollte.

Als nun Emmerentia, die Großmagd der Grantlbäurin, zu ihm zum Beichten kam, da machte er es ihr leicht, obgleich sie voller Fleischeslust war und einen sündhaften Wandel mit den Knechten führte. Er war sehr gütig und voller Mitleid, der Geistliche Herr, und sagte, daß wir allzumal Sünder seien und des Ruhmes mangelten, den wir vor Gott haben sollten. Und dann sprach er ihr von seiner Not – und daß ihm nur geholfen werden könnte, wenn er ein paar Tröpflein von der Milch der Grantlbäurin bekomme. Die Großmagd tat sehr fromm und willfährig und versprach ihm, daß sie ihm von der Milch verschaffen wollte.

Wie sie aber nach Hause kam, da vergaß sie bald ihre guten Vorsätze. Zuerst strich sie herum um die Bäurin und sagte gar nichts. Aber jedesmal, wenn sie sah, wie die Bäurin das Mieder öffnete, um dem Kindlein die Brust zu reichen, dann kicherte sie und gluckste wie eine Truthenne. Endlich wurde die Bäurin aufmerksam und fragte die Magd, was sie wolle mit ihrer damischen Lacherei? Die Emmerenz wollte zunächst nicht heraus mit der Sprache; dann aber wurde sie zur Judassin und beging eine schwere Sünde und verriet ihren Beichtvater, den Geistlichen Herrn Fürnkäs. Sie sagte also der Bäurin, was der Herr Pfarrer von ihr wollte – ein paar Tröpflein Milch, damit sie ihm nachlaufen müsse überall hin in Lust und Begier. Da erschrak die Bäurin gar sehr und knöpfte rasch das Mieder zu und schalt heftig in sehr unheiligen Worten gegen den Geistlichen Herrn. Grade kam der Herr Dr. Teufelsdrökh aus dem Hause, und die beiden Weiber riefen ihn an und erzählten ihm alles. Die Bäurin fragte ihn, was sie wohl tun könne, um sich dagegen zu schützen, daß man ihr heimlich Milch wegstehle. Denn sie wolle einen Mann haben, sagte sie, der ihr gefiele, und sie wolle nicht jemandem nachlaufen, der sich mit ihrer Milch beschmiert habe, und erst recht nicht dem Pfarrer! Der Dr. Teufelsdrökh hörte alles ruhig an und dann sagte er, daß sie nur ruhig sein solle, er würde schon dafür sorgen, daß ihr nichts geschähe. Und dem Pfaffen wolle man einen Streich spielen, an den er sein Lebtag denken würde. Dann ging er in die Wiesen und fing gottloses Würmerzeug.

Am andern Tage aber gab er der Bäurin ein paar bittere Pillen zu schlucken und sagte ihr, daß sie nun ganz sicher sei. Und wenn alle Mannsbilder vom Dorf von ihrer Milch söffen und sich drin badeten – so brauche sie doch keinem einzigen nachzulaufen. Die Bäurin merkte wohl, daß es ein sehr gutes starkes Mittel war, da sie ein heftiges Zwicken im Leibe verspürte und wohl ein dutzendmal an diesem Tage zum Misthaufen laufen mußte. Dann aber dokterte dieser unheilige Mann in seinem Zimmer herum und schließlich befahl er den Weibern, daß sie ihm eine Ziege bringen sollten. Die Frauen brachten also die weiße Ziege, und der Satansdoktor hieß die Großmagd, ihm ein wenig Milch zu melken. Die Emmerenz strich das Euter, und er gab ein wenig Milch in ein schwarzes Fläschchen. Dann schickte er die Weiber wieder fort mit der Ziege. Wieder am andern Morgen kam er zur Bäurin herunter und ließ die Magd rufen. Er hatte ein rotes Fläschchen, darin waren nur wenige Tropfen von der Ziegenmilch. Das gab er ihr und sagte, daß sie stracks zum Pfarrer laufen solle und ihm das Fläschchen bringen. Sie solle ihm sagen, daß es die Milch der Bäurin sei. Dann aber solle sie gut aufpassen und sich im Pfarrhause irgendwie zu schaffen machen. Und wenn der Pfarrer ausgehe, so solle sie heimlich die Hosen und die Strümpfe nehmen, die er Sonntags anziehe und ihm herbringen.

Die Großmagd folgte also diesem sündhaften Rat und tat, wie er geheißen hatte. Der Geistliche Herr ahnte in seinem reinen Herzen nicht die Tücken dieser Welt, freute sich sehr, nahm das Fläschchen und dankte ihr. In seiner Güte schenkte er ihr gar noch zwei silberne Schuhschnallen, die er von seiner seligen Frau Mutter geerbt hatte. So arglosen Gemütes war er. Die Emmerenz aber vergalt Gutes mit Bösem. Sie stahl die Sonntagshosen und Sonntagsstrümpfe und brachte sie zum Grantlhof dem Dr. Teufelsdrökh. Der nahm sie und befahl, daß man den großen Ziegenbock bringen solle, einen häßlichen alten Kerl mit langem Barte. Mit dem schloß er sich eine Weile ein – und es war gewißlich Satanswerk, das er trieb. Am Abend aber sandte er die Großmagd wieder zum Pfarrhof und befahl ihr, heimlich die Strümpfe und die Hosen genau wieder an denselbigen Ort zu legen, woher sie sie genommen hatte. Die Emmerenz ging und tat alles und der gute Geistliche Herr merkte nichts davon. Er fühlte sich an diesem Abend ganz froh und leicht, und nahm das rote Fläschchen und gab ein Tröpflein Milch auf die Zunge und wischte die andern über Hände und Arme und Leib und Brust. Und da noch ein wenig übrig war, so rieb er auch die Beine und den Rücken ein, denn er wollte, daß die Grantlbäurin ihn überall sehr lieb haben sollte. Da er aber ein sehr frommer Mann war, so kniete er nieder zum Gebet und bat um Vergebung seiner Sünde und versprach der Heiligen Jungfrau sieben schöne Kerzen, wenn alles gelingen sollte. Und dann setzte er sich hin und überlegte eine sehr erbauliche Predigt, weil einige Tage drauf Peter- und Paulstag war.

Nun hatte zwar der Dr. Teufeldrökh den Frauen gesagt, daß sie fein still sein und nichts ausschwatzen sollten. Aber die Großmagd hatte es dennoch dem Wastl erzählt, und der sagte es den andern Knechten. Die verrieten es den Mägden, zu denen sie fensterln gingen – so kam es, daß man im ganzen Dorf darum wußte. Die Bauern wußten es und die Knechte, die Mägde und die Bäurinnen. Alle wußten, was der Herr Pfarrer Fürnkäs angestellt hatte, und alle wußten, daß ihm ein böser Streich gespielt werden sollte – und zwar gerade am Festtage, das hatte der Dr. Teufelsdrökh gesagt. Nur der Herr Pfarrer wußte nichts davon und ging reinen Herzens durch diese Teufelsverschwörung.

Früh am Morgen des Feiertags ließ der gottlose Doktor wieder die Ziege kommen. Die Bäurin und die Großmagd lauerten auf der Stiege und lauschten durch die Tür, um zu hören, was er mit ihr machen wollte. Aber sie hörten nur, daß er lange auf sie einsprach, und die Emmerenz sah durch das Schlüsselloch, daß er ihr mit einem Tuche über die Nase rieb. Als man sich zum Kirchgang rüstete, befahl er zwei Knechten, die Ziege an einem Stricke mitzunehmen und am Pfarrhaus zu warten, bis der Pfarrer herauskäme, um zur Kirche hinüberzugehn. Er selbst aber erklärte, daß er auch zur Kirche gehn würde – nur an diesem Tag ging der sündhafte Mann und ging nur, um eine unheilige Freude zu haben über den Geistlichen Herrn. Die Kindsmagd nahm also das Kindlein und schritt vorauf, dann kam die Bäurin selbst. Hinterher alle Mägde und Knechte, zum Schluß die zwei mit der weißen Ziege, der sie ein blaues Band um den Hals gebunden hatten und ein paar kleine Glöckerl an den Schwanz. Ganz zuletzt aber kam der Dr. Teufelsdrökh. Grad, wie der Geistliche Herr zur Kirche hinüberging, um seinen armen Lämmlein das Licht des Evangeliums zu bringen, ließen die Knechte die Ziege los; die hüpfte ein paarmal herum, dann rannte sie schnurstracks auf den Pfarrer los. Der konnte sich ihrer gar nicht erwehren, und die Leute lachten und keiner half ihm. Schließlich aber entkam er doch, rannte zur Sakristei, schlüpfte hinein und schlug die Türe zu. Ein anderer Mann hätte wohl geflucht, wenn ihm das geschehn wäre, aber der Geistliche Herr bezwang sich und dachte an seine heilige Pflicht. Und dann fiel ihm auch ein, daß die Grantlbäurin da sein würde, und daß es das erstemal sei, daß sie ihn sehn würde, seit er die Milch bekommen hatte. Wenn er die Augen schloß, sah er sie vor sich – so rund, überall!

Unterdessen füllte sich die Kirche – das ganze Dorf war heute da. Nur Dr. Teufelsdrökh blieb draußen stehn und ein junger Knecht, der die Ziege hielt, die man wieder eingefangen hatte. Von Zeit zu Zeit ging der Doktor zur Kirchentür und schaute hinein. Endlich kam er auf den Knecht zu und sagte: »Er ist bei der Predigt, Ambros! Ich gehe nun in die Kirche. Du bleibst hier stehn und zählst bis dreißig. Dann kommst du nach und führst deine Ziege in die Kirche; sowie du die Türe hinter dir geschlossen hast, läßt du sie los.« Da grinste der Ambros.

Der Geistliche Herr bereitete sich in der Sakristei vor. Er wußte, daß er im Stande der Gnade war, da er sein Brevier bis zur Terz gebetet hatte. Noch einmal, während er sich die Hände wusch, betete er um innere Reinheit. Dann legte er den Amikt um und die Albe, die er mit dem Cingulum hochschürzte, gab Manipel und Stola darüber und bekleidete sich schließlich mit Meßgewand und Birett. Er trat in die Kirche zum Altar und zelebrierte die Vormesse. Mit besonderer Weihe sprach er den Introitus des Feiertags: ›Nun weiß ich gewiß, daß Gott seinen Engel gesandt hat‹; sehr erbaulich klang das Kyrie und die Gloriahymne. Nach dem Evangelium eilte er wieder in die Sakristei, legte die Kasel ab und nahm dafür das Chorhemd und die rote Stola. So stieg er auf die Kanzel; grade unter sich sah er die Grantlbäurin sitzen; sie sah so hübsch aus wie noch nie. Aber der Geistliche Herr unterdrückte die fleischliche Lust und richtete Augen und Seele zum Himmel und sprach ein Gebet. Dann begann er seine Predigt. Er erzählte von Paulus und Petrus und den vielen Märtyrern, die ihr Leben hinopferten zum Wohle ihrer Mitmenschen. Das sei ein hehres Beispiel für alle Frommen! Ein jeder habe die heilige Pflicht, seinen Nächsten zu lieben, und darin könne kein Christ und keine Christin zu weit gehn. Man solle nicht löcken gegen den Stachel, sagte er, und wenn man in seiner tiefsten Seele ein starkes Bedürfnis empfinde, gut zu sein zu seinen Nächsten, so solle man dies nicht unterdrücken, sondern hineilen zu seinem Nächsten mit offenem Christenherzen und nicht darauf achten, was die Leute sagen. Wer aber sei nun der Nächste? Nun, da müsse man einen guten Unterschied machen, sagte er, und jeden Nächsten so lieben, wie es ihm zukomme. Den Bettler solle man nicht von der Tür weisen, sondern ihm ein Stück Brot geben und den kranken Nachbarn solle man aufsuchen und ihn erquicken und laben. Man solle dankbar und gut sein zu seinen Eltern und Geschwistern und seinen Herrn, deren Brot man äße. Das seien alle unsere Nächsten. Besonders gut aber müsse man zu dem sein, der einem das geistige Brot reiche, sagte er, und der durch Fasten und Beten einem helfe, den Weg zur ewigen Seligkeit zu wandeln – dieser heilige Mann sei vor allem unser Nächster.

Hier stutzte der Herr Pfarrer Fürnkäs, weil sich die Kirchentür plötzlich öffnete. Sie knarrte und die Leute sahn sich um. Er sah einen Menschen eintreten, den er sonst nicht in dem Hause Gottes zu sehn gewohnt war – und das war der Dr. Teufelsdrökh. Eine große Unruhe faßte die Gemeinde, aber dann wurde es wieder still. Den Geistlichen Herrn aber überfiel eine dunkle Ahnung, als ob etwas nicht in Ordnung wäre. Dann aber besann er sich und richtete den Blick nach oben und begann von neuem. Liebliche Worte kamen aus seinem Munde.

Das sei ein gottwohlgefälliges Bild, sagte er, wenn die Lämmlein der Gemeinde sich eng scharten um den bestellten Hirten. Und kein Lämmlein möge sich scheuen und ängstigen, wenn sein Herz ihm bang schlage, es möge ruhig zum guten Hirten kommen ins Pfarrhaus, der würde es trösten –

Da ging zum zweitenmal die Kirchentür und knarrte noch lauter. Er sah Ambros, den Knecht der Grantlbäurin eintreten, der zerrte etwas hinter sich. Dann hörte er unter den Leuten, die hinten am Eingange standen, ein halblautes Rufen und ein unterdrücktes Lachen und sah, wie etwas Weißes durch den Mittelgang lief, zwischen den Bänken durch. Jetzt erkannte er, daß es die weiße Ziege der Grantlbäurin war. Diese sündhafte Störung des Gottesdienstes tat ihm sehr weh. Er rief mit lauter Stimme hinunter, daß man dieses Geschöpf des Ärgernisses entfernen solle.

Aber keiner achtete darauf. Die Weiber kicherten und die plumpen Bauernlümmel grölten; er sah, wie selbst der Herr Bürgermeister grinste. Die Ziege blieb hier und dort stehn und schnupperte überall herum, als ob sie etwas suche – dabei klangen die Glöcklein an ihrem Schwanz. Dann blieb sie unter der Kanzel stehn und hob den Kopf und sog die Luft durch die Naslöcher. Ganz plötzlich sprang sie die Stufen hinauf, war in drei Sprüngen oben auf der Kanzel. Sie roch und schnupperte an dem Geistlichen Herrn Fürnkäs und schob ihre Schnauze unter sein Chorhemd. Und ehe der Geistliche Herr noch recht wußte, wie ihm geschah, stellte sie sich auf die Hinterbeine und legte ihm die Vorderbeine auf seine Schultern und leckte ihm mit der rauhen Zunge mitten durchs Gesicht.

Da brüllten und lachten und johlten und schrien die Bauernmenschen. Aber einer krähte ganz hell: »Er hat die Grantlbäurin haben wollen und jetzt hat er die Grantlgoas!« Und ein anderer schrie: »Schauts! Dem Herrn Pfarrer sei' Braut!«

Der Geistliche Herr wußte in seiner Not nicht, wie ihm geschah. Er dachte nicht anders, als daß der Teufel selber sich auf ihn gestürzt hätte, und suchte sich seiner zu erwehren, so gut es ging. Aber je mehr er um sich schlug und stieß, um so enger drängte sich die Ziege an ihn und immer wieder leckte sie ihm durchs Gesicht.

Die Vroni, die Tochter vom Kainzenhofbauern rief: »Mein Gott und Herr! Sie busselt ihn ab!« Und die Kirche grölte.

Der Geistliche Herr sah wohl, wie er verlassen war von seiner Gemeinde und keine Hilfe zu hoffen habe. Das war der Dank für seine schönen Worte über die Nächstenliebe. Endlich stieß er mit aller Kraft die Ziege zur Seite und stürzte die Stufen hinab und lief Hals über Kopf durch die Kirche. Aber die Ziege sprang ihm nach und rannte hinter ihm her, hinaus zur Kirche und über den Platz bis ans Pfarrhaus. Und tat so verliebt, als wollte sie nicht mehr von ihm lassen. Immer wieder stieß er sie fort und immer wieder sprang sie hoch an ihm und leckte ihn durchs Gesicht. Bis er endlich sich retten konnte in sein Haus und die Tür zuschlug und verschloß.

Aber noch den ganzen Tag über schrie das Bauernvolk vor der Tür: »Pfarrer, wie schmeckt enk die Milli?« Und: »Busselt sie guet, dei' Ziegenbraut?«

Die sündhaften Bauern meinten, daß sie einen solchen Spaß ihrer Lebtag nicht gehabt hätten in St. Johann am Mangfall.

Später aber wurd's nicht besser. Der arme Geistliche Herr konnte sich nicht mehr sehn lassen, weil sie alle gegen ihn aufsässig waren und hinter ihm dreinschrien. Dann erfuhr es der Bischof – und es heißt, daß der auch gelacht hat über die Geschichte. Und das ist gewiß, daß er die Seite der Bauern nahm und den Geistlichen Herrn ungerecht leiden ließ. Er schickte einen andern Pfarrer nach St. Johann und den Geistlichen Herrn Fürnkäs sandte er fort auf eine recht magere Pfarrei im Erdinger Moos, wo man nichts wußte von der ganzen Sache. Bußen gab er ihm noch dazu auf, die schwere Menge.

So mußte der arme Geistliche Herr leiden unter der Treulosigkeit der Grantlbäurin und dem Judasverrat der Großmagd Emmerenz und dem Satanswerk des Dr. Teufelsdrökh.


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