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Schärfer und empfindlicher als in Italien berührten sich die Interessen der beiden Hauptmächte, welche die Frage ihrer Existenz in dem europäischen Kriege erledigen wollten, in den Niederlanden. Dort handelte es sich ferner zunächst nicht um Vergrößerungsplane einer dritten Macht (wie bei dem schlauen König von Sardinien), sondern um die Feststellung eines bestimmten politischen Zustandes nach vorhergegangener mannichfacher Verwirrung; wir meinen Holland. Die Kriegsereignisse hatten auf niederländischem Boden in Bezug auf das Volk doch wenigstens die wohlthätige Folge eines Gewitters nach vorher gegangener langer Schwüle; da mußte endlich doch eine That zum Ausbruch kommen, eine Volksthat, deren Folgen zu ermessen übrigens hier ebenso wenig der Ort ist, als die vorangegangenen Zustände und die naturgemäße Nothwendigkeit der Revolution zu schildern, welche Wilhelm IV. zur Erbstatthalterswürde erhob. Davon abgesehen und auf den früheren Punkt zurückgeblickt, ermißt man leichtlich, wie sich die Aufmerksamkeit der betheiligten Hauptmächte gerade vorzugsweise auf den niederländischen Kriegsschauplatz richten mußte, wie selbst während des Kampfes daselbst der Gedanke an die dringende Nothwendigkeit von Friedensverhandlungen sich geltend machte und die letzteren selbst eingeleitet wurden. Fragt man aber um die Ursache, warum sich auf jenem Kriegsschauplatze ein Feldherr, der Marschall von Sachsen, einen alle Zeitgenossen überstrahlenden Ruhm erwerben konnte, so ist die Antwort darauf: nicht bloß, weil er, der, von Hause aus sogut wie kein Deutscher, sich ganz zum Franzosen gemacht, eine tapfre Nation mit seinem eminenten Genie wahrhaft zu elektrisiren vermochte, sondern auch, weil er keine Gegner fand, welche ihm durch Fähigkeiten gleich kamen, denn geistig ebenbürtige Gegner des genialen Bastards von Sachsen waren weder der Herzog von Cumberland, trotz seines wohlfeilen Schlachtenruhmes, noch Herzog Karl von Lothringen, trotz aller Ehrenbezeigungen, womit man ihn am Wiener Hofe überhäufte. Diese galten weniger dem Generalstatthalter der österreichischen Niederlande als dem liebenswürdigen Schwager Marien Theresiens. Und wahrlich: des Marschalls von Sachsen Schuld war es nicht, wenn Frankreichs armseliger Ludwig XV. am Ende eines Krieges, zu dessen Fortsetzung ihn Maitreffen getrieben hatten, in welchem er nicht bloß enorme Summen, sondern noch weit kostbarere Menschenleben geopfert hatte, ohne Gewinn und ohne Ehre dastand.
Trefflich wußte der Marschall von Sachsen das stattliche Gefolge der Schlacht von Fontenoy und die Verlegenheit der Engländer zu benutzen, welche das Unternehmen des Prätendenten Karl Eduard hervorgebracht hatte. Im Januar 1746 wurde Brüssel angegriffen, am 20. Februar erobert. Dieß war gleichsam das Signal zum Fall einer Menge andrer und zwar wichtiger Plätze, wie Mecheln's, Löwen's, Antwerpen's, Mons', St. Ghislain's, Charleroy's, Namur's. Eine köstliche Sommerarbeit, diese Eroberung ganz Belgiens bis auf Luxemburg und Limburg! Prinz Karl hatte Truppen genug, – 70,000 Mann; aber er war wie gelähmt, sei es durch den Tod seiner geliebten Gemahlin, sei es durch sein Naturell, dem man nicht zu nahe tritt, wenn man sagt, daß es keiner Energie fähig war. Diese beiden lothringischen Brüder hatten nun einmal Alles eher als eben Das, wodurch man in bedeutungsvollen Wendepunkten den Ausschlag gibt, und wodurch man zum wahrhaft geschichtlichen Charakter wird.
Die Verbündeten zogen sich, nachdem sich auch Namur den Franzosen ergeben hatte, an die Maas zurück, zwischen Maastricht und Lüttich; – eine Stellung, in welcher Karl Holland zu decken glaubte, welche aber so unpassend war, daß man sich allgemein tadelnd darüber aussprach. Niemand erkannte Karls Mißgriff so schnell, als der Marschall von Sachsen, der sich rasch entschloß, ihn zu benutzen, zumal da er dem Feinde – besonders auch an Geschütz – überlegen war. Ja, der Marschall von Sachsen war seiner Sache so gewiß, daß er lustigen Soldatenmuthes den Sieg voraussagte, als er die verbündeten Oesterreicher, Engländer und Holländer am 11. Oktober bei dem Dorfe Rocoux angriff. Nach dieser Schlacht bezogen beide Theile die Winterquartiere.
Beide Theile befanden sich dabei in verschiedener Lage, – die Franzosen wohlversehen, die verbündeten Oesterreicher und Holländer oft in empfindlicher Noth; schlimme Auspicien für den nächsten Feldzug von 1747. Und wirklich zeigten sich auch die nachtheiligen Folgen, obwohl der Herzog von Cumberland, der Sieger von Culloden, den Herzog Karl von Lothringen, welcher nach Wien reiste, ablöste. Cumberland trat in die Fußtapfen Karls, und so konnte es nicht fehlen, daß der Fortschritt abermals auf Seite der Franzosen war, wenngleich der Marschall von Sachsen in der Folge durch die Anwesenheit des üppigen, verdorbenen und durch tausend Intriguen verworrenen Hofes beim Heere etwas gehindert wurde. In diese Zeit ungefähr fällt die Revolution in Holland, welche Wilhelm IV. gegen die aristokratische Parthei an die Spitze der vereinigten freien Provinzen brachte und eben dadurch der Sache Frankreichs ein bedeutendes Gegengewicht zu Gunsten Englands, mit dem die Oranier zusammenhingen, verschaffte. Dessen ungeachtet gewannen die Franzosen die Oberhand. An demselben Tage, an welchem, der französische Gesandte den Generalstaaten im Haag eine Note übergab, in welcher Frankreich erklärte, daß es Holland nur als Bundesgenossen Oesterreichs angreife, und daß es alle von seinen Truppen besetzten Festungen und Landstraßen räumen werde, sowie Holland den Feinden Frankreichs nicht mehr beistehen würde, – rückte der französische Marschall von Löwendal in Holland ein. Er eroberte im April und Mai 1747 holländisch Flandern. Am 2. Juli aber griff der Marschall von Sachsen die Verbündeten, welche an der Maas standen, um Maastricht zu decken, bei Laffeldt an und gewann einen glänzenden Sieg über den Herzog von Cumberland, der bloß den Ruhm eines geschickten Rückzuges hinter Maastricht rettete. Diese letztere Stadt selbst konnten jedoch die Franzosen nicht belagern, weil die Besatzung bedeutend verstärkt worden war. Dagegen warf sich nun Löwendal auf die für unüberwindlich gehaltene Festung Bergen-op-Zoom, welche zwar trefflich besetzt war, aber einen altersstumpfen Greis zum Kommandanten chatte und am 16. September durch Sturm genommen wurde.