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Die Schlacht bei Molwitz und ihre Folgen.

Den eigentlichen Feldzug eröffnete die Erstürmung Glogau's durch die Preußen (unter Anführung des Prinzen Leopold von Dessau) am 9. März, wobei die Generale Wallis und Reiski nebst dem ganzen Stab und der Garnison zu Kriegsgefangenen gemacht wurden. Nach verschiedenen kleineren Gefechten rückte Neipperg, welcher seine Streitmacht bei Ollmütz gesammelt hatte, in Schlesien vor, gegen Neisse. Seine Ordre lautete, dieser Festung zu Hülfe zu kommen, sie wo möglich zu entsetzen und dann eine Hauptschlacht zu liefern. Als Friedrich dies erfuhr, zog er rasch seine Truppen zusammen und suchte sich mit Schwerin in Neustadt bei Jägerndorf zu vereinigen. Die Oesterreicher erreichten jedoch Neisse, bevor die Preußen es hindern konnten, und nöthigten den König, welcher sich mit den niederschlesischen Truppen nicht hatte vereinigen können, zu einer Wendung gegen Norden. In Ohlau befanden sich das Hauptmagazin und die Artillerie der Preußen; Neippergs Absicht war, beides zu nehmen, und um es zu retten, wendete sich der König nach Grottkau und Molwitz (nicht weit von Brieg), wo das Centrum der Oesterreicher kantonirte. Neipperg hatte den Feind nicht erwartet, sondern dachte demselben bereits auf dem Wege nach Breslau vorgekommen zu sein. Plötzlich sah er nun am 10. April die Preußen zweitausend Schritte von Molwitz in voller Schlachtordnung aufgestellt, den rechten Flügel unter dem Grafen Schulenburg und dem Prinzen Leopold von Dessau, den linken unter Schwerin, dem General Passadoweky und dem König. Bei der österreichischen Armee führte General Berlichingen den rechten Flügel, den linken General Römer. Rasch zog der Letztere mit sechs Regimentern Cavallerie den Preußen entgegen, stellte sich vor Molwitz in zwei Linien und bildete so den linken Flügel, an welchen sich dann das übrige Heer schloß; Neipperg war mit Bildung des rechten Flügels beschäftigt und hatte Ordre gegeben, den Feind nicht eher anzugreifen, als bis die Schlachtordnung fertig sei, dann aber, die Cavallerie mit dem Pallasch in der Faust, die Infanterie mit geschultertem Gewehr in gleicher Front vorzurücken und sich so mit vereinter Macht auf den Feind zu werfen. Dreimal hielten die Oesterreicher das Feuer der preußischen Geschütze aus, bis Römer, dem ungestümen Verlangen der Soldaten nachgebend, den Angriff erlaubte. Da sprengen die österreichischen Dragoner und Kürassiere im Galopp wider den rechten Flügel der Preußen; rasch wird die preußische Cavallerie getrennt, Geschütz erobert, und gegen den Feind gekehrt. Doch wie jetzt die Oesterreicher tiefer eindringen, stellt ihnen die preußische Infanterie tapfern Widerstand entgegen; Römer fällt; fünfmal erneuern sie den Angriff, bis sie endlich, unter beständigem Feuer längs des ganzen Flügels, sich zwischen dessen erste und zweite Linke zurückziehen müssen. Gleichzeitig bedrängt der rechte Flügel der Oesterreicher den linken der Preußen auf's Aeußerste. Gleich heftig ist Angriff und Widerstand. Fünf Stunden lang stehn die Preußen im Feuer; schon ist zu besorgen, daß sie bald kein Pulver mehr haben, schon befürchtet der treffliche Schwerin einen schlimmen Ausgang der Schlacht und räth dem König die Schlacht zu verlassen und über die Oder zu kommen, um sich mit dem Corps des Herzogs von Holstein-Beck zu vereinigen; Schwerin selbst will Alles anwenden, um den Gewinn der Schlacht zu entscheiden. Lange kann sich der König nicht entschließen, Schwerin's Rath zu befolgen; erst, als die Oesterreicher ihre Angriffe mit frischem Ungestüm erneuern, gibt er Schwerins wiederholten Vorstellungen nach, und reitet nach Oppeln, wo eine Brücke über die Oder. Als er mitten in der Nacht dort ankommt, und auf den Anruf am äußeren Thore die Antwort: »Preußen!« gegeben wird, – fallen Schüsse; er hatte Preußen in Oppeln erwartet und nicht gewußt, daß österreichische Husaren kurz vorher die Stadt besetzt. Eilig sprengt er nach dem Flecken Löwen zurück und dort erfährt er, daß die Schlacht bei Molwitz für ihn gewonnen worden sei. Bei Einbruch der Nacht war sie entschieden; der Prinz von Dessau hatte sie beendigt. Die Oesterreicher zogen sich in guter Ordnung noch in der Nacht bis Grottkau, am andern Tage bis Neisse zurück. Die Verluste waren auf beiden Seiten nicht gering.

Die rechte Wichtigkeit erhielt der Sieg für Friedrich durch die moralischen Folgen, welche sich daran knüpften. Die Mächte Europa's, welche Friedrich's kühnem Wagniß bisher noch unentschlossen, auf wessen Seite sie treten sollten, zugesehen hatten, betrachteten ihn seit jenem Tage mit ganz anderen Blicken, als den Mann der That, der jeder Verbindung, welche lange Berathung geschlossen, das entscheidende Glück zuführen könne. Friedrich selbst, welcher den Sieg rasch zur Belagerung und Einnahme Brieg's (5. Mai) benützte, und dann in Strehlen, in einer zur Deckung Niederschlesiens sehr günstigen Lage, sein Lager aufschlug, erhielt Vorschläge zu Verbindungen, ermaß die politische Stellung, welche er einnehmen sollte, erwog die Vortheile, welche sich ihm darboten, gegen mögliche Nachtheile auf's Reiflichste, bevor er einen bestimmten Entschluß faßte; auf jede Entscheidung vorbereitet, sein Heer ergänzend und übend, kein Anerbieten unbedingt von der Hand weisend, noch unbedingt darauf eingehend, immer noch die Aussicht auf eine mögliche gütliche Vereinbarung mit Marien Theresien, doch nur um den Preis von Schlesiens Besitz, offen lassend, so hielt er sich auf der Höhe der Verhältnisse. In den Lärmen der Waffenübungen, welcher sein Lager durchschallte, mischten sich die feinen, klug abgemessenen, vorsichtig leise gesprochenen Vorschläge der Politik. Mit Ungeduld hatte Karl Albrecht von Bayern seine Werbungen um Frankreichs Beistand für seine Wahl zum Kaiser fortgesetzt; der König von Preußen wollte sich mit Karl Albrecht nicht einlassen, bevor Frankreich sich mit demselben nicht gesetzt. Nun, da Friedrich's Stellung bei Molwitz Achtung gebot, gewann in Frankreich der Eifer Belleisle's das Uebergewicht über Fleury's Bedächtigkeit. Der längst verhandelte Vertrag mit Bayern sollte definitiv abgeschlossen, mit Preußen ein anderer verhandelt werden, durch welchen Karl Albrecht der brandenburgischen Kurstimme bei der Kaiserwahl versichert werden, Friedrich die Ansprüche auf Jülich und Berg aufgeben, und ein französisches Heer nach Bayern, ein zweites nach Westphalen ziehen sollte. Die Brüder Belleisle trafen zu diesem Ende schon am 26. April im preußischen Lager ein, – später (im Mai) auch der englische Gesandte Lord Hyndford, der holländische Baron Ginkel, der dänische von Prätorius. Immer bestimmter zeigte sich die Zerstückelung der habsburgischen Erbstaatsmacht als der gemeinsame Wunsch der bourbonischen Höfe; das Gesammtinteresse und die Ehre Deutschlands wurden dabei durchaus mißachtet, ja verhöhnt. Stolz durfte der Franzose Belleisle auf deutschem Grund und Boden den Gönner eines deutschen Fürsten spielen, wie später in Frankfurt im Kurkollegium den Platz zur Rechten neben dem Kurfürsten von Mainz einnehmen! Und Karl Albrecht konnte Traktate mit Frankreich verabreden, worin ausdrücklich festgesetzt war, daß ihm zur Entschädigung für die Kosten des Heeres, welches es dem Kurfürsten von Bayern zur Selbsthilfe, um nicht zu sagen: zum Landfriedensbruche, stellte, alle Provinzen und Städte, welche es in Deutschland besetzen würde, bleiben sollten, ohne daß der Kurfürst, wenn er Kaiser werde, dieselben reclamiren dürfe; ebenso in Bezug auf Eroberungen in den Niederlanden! Wahrlich: die Frühlingstage zu Nymphenburg, wo jene Traktate abgeschlossen wurden, verbargen unter dem Geheimniß, mit welchem man die Verhandlungen zwischen Spanien und Bayern, so wie zwischen Frankreich und Bayern bedeckte, eine unauslöschliche Schmach fürstlicher Gewissenlosigkeit; es ist übrigens charakteristisch, daß die Nymphenburger Verträge gleich nach dem Abschluß von den Betheiligten gänzlich abgeleugnet wurden. Für Spanien also: die Lombardei, Parma, Piacenza und Mantua; für Frankreich: die Eroberungen in Deutschland und den Niederlanden; für Bayern: Böhmen, Oberösterreich, Tyrol und Breisgau; für Kursachsen: Mähren und Oberschlesien; für Preußen: Niederschlesien und die Grafschaft Glatz! So war der Theilungsplan. – Was blieb Marien Theresien, welcher die Fürsten die Erhaltung der untheilbaren Erbstaatsmacht zugesichert hatten? Es konnte noch Großmuth scheinen, wenn sie ihr Ungarn und Oesterreich unter der Enns ließen, und Gerechtigkeit, daß sie eine Entschädigung für Sardinien, welches nun gleichfalls Ansprüche (auf Mailand) erhob, in Aussicht nahmen. Nur in England fand Maria Theresia großmüthige Theilnahme. Der König forderte das Parlament zu ihrer Vertheidigung auf, und die beiden Häuser bewilligten ihr 300,000 Pfund Sterling Hülfsgelder. Dabei war England fortwährend bemüht, eine Vereinbarung zwischen Marien Theresien und Friedrich II. zu Stande zu bringen. Der Letztere schien hiezu auch keineswegs abgeneigt. Aber Maria Theresia konnte es noch immer nicht über sich gewinnen, die Bedingung, welche Friedrich stellte, die Abtretung Schlesiens, zuzugestehen.

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Sie hatte am 13. März 1741 den längst ersehnten männlichen Erben geboren, welcher in der Taufe den Namen Joseph erhielt; Pathen waren Papst Benedikt XIV. und König August III. von Polen, der Erstere durch den Kardinal Kollonitsch, der Letztere durch den Prinzen von Hildburghausen vertreten. Die Freude über dieß Ereigniß war am kaiserlichen Hofe groß; man glaubte ein sichtbares Zeichen des Dankes gegen den Himmel durch Vermehrung des Kirchenschatzes niederlegen zu müssen, und so ward denn unter Anderm das Bild eines Kindes aus Gold in gleicher Schwere, wie der neugeborne Prinz, der Mutter-Gottes zu Maria-Zell geopfert, – »ob es gleich«, fügt ein gleichzeitiger Bericht hinzu, »Gott vielleicht würde angenehmer gewesen sein, wenn das Geld, nach dem Befehl unseres Heilands, unter die Armen und Dürftigen wäre ausgetheilt worden.«

Hatte Maria Theresia jede Zumuthung, auch nur einen Theil Schlesiens abzutreten, bisher unerschrocken und beharrlich aus dem Grunde zurückgewiesen, weil sie sich für verpflichtet hielt, die Gesammtmacht des Hauses Oesterreich so unzerstückt zu bewahren, wie sie dieselbe übernommen, – so verdoppelte jetzt der Anblick ihres Sohnes ihre Kraft und Entschlossenheit. Sie wußte wohl, wie sehr die Erfüllung ihres Lieblingswunsches, die Wahl ihres Gemahls zum deutschen Kaiser, an ein günstiges Einvernehmen mit Friedrich II. von Preußen geknüpft war, aber ihre Ueberzeugung von ihrer Pflicht als Fürstin, welche die Aufrechthaltung der pragmatischen Sanktion beschworen, als Mutter, welche das künftige Erbe ihres Sohnes bis zum äußersten Falle bewahren müsse, überwog jede andere Rücksicht. Bei dieser Entschiedenheit ihres Wollens horchte sie gerne auf die leidenschaftlichen Worte Bartenstein's, welcher in Bezug auf die Staatsgeschäfte ihr Vertrauen im hohen Grade besaß. Bartenstein erklärte die Freundschaft des Königs von Preußen für noch gefährlicher, als dessen Feindschaft, und das einzige Mittel mit demselben in Frieden zu leben, erblickte er darin, daß derselbe gestürzt werde. Die Erbitterung gegen Friedrich II. zu schärfen, gab übrigens dieser Letztere selbst noch mehr Anlaß durch die derbe Sprache eines (wie man glaubt von ihm selbst abgefaßten) Memorials gegen den Wiener Hof, bezüglich der Entdeckung eines angeblichen Komplotts gegen Friedrich, um welches man in Wien gewußt habe, (im März 1741). Der Wiener Hof rechtfertigte sich gegen den ungerechten und beleidigenden Vorwurf auf's Nachdrücklichste. Die ganze Sache war am Ende auch weiter nichts als eine Kriegslist der preußischen Politik, um die öffentliche Meinung zu gewinnen. Am Wiener Hofe wuchs das Mißtrauen gegen Friedrich II. immer mehr; »hat man ihn heute, so ist er morgen in Diensten Frankreichs, und hätte ihn Frankreich heute, so wäre er morgen unser«, so äußerte sich Franz Stephan über ihn. In Friedrichs Bereitwilligkeit zu einer Vereinbarung erblickte man nur die Absicht: durch längeres Hinhalten England und Holland an der Verwirklichung des versprochenen Beistandes für Maria Theresia zu hindern. Friedrich selbst, wie er seine Sache für sich allein begonnen, traute sich übrigens zu, sie auch eben so durchzuführen; wenigstens wollte er keinen Dritten einen Vortheil davon genießen lassen, der am Ende für die Gesammtlage der deutschen Verhältnisse zum Nachtheil führen konnte. Dem Wiener Hofe gegenüber konnte er begreiflicherweise nach dem Siege bei Molwitz einen bei Weitem höheren Ton, als vor demselben anstimmen. Wenn er seine Forderungen jetzt steigerte, wenn er Niederschlesien und Breslau verlangte, fügte er noch bei: »Die Königin von Ungarn könne sich glücklich schätzen, so gut davon zu kommen; er wolle ungeachtet seiner Siege gemäßigt sein.« Auch erklärte er wirklich noch am 11. Juni: »er wolle sich mit vier ihm bequem gelegenen schlesischen Fürstenthümern begnügen«, nämlich mit Glogau, Wolau, Liegnitz und Schweidnitz. Der Wiener Hof wollte darauf durchaus nicht eingehen; hätte Friedrich (sagte man dort) diese vier Fürstenthümer in Besitz, so sei er nicht bloß Herr von Schlesien, sondern auch von Böhmen und Mähren. Uebrigens hatte Friedrich indessen am 5. Juli einen geheimen Vertrag mit Frankreich abgeschlossen, wodurch er dem Nymphenburger Bündniß beitrat. Man vernahm dies zu Ende Juli in Wien durch ein Schreiben des Königs von Hannover, und bei der Nachricht sanken die österreichischen Minister vor Schrecken in ihre Stühle zurück. Doch Marien Theresiens Entschluß blieb unbeugsam, ob auch die Gefahr wuchs, da nun ihre Feinde, Preußen, Franzosen und Bayern, in Massen zusammenzutreten drohten. Daher vermochte der Vorschlag des englischen Gesandten: sich mit Friedrich II. noch schnell zu einigen, bevor jener Vertrag ratificirt werde, über Marien Theresien nichts; sie äußerte sich blos, daß ihr die Erhaltung Schlesiens durch kein Opfer zu theuer erkauft scheine.

Dabei wurde Maria Theresia durch einen richtigen Takt immermehr dahin geleitet, ihre kräftigste Stütze nicht sowohl in dem Beistand fremder Mächte, als vielmehr in Mitten ihrer Völker zu suchen; und, wie schon gleich nach ihrer Thronbesteigung, so richtete sie auch jetzt ihr Augenmerk hauptsächlich auf Ungarn, wo eine hochherzige, ritterliche, thatkräftige Nation die Liebe zu einer uralten verfassungsmäßigen Freiheit mit unverbrüchlicher Verehrung des Königthums verband, und mit Blut und Leben für ihren Beherrscher einzustehen bereit war, wenn nur dieser seinerseits die ungarische Nationalität achtete und sich selbst zu ihr bekannte, indem er die Grundpfeiler der Verfassung ehrte und aufrecht erhielt. Das ist die großartige politische Anschauung, welche dem ungarischen Charakter eigenthümlich wie dem englischen, daß ihm das Königthum als der höchste unantastbare Ausdruck des Nationalheiligthums, der Verfassung gilt. Wenn irgendwo, so ist in Ungarn der bekannte Spruch: »Der König stirbt nicht«, eine Wahrheit. Denn der König lebt im Ganzen der Nation, nicht als ein außer ihr wie über ihr stehendes Individuum, sondern als ihr Bestandtheil. Ungarn nannte Marien Theresien deßhalb nicht »Königin«, sondern »König«! Die Person ging in dem Begriff auf und wurde durch ihn geheiligt. An den Besitz der »heiligen apostolischen Krone« und der andern Reichskleinodien knüpfte sich jene Heiligung der Person; aber er trat erst durch die Gewährleistung der alten Rechte und Freiheiten der Nation in Kraft.

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