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Kaum hatte Karl Albrecht sich nach seinen schnellen und leichten Erfolgen in Oberösterreich gen Böhmen gewandt, kaum war die Residenzstadt Wien von der drohenden Gefahr eines feindlichen Angriffes befreit, als Maria Theresia, statt sich auf die Vertheidigung ihrer Lande gegen die Uebermacht der Feinde zu beschränken, kühn und klug den Angriff auf Karl Albrechts Erbland Bayern beschloß, während dieser die Königskrone Böhmens und die Kaiserkrone suchte. Graf Ludwig Andreas Khevenhüller erhielt den Oberbefehl über ein aus verschiedenen Provinzen zusammengezogenes Heer, welches insbesondere durch Ungarn namhaft verstärkt wurde. Mit 30,000 Mann zog er gegen Ende Dezember nach Oberösterreich, um dieß Land vom Feinde zu befreien. Rasch und unaufhaltsam rückte das Heer in drei Divisionen gegen die Enns vor, drang über diesen Fluß, und verscheuchte die Feinde aus den Städten Steyer und Enns. »Maria Theresia!« war das Feldgeschrei. Während nun der General Bärenklau mit einem kleineren Heerhaufen siegreich im Salzkammergut, und (nachdem General Mölk diese Gegend besetzt,) weiter nach der bayerischen Gränze vorrückte, während der Oberstwachtmeister Trenk Clausen, Windischgarben, Spital am Pyrn nahm, sich General Beruls der Stadt Wels bemächtigte, Graf Mercy bei Kremsmünster den bayerischen Oberst Pottier mit seinem Kommando gefangen nahm und General Dungern Efferdingen eroberte, zog sich die ganze bayerisch-französische Macht unter Minuzzi und Segür in Linz zusammen.
Khevenhüller umschloß diese Hauptstadt Oberösterreichs und forderte die Besatzung zur Uebergabe auf, erhielt jedoch vorerst eine abschlägige Antwort. Wohl zog Graf Törring mit einem bayerischen Corps zum Entsatze heran, eroberte am 17. Januar 1742 die Brückenschanze bei Schärding, mußte sich aber vor einem Ausfall Bärenklau's zurückziehen und wurde dann auf dem Marsch zwischen Schärding und Braunau von Jenem und dem Oberstlieutenant Menzel aufs Haupt geschlagen. Linz ergab sich am 23. Januar auf Kapitulation und am 24., an demselben Tage, an welchem Karl Albrecht zum Kaiser erwählt wurde, zog die Besatzung bedungenermaßen mit allen militärischen Ehren aus.
An demselben Tage nahm Bärenklau Passau und die Festung Oberhaus, und alsobald drang nun die gesammte österreichische Kriegsmacht, wie ein Strom, dem die Schleußen geöffnet, in das von Truppen entblößte Bayern ein; ein Patent Bärenklau's und Menzels hatte den Bewohnern dieses Landes den Grund des feindlichen Einrückens erklärt – die Nothwendigkeit, Repressalien zu gebrauchen, und »zu zeigen, daß die Waffen der Königin von Ungarn und Böhmen noch vermögend wären, Dero Feinden ohne einige Hülfsvölker zu widerstehen;« »allen Einwohnern, die regulirte Miliz ausgenommen« wurde zugleich angedeutet, »daß, wer sich von den ersten unterstehen würde, gegen Ihro Königliche Majestät die Waffen zu ergreifen, nicht nach Kriegsmanier traktirt, sondern auf der Stelle aufgeknüpft, oder mit Feuer und Schwert verfolgt werden solle!« So schienen denn jetzt für Bayern die unheilvollen Zeiten, von 1704-1711 wiederzukehren, und ungeheurer Schrecken wälzte sich über das ganze Land. Und bald ward er gerechtfertigt; furchtbar mußten die Völker den Zwist der Fürsten büßen; furchtbar hausten die rohen Kriegsgesellen, die Kroaten, Morlaken, Panduren, fremd von Sprache und Art, scheußlich anzusehen, mehr Räuber als Soldaten, in dem Feindesland, wo ihnen jede Gewaltthat, jeder Frevel erlaubt schien. Aller Gräuel der gräßlichen Horden aber schien in dem einzigen Namen Trenks, des Pandurenführers, zusammengedrängt und ausgedrückt. Bei Nacht, unter Fackelschein, unterm betäubenden Schall der Janitscharenmusik rückte er gegen Deggendorf, dessen Einwohner vor Grausen entflohen und ihm die Stadt ließen.
Am 27. Januar kam Khevenhüller in Passau an, wo ihn der Kardinalbischof in hohen Ehren empfing; am 31. begann die österreichische Armee sich über Bayern auszubreiten, der rechte Flügel von Passau, der linke von Braunau aus. Letzteres unterwarf sich am 3. Februar, – Burghausen am 5. Bärenklau rückte gegen Landshut und besetzte es, wie Menzel Wasserburg, von wo aus er geradeswegs auf München losrückte. Am 13. standen die österreichischen Truppen vor dieser Hauptstadt, aus welcher man Schätze, Archive und Waffenvorräthe geflüchtet hatte, und forderten sie zur Uebergabe auf. Die Tyroler, für Maria Theresia begeistert, waren gleichfalls herangedrungen. München kapitulirte, gegen die Versicherung, daß Personen und Eigenthum, ständische Rechte und städtische Freiheiten, unangetastet bleiben sollten, wogegen die Stadt und das Schloß Nymphenburg eine bedeutende Summe erlegten; Bärenklau wurde Kommandant und wehrte den unverantwortlichen, ja den viehischen Ausschweifungen nicht, welche sich die zuchtlosen Banden gegen die Wehrlosen erlaubten. So litt Karl Albrechts Volk, während er in Frankfurt Fest an Fest feierte und seiner Selbstgefälligkeit kein Genüge haben konnte! So wehten die Banner Marien Theresiens in Bayern, während Karl VII. sich »Herzog von Oesterreich« und »König von Böhmen« nannte! Am 27. Februar kam Khevenhüller in München an, und bis zu Anfang des März war ganz Bayern bis an die Donau in österreichischer Gewalt. Sehr bezeichnend ist das Schreiben, welches Khevenhüller im Namen Marien Theresiens unterm 1. März an die bayerischen Landstände ergehen ließ; es hieß darin: »daß Ihro Majestät an einem landverderblichen Kriege nicht den geringsten Gefallen hätten, und was sie bisher gethan, bloß nach dem Rechte der Repressalien beschehen sei; um aber dero christmildestes Verlangen den Drangsalen der unschuldigen armen Unterthanen auf einer sowohl als der andern Seite ein baldiges Ende zu machen, destomehr an den Tag zu legen, lasse Sie hiermit die Stände vermahnen, durch ihre bittlichen Vorstellungen das Herz dero gnädigsten Landesfürsten und Herrn dahin zu erweichen, daß mit ferneren Feindseligkeiten in Ihro Majestät der Königin Landen, sowohl Ihro Seits, als von Seiten Frankreichs gänzlich inne gehalten und fördersamst die französischen Kriegsvölker aus den königlich hungarischen Erblanden abgeführt würden; Sie wollte sodann ein Gleiches thun und nicht nur von allen Tätlichkeiten abstehen, sondern auch aus den kurbayerischen Landen sich gänzlich wieder zurückziehen.« Die Antwort darauf war matt und ungenügend; die Erklärung selbst aber hatte man in London mit nicht geringer Theilnahme vernommen, und sie brachte daselbst einen unbeschreiblichen Eindruck hervor.
Der rasche Erfolg erhöhte die Zuversicht, welche Maria Theresia mitten im Unglück, am äußersten Rande der Gefahr bewährt hatte, eine Zuversicht, welche aus dem Bewußtsein ihrer guten Sache entsprang. Es kam ihr zur selben Zeit ganz wohl zu statten, daß sich durch den Tod des Hofkanzlers Sintzendorf (8. Febr.) und durch die Einführung der Grafen von Uhlefeld, von Seilern und von Kuffstein ein regeres Leben in den Geschäftsgang bringen ließ, und daß Hülfsgelder einliefen, während sich ihr Heer in Bayern auf Kosten des Feindes (d. h. des unschuldigen Volkes) erhielt. Dabei besaß nun die Fürstin einen ausgezeichneten Takt in Behandlung derjenigen Männer, welche ihr durch Glück oder Geschick oder Beides trefflich dienten, wie z. B. der alte Khevenhüller. Sie wußte die Sympathie an ihre Person zu fesseln, und man darf dies nicht einer kalten Berechnung zuschreiben. Wenn ihr herzlich ausgesprochener Dank, ihre Begeisterung erweckende Ansprache Früchte trugen, so war dies rein unabsichtliche Sache ihres vortrefflichen, ächt weiblich-menschlich empfindenden Herzens. Wahrlich: der bloßen Berechnung gehören solche Züge nicht an, wie der, wenn sie (unterm 27. Februar) Khevenhüllern ihr und ihres Sohnes Joseph Bildniß mit folgendem (lateinisch abgefaßtem) Schreiben zusandte:
»Hier hast Du eine von aller Welt verlassene Königin vor Augen. Was meinst Du, was wird aus dem Kinde werden? Sieh', Deine gnädigste Frau vertraut Dir als einem getreuen Diener mit diesem Bildniß ihre ganze Macht, und Alles, was ihre Herrschaft vermag. Handle, o Held und getreuer Vasall, wie Du es vor Gott und der Welt zu verantworten gedenkst. Nimm die Gerechtigkeit zum Schilde und thue, was Du gerecht zu sein glaubst. Sei unparteiisch und beurtheile unsere Feinde. Folge den großen Thaten des in Gott ruhenden Lehrmeisters Eugen, und sei versichert, daß Du mit deinem Geschlecht jetzt und zu ewigen Zeiten von Uns und Unseren Nachkommen alle Gnade, Huld und Dankbarkeit, von der Welt aber einen unsterblichen Ruhm erhalten wirst. Solches betheuern Wir Dir bei Unserer Majestät. Lebe und streite wohl!«
»Maria Theresia.«
Als Khevenhüller diesen Brief im Beisein vieler Offiziere während der Tafel vorlas, hoben Alle begeistert die Becher und schwuren, den letzten Blutstropfen für die Herrscherin zu opfern; und als die Soldaten dies Bild sahen, riefen alle, die blanken Säbel schwingend und jauchzend: »Es lebe die Königin Maria Theresia!«
Landsberg vertheidigte sich glücklich (v. 10. März bis 1. April) gegen den Angriff der Oesterreicher; Stadt am Hof dagegen wurde am 20. März durch Bärenklau, der bei Deggendorf über die Donau gegangen war, gebrandschatzt, Kehlheim, woraus die bayerische Besatzung flüchtete, durch denselben geplündert und besetzt; vergeblich rückte Törring dahin, um es den Oesterreichern wieder zu entreißen, bald fand er sich bestimmt, Straubing zu Hülfe zu eilen, welches die Oesterreicher unter dem Feldzeugmeister Grafen Wurmbrand belagerten, aber am 11. April verlassen mußten.
Karl VII., welcher ohne Geld und Rath zu Frankfurt saß und, seines herrlichen Stammlandes verlustig, Kaiser hieß, glaubte um diese Zeit sich neuen Hoffnungen hingeben zu dürfen. Denn einmal nahte ein französisches Hülfsheer von 20,000 Mann unter dem Herzog von Harcourt, welches im April an der bayerischen Gränze ankam und gegen die Donau hinrückte, worauf sich die Oesterreicher vom Lech und von der Isar zurückzogen und auch München räumten; dann eroberten die Franzosen unter dem Grafen von Sachsen am 19. April Eger, einen Platz, der als der Schlüssel Böhmens betrachtet wurde; und endlich schienen auch die erneuerten Kriegsbewegungen Friedrichs II. Karl dem Siebenten, als seinem Verbündeten, eine glückliche Wendung in Aussicht zu stellen. Friedrich vereinigte sich nämlich am 17. April in Chrudim (in Böhmen) mit dem Prinzen Leopold von Dessau, und legte seine Truppen zwischen Elbe und Sassawa. Bald zeigte sich jedoch, daß für Karl VII. die gehoffte und gewünschte Wendung nicht eintrat.
Auf Khevenhüller's Befehl wurde München am 6. Mai rasch wieder eingenommen; und dieser treffliche Feldherr, welcher mit seiner ganzen Macht die Donau und Passau, als Pforte Oesterreich's, behauptete, hielt das französische Hülfsheer in Schach; Friedrich II. aber, welcher einerseits seinen Verbündeten (Frankreich) nicht traute, andererseits von ihnen wenig erwarten konnte, unterhandelte abermals unter englischer Vermittelung mit Marien Theresien.
Diese Unterhandlungen zerschlugen sich nun allerdings, weil Maria Theresia jetzt, da ihre Sache besser stand, noch weniger als früher in ihrer hoffnungslosen Lage ihrem Gegner seine Forderung, den Besitz von ganz Schlesien und der Grafschaft Glatz, zu bewilligen über sich gewinnen konnte, und weil Friedrich II. auf den österreichischen Plan: seine früheren Verbündeten sogleich zu bekriegen, nicht eingehen wollte. Er ergriff also wieder die Waffen, und noch im Mai kam es zu einer entscheidenden Schlacht; aber selbst diese Wendung trug, wie wir gleich sehen werden, für Kaiser Karl VII. nicht die gewünschte Frucht, sondern vermehrte im Gegentheil seine Verlegenheit.