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Fortschritte der Feinde in Böhmen und Mähren:

Am 24. Oktober ging Karl Albrecht, welcher den Augenblick nicht erwarten konnte, in welchem er die Königskrone Böhmens auf seinem Haupte tragen würde, mit einer Heeresabtheilung bei Mautern über die Donau und rückte in Eilmärschen nach der böhmischen Gränze; 15,000 Mann blieben unter Segür zur Behauptung Oberösterreichs zurück. Schon am 25. October rückte General Minuzzi mit einer andern Heeresabtheilung über Waldmünchen in Böhmen ein, und vereinigte sich bei Pilsen mit den Franzosen, die den Weg durch die Oberpfalz genommen hatten. Im November kam die Hauptmacht unter dem Grafen Törring. In der Mitte des genannten Monats geschah die Vereinigung, und nun zog die Armee auf Prag los, in dessen Nähe sie sich aufstellte. Bald darauf (24. November) lagerten auch die sächsischen Truppen, durch französische verstärkt, auf der andern Seite vor Prag, und die Hauptstadt Böhmens war nun vollkommen eingeschlossen. Sie war wohl befestigt und mit Vorrath versehen, und wenn gleich die Besatzung im Verhältniß zur Ausdehnung der Stadt nicht groß genug war, (sie zählte nur 3000 Mann) so hoffte doch der Kommandant, Baron Ogilvi, bei dem Beistand der bewaffneten Bürger und Studenten, und bei der für die Belagerer ungünstigen Jahreszeit, den wichtigen Platz so lange halten zu können, bis der Großherzog Franz Stephan mit seinem stattlichen Heere zum Entsatze herbeieile, wie dies denn auch in naher Aussicht stand. Deßhalb erwiederte Ogilvi auf die an ihn ergangene Aufforderung, den französischen Truppen freien Ein- und Durchzug zu gewähren: »er habe bei Annäherung fremder Truppen keinen andern Befehl, als die Stadt Prag wider jeden feindlichen Angriff bis auf's Aeußerste zu vertheidigen, und er wolle dem Erzhause die Treue, die er demselben von früher Jugend an gewidmet, auch im Alter bethätigen.« Alle jene kurz vorher erwähnten Umstände bestimmten nun auch die Feldherrn der Verbündeten und den Kurfürsten von Bayern, Prag nicht zu belagern, sondern es wo möglich durch einen nächtlichen Ueberfall zu erobern und diesen sobald als thunlich zu unternehmen. Die Nacht vom 25. auf den 26. November wurde dazu bestimmt. Eine Stunde nach Mitternacht vernimmt die Besatzung plötzlich Lärmen auf der Kleinseite; französische Truppen haben aus den eröffneten Laufgräben einen Angriff gethan. Während nun der größte Theil der Besatzung sich eilig nach dem Strahower Thore hinwendet, um dem Feinde, dessen ganze Macht man dort vermuthet, Widerstand zu leisten, führt Graf Moriz von Sachsen Ein natürlicher Sohn des Königs von Sachsen, wie Graf Rutowsky, Graf Cosel und der Chevalier von Sachsen. die Franzosen zum Sturm der Neustadt, Graf Rutowsky eine Abtheilung von Sachsen an das Karlsthor der Kleinseite, Generallieutenant von Jasmund eine andere auf die Inseln bei der Neustadt. Zwischen drei und vier Uhr bricht von allen drei Seiten zugleich der Sturm los. Graf Cosel führt das erste Bataillon Grenadiere an das Karlsthor, sie durchmessen glücklich den Graben, und legen die Sturmleitern an. Ein mörderisches Feuer empfängt sie von den Wällen herab, aber die andern Bataillone rücken nach, da ist an kein Wanken und Weichen zu denken, und endlich krönt das Glück Wagniß und Ausdauer, sie gewinnen, sie behaupten den Wall. Die Sieger dringen in die Stadt und rasch werden Straßen und Markt der Kleinseite besetzt. Inzwischen gelangen neue Bataillone, von Jasmund und Rochau geführt, unter nicht geringen Schwierigkeiten und Mühsalen durch zwei Mühlgräben in die Neustadt. Von der Uebermacht umringt, gibt die Besatzung bald den Widerstand auf und sich gefangen, und so sind die Feinde mit Tagesanbruch Herren der Hauptstadt des Königreiches Böhmen. Die Plünderung wurde verboten und stolzfreudig zog der Kurfürst von Bayern am anderen Tage im Königsschlosse ein.

Nur noch drei Wegstunden von Prag stand der Großherzog Franz Stephan mit seinem Heere, als er die unwillkommene Kunde erhielt. Da er Prag nicht mehr retten konnte, hielt er es nicht für rathsam, die Verbündeten anzugreifen, und zog sich vorsichtig jenseits der Moldau hinter Budweis in eine sumpfige Gegend zurück; der rechte Flügel des österreichischen Heeres unter dem Fürsten Lobkowitz trennte sich von der Hauptmacht und rückte nach Deutschbrod. Beide Theile suchten sich in Böhmen zu halten, um den Feind dort zu beschäftigen, da, wie wir in Kurzem sehen werden, mittlerweile ein Angriffskrieg Oesterreichs gegen Bayern, mit aller Energie und großer Umsicht entworfen, im Werke war. Karl Albrecht versäumte es in allzuvoreiliger Selbstgefälligkeit, die Vortheile auszubeuten, welche sich an den ersten glücklichen Erfolg knüpfen ließen. Die Bayern und Franzosen besetzten Prag, als sei mit dem Besitz dieser Stadt Alles gewonnen; nur die Sachsen verfolgten Lobkowitz bis Deutschbrod, welches sie am 23. Januar des folgenden Jahres einnahmen, nachdem Lobkowitz die Stadt in der Nacht vorher verlassen hatte, und gegen Iglau in Mähren gerückt war. Vergeblich versuchte Franz Stephan gegen Ende des Jahres 1741, Iglau den Feinden wieder abzunehmen. Ein bemerkenswerther Umstand von Seiten Oesterreichs war die Entfernung Neippergs vom böhmischen Heere (auf Betrieb des Prinzen Karl von Lothringen; übrigens wurde er durch den Einfluß Franz Stephans zum Oberbefehlshaber der österreichischen Truppen in den Niederlanden ernannt).

Karl Albrecht überließ sich indessen stolzer Zuversicht und allen Freuden an der Zurschaustellung seiner leichterrungenen neuen Königswürde. Am 7. Dezember ließ er sich in Prag zum König ausrufen; da schritt, von der bayerischen Leibwache zu Roß umgeben, der Herold Joseph Kunz Er war böhmischer Kanzellist bei der Statthalterschaft gewesen. durch die Straßen, mit stattlichem Federbusch auf dem Haupt, den Stab in der Rechten und das böhmische Wappenschild in der Linken; aber keine Stimme erhob sich zu freudigem Zuruf, als er vor jedem Rathhause unter Trompeten- und Pauken-Schall ausrief, daß Kurfürst Karl Albrecht König von Böhmen sei; und als vor dem Neustädter Rathhause der silberne Löwe, der an der Spitze des Heroldsstabes befestiget war, in den Koth siel, galt dies Vielen als ein schlimmes Vorzeichen für die Zukunft des neuen Herrschers. Karl Albrecht ernannte den Grafen von Bayern, seinen natürlichen Stiefbruder, zum obersten Befehlshaber von Prag und errichtete dann eine Statthalterschaft unter dem Namen einer Deputation, an deren Spitze Philipp Krakowsky, Graf von Kolowrat stand. Viele hohe Würdenträger des Reiches, wie Oberstburggraf, Oberstlandhofmeister, Oberstlandmarschall u. s. w. hatten theils vor der Ankunft des Feindes die Stadt verlassen, theils verließen sie dieselbe jetzt. Am 19. Dezember nahm Karl Albrecht, nachdem er dem durch den Erzbischof von Prag, Grafen von Manderscheid, abgehaltenen Hochamt in der Schloßkirche beigewohnt, den Standen des Königreiches feierlich die Huldigung ab. Der Eid wurde in deutscher und böhmischer Sprache abgelesen; die Landtagsproposition geschah in französischer; Karl Albrecht verlangte von den böhmischen Ständen für das erste halbe Jahr 6 Millionen Gulden. Mehr als die Ordnung dortiger Zustände und als die Befestigung seiner Herrschaft nahmen glanzvolle Feste sein Dichten und Trachten in Anspruch; er liebte an der Krone nur den Glanz, den Schein, für die Bedeutung derselben hatte er keinen Sinn. Da war nun der Franzose Belleisle der rechte Mann, in dessen Gesellschaft sich Karl Albrecht, wie jener sich bei diesem, behaglich fühlen mochte. Beide eilten noch im Dezember 1741 von Prag nach München, Karl Albrecht von dort nach Mannheim, wo er froher Botschaft von Frankfurt wartete, um am Ziele seiner Wünsche zu stehen. Die Krone, welche Karl der Große, welche Ludwig der Bayer getragen, auf dem Haupte dieses Karl Albrecht! Seine Wahl war der offenkundigste Beweis von dem schmachvollen Zustand, zu welchem die deutsche Reichsverfassung herabgesunken. Der spanische und der französische Einfluß, der Vertrag mit Friedrich II. von Preußen, die Neutralitätsverpflichtung, welche Georg II. von England als Kurfürsten von Hannover band, entschieden zu Gunsten Karl Albrechts. Nicht umsonst hatte man die Ausübung der böhmischen Kurstimme durch Marien Theresien als Königin von Böhmen und den Mitregenten Franz Stephan nicht zulassen wollen, jene suspendirt und das Quartier der betreffenden Gesandtschaft während der Wahlzeit durch den Reichs-Quartiermeister verschlossen. Von den Kurstimmen waren ohnehin drei, Köln, Bayern und Pfalz, durch Wittelsbacher besetzt.

Lächelnd überblickte Friedrich II. in seinem geistigen Uebergewicht diese Verhältnisse und ging mittlerweile ruhig seinen eigenen Weg, indem er den Krieg gegen seine standhafte Gegnerin fortführte. So wie sich die österreichische Armee aus Mähren nach Böhmen gezogen hatte, rückten die Preußen unter Schwerin aus Oberschlesien nach Mähren ein, und eroberten Troppau, Freudenthal und Olmütz (27. Dezember). Im Januar des folgenden Jahres nahm der Erbprinz von Dessau die Grafschaft und Festung Glatz (9. Januar) und bezog dann Winterquartiere in Böhmen. Der König selbst, welcher seine eigenen Truppen bei einem Feldzug zur Eroberung Mährens für Sachsen schonen wollte, hatte sich nach Dresden begeben, um den Kurfürsten (gegen den Einfluß Brühls) zu bewegen, daß er eine sächsische Armee zu jenem Zwecke bestimmte, welche mit den preußischen Truppen den Feldzug beginnen sollten. Die ersten Erfolge in Mähren waren vom Glück begünstigt, Iglau und Znaym ergaben sich, preußische Reiter sprengten verwegen nach Oesterreich, streiften bis an die Donau, bis Stockerau in der Nähe der Haupt- und Residenzstadt Wien. Immer mehr schien es, daß Mährens Besitz für Marien Theresien bald verloren sein würde, zumal als Friedrich auch zur Belagerung Brünn's Anstalten machte. Nun aber zeigte sich immer mehr, wie wenig er auf die Sachsen rechnen konnte. Der Kurfürst August verweigerte das von Friedrich verlangte, zur Belagerung Brünns benöthigte Geschütz, wegen Geldmangels! Die Führer der sächsischen Truppen verweigerten Gehorsam. Nicht einmal das Herannahen einer österreichischen Armee von 40,000 Mann, welche Prinz Karl von Lothringen zum Entsatze Brünns herbeiführte, vermochte die sächsischen Generale, sich einträchtig und vertrauensvoll den Vorschlägen des Königs von Preußen zu fügen. Unter solchen Umständen beschloß dieser, Mähren zu verlassen, nach Böhmen zu ziehen und seine Sache allein durchzufechten.

Doch wenden wir jetzt unsere Aufmerksamkeit von diesem Schauplatze des Kampfes und von dem bedeutendsten Feinde Marien Theresiens ab, um diese Letztere selbst in ihrem Benehmen zum deutschen Reich und zu Karl Albrecht von Bayern näher in's Auge zu fassen.

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