Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Die Unterhandlungen mit Frankreich hatte Maria Theresia bald abgebrochen. Durch die Verhältnisse gedrängt, durch Bartenstein noch mehr gegen Frankreich eingenommen, neigte sie sich nun wieder der Idee zu, sich mit Friedrich II. gütlich zu vereinbaren und ihm Nieder-Schlesien mit Breslau zu überlassen, um, auf dieser Seite sicher, mit ihrer ganzen Macht ihren übrigen Feinden entgegeneilen zu können. Dies stimmte nun auch mit Friedrichs Wünschen überein, wie mit seiner Politik. Konnte er sich über die lächerliche Eitelkeit Belleisle's auf seine feine Weise lustig machen, so mußte ihn doch das unverholene Benehmen des französischen Kabinets in Bezug auf Deutschland überhaupt nur verletzen. Dann diese deutschen Bundesgenossen, die Kurfürsten von Bayern und Sachsen! Friedrich wußte wohl, wie eifersüchtig man am sächsischen Hofe auf Preußen war. Nun machten beide Kurfürsten Anstalten sich zu vereinigen, um – das ganze Erbe der Habsburger unter sich zu theilen, und Friedrich konnte mit Recht besorgen, daß Karl Albrecht, wenn ihm Böhmen zu Theil würde, auch auf Schlesien Ansprüche machen werde. Es mußte ihm daran liegen, sich Schlesiens Besitz zu sichern, und wie er bei der Wahl der Mittel immer die Erhöhung seines Hauses als obersten Zweck voranstellte, so konnte er sich jetzt nicht lange besinnen, das geeignetste zu ergreifen, wodurch er für das Ergebniß der bloßen That auch noch den Titel eines Rechts erhielt. Dies war längst seine Absicht, und wenn er sich jetzt den Anschein gab, als zögre er, gemachte Anerbietungen anzunehmen, so beweist dies weniger eine Gewissenhaftigkeit in Bezug auf seine Verbündeten, als ein großes Talent: seinen Zweck auf die geschickteste Weise und mit dem besten Anstand zu verfolgen. Unermüdlich übernahm England abermals die undankbare Rolle des Vermittlers und bot ihm, wie gesagt, die Abtretung Niederschlesiens und Neisse's, wenn er vom Kriege abstehen wolle. Er verlangte ganz Schlesien bis an die Neisse nebst Breslau und den Festungen Neisse und Glaz, und jenseits der Oder die alten Gränzen zwischen Brieg und Oppeln, und vor Allem: Erledigung der ganzen Angelegenheit binnen 12 Tagen; Schlesien sollte durchaus unabhängig von Böhmen sein, – in Bezug auf den Kultus Alles im gegenwärtigen Stand bleiben. Vor allem suchte sich Friedrich sicher zu stellen, um nicht am Ende zwischen zwei Stühlen zu sitzen. Er traute dem Wiener Hofe nicht vollkommen, denn er wußte, daß der Kardinal Fleury geheime Verbindungen mit Herrn von Stainville, dem Minister des Großherzogs Franz Stephan, unterhielt, und geneigt war, Frankreichs Bundesgenossen preiszugeben, wenn ihm der Wiener Hof Luxemburg und einen Theil von Brabant antrüge, und wollte deßhalb nicht auf Knall und Fall mit seinen bisherigen Verbündeten brechen. Deßhalb bedingte er sich, wenn er auch die Einleitung einer Unterhandlung mit Marien Theresien nicht verhehlen konnte, bei derselben, welche am 9. Oktober zwischen ihm, Neipperg, dem österreichischen General Lentulus, dem Obersten Golz und dem englischen Gesandten Hyndford im Schlosse Klein-Schnellendorf stattfand, die strengste Geheimhaltung des Vertrages und erklärte sich von demselben entbunden, so wie der Wiener Hof das Geheimniß im Mindesten an den Tag bringen würde. Der König verlangte, daß man – der Verbündeten wegen – den kleinen Krieg zum Schein noch fortführen solle, ebenso die Belagerung Neisse's, dessen Uebergabe nach 14 Tagen nach allem Brauch stattzufinden habe; die Besatzung erhalte freien Abzug; wenn dies geschehen, wolle er weder Marien Theresien, noch den König von England, noch sonst einen ihrer Bundesgenossen feindselig behandeln und Neippergs Rückzug aus Schlesien nicht hindern; übrigens bedingte er sich noch den Abschluß eines Definitivvertrages vor Ablauf des Jahres, und ließ zur Vorsicht den englischen Gesandten erklären: »die Unterhandlungen seien vergeblich gewesen«. Während er so seine Verbündeten zu täuschen versuchte, versicherte er Marien Theresien und ihren Gemahl seiner lebhaftesten Theilnahme. Man hat keinen Grund, seine eigene Versicherung zu bezweifeln, wenn er als Motiv seines Benehmens anführt, daß er durch Unterdrückung Oesterreichs nicht eine Ueberlegenheit Frankreichs begründen, nicht aus dem Verhältniß eines selbstständigen Verbündeten in das eines abhängigen Dieners übergehen wollte; außerdem fand er auch durch diese Abkunft Zeit zur Verstärkung seines Heeres.
Neipperg zog nun sogleich mit seiner Armee von Neisse über Jägerndorf nach Mähren, und Neisse wurde schon am 31. Oktober von dem Kommandanten St. André den Preußen übergeben; am andern Tage begab sich Friedrich selbst in die von den Oesterreichern verlassene Festung. Am 4. November kam er nach Breslau und am 7. nahm er in dem Fürstensaale des Rathhauses daselbst die Huldigung des Landes entgegen. Ein charakteristischer Zug war dabei, daß Friedrich, da der Marschall das Reichsschwert, das er halten sollte, vergessen hatte, ihm rasch seinen eigenen Degen, denselben, mit dem er Schlesien erobert hatte, zu diesem Ende überreichte, die Versammelten leisteten den Eid und küßten den Degenknopf. Unwillkührlich erinnert man sich dabei an die Art, wie sich Rudolf von Habsburg bei der Belehnung der Reichsfürsten aus einer ähnlichen Verlegenheit zog; da das Scepter fehlte, nahm Rudolf das Kreuz von dem Altare!
Maria Theresia hatte gehofft, durch die Uebereinkunft von Kleinschnellendorf eines gefährlichen Gegners ledig zu werden, um nun ihre Kriegsmacht ungestört zur Vertheidigung Böhmens und Mährens verwenden zu können. Unglücklicher Weise wollte man von Seiten des Wiener Hofes den Vertrag mit Preußen als ein Mittel benutzen, um die Gegner dadurch in Schach zu halten, und verletzte deßhalb jene Bedingung, auf welche Friedrich II. so großes Gewicht legte, nämlich die Geheimhaltung des Vertrages, nur allzubald. Friedrichs Minister des Auswärtigen, Graf Podewils, fand bei seiner Durchreise durch Dresden den Marschall Belleisle bereits davon unterrichtet und in furchtbarster Entrüstung, er hörte: ganz Dresden sei mit Briefen überschwemmt, worin die Sachsen gewarnt wurden, ihren Marsch nach Böhmen anzutreten, weil sich der König von Preußen, der sich mit Marien Theresien versöhnt habe, zu einem Einfall in die Lausitz rüste. Schon schwankte der talentlose Brühl, und nur der Festigkeit des Grafen Podewils gelang es, den Marsch der sächsischen Truppen nach Böhmen dennoch durchzusetzen. Zürnend verlangte nun Friedrich II. raschen Widerruf und alsbaldigen Abschluß eines vollen Friedens. Dies verzögerte sich, und wie sich die Verhältnisse mittlerweile gestalteten, mochte es ihm am Ende nicht einmal unangenehm sein, daß er durch den Bruch jener Bedingung (wiewohl der Wiener Hof leugnete, ihn veranlaßt zu haben) seiner Verpflichtungen entbunden war. Er schloß am 4. November zu Breslau einen geheimen Vertrag mit Karl Albrecht von Bayern und versprach demselben allen Beistand zur Erlangung der Kaiserwürde, ließ sich dagegen von dem künftigen Kaiser das Privilegium de non appellando in seinen sämmtlichen deutschen Staaten, Stimme im Reichsfürstenrath wegen Mörs, unentgeldliche Erhebung der Grafschaft Teklenburg zum Fürstenthum und Sitz auf der Fürstenbank, freie Werbung im Reich und statt der bisherigen Anrede: »Ew. Liebden« den Titel »Ew. Majestät« und »Großmächtigster« versprechen; in kaiserlichen Schreiben an den König von Preußen sollte das Reichsoberhaupt sich nicht mehr der Ausdrücke »befehlen und gebieten« sondern »freundbrüderlich ansinnen« bedienen.