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Die Frankfurter Union.

Nachdem die Feindseligkeiten zwischen Frankreich und England schon im Februar 1744 begonnen hatten (eine französisch-spanische Flotte, welche von Toulon ausgelaufen war, wurde durch die englische zerstreut), erklärte Frankreich am 15. März, Großbritannien am 26. April Marien Theresien den Krieg. Es rüstete aufs Neue zur See, und ebenso mit aller Anstrengung zum Landkrieg; den österreichischen Niederlanden galt der Angriff; dahin führte König Ludwig XV. selbst, mit dem Grafen Moriz von Sachsen, den er zum Marschall ernannt hatte, und der statt seiner der belebende Geist beim Heere war, hunderttausend Mann. Von Lille aus, wo der König an die Spitze des Heeres trat, wurde der Feldzug eröffnet, und überraschend schnell begünstigte das Zusammentreffen vortheilhafter Umstände (die Verringerung des britischen Heeres, von welchem ein Theil nach England zurückgekehrt war, und die Lästigkeit seines Anführers so wie die des holländischen, des Prinzen Moriz von Nassau und des andern Moriz, des sächsischen, kriegerisches Genie) den Namen des unkriegerischen Monarchen, welchen seine Maitresse Chateauroux durchaus zum Helden machen wollte; so kamen bis zum August die Plätze Courtray, Menin, Ypern, Fort Knoke und Furnes in Besitz der Franzosen. So schien die Eroberung von ganz Belgien unaufhaltbar; da wurde die Aufmerksamkeit Frankreichs auf ein Gebiet abgelenkt, welches seit uralten Zeiten deutsches Reichsgebiet gewesen und erst vor sechs Jahrzehnten durch Verrätherei vom deutschen Reiche abgerissen worden war, um mit Frankreich vereinigt zu werden, auf das Elsaß.

Dort, wo Marschall Coigny die Obhut hatte, brach jetzt eine österreichische Armee unter dem Prinzen Karl von Lothringen, welcher die Hand der Erzherzogin Maria Anna (Schwester Marien Theresiens) und mit derselben die Generalstatthalterschaft der österreichischen Niederlande erhalten hatte, und dem trefflichen Feldmarschall Traun ein, welcher nach dem Tode Khevenhüllers (26. Januar 1744) »Ich verliere einen getreuen Diener und einen Beschützer, den nur Gott belohnen kann« sprach Maria Theresia tiefbewegt bei der Nachricht vom Tode Khevenhüllers. Ein sinnreicher Kopf erfand folgende Grabschrift für ihn, welche zugleich das Sterbejahr (1744) ausdrückte: VIDI. IVI. IVVI. DVXI. DIXI. LVXI. VICI. VIXI. Ein gleichzeitiger Poet paraphrasirte dies folgendermaßen:
»Ich sahe Habsburgs Stamm in seinen letzten Zügen;
Ich ging, und wußte nicht, wie Gott es würde fügen,
Ich half der Königin, nach Pflicht und Treu, mir Rath;
Ich führte die Armee zu mancher kühnen That;
Ich sagte: Gott wird doch auf dieser Seite stehen;
Ich klagte, daß dabei viel Tausend untergehen;
Ich siegte, doch nicht Ich; nein, Gott hat es gethan;
Nun hab' ich g'nug gelebt, weil ich nicht sterben kann.
die Seele aller Pläne und Unternehmungen war. Im April 1744 ging Traun mit der Armee aus dem Lager bei Heilbronn über den Neckar. Glücklich wurden die Feinde (mit den französischen Truppen war der Rest der bayerischen vereinigt) durch geschickte Diversionen über den Punkt, wo die Oesterreicher den Rheinübergang unternehmen wollten, getäuscht, und wurde der Letztere am 1. und 2. Juli bei Schreck und bei Weißenau glücklich vollbracht. Am 3. Juli stand das ganze Heer jenseits des Rheins Die österreichische Parthei baute auf diesen Rheinübergang, welcher den Glanzpunkten der Kriegsgeschichte beigezählt wurde, die kühnsten Hoffnungen. Ein (sehr geschmackloses) Lied verglich denselben mit – Mariä Heimsuchung, und enthielt folgende Anspielung auf Lothringen:
»Jene (die heil. Maria) grüßt Elisabeth,
Die mit ihr in Freundschaft steht.
Diese (Maria Theresia) grüßt in Lotharingen
Wenn es Gott ihr läßt gelingen,
Die Elisabeth (die verwittwete Herzogin v. Lothringen, Elisabeth Charlotte) alldort
Ebenfalls an ihrem Orth,
Um der rechten Erben Händen
Ihre Lande zuzuwenden.
. Die Oesterreicher nahmen nun die Linien von Germersheim, Lauterburg und Weißenau und ließen ihre leichten Truppen ins Elsaß streifen; auch Lothringen wurde bedroht und der Titularkönig Stanislaus floh mit seinem Hofe aus Lüneville.

Da sah sich Ludwig XV. genöthigt, das Elsaß, – leider Frankreichs Bollwerk gegen Deutschland (und leider auch heute noch immer!) zu vertheidigen. Er überließ dem Marschall von Sachsen die Behauptung der Eroberungen in den Niederlanden; dreißigtausend Mann sollten dagegen (unter Noailles) – nach Molsheim, eine andere Heeresabtheilung unter Harcourt nach Pfalzburg ziehen; eine dritte sich unter Belleisle in Lothringen aufstellen. Ludwig XV. selbst zog gleichfalls dahin, erkrankte jedoch daselbst tödtlich. Inzwischen bewog ein wichtiges Ereigniß die österreichische Armee im August 1744 zum Rückzug aus dem Elsaß, – nichts Geringeres als das Eindringen Friedrichs II. von Preußen, von welchem Maria Theresia kraft des Breslauer Friedens keine Feindseligkeiten erwarten durfte, in Böhmen!

Diesen Einbruch hatte sie eigentlich dem Wormser Bündniß zu danken. In demselben hatten nämlich die beiden mitverbündeten Mächte wohl Marien Theresien den Besitz aller ihrer Länder nach den Friedensschlüssen und Verträgen von 1703 bis 1739 garantirt, andererseits aber war in demselben der Breslauer Friede, worin sie Schlesien abtreten, nicht erwähnet worden. Friedrich II. glaubte hiernach Besorgnisse schöpfen zu dürfen, daß Maria Theresia, eben so wie sie nach dem Frieden mit ihm ihre Macht gegen Bayern gewendet, nun nach Unterwerfung dieses Landes sie gegen ihn selbst zur Wiedererwerbung Schlesiens gebrauchen möchte! Dazu war bekannt, mit welcher Leidenschaft sie sich dem Schmerz über Schlesiens Verlust hingab, und welche Aeußerungen sie bei der Kriegserklärung Frankreichs that: »Ich bin nicht mehr als Haupttheilnehmerin allein auf dem Schauplatz; mein Gott, hätte ich handeln wollen wie meine Verbündeten.« – – Spätere Aeußerungen Marien Theresiens wie: »Man hat mir den Frieden von Breslau aufgezwungen und die darauf gegründeten Hoffnungen sind nicht in Erfüllung gegangen.« – und: »Mich bekümmert nicht so sehr der Verlust Schlesiens an sich, als daß ein Nachbar mit einem solchen Charakter es erwarb,« konnten Friedrichs Besorgnisse rechtfertigen. Noch später (5. August 1744) berichtete der englische Gesandte aus Wien: »Man suche dort Karl VII. durch Räumung Bayerns zu gewinnen, und Frankreich auf jede Weise in Noth zu bringen, damit Frankreich und Bayern den König von Preußen der Nothwendigkeit aufopfern, einen allgemeinen Frieden durch die Rückgabe Schlesiens an Oesterreich abzuschließen.« Wie tief ein solcher Wunsch allerdings in Marien Theresiens Herzen begründet war, haben die folgenden Jahre gezeigt.

Der scharfblickende, klug berechnende König von Preußen verhielt sich diesmal zu Marien Theresien wie der kalte Verstand zu dem überwallenden Herzen; aber sein Verstand verrieth, wie stets bei außergewöhnlichen Menschen, immer den genialen Mann. Es war und blieb ihm eigentümlich, nie abzuwarten, bis die Verhältnisse Alles zu seinen Gunsten zurechtgelegt; er machte lieber selbst die Verhältnisse. Diesmal kam ihm nun noch die unverkennbare Mißstimmung zu Gute, welche Marien Theresiens Benehmen in Bezug auf Bayern im deutschen Reiche hervorbringen mußte, und geschickt wußte Friedrich eben die deutsch-nationale Seite der Sachlage für sich zu benutzen, um Oesterreich so zu schwächen, daß er von daher nichts zu besorgen hatte.

Nachdem er am 3. April 1744 einen geheimen Vertrag mit Frankreich eingegangen, trat er am 22. Mai desselben Jahres der Union von Frankfurt a. M. bei, worin er sich mit dem König von Schweden als Landgrafen von Hessen, mit dem Kurfürsten Karl Theodor von der Pfalz und dem Kaiser Karl VII. verband. Oeffentlicher und angeblicher Zweck Friedrichs II. war hierbei: die Rechte Kaiser Karls VII. und des deutschen Reiches, sowie die Ruhe in Letzterem zu schützen und zu erhalten Auch Maria Theresia hatte im vorigen Jahre in einem Schreiben an den Kurfürsten von Mainz (v. 21. Juni 1743) die nationale Seite berührt. »Eine fremde, für die allgemeine Wohlfahrt höchst gefährliche Macht hat allda (in Deutschland) ungescheuet den Meister gespielt und Deutschland durch Deutsche aufzureiben ganz augenscheinlich gesuchet, wie ihr zum Theil auch gelungen ist.« »Wie blind gleichsam der französische Gehorsam ist, so haben doch viele von der Nation des angefangenen Kriegs Ungerechtigkeit selbsten zu erkennen und zu verabscheuen mehrmalen bezeuget, nicht ohne jene Deutsche zu beschämen, welche aus eigennützigen, oder auch nur zaghaften, weder mit dem Gewissen und obhabender Verbindlichkeit, noch mit der Gesinnung eines wahren Patrioten zu vereinbarenden Absichten sich nicht gleichermaßen gerühret finden.«; deßhalb sollte die Frankfurter Union (alle Reichsstände wurden zum Beitritt eingeladen) Marien Theresien zur Anerkennung Karls VII. zwingen und ferner durchsetzen, daß der Streit über die österreichische Erbfolge der Entscheidung des Reiches überlassen würde. Somit war also eigentlich die ganze Sache bloß zu einer deutschen (welche jede fremde Einmischung ausschließen und abweisen mußte) erkläret, – und dennoch trat Frankreich der Frankfurter Union unterm 5. Juni bei; es versprach, zum Angriff gegen Oesterreich und zum Schutze des Kaisers mit zwei Armeen am Rheine vorzurücken. Nun kam auch noch ein geheimer Nachtragsartikel, worin Friedrich II. versprach, für Karl VII. Böhmen zu erobern; dagegen sollte ihm der Rest des österreichischen Schlesiens, nebst den von demselben umschlossenen mährischen Gebieten und mehreren böhmischen überlassen werden. Endlich wünschte Friedrich II. noch den Besitz von Ostfriesland, dessen Fürst im Mai starb. Allerdings lauter deutsche Angelegenheiten, insofern wenigstens, als sie das Schicksal deutscher Gebiete betrafen, aber durchaus nicht in der Art, als ob sich darin wahrhaft deutsch-nationale Gesinnungen deutscher Fürsten kund gegeben hätten. Es hieß wohl: »Jedem etwas,« aber nicht: »Jedem das Seinige.« Es handelte sich um Besitz, nicht um Recht. Im Grunde dienten alle deutschen Theilhaber der Frankfurter Union nur den Zwecken Friedrichs II., welcher denn auch der Einzige von ihnen war, der wirklich handelte. Hessen und Kurpfalz, sowie Kur-Köln, Würtemberg und Bamberg, welche gleichfalls der Union beitraten, rührten sich nicht. Als Maria Theresia von dem Abschluß der Frankfurter Union Nachricht erhielt, sprach sie: »Gott weiß mein Recht; er wird mich wohl beschützen, wie er bisher gethan hat.«

Einen scharfen Gegensatz zu diesen wenigen Worten, welche den Charakter Marien Theresiens treffend bezeichnen, bildeten hier die ausführlichen Erklärungen des Königs von Preußen hinsichtlich seines uneigennützigen Eifers für die Würde des Reichsoberhauptes und – die deutsche Freiheit! In der an allen Höfen bekannt gemachten Druckschrift über die Beweggründe, weßhalb er »dem Kaiser Hülfsvölker gegeben,« wurde Maria Theresia des Uebermuthes und der Treulosigkeit angeklagt, wurde es ihr zum Vorwurf gemacht, daß – sich der Erfolg zu ihren Gunsten gewendet, und daß sie ihn benutzt! Wenn man die wahren Beweggründe des Königs ermißt, wird man nicht umhin können, in hochtönenden Redensarten wie die folgenden die bitterste Ironie zu finden: »Wenn die Königin von Ungarn,« hieß es z. B., »die deutsche Freiheit angreift, so erweckt sie Vertheidiger derselben;« – dann weiterhin: »Der Stamm dieser alten Deutschen, welche so viele Jahrhunderte hindurch ihr Vaterland und ihre Freiheiten wider die ganze Majestät des alten römischen Reiches verfochten haben, besteht noch, und er wird sie auch heutzutage gegen Diejenigen vertheidigen, welche es wagen, dieselbe anzutasten.« Der König versicherte: »Er glaube von der ihm durch Gott verliehenen Macht keinen edleren und rühmlicheren Gebrauch machen zu können, als sie zur Unterstützung des Vaterlandes, das die Königin von Ungarn, in Fesseln schlagen will, anzuwenden, um die Ehre und die Gerechtsame aller Kurfürsten zu rächen, dem Kaiser mächtigen Beistand zu leisten und ihn in allen seinen Rechten, sowie auf dem Throne zu schützen, von welchem ihn jene Fürstin verdrängen will. Mit einem Wort: der König fordert nichts und es betrifft durchaus nicht sein eigenes Interesse; er ergreift einzig deßhalb die Waffen, um dem Reiche die Freiheit, dem Kaiser die Würde, Europa die Ruhe wieder zu geben.« Maria Theresia ließ es an einer Gegenerklärung auf die von dem preußischen Minister, Grafen Dohna am 7. August abgegebene Declaration nicht fehlen, und wälzte den gegen sie erhobenen Vorwurf: Bruch der Verträge, auf den König; sie sprach es unverholen aus, daß dessen wahre Absicht sei, neue Eroberungen zu machen, und sie suchte zu beweisen, daß ihr Benehmen gegen Kaiser und Reich sich vollkommen rechtfertigen lasse.

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