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Der nächste wichtige Schritt schien Marien Theresien: ihrem Gemahl die Mitherrschaft zu übertragen, wenigstens den Titel und die Rechte derselben, wenngleich sie selbst die Alleinherrschaft fortzuführen gesonnen, wie sie dazu vollkommen befähigt war. Sie mochte von dieser Maßregel nicht etwa einen Auskunftsweg in augenblicklicher Verlegenheit erwarten, aber ein weiter aussehender Plan lag dabei im Hintergrunde, der Wunsch, die deutsche Kaiserkrone welche seit Albrecht II. blos Habsburger getragen, ohne daß die Wahlfreiheit als reichgesetzliche Grundlage darüber erloschen, – auf dem Haupte ihres Gemahls zu erblicken; die Fortsetzung eines ähnlichen Verhältnisses für die Verjüngung Habsburgs durch Lothringen war, schon in Beziehung auf die Autorität der Dynastie und auf die Stellung der österreichischen Erbstaatsmacht zu den übrigen Mächten Europa's wünschenswerth.
Aber welche Vorsicht war hiefür nothwendig, bei der theils offenkundigen, theils schlechtverborgenen Eifersucht der übrigen Mächte! Maria Theresia sah dies wohl ein und wollte auch demgemäß handeln.
Die Mitherrschaft Franz Stephans mit Maria Theresia in den österreichischen Erbstaaten sollte die erste Stufe zur Erreichung des Planes sein. Die Uebertragung der Mitregentschaft, wobei allerdings gewahrt war, »daß der pragmatischen Sanktion hiedurch nicht der mindeste Abbruch geschehen solle« – Franz Stephan mußte darüber die bündigsten Neversale ausstellen, – wurde durch eine Urkunde vom 21. November 1740 mit landständischer Einwilligung »aus ganz freiem Willen, nicht nur für Uns, sondern auch für Unsere sämmtliche jetzige und künftige eheliche Leibeserben« ausgesprochen. Am folgenden Tage, dem 22. November, fand dann sogleich die feierliche Huldigung der niederösterreichischen Landstände zu Wien statt; Maria Theresia nahm sie nicht, wie sonst bräuchlich, zu Pferde sitzend, sondern – sie war gesegneten Leibes – in der Ritterstube der Burg, unter einem schwarzen Baldachin sitzend, entgegen, und erwähnte in selbstgehaltener Rede neben der Versicherung, daß sie die alten Privilegien erhalten wolle, auch der Mitherrschaft ihres Gemahls. Das übliche Huldigungsgeschenk der Stände nahm sie, in Betracht der damals herrschenden Noth im Lande, nicht an. Die gleichzeitigen Berichterstatter der Feierlichkeiten, welche damals stattfanden, heben den Umstand als bemerkenswerth hervor, daß Franz Stephan »der Funktion, ohne vermerkt zu sein, durch ein Spalier zugesehen«, und daß »kein fremder Botschafter oder Minister diesem Aktus beigewohnt; man hat es von dem päpstlichen Nuntius geglaubt, die Ursache seines Nichterscheinens aber sollen die noch nicht erhaltenen Credentialien sein.«