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Kaiserwahl Franz Stephans.

Der Wahlconvent wurde in Frankfurt am Main eröffnet und die böhmische Kurstimme, – ungeachtet der Protestation des Königs von Preußen, als Kurfürsten von Brandenburg, und des Kurfürsten von der Pfalz, – zugelassen. Franz Stephan hatte übrigens keinen Nebenbuhler um die Krone Karls des Großen, wohl aber ein französisches Heer gegen sich, welches die Freiheit der Wahl sichern wollte! Es war im März und April über den Rhein und Main vorgerückt und hauste im Rheingau schlimm genug. Eine österreichische Armee unter dem alten und untüchtigen Herzog von Ahremberg wußte sich hinter die Lahn zurückziehen. Nachdem sich aber Bathiany, der am 13. Juni an Ahrembergs Stelle kam, und Traun zu Ende dieses Monats vereinigt hatten, worauf Franz Stephan den Oberbefehl übernahm, wichen die Franzosen unter Conti am 18. Juli bei Rhein-Türkheim mit Verlust über den Rhein zurück, und Franz Stephan stellte nun seine Armee zur Beobachtung am Neckar bei Heidelberg auf, wo er das Hauptquartier nahm.

Am 13. September um die sechste Morgenstunde gab die große Domglocke zu Frankfurt am Main den Bürger-Compagnien und der Stadt-Garnison das Signal, ihre Posten zu beziehen; die Bürgerschaft theilte sich in vierzehn Quartiere, marschirte mit fliegenden Fahnen und klingendem Spiel und stellte sich am Dom auf. Um neun Uhr fuhr der Kurfürst von Mainz nach dem Römer; und von dort begab er sich nach 10 Uhr, an der Spitze der Wahlgesandten von Trier, Köln, Böhmen, Bayern, Sachsen und Hannover, – alle zu Pferd, in den kostbarsten Prunkgewändern, – nach dem Dom; dort sollte die Wahl im Conclave vorgenommen werden. Feierlicher Gottesdienst ging dem Letzteren voran; es wurde eine Messe gehalten, und das » Veni, sancte spiritus« angestimmt, dann rief der Kurfürst von Mainz die fehlenden Wahlgesandten von Brandenburg und der Pfalz zum erstenmal auf, und hiernach legten die anwesenden Gesandten den herkömmlichen Eid ab; als das Wahlkollegium in das Conclave getreten war, wurden die Botschafter von Brandenburg und Pfalz, zum zweitenmal aufgerufen, um dem Brauch und den Verordnungen Genüge zu leisten; sie hatten am Abend vor dem Wahltag Frankfurt verlassen und sich mit ihrer ganzen Suite nach Hanau begeben.

Nach drei Stunden war das Wahlgeschäft beendigt und der Domdechant von Mainz rief »den durchlauchtigsten Fürsten und Herren, Herrn Franciscum Stephanum, Herzog von Lothringen und Bar, Großherzog von Toskana und König von Jerusalem« als erwählten römischen König aus. Da scholl in und außer dem Dom ein tausendfaches Lebehoch, da klangen alle Glocken zum vollstimmigen Festgeläute. Langsam schritten nun der Kurfürst von Mainz und die Wahlgesandten von der Bühne in den Chor, und nun wurde der ambrosianische Lobgesang angestimmt, welchen Trompeten- und Paukenschall begleitete, während hundert Kanonen dreimal gelöst wurden, weithin zu verkünden, daß das heilige römische Reich wieder ein Oberhaupt habe. Um zwei Uhr des Nachmittags war der Wahlaktus beendigt, die Wähler zogen in derselben Ordnung, wie sie zum Dom gekommen waren, nach dem Römer zurück, worauf jeder Einzelne unter freudigem Zuruf des Volkes nach seinem Quartiere fuhr.

Franz Stephan vernahm die erste Nachricht der Erfüllung seiner Wünsche durch den Grafen Auersperg, welchem alsobald Graf Ostein, von Seiten des Kurfürsten von Mainz, und der Reichserbmarschall Graf Pappenheim, im Namen des Kurfürsten-Kollegiums, der Erstere mit offenem Creditiv, der Letztere mit mündlicher Kommission folgten; am 17. Septbr. kam der Landgraf von Hessen-Darmstadt, dem vierzig blasende Postillons vorritten, mit dem Wahldiplom im Hauptquartier an, worauf am 18. Feldgottesdienst (der Bischof von Speyer las die Messe und stimmte das Tedeum an) und Heerschau stattfanden. Mit Ungeduld hatte inzwischen Maria Theresia, wenn sie auch über das Resultat des Wahlgeschäftes nicht in Ungewißheit sein konnte, das Eingehen der Nachricht von Frankfurt erwartet, und kaum war der Kurier mit der erwünschten Botschaft in Wien eingetroffen, als sie auch sogleich ihre Reise nach Frankfurt, zu welcher bereits Alles vorbereitet war, antrat. Am 15. September verließ sie Wien und am 25. sah sie aus einem Fenster des Gasthofes zum römischen Kaiser in Frankfurt den geliebten Gatten in solcher Pracht, wie sie der durch Jahrhunderte berühmten Würde eines höchsten Hauptes der Christenheit gebührte, vom Bornheimer Feld, wo ihn der Kurfürst von Mainz und die Wahl-Gesandten bewillkommnet hatten, durch die Zeil seinen Zug nach dem Dom halten; dort beschwor er im Conclave die Wahlkapitulation.

Nun ein Bild der Kaiserkrönung nach gleichzeitiger Aufzeichnung! Die Krönung war auf den 4ten October, den Tag des heiligen Franciscus, festgesetzt worden.

Am frühen Morgen dieses Tages wird die Sturmglocke eine halbe Stunde lang gezogen; da wird's in Frankfurts Straßen lebendig, da eilen die Bürger der freien Reichsstadt mit Ober- und Untergewehr aus den Häusern, und bald sieht man sie in stattlichen Haufen vor jenen ihrer Hauptleute versammelt, bis die Stunde schlägt und zum Aufbruch mahnt. Nun wallende Fahnen, Trommelwirbel, klingendes Spiel, geschlossene Marschreih'n; alles auf die Posten, vom kaiserlichen Hoflager bis zum Dom; die Straßen zur Parade besetzt, drei Bürgerkompagnieen auf dem Römerberg; überall Festtagsgesichter. – Nun die hohen und höchsten Personen. In ihrem Kurfürstenanzug begeben sich die Kurfürsten von Mainz und Trier, im kostbarstem Kleiderprunk der Abgesandte von Kurköln, jeder mit stattlichem Gefolge aus ihren Quartieren in den Dom; dort bekleiden sich die beiden Ersteren mit den Pontifikalien, der Letztere mit Chorrock und Chorkappe, und schließen sich der glänzenden Versammlung von Prälaten an, welche im äußersten Schmuck ihrer geistlichen Würde zum Empfange des erwählten und nun zu krönenden römisch-deutschen Kaisers bereit sind. Nun nimmt der Kurfürst von Mainz, der die Krönung vollbringen soll, im Beisein des Kurfürsten von Trier und des Gesandten von Kurköln die uraltehrwürdigen Reichsinsignien von den Abgeordneten Aachens und Nürnbergs in Empfang, und der kurmainzische Hofkanzler stellt im Namen des Kurfürstenkollegiums dem Stift und der Stadt Aachen einen Revers aus, daß der gegenwärtige Aktus der Krönung, der in Frankfurt stattfinde, die alten Gerechtsame Aachens in keiner Weise gefährden noch benachteiligen solle. Nun werden Krone, Scepter, Reichsapfel und das Schwert des heiligen Mauritius durch zwei von dem Kurfürsten von Mainz ernannte Domherren in einer kurfürstlichen Kutsche, von vielen Hofkavalieren begleitet, ins kaiserliche Hoflager gebracht, während die assistirenden Bischöfe und Prälaten das Pluviale aus der Sakristei auf den rechts vom Consekrations-Altar stehenden Insignien-Altar legen; Dalmatika, Alba, Stola, Sandalen, Strümpfe, Handschuhe und Cingula des Kaiserornates werden in das Conclave getragen, welches hierauf der Reichs-Erbthürhüter verschließt. Inzwischen haben sich die Wahlgesandten der weltlichen Kurfürsten in kostbaren Mantelkleidern nach dem Römer begeben, und hinter ihnen führet man die herrlich geschmückten Rosse, die sie später besteigen werden; während zehn festlich gemeldete Unterofficiere der Stadt-Garnison den Baldachin, unter welchem der Kaiser zum Dom reiten wird, vom Römer zum kaiserlichen Hoflager tragen; zehn Deputirte des Magistrats, welche denselben dann zu tragen die Ehre haben werden, schreiten, entblößten Hauptes in schwarzen Mänteln hinter dem Baldachin einher. Nicht lang darnach besteigt der Reichserbmarschall unter'm Schall von Trompeten und Pauken sein Pferd, und reitet zum kaiserlichen Hoflager. Als er von demselben zurückkehrt, wird mit allen Glocken geläutet und nun beginnt der Zug der Gesandten, um den Kaiser abzuholen. Voran ihre Lakaien, Haiducken und Pagen; dann die Cavaliere vom Gefolge zu Fuß, hierauf der Reichserbmarschall zu Pferd; hinter ihm, gleichfalls zu Pferd, die Gesandten. Am kaiserlichen Hoflager angelangt, steigen sie ab, und begeben sich in das kaiserliche Zimmer, wo sie die Reichsinsignien den Erb-Beamten und deren Vertretern übergeben. Hierauf steigen sie wieder zu Pferde, und nun beginnt der feierliche Zug nach dem Dom; da sitzt der erwählte Kaiser, dem die Insignien getragen werden, zu Rosse unter dem Baldachin, welchen jene Deputirten des Rathes tragen; wer zählt all die Einzelheiten, wer faßt all die Pracht, die da zur Schau getragen wird; wer denkt dabei, wie wenig Macht bei so viel Schein! Dies römisch-deutsche Kaiserthum, welches Franz Stephan von Lothringen repräsentirt, dem sie als Kaiser Franz I. unter tausendstimmigem Jubel des Volkes den Ornat Karls des Großen anthun, dem sie dessen Krone aufs Haupt setzen, – es ist eine Leiche, wer möchte, wenn man diesen Prunk sieht, der sie umgibt, nicht jener Überlieferung gedenken, die sich an Otto's III. Besuch bei Karls des Großen Leiche knüpft, daß er den großen Todten noch aufrechtsitzend unversehrt gefunden, mit Schwert und Schild und Evangelienbuch? Jenem dritten Otto erschien in der Nacht darauf im Traume der große Karl und verkündigte ihm sein nahes Ende; wahrlich: an jenem Krönungstage Franz des Ersten schritt auch ein Geist, der des weiland deutschen Reiches, umher, und verkündigte, daß ein zweiter Franz vom morschen deutschen Throne aufstehen und daß dieser zusammenstürzen werde. Ob da nicht jener Günther von Schwarzburg unsichtbar mitten unter allen den stattlichen Herren stand, und warnend die Hand erhob, und des letzten Schlages dachte, der über das deutsche Kaiserthum gefallen, und all der Schmach, die seither darüber ergangen, seit der Kurfürstenschluß von Rhense eben zu Rhense wieder zur Lüge gemacht worden? Die Ceremonien der Krönung vollbracht, beglückwünscht der Kurfürst von Mainz im eigenen Namen wie in dem des Kurfürsten-Kollegiums den Kaiser, empfiehlt ihm das Beste des heiligen römischen Reiches, – als ob ein deutscher Kaiser dafür noch etwas hätte thun können! – und stimmt dann das Tedeum an, während dessen Franz l. mit dem Schwert Karls des Großen, das ihm der Gesandte Kursachsens gereicht, verschiedene Grafen und Herren zu Rittern schlägt; – welche Ironie! es gab ja keine Ritter mehr, welche die Ehre des römischen Reiches verteidigen konnten. Während des Tedeums – abermals Trompeten und Paucken, Glockengeläute, Kanonensalven; wie ganz andere Salven hatte Friedrich II. wenige Tage vorher bei Sorr erdonnern lassen, und Friedrich II. war doch wohl auch ein Mitglied des heiligen römischen Reiches! – Mit der Reichskrone auf dem Haupte tritt jetzt Franz I. aus dem Dom und begibt sich im stattlichen Zuge, unter dem bereits erwähnten Baldachin, zum Römer; – die Bahn unter ihm ist gedielt und mit dreifarbigem Tuch belegt, um dessen Lappen sich der Pöbel schlägt, sowie der Kaiser darüber hingezogen; – auch hier liegt eine bittere Vergleichung nahe, – eine Beziehung auf die Geschichte dieses Jahrhunderts. Bei solchen Gedanken nichts von dem Jubel des Volkes, das sich auf dem Römerberge um die Ceremonien drängt und schlägt, wie sie altherkömmlich durch die Würdenträger der Erbämter verrichtet werden sollten. Welcher Jubel um Dinge, deren Bedeutung erloschen, welche Wichtigkeit: Wein, Weizen, Geld und Krönungsochsen! Und doch betrachten die Großen diesen unschädlichen Volksjubel mit nicht geringem Vergnügen; alte Sitte – alte Begriffe; ein einziger Augenblick stürzt all den harmlosen Schlendrian um, und dasselbe Volk, das eben für den Krönungsochsen Parthei ergreift, ergreift sie nächstens noch lebhafter und mit besserem Fug und Recht für sich selbst! Nichts von der Tafel, zu welcher der römische Kaiser mit Vortragung seiner Insignien geführt ward! Nichts von all den Beglückwünschungen, nichts von dem Ceremoniengange, auf welchem die Nürnberger die Insignien wieder abholen und sich vom Hoflager nach ihrem Quartiere zurückbegeben. Nichts von all den »huldvollen Beförderungen«, womit der neue Kaiser seinen Reichsantritt bezeichnete, – der arme Mann, der nichts als Titel spenden konnte, wie er selbst ja nichts als einen Titel besaß! Nur das noch zum Schluß, – den kleinen, aber hübschen Zug, der das Glück seines Familienlebens und die rechte Fraulichkeit seiner Gemahlin bezeichnet! Maria Theresia hatte es sich nicht nehmen lassen, seiner Krönung beizuwohnen; im Dom sah sie derselben auf einer eigenen im Chor errichteten Bühne zu. Als ihr Gemahl dann in den Römer zurückkehrte, stand sie am Fenster eines dem Römer zunächst gelegenen Hauses, und wie nun alles Volk ihm Lebehoch ruft, ist sie so ergriffen, – (ist's ja doch der Mann ihres Herzens, an dem der höchste Wunsch ihres Herzens sich erfüllt!) daß sie selber das Tuch schwenket, und mitruft: »Es lebe der Kaiser!« Man hörte es noch deutlich, als mitten im Jauchzen des Volkes eine kleine Pause entstanden war.

Und doch wollte sie in ihren Erblanden allein regieren! Was sollte nun der Kaiser thun, der im deutschen Reich gar nichts zu regieren hatte? Er verlegte den Reichstag von Frankfurt a. M. wieder nach Regensburg und besetzte die Stellen beim Reichshofrath.

Noch ein Charakteristisches bleibt zu erwähnen. Sollte man glauben, daß der heilige Vater Benedikt XIV. gegen die Wahl Franz I., des getreuen Sohnes der Kirche, des Gemahls der frommen Maria Theresia, protestirte? Der Grund ist folgender: Franz I. hatte unterlassen, einen Schritt zu thun, welchen Karl VII. gethan, nämlich: sich die Einwilligung des Papstes zur Wahl zu erbitten. Der Zug könnte unbedeutend erscheinen; wenn man nicht tiefer blicken will!

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