Richard Dehmel
Zwei Menschen
Richard Dehmel

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13.

Nun krümmt das welke Laub sich sacht zum Falle;
nun bringt's die lange verhüllten Früchte alle
in Feld und Garten voll zu Ehren.
Die Eberesche schwenkt die hundert schweren
hochroten Büschel kühn vorm Ziegeldache.
Nur des Hollunders purpurschwarze Beeren
betrauern sich am dunkelgrünen Bache,
zu dem sie lastend niederschwellen.
Ein Mann verfolgt die Bilder in den Wellen:

Eins greift ins andre – keins ruht – nichts ruht –
o hilf ein Ziel sehn! – wie's lockt, wie's warnt, dies Drängen!
Es bringt kein Glück, du, still Brust an Brust zu hängen;
so trieb's die Tote – das fraß an ihrem Blut.
Ich war ihr Vampir. Du wirst der meine,
wenn ich noch länger in dir ruh.
Schon immer bannender werfen Deine
Augen mir ihre Blicke zu.
Dann kreist die Welt mir, als will sie mich befreien,
als sind auch Wir nur einsam zu Zweien.

Im dunkeln Wasser kreist Bild in Bild.
Er faßt das Weib an, wie innerst aus den Gleisen.
Sie neigt sich zu ihm, muttermild:

Du Ungestümer – so laß die Welt doch kreisen –
sie kreist durch mich wie dich; was wehrst du ihr!
Bald wirst du dankbar das Wunder preisen,
daß dir die Tote aufersteht in mir.
O Du! wie lag ich einst voll Grauen,
vom Geist der Unterwelt durchwütet;
da lehrtest Du mich, ihm vertrauen,
der Lust wie Leid zur Reife brütet.
Nun sieh, wie dort ums Dach die Früchte lachen,
rot uns ins Herz, still wirkende Gebote!
Heute fühlst du nur das Rote;
morgen wirst du froh erwachen.

Leis umweht ihr Haar ihm Bart und Wangen.
Zwei Menschen sehn die Welt gen Himmel prangen.


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