Richard Dehmel
Zwei Menschen
Richard Dehmel

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27.

Und ein wüster Traum scheint Wirklichkeit geworden:
durch grabesstille Säle tobt ein Farbenmeer:
nackte Leiber hängen an den Wänden umher,
und geputzte Damen, Tiere, Bäume, Herren mit Orden.
Neben blühenden Feldern sieht man arme Leute jammern.
Aus vergoldeten Rahmen stieren elende Kammern.
Endlich seufzt der Mann und lächelt schwer:

Ich segne wahrhaftig meine gelähmte Hand,
wenn so viel gesunde auf käuflicher Leinewand
mit ihrer natürlichen Ohnmacht Stimmung machen.
Ob diese Künstler nicht über sich selber lachen,
wenn sie mit kindischer List vom vollen Leben
den Schaum abschöpfen? – Aber eben:
Stimmung – die Sprache sagt es – läßt sich »machen«,
Gefühl und Geist sind Wenigen voll gegeben.
Sieh dort; in all dem Schwall das schmale Bild,
von dem wir hier nur eine Klarheit erkennen,
die kühn aus tiefem Grau ins Blaue schwillt;
und magst du's arm vielleicht an Farbe nennen,
du fühlst doch, daß da Einer spricht,
der innerlich so reich ist wie das Licht,
und der drum Schatten wirft auf das Gelichter
dieser dürftigen Flunkerwichter.

Sie treten näher. Sie sehn am Strand
des Nachtmeers schlafend einen Knaben liegen:
ein großer Stern scheint seinem Atem entstiegen,
in dessen Glanz sich alle Wellen wiegen.
Endlich nimmt das Weib des Mannes Hand:

Und stimmt das nicht zum Frieden deinen Geist?!
Mir deucht, von sicherm Ufer kann man dreist
auch einem Irrlichtschwarm Reiz abgewinnen.
Ich glaube, dir ist das Herz durch Andres schwer.
Ich hab auf einmal Sehnsucht nach dem Meer;
uns fehlt wohl nur der freie Himmel hier drinnen.

Sie lächelt: komm! Er stutzt. Dann nickt er nur.
Zwei Menschen folgen ihrer Natur.


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