Richard Dehmel
Zwei Menschen
Richard Dehmel

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5.

Und es liegt ein Strom im Tal, und Nebel steigen;
der Strom glänzt gläsern und scheint stillzustehn.
Aus grüner Dämmrung dehnen und verzweigen
die Wälder sich zu hundert blauen Höhn.
Ein dunkles Schloß wiegt zwischen seinen Giebeln
den großen goldnen Mond; zwei Fenster glühn.
Und drunter winden sich an Rebenhügeln
die Lichter kleiner Städte hin.

Dort – sagt das Weib und weist mit der Gerte
von ihrem Pferd ins Zwielicht hinab –
dort ging ich eines Nachts von Grab zu Grab
und weinte bis zur Herzenshärte.
In die Strudel im Strom, ins Gewirr der Bäume,
zu den Sternen, die über die Berge starrten,
verstieß ich meine Himmelsträume
und verließ meine Toten, verschloß meinen Garten.
Keine Seele fragte mehr nach meiner,
kein Geist der Väter trat her zu mir;
nur die reiche Erbin wollte manch Einer.
So ging ich ins Leben. So kam ich zu Dir.

Lange schweigt der Mann. Die Pferde scharren.
Ein Stein rollt zu Tal, ein Echo weckend.
Und das Weib beginnt in den Mond zu starren.
Da sagt er leise, den Arm ausstreckend:

Komm – es wollt eine Seele sich befrein,
da band ihr die Sehnsucht die Hände.
Was beschwörst du Schatten am grünen Rhein!
Sieh dort in die Lichter mit mir hinein,
in die Heimat ohne Ende!
Sieh: ist nicht der Himmel herabgesunken,
dein dunkles Tal wie von innen erhellt!
Sternbildern gleich steht Funken neben Funken,
vom Geist der Väter alle zusammengestellt!
Und mild belebt das irdische Gräberfeld
der tote Mond, vom Licht der Sonne trunken!

Zwei Menschen atmen auf, in ihrer Welt.


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