Richard Dehmel
Zwei Menschen
Richard Dehmel

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10.

Und sie steigen den bleichen Firnen zu,
von dem fernen stummen Blitzdunst umhaucht,
der die schwülen Almen, die Pfade, die dunkle Fluh,
die Hütten, die Heerden in Geisterlicht taucht –
wie verzaubert staunt der Blick einer Kuh.
Groß voll Ruhe, weitaus trunken,
schlürft das Auge die Himmelsfunken,
reglos ragt das Hörnerpaar –

Wie die Götterfürstin starrte,
wenn sie auf den Gatten harrte,
dessen Gruß der Blitzschlag war –
raunt der Mann dem schauenden Weibe
seltsam zu und macht sich frei.
Ein erstickter Schrei –
sausend zuckt sein Bergstock an ihr vorbei –
und ein Schritt, und funkelnd mit peitschendem Leibe
speit unter seinem knirschenden Schuh
eine Viper den letzten Blick ihr zu,
noch tötlich lauernd.
Schützend, schauernd
naht ihr seine Stimme:
Du – innig bis ins bangste Mark:
Lea! meine Löwin! sei stark!

Sie hat die großen Augen geschlossen;
wie ein klein Mädchen steht sie da
mit ihrer Haut voll Sommersprossen,
bleich vom Glanz der Blitze umflossen.
Wie verzaubert nickt sie: Ja –

ich weiß nit, wie mir eben geschah –
halt mich noch ein Weilchen umfangen,
du warst so ruhig, bleib mir nah –
ich wußt ja nit: mir graut vor Schlangen –
bis unters Herz ist mir's gegangen –
o geh mit deiner Löwin, Du:
ich glaub, ich bin – lach nit – dei' Kuh –

Und zwei Menschen segnen ihr Todesbangen.


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