Richard Dehmel
Zwei Menschen
Richard Dehmel

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35.

Durch offne Fenster, lautlos, glänzt die Nacht.
Es regt sich nur das Licht der tausend Sterne.
Und Frühlingshauch. Und dunkelblaue Ferne.
Und manchmal eine Fledermaus auf Jagd.
Und Atemzüge, unterdrückt und schwer,
voller Spannung, mehr und mehr.
Jetzt rauscht ein Seidenglanz und bricht den Bann:
ein Weib drängt sich an einen Mann:

Lukas! was liegst du wie vom Alb gedrückt,
als ob du nichts von meinem Dasein fühltest!
Meinst du, mich hat die Zukunft nicht bedrückt,
wenn du mich Tag für Tag für Tag hinhieltest?!
Und jetzt, wo dieser Druck mich fast erstickt –
Du! – Lukas?! – Wenn du – wenn du mit mir spieltest –

Sie schüttelt ihn, ihr Augenglanz wird hart;
er starrt hinein, wie vorher in die Ferne.
Und wieder regt sich nur das Licht der Sterne,
die Jagd der Fledermäuse. Und sie starrt;
sie starrt wie er – will drohn – da wirkt sein Bann:
sie zuckt, sie nickt, sie lacht ihn traumhaft an.
Und traumhaft geht sein Wort ihr zu Gemüt:

Fürstin, ich will nichts halb. Ich will dich sehn,
in ganzer Schönheit, ganzer Häßlichkeit.
Ich will vor dir, du sollst vor mir bestehn,
vom Alb der scheuen Ahnungen befreit;
ich will die nackteste Befreiung.
Wenn dann die Male deiner Mutterwehn
dich nicht dem Gott in meiner Brust verleiden
oder dem Tier in unsern Eingeweiden,
will ich nach so viel Sehnsucht und Kasteiung
nicht wie ein Nachttier mich mit dir vergehn:
ich will mit dir ins Licht der Menschlichkeit!
Sei bereit!

Er küßt sie wach; er drängt sie sanft zurück.
Sie sitzt und sinnt, wie über Raum und Zeit.
Zwei Menschen beten für ihr Glück.


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