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Die Anklage gegen Liebknecht auf Majestätsbeleidigung war auf Beschluß der Anklagekammer von der Anklage wegen Vorbereitung auf Hochverrat getrennt und vor das Leipziger Bezirksgericht verwiesen worden. Hier wurde Liebknecht Anfang April freigesprochen. Ende Mai 1872 verwarf das Oberappellationsgericht in Dresden unsere Nichtigkeitsbeschwerde, es war somit das Urteil des Schwurgerichtes rechtskräftig geworden. Liebknecht trat Mitte Juni seine Haft in Hubertusburg an. Ich hatte nach Schluß des Reichstags auch noch eine Anklage zu erledigen. Ich war ebenfalls auf Majestätsbeleidigung, begangen durch Reden in zwei Volksversammlungen im Bezirk der Leipziger Amtshauptmannschaft, angeklagt worden. Ich hatte anknüpfend an das Dankschreiben des Königs von Preußen vom 25. Juli 1870, das mit den Worten schloß: er hoffe, daß die Freiheit und Einheit Deutschlands das Ergebnis des Krieges sein werde, allerlei kritische Bemerkungen gemacht. Ich hatte ausgeführt, daß wir zwar die Einheit bekommen hätten, die Freiheit sei aber ausgeblieben; es sei in dieser Beziehung sogar schlimmer als früher, was ich durch Tatsachen bewies. Es sei eben die alte Geschichte. Seien die Könige in der Verlegenheit, so fehle es nicht an schönen Versprechungen, habe aber das Volk die Opfer gebracht und die Könige gerettet, dann würden die gemachten Versprechen vergessen und nicht eingelöst. In diesen Ausführungen sah die Staatsanwaltschaft eine Majestätsbeleidigung, und der Gerichtshof schloß sich ihr in der Verhandlung am 6. Juli 1872 an, in der ich mich selbst verteidigte. Der Staatsanwalt hatte eine Zusatzstrafe zu der bereits erkannten Festungshaft beantragt. Das Gericht ging über diesen Antrag hinaus und verurteilte mich zu neun Monaten Gefängnis. Da es sich um eine andere Strafart als die mir bereits zuerkannte handelte, fiel die Zusatzstrafe; sonst würden, wenn es bei neun Monaten Festung geblieben wäre, diese mit der schon erkannten Festungshaft wahrscheinlich auf achtundzwanzig Monate zusammengezogen worden sein. Außerdem ging der Gerichtshof noch in einem zweiten Punkte über den Antrag des Staatsanwaltes hinaus, er erkannte mir das Reichstagsmandat ab.
Dieser letztere Beschluß war ein großer politischer Fehler von seiner Seite, denn da er mir nicht auch die Wählbarkeit aberkennen konnte, mußte er sich sagen, sein Beschluß werde wirkungslos bleiben, indem meine Parteigenossen mich in meinem bisherigen Wahlkreis wieder aufstellen und mich sicher wählen würden. So geschah es. Meine Wiederwahl wurde für den Gerichtshof eine schallende Ohrfeige. Darüber später.