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Zum 14. Juni 1871 hatten wir in Leipzig eine Volksversammlung einberufen mit der Tagesordnung: »Die hohen Kommunalsteuern und die städtische Verwaltung«. Leipzig hatte seit 1848 keine solche Beteiligung gesehen wie bei dieser Versammlung. Eine wahre Völkerwanderung begann nach dem Versammlungslokal, das, obgleich es 5000 Köpfe faßte, kaum den dritten Teil der Besucher aufnehmen konnte. Die Versammlung war eine Antwort auf die heftigen Angriffe, welche die Leipziger Presse gegen unsere Partei und speziell gegen mich wegen meines Auftretens im Reichstag inszeniert hatte. Ich ging mit der Stadtverwaltung streng ins Gericht. Die von mir vorgeschlagenen Resolutionen tadelten das Steuersystem, das die kleinen Leute zugunsten der Wohlhabenden ungerecht belaste, sie tadelten ferner die Verwendung der Gemeindesteuern, die hauptsächlich im Interesse der besitzenden Klasse erfolge, und forderten, da diese Wirtschaftsweise nur durch das begehende Klassenwahlgesetz möglich sei, die Einführung des allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrechts. Die Versammlung nahm unter stürmischem Beifall meine Vorschläge gegen drei Stimmen an. Die liberale Presse tobte.
Jetzt begann auch die Aera der Verfolgungen in Sachsen. Im Juli wurde Vahlteich, der als Stellvertreter für Hirsch am »Crimmitschauer Bürger- und Bauernfreund« eingetreten war, als letzterer die Redaktion des »Volksstaat« übernahm, wegen Majestätsbeleidigung durch die Presse zu drei Monaten Festungshaft verurteilt. Kurz darauf erhielt Karl Hirsch wegen desselben Deliktes vier Monate Festungshaft.
Den 3. August eröffnete die Staatsanwaltschaft Liebknecht, Hepner und mir, daß sie gegen uns die Anklage auf Vorbereitung zum Hochverrat erheben werde, außerdem gegen Liebknecht wegen Majestätsbeleidigung. Am 27. September beschloß die Anklagekammer, dem Antrag der Staatsanwaltschaft stattzugeben. Die von uns hiergegen eingelegte Nichtigkeitsbeschwerde bei dem Oberappellationsgericht in Dresden wurde am 10. November verworfen.