Bettine von Arnim
Die Günderode
Bettine von Arnim

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An die Bettine

Deine Briefe haben mir viel Freude gemacht, zweifle nicht daran, liebe Bettine, weil ich Dir selbst so sparsam geschrieben habe, aber Du weißt, viel denken und oft schreiben ist bei mir gar sehr zweierlei; auch hab ich die Zeit schrecklich viel Kopfweh gehabt.

Du schreibst mir gar nichts von Gundel und Savigny, tue es doch.

Ich stelle mir Eure Lebensart recht still, vertraulich und heimlich vor. – Aber ich fürchte nur, Du kommst wieder zu gar nichts. – Dem Klausner hast Du geschrieben, Du treibst Mathematik mit einem alten Juden, und vielleicht werdest Du auch Hebräisch lernen, Du habest schon einen Teil vom ABC inne – mit der Geschichte treibst Du Dich herum wie ein Kätzchen mit einem Spielball, der am Faden hängt; Du wirfst ihn hin und her, solang es dich ergötzt, und dann läßt Du ihn müßig liegen; was Du über Musik vorbringst, ist lauter Larifari, meinst du, wenn etwas schlecht gelingt und sich gegen den Geist sträubt, das sei ein Zeichen, daß man es aufgeben solle? – da bin ich grade der entgegengesetzten Meinung, und wenn auch etwas Dir trivial erscheint, so ist deswegen die Sache es gar nicht, sondern Dein Begriff ist nicht gelichtet; an was willst Du Deine Kräfte üben, wenn nicht an dem, was Dir noch schwer dünkt? – ich glaube, so manches, was Du Dir jetzt fremd glaubst, würde seine innere Verwandtschaft zu Dir geltend machen. – Du hast Wissenstrieb ohne Beständigkeit, Du willst aber alles zu gleicher Zeit wissen, und so weißt Du keinem Dich ganz hinzugeben und setzest nichts recht durch, das hat mir immer leid an Dir getan. – Dein Eifer und Deine Lust sind keine perennierenden Pflanzen, sondern leicht verwelkliche Blüten. Ist es nicht so? – sieh, darum ist es mir gleich fatal gewesen, daß Dein Lehrmeister in der Geschichte Dich verlassen hat, die Begebenheiten unterstützen ordentlich Deinen natürlichen Hang, noch dazu, da er so geistreich und so faßlich und – so liebenswürdig sein soll – so nehm ich es ihm übel, daß er nicht mehr Interesse an Dir nahm. Übrigens muß ich Deine Ausschweifungen im Lernen wieder tragen; es wurde mir im verwerfenden Ton mitgeteilt, und ich merkte, daß meiner Verwundrung hierüber und daß ich nichts davon gewußt habe, nicht Glauben beigemessen wurde.

Von Clemens weiß ich nicht, ob ich wohltun würde, ihm so nachzugehen, wie Du es meinst, es läßt sich da nicht einbiegen und ihm in den Weg treten, um ihm zu begegnen, wo ich ihm aber begegnen werde, da sei überzeugt, daß es nur friedliche und herzliche Gesinnung sein wird, ich bin weit entfernt, ihn aufzugeben, er steht mir vielmehr zu hoch für meine Kräfte, die nicht an ihn reichen. Mein Tadel ist, daß er diese hohen Anlagen alle vergeude, aber ich glaube Dir, daß dies kleinlich von mir ist, und hab mich auch schon gebessert. Ich weiß nicht, ob ich so reden würde, wie er meinen Brief in dem seinigen reden läßt; aber es kommt mir sonderbar vor, daß ich zuhöre, wie ich spreche, und meine eignen Worte kommen mir fast fremder vor als fremde. – Auch die wahrsten Briefe sind meiner Ansicht nach nur Leichen, sie bezeichnen ein ihnen einwohnend gewesenes Leben, und ob sie gleich dem lebendigen ähnlich sehen, so ist doch der Moment ihres Lebens schon dahin; deswegen kommt es mir vor, wenn ich lese, was ich vor einiger Zeit geschrieben habe, als sähe ich mich im Sarg liegen, und meine beiden Ichs starren sich ganz verwundert an.

Mein Zutrauen war freilich kein liebenswürdiges Kind, es wußte sich nicht beliebt zu machen, nichts Schönes zu erzählen, dabei flüsterten ihm die Umstehenden immer zu: Kind, sei klug! gehe nicht weiter vorwärts, der Clemens wird dir plötzlich einen Streich spielen und dir die Schuld geben, daß er dich nicht mehr ausstehen könne. Da wurde das Kind verwirrt und ungeschickt, es wußte nicht recht, wie man klug sei, und schwankte hin und her, darf man ihm das so übelnehmen? – Aber eigensinnig ist das Kind nicht. Wenn es im Hause freundlich und gut aufgenommen wird, kehrt es sicher lieber um, als daß es länger auf der Straße verweile.

So kannst Du dem Clemens über mich berichten, auch daß seine Scherze über meine Art zu schreiben und die ungefügen Worte, die ich gebrauche, mich nicht verdrießen, ich muß mich bei dieser Stelle seines Briefs immer auslachen und werde das Wort Ratschläge gar nicht mehr gebrauchen können, überdem erinnert es mich auch noch an Purzelbäume. –

Ich kenne wenig Menschen und vielleicht niemand ganz genau, denn ich bin sehr ungeschickt, andre zu beobachten. – Wenn ich daher einen Moment verstehe in ihm, so kann ich von diesem nicht auf alle übrigen schließen. Es mag wohl sehr wenige Menschen geben, die dies können, und ich wohl mit am wenigsten. Jetzt denke ich, es sei gut, den Clemens zu betrachten, und erfreulich; und er will, man solle ihn nur betrachten wollen. Ist diese Ansicht wahr oder falsch?

Karoline
 

Ich lese Deinen Brief und den meinen und erkenne, wie verschieden unsre Stimmungen sind, aber ich fürchte nicht, daß Du an mir zweifelst oder mein Übergehen unrichtig auslegtest; was soll man dazusetzen oder einfallen wollen, wo sich etwas frei und wahr ergibt, wie Deine Mitteilungen, aber das, was Du übergehest, das muß ich berühren. Du kommst mir vor wie ein Eroberer, der alle Waffen verschmäht aus Heldenmut, der alles verachtet, was ihn schützen, verteidigen könnte und jede Waffe, die er zum Erobern bedarf; ja, ich glaub, das Hemd möchtest Du abwerfen. Doch sind Wissen, Begreifen, Lernen nicht allein die Armaturen des Geistes, sie sind vielmehr seine Glieder, mit denen er sich wehrt und sich aneignet, was seinem Genie zukommt. Bedenk's alles und neige meinen Lehren ein herablassend Gehör. –

Deine Beichte hab ich mit Sanktion angehört und erteile Dir Absolution und verspreche Dir auch, Dich zu begleiten, wenn Du Deinen Erzeuger aufsuchst. Ich werde wohl nicht die erste Rolle übernehmen müssen bei dieser Überraschung langgehegten Begehrens.

Schreibe mir ein bißchen ordentlich über das Chaos Deiner Verwirrungen.


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