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An die Bettine
Frankfurt
Melonen, Ananas, Feigen, Trauben und Pfirsich und die Fülle südlicher Blüten, die eben in Eurem Hause sorglich verpackt werden, haben mir Lust gemacht, Dir das Violen- und Narzissensträußchen (Wandel und Treue) beizulegen, ich hätte mich gern selbst mit hineingelegt. Der Heliotrop mit den Nelken und Jasmin zusammen ist ein aparter Strauß vom Gontard für Dich, er trug mir auf, es Dir zu melden. Es ist mir jetzt recht traurig, da Du fort bist. – Das Schicksal frönt Deiner Zerstreutheit, bei Euch auch ist ein ewiges Wandern, Kommen, Gehen. Ich bitte Dich, schreib, wie lange Ihr bleibt oder zu bleiben gedenkt. Erst wollt ich nicht, daß Du hier bliebst, und wärst Du nun schon wieder da! – Es ist keine heitere Zeit in mir, viel Muse und keine Begeisterung für sie; man hängt von manchem ab, dem man gar keinen Einfluß zugestehen würde; die Gewohnheit, Dich zu erwarten im Nachmittag, hängt mir wie ein zerrißner Glockenstrang in den Kopf! – Und doch muß ich immer in die Ferne lauschen, ob ich Deinen Tritt nicht höre.
Der Sommer in der Stadt – es bedroht mich ganz dämonisch, den hellen Himmel zu versäumen. – Meine Spaziergänge um das Eschenheimer Tor ertöten mich gänzlich. Auch die Engländer wollen Euch diese Woche noch besuchen, alles geht fort.
Schreib mir viel, auch über meine Sachen, ich schicke dann mehr. Daß ich als Narziß mich gegen Dich verschanze, besser wie im Gespräch, wo Du immer recht behältst, mußt Du Dir gefallen lassen, so mein ich's, und so hab ich recht, und Du hast unrecht; und ich meine, Du könntest immer zufrieden sein damit, so empfunden zu sein durch Deine eigne frische Natur, daß Du meiner sicher bist. Wer im ganzen etwas sein kann, der wird sich auch fühlbar zu machen wissen, und so wird der Wandel nirgend anders als bei der Treue heimkehren, denn sie ist die Heimat. Du bist ja auch heute nicht, was Du gestern gewesen, und doch bist du eine ewige Folge Deiner selbst. Mir scheint es noch außerdem höchst verkehrt, durch selbstisches Bestehen auf dem, was nur wie Sonnenschein vorübergehendes Geschenk der Götter ist, dem Geist die Freiheit zu verkümmern. Treue wächst in dem Geist auf, der liebt; gedeiht sie zu einem starken Baum, so wird kein Eisen so scharf sein, ihn auszurotten, aber ehe die Treue von selbst stark geworden, kann man ihr nichts zumuten; sie würde nur bei einer Anforderung ihr aufkeimendes Leben einbüßen; wenn sie aber einmal vollkommen ausgebildet ist, dann ist sie kein Verdienst mehr, dann ist sie Bedürfnis geworden, Lebensatem; – sie hat keine Rechte mehr zu befriedigen, weil sie ganz organisches Leben geworden ist. – Das sei unsre Sorge, daß jede Lebensregung eigentümliches, organisches Leben werde, das sei unsre Fundamentaltreue, durch die wir in allem Erhabenen mit den Göttern uns vermählen. Bis dahin laß uns einander treffen in ihrem Tempel; die Gewohnheit, uns da zu finden, einander die Hand zu bieten in gleicher Absicht, die wird den Baum der Treue in uns pflegen, daß er als selbständiges Leben von uns beiden ausgehe und stark werde.
Ich habe mich mit dem Gedanken oft herumgetragen, ob nicht alles, was sich vollkommen und also lebendig in der Seele ausbilde, ein selbständiges Leben gewinnen müsse, das dann als willenskräftige Macht (wie jene Treue, mit der du mich magnetisierst) Menschengeister durchdringt und sie zu höherem Dasein inspiriert. – Was sich im Geist ereignet, ist Vorbereitung einer sich ausbildenden Zukunft, und diese Zukunft sind wir selber. – Du sagst, alles gehe ins Innere herein, und du empfändest die Welt nicht von außen. Aber ist denn die äußere Welt nicht Dein Inneres? – oder soll sie es nicht werden? – von innen heraus lernt man sehen, hören, fühlen, um das Äußere ins Innere zu verwandeln, das ist nicht anders, als wie wenn die Bienen den Blumenstaub in die Kelche vertragen, die für die Zukunft sich befruchten sollen. In der Seele liegt die Zukunft in vielfältigen Knospen, da muß aus reiner Geistesblüte der lebendige Staub hineingetragen werden. Das scheint mir Zukunft zu sein. – Jahre vergehen gleich einem tiefen Schlaf, wo wir nicht vorwärts und nicht zurück uns bewegen, und wirkliche Zeitschritte sind nur die, in denen der Geist die Seele befruchtet; in der Zeiten Raum geht das wirkliche Leben aus solchen einzelnen befruchtenden Momenten wie die Blütenperlen dicht aneinander auf. – Was ist auch Zeit, in der nichts vorgeht? – die nicht vom Geist befruchtet ist? – Pause, bewußtloses Nichts! – Raum, den wir durchschreiten, der noch unerfüllt ist. – Aber jene Momente müssen noch so dicht gesäet werden, daß der ganze Raum ein ewiges Blütenmeer von befruchtenden Lebensmomenten sei. – Alle Anreizung in selbständiges Leben entwickeln, das geistbewaffnet nach eigentümlicher Weise die Zukunftsblüten erweckt, das allein ist lebendige Zeit; aber uns selbst für abgeschlossen halten und einer Zukunft entgegenschreiten, die nicht wir selbst sind, das scheint mir Unsinn und ebensowenig wahr, als wenn unsere Einsicht nicht Folge unseres Begriffs wäre. Ich habe mich zusammengenommen, um deutlich zu sein, allein das ist das schwerste, man empfindet etwas unwidersprechlich und kann's dennoch nicht aussprechen. – Deine Eifersucht um mich, die ich wahrhaftig erst für Laune hielt, später aber ihr Gerechtigkeit widerfahren ließ, obschon ich sie nicht billigen kann, leitete mich zu diesen Betrachtungen. Ich bin dir nicht entgegen, Bettine, daß Du mit Ernst und auch mit besonderem und vielleicht auch mit mehr Recht teil an mir habest wie alle die andern; denn da wir so unwillkürlich manchen lebendigen Begriff nur gegenseitiger Berührung zu danken haben und ich mehr Dir als Du mir, so sollte dies organische Ineinandergreifen uns auch frei machen von jeder kleinlichen Eigensucht, und wir sollten wie die Jünglinge, während sie nach dem Ziel laufen, nicht uns Zeit gönnen, an was anders zu denken als im schwebenden Lauf auszuharren. Und was habe ich auch am Ende von allem andern? – Du kannst Dir das selbst wohl beantworten und Deiner Seele darüber den höchsten Frieden gönnen. – Schreibe, wenn Du antwortest, auch einen Brief für den Clemens, er mahnt in seinem Schreiben an mich darum; es wird ihm sehr überraschend sein, wenn er Deinen Aufenthalt im Schlangenbad erfährt. Adieu! schreib bald.
Karoline
Beilage zum Brief der Günderode
Wandel und Treue
Violetta | |
Ja, du bist treulos! laß mich von dir eilen; Gleich Fäden kannst du die Empfindung teilen. Wen liebst du denn? und wem gehörst du an? |
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Narziss | |
Es hat Natur mich also lieben lehren: Dem Schönen werd ich immer angehören, Und nimmer weich ich von der Schönheit Bahn. |
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Violetta | |
So ist dein Lieben, wie dein Leben, wandern! Von einem Schönen eilest du zum andern, Berauschest dich in seinem Taumelkelch, Bis Neues schöner dir entgegenwinket – |
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Narziss | |
In höhrem Reiz Betrachtung dann versinket Wie Bienenlippen in der Blume Kelch. |
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Violetta | |
Und traurig wird die Blume dann vergehen, Muß sie sich so von dir verlassen sehen! |
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Narziss | |
O nein! es hat die Sonne sie geküßt. Die Sonne sank, und Abendnebel tauen. Kann sie die Strahlende nicht mehr erschauen, Wird ihre Nacht durch Sternenschein versüßt. Sah sie den Tag nicht oft im Ost verglühen? Sah sie den Tag nicht tränend still entfliehen? Und Tag und Nacht sind schöner doch als ich. Doch flieht ein Tag, ein andrer kehret wieder; Stirbt eine Nacht, sinkt eine neue nieder, Denn Tröstung gab Natur in jedem Schönen sich. |
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Violetta | |
Was ist denn Liebe, hat sie kein Bestehen? | |
Narziss | |
Die Liebe will nur wandeln, nicht vergehen; Betrachten will sie alles Treffliche. Hat sie dies Licht in einem Bild erkennet, Eilt sie zu andern, wo es schöner brennet, Erjagen will sie das Vortreffliche. |
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Violetta | |
So will ich deine Lieb als Gast empfangen; Da sie entfliehet wie ein satt Verlangen, Vergönnt mein Herz ihr keine Heimat mehr. |
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Narziss | |
O sieh den Frühling! gleicht er nicht der Liebe? Er lächelt wonnig, freundlich, und das trübe Gewölk des Winters, niemand schaut es mehr! Er ist nicht Gast, er herrscht in allen Dingen, Er küßt sie alle, und ein neues Ringen Und Regen wird in allen Wesen wach. Und dennoch reißt er sich aus Tellus' Armen, Auch andre Zonen soll sein Hauch erwarmen, Auch andern bringt er neuen, schönen Tag. |
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Violetta | |
Hast du die heilge Treue nie gekennet? | |
Narziss | |
Mir ist nicht Treue, was ihr also nennet, Mir ist nicht treulos, was euch treulos ist! – Wer den Moment des höchsten Lebens teilet, Vergessend nicht, in Liebe selig weilet, Beurteilt noch und, noch berechnend, mißt, Den nenn ich treulos, – ihm ist nicht zu trauen, Sein kalt Bewußtsein wird dich klar durchschauen Und deines Selbstvergessens Richter sein. Doch ich bin treu! Erfüllt vom Gegenstande, Dem ich mich gebe in der Liebe Bande, Wird alles, wird mein ganzes Wesen sein. |
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Violetta | |
Gibts keine Liebe denn, die dich bezwinge? | |
Narziss | |
Ich liebe Menschen nicht und nicht die Dinge, Ihr Schönes nur, – und bin mir so getreu. Ja, Untreu an mir selbst wär andre Treue, Bereitete mir Unmut, Zwist und Reue, Mir bleibt nur so die Neigung immer frei. Die Harmonie der inneren Gestalten Zerstören nie die ordnenden Gewalten, Die für Verderbnis nur die Not erfand. – Drum laß mich, wie mich der Moment geboren. In ewgen Kreisen drehen sich die Horen; Die Sterne wandeln ohne festen Stand, Der Bach enteilt der Quelle, kehrt nicht wieder, Des Lebens Strom, er woget auf und nieder Und reißet mich in seinen Wirbeln fort. Sieh alles Leben! es hat kein Bestehen, Es ist ein ewges Wandern, Kommen, Gehen. Lebendger Wandel! buntes, reges Streben! O Strom! in dich ergießt sich all mein Leben! Dir stürz ich zu! vergesse Land und Port! |