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An die Bettine
Dein buntes Füllhorn fröhlicher Verschwendung erlöst mich vom Übel. – Gedanken sind mir oft lästig in der Nacht, die mir am Tage einen trüben Nachklang geben; so war's heute! – Dein jung frisch Leben, das Schmettern und Tosen Deiner Begeisterung und besonders Dein Naturgenuß sind Balsamhauch für mich; laß mir's gedeihen und schreib fort; auch Deine dithyrambischen Ausschweifungen, die so plötzlich der Flamme beraubt verkohlen, als habe sie ein mutwilliger Zugwind ausgeblasen, sind mir gar lieb. – – Bleib mir zulieb noch eine Weile bei der Geschichte; so wie Du es jetzt treibst, kann es Dir nicht lästig fallen, wenn sie auch jetzt Dir noch nicht viel Ausbeute gibt, so weißt Du sie doch ins Kunstgeflecht Deines Tags zu verwenden; ich seh Dich bald, George hat mir versprochen, mich im Gig mit hinauszunehmen; verbring Deine Nächte nicht ohne Schlaf, klettre nicht auf die Dächer und Bäume, daß Du den Hals nicht brichst, und denk, daß dies der Weg nicht ist, Deine Gesundheit zu stärken. Was sagt denn die Großmama dazu, ist sie damit zufrieden? –
Dem Clemens will ich gern von Deinen Briefen an mich nichts sagen, weil Du es nicht willst, und ich fühl auch, daß es nicht so sein kann, es wär Störung ohne Gewinn; er sieht Dich so ganz anders, ohne daß er Dich falsch beurteilt; nur sieht er in jedem Farbenstrahl Deines Wesens wie Diamanten, die er meint fassen zu müssen und doch nicht erfassen kann, weil es eben nur Strahlenbrechen Deiner Phantasie ist, die ihn und jeden verwirrt. Glaubst Du denn, daß ich ruhig bin, wenn Du so mit mir sprichst, von einem zum andern springst, daß ich Dich jeden Augenblick aus dem Auge verliere. Du hebst mich aus den Angeln mit Deinen Wunderlichkeiten! – Doch ich will nicht freveln! – Dein Lachen, das mich oft außer mir gebracht hat, womit Du mich beschwichtigen wolltest – nun, ich muß es mir gefallen lassen, daß Du mit allen Pfeilen wie ein armes Wild mich hetzest. – Und der Clemens, der mich immer spornt, mit Dir zu lernen, der immer von mir wissen will, was und wie Du es treibst. Dem es leid tut um jeden Atemzug, der von Dir verloren geht, der hingerissen ist von Deinen kleinen Briefen an ihn, wo Du ganz anders, wie ein Kind, schreibst, so fromm, und an mich so ausgelassen; was soll ich dem nur sagen? – Das eine tu mir nur und rappel mir nicht einmal vom Dach herunter mit Deinem Flageolett; hätt ich nicht Vertrauen in Gott, daß er weiß, zu was alles in Dir so ist und nicht anders, und daß es ja doch nur ihn angeht, da es sein Belieben war, Deine Seele so zu bilden. – Was sollt ich von Dir denken? – Clemens schreibt, Du müßtest fortwährend dichten und nichts dürfe Dich berühren als nur, was Deine Kräfte weckt; es ist mir ordentlich rührend, daß, während er selber sorglos leichtsinnig, ja vernichtend über sich und alles hinausgeht, was ihm in den Weg kommt, er mit solcher Andacht vor Dir verweilt; es ist, als ob Du die einzige Seele wärst, die ihm unantastbar ist; Du bist ihm ein Heiligtum; wenn er manchmal von Offenbach herüberkam, da war er ganz still in sich vertieft, wo sonst seine Koketterie fortwährend gespannt war; kleine Kritzeleien von Dir hat er oft sorgfältig aufgehoben, es wäre traurig, wenn du keinen liebenden Willen zu ihm hättest; schreib doch nicht mehr ›passiert‹, das Wort ist nicht deutsch, hat einen gemeinen Charakter und ist ohne Klang; kannst Du nicht lieber in den reichen deutschen Ausdrücken wählen, wie es der reine Ausdruck fordert. Vorgehet, ereignet, begibt, geschieht, wird, kömmt; das alles kannst Du anwenden, aber nicht: passiert. Ich muß Dir aber doch antworten, weiter passiert nichts. – Und Du weißt's ja schon alles besser, wie Du schreibst, da Du in der Nacht auf der Hofbank so große Abenteuer erfahren haben willst, die Dein Herz bewegten. Ich bin nicht bange, daß Du es mir nicht sagen solltest, wenn's wirklich was Erlebtes ist und Du Deine Lügen bis zum nächsten Brief nicht vergessen hast. – Dann auch bitt ich, daß du nicht mehr fluchst; Deine Briefe sind mir lieb, und Deine Extravaganzen alle sind mir verständlich und lieb; aber Worte, die Du bloß um zu prahlen hinzufügst, wie ›Schwerenot‹, und die keine Bedeutung haben in Deinem Mund, die kannst du ungesagt lassen; denn sonst glaub ich nicht, daß der Wohllautenheit und des Tanzes Genius Deine innern Erlebnisse begleiten. – Zweitens schieb mir nichts zu, was ich nicht verschuldet habe; des Abends auf der Burg erinnere ich mich deutlich, gerade wie Du ihn beschreibst; ich war auch sehr heimlich und bewußt, und bis zum andern Tag war die Stimmung mir geblieben von den Worten, die Du mit mir wechseltest; aber Esel hab ich Dich nicht geschimpft, das ist wieder eine von Deinen ungeeigneten Erfundenheiten – laß nichts dergleichen wieder auf mir belasten, ich bin empfindlich; im Anfang Deines Briefes nennst Du mich Muse, und am End läßt Du Deine Muse Dich Esel schimpfen; es wär zum Lachen, wenn's nicht zum Weinen wär, daß Du Deine eigene Muse so zu beschimpfen wagst. –
Karoline