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An die Bettine
Ich habe Deine Briefe erhalten, die Du seit meiner Abreise mir schreibst. Ich muß mich kalt machen, daß Deine Flammen mich nicht angreifen, doch such ich Dir nachzuempfinden, und meine Mühe ist nicht ganz umsonst – doch staun ich, wie gewaltig Dich alles ergreift und daß dies alles nicht Deine Gesundheit aufreibt; denn wie mir einleuchtet, so kannst Du unmöglich viel schlafen? – Und dabei dies unruhige Leben, wo jeder Augenblick Dich aufs neue reizt – ich glaub selber, daß Du einen Dämon hast, der Dich wieder stärkt, wie könntest Du sonst alles fassen? – und Dein Herz, ist es nicht voll zum Überlaufen, der Gärtner, der Moritz, der Franzose, der Clemens und ich doch auch – und Deine frühen Wanderungen im Boskett, Du schläfst nicht aus, es wird nicht lange so fortdauern können – ich selbst fühl mich hier anders wie sonst. – Die Zukunft leuchtet mir nicht helle, und ich hab so große Lust nicht mehr am Lebendigen, an der Märchenwelt, die unsre Einbildung uns damals so üppig aufgehen ließ, daß sie die Wirklichkeit verschlang, doch wird sich's ändern, gewiß, wenn wir wieder zusammen sind; diesen Winter denk ich ernstlich mich zu überwinden, ich hab mir einen Plan gemacht zu einer Tragödie, die hohen spartanischen Frauen studier ich jetzt. Wenn ich nicht heldenmütig sein kann und immer krank bin an Zagen und Zaudern, so will ich zum wenigsten meine Seele ganz mit jenem Heroismus erfüllen und meinen Geist mit jener Lebenskraft nähren, die jetzt mir so schmerzhaft oft mangelt, und woher sich alles Melancholische doch wohl in mir erzeugt. – Doch fürchte nichts für mich, es sind nur Minuten, wo mich's überfällt wie starker Frost, doch Deinen frühlingsheißen Briefen widersteht er nicht. – Heut und gestern war ein Grünen und Blühen in mir – und ich lese sie gern wieder, dann bin ich immer wieder glücklicher gestimmt, ich danke Dir dafür. – Auch von Clemens sagst Du mir, was mich freute. – Lebe wohl. – Dein Naturbrief besonders hat mir Freude gemacht, er ist wie das Zwitschern junger Vögel, die sich noch im Nest der Ätzung freuen, die die Mutter in Fülle ihnen gibt; sind sie erst flügge, dann werden vielleicht auch da Geistesgesetze herausfließen, von der Natur gegründet für den Geist, der sie als göttlich zu fassen vermag, aber sie werden wohl nimmer im Buchstaben können gefaßt werden, zum wenigsten nicht in unserm Jahrhundert. –
Ist denn das alles von Gedanken, was Du in Dein Buch aufgeschrieben? o verliere nichts. Hier sende ich Dir ein paar Lieder; lese sie, wie man Gedichte liest, ohne zu großen Affekt. Denk, daß der Reim auch die Stimmung leitet, und glaub nicht gleich, ich sei zu traurig. – Gedichte sind Balsam auf Unerfüllbares im Leben; nach und nach verharscht es, und aus der Wunde, deren Blut den Seelenboden tränkte, hat der Geist schöne rote Blumen gezogen, die wieder einen Tag blühen, an dem es süß ist, der Erinnerung Duft aus ihnen zu saugen.
Die Pilger hab ich vor acht Tagen geschrieben, auf das letzte: Der Lethe Fluß, hatte Dein Emigrantenverkehr Einfluß; ich weiß nicht wie.
Ist St. Clair noch nicht zurückgekehrt? war er bei Dir? –
Beilage.
Die Pilger
Der eine Pilger | ||
Ich bin erkranket An Liebespein, Möcht nur genesen Wolltst mein Du sein. Dein liebreich Wesen, Mein Aug ist trübe, Ich greif zum Stabe, Die Vöglein fliegen Es hält mich die Liebe, Mich sehnet, o süße Da knie ich nieder Lebt wohl denn, ihr Augen |
Der andre Pilger | |
Ich scheide froh vom Vaterland Und suche den geliebten Strand, Wo Jesus Christus wallte, Wo er in Demut angetan Des Erdenlebens schwere Bahn Mit stillem Sinne wallte. Was ist die Herrlichkeit der Welt Die Märterkrone windet mir |
Lethe
Du rollst, o Bach, mit stillem Stolz die Flut, Und düstergrün umhüllen dich Gesträuche, In deiner Well erstirbt die Rosenglut, Die lieblich glänzt vom fernen Geisterreiche. Dir schmeichelt nicht die Gunst der Gegenwart Erbebend schaut es die Vergangenheit, Du wallest stolz! des Helden Lorbeerkranz, Entführt durch sie dahin, wo Zeit und Raum Hinweg von dir! – die blütenreiche Luft, Vergebens weht hier magisch süß ein Ton Für Seligkeit, die ich noch nie genoß, Nein! jed Gefühl, zur Qual und auch zur Lust, Es drückt das Herz, wenn eine fremde Macht Kann ich die Seligkeit auf jener Flur Ich trag im Busen mein Elysium, Dich aber fleh ich an, Erinnerung! Nimm deinen Wanderstab und schlage kühn Die Schatten jauchzen dann, im Götterglanz |
Der Kuß im Traum
Es hat ein Kuß mir Leben eingehaucht, Gestillet meines Busens tiefes Schmachten, Komm, Dunkelheit, mich traulich zu umnachten, Daß neue Wonne meine Lippe saugt. In Träume war solch Leben eingetaucht, Der Tag ist karg an liebesüßen Wonnen, Drum birg dich, Tag, dem Leuchten irdscher Sonnen, |