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Du sagst selbst, wo kein Wunsch uns hinzieht, das ist für uns verloren, und man hält wohl für unmöglich, was nur des Begehrens bedürfte, um wirklich zu sein. Und seit Du es mir gesagt hast – und Du sagst, Harmonie der Kräfte ist Verbindung – so hab ich mir's denn getraut, weil ich ihn liebe, so nehm ich alles willig hin, Schmerz und Entzücken; – denn es ist immerdar Entzücken, ihn empfinden! – denn er schenkt mir's, ihn zu fühlen, wie er aus seiner Dichtung Blüte mich anhaucht, das will er, das beglückt ihn – daß ich erschüttert bin, das begeistert den Dichtergeist, und andre kennen nur die verschloßne Knospe, mir aber öffnet sich die Blüte, und das nimmt mich weg! – drum bin ich ihm allein und er mir allein! und die ganze Welt mag sich seiner teilhaftig meinen, ich weiß, daß es anders ist, und muß drauf beharren, denn sonst verzehrt mich die Eifersucht. – Und Du hast gesagt, ›das Aufheben dessen, was eigentlich diese Harmonie ausmachte, müsse auch notwendig diese Verbindung aufheben.‹ Das wird mir nicht geschehen. Du sagst, ›das Geräusch der Welt, das Getreib der Geschäfte, die Gewohnheit, nur die Oberfläche zu berühren, die lassen dieses tiefste und feinste Seelenorgan nicht zur Ausbildung kommen.‹ – Was spricht mich denn an in dem Geliebten? – fühl ich denn nicht das Große und Gewaltige, was viel höher ist als ich selber? – ja, was mir höher oft vorkommt als der Geliebte selbst; und ist es nicht dies, dem ich nachgeh? – und erscheint dieses Gewaltige mir nicht auch ganz allein außer ihm? – und ist das nicht die Erinnerung an ihn und zugleich auch noch jene höhere Erscheinung, von der Du sagst, daß sie sich durch die Harmonie mit ihr offenbare? – und kann ich ihm untreu sein in dieser, wenn ich mich der hingebe? – und ist es nicht immer dasselbe, was Begeisterung zu erregen vermag? – Ach nein! man kann in der Liebe nicht untreu sein, nur außer ihr. – Ich fühl's an der Heiterkeit, die mich beflügelt, daß in der Begeisterung keine Untreue ist. – Ich weiß von keiner Untreue und glaube oft, ich versündige mich an was ich liebe, wenn ich nicht alles liebe. Es sind Dinge (Naturen, Geister), die muß ich lieben, weil sie mich nähren, wie die Pflanze vom Licht, vom Wasser, von Erde und Luft sich nährt. Alles, was mich begeistert, ist mir der Sonne Strahl.
Wenn die Sonne eine Blume durchglüht, da fühlt man wohl, daß sie die herablassende ist und daß die Blume von ihr mit heißer Leidenschaft zehrt. Wer sollte das nicht Liebe nennen, und ob die Sonne Gegenliebe genießt, wer weiß das? – ja, wer weiß, ob die Blume ihr wiedergibt? – Du weißt wohl, wenn die Sonne recht heiß brennt, dann duftet keine Blume, aber abends, wenn sie scheidet, dann duften ihr alle Blumen nach, und morgens, wenn sie kommt, dann duften ihr alle entgegen. – Ob das bis zur ihr hinaufsteige? – das frag ich mich, danach sehn ich mich. Und Du sagst, wonach der Wunsch uns hinziehe, das wird möglich, und das glaub ich Dir; gewiß steigt der Blume Duft zur Sonne; sind ihre Strahlen nicht Gefühlfäden? – kann mich was Lebendes berühren, ohne daß ich's wieder berühre? – sind ihre Strahlen nicht Saugrüssel, mit denen sie aus den Blütenkelchen den Duft saugt? – Und der Dichter, der sich durch seiner Begeisterung Strahlen die Blumen erschließt, saugt der nicht ihren Duft? – ist's Begeisterung nicht, wenn vor der Geistessonne die Wolken sich teilen und sie strahlt die Knospe der Seele an? – Ei, darum duften eben die Blumen nicht, grade wenn die Sonne auf ihnen liegt, weil sie dann mit ihren Strahlenlippen alles selbst trinkt. Nach einem Gewitter, da duftet alles. – Dann kommt sie eilig und wirft sich über sie her, und bald trinkt sie alle Kelche aus, wo denn der Duft nur in ihren Strahl übergeht; – und wenn sie scheidet, dann duftet ihr alles noch nach, und der Duft zieht nach über die Berge; denn wenn man bei Sonnenuntergang auf einem Berg steht, da fühlt man den Balsam aus den Tälern heraufsteigen, der Sonne nach; – das ist am Mittag in der heißen Zeit nicht, weil da die Sonne bis hinunter steigt und alles allein trinkt; so ist es zwischen beiden wie zwischen Liebenden – so können wir auch nicht an ihrer Seligkeit zweifeln. – Nun ist noch die Erde und das Wasser, die nähren noch die Pflanze, diese hält sie in ihrem Schoß, und jenes kommt zu den Wurzeln gedrungen und fällt vom Himmel herab auf sie; sie verwandeln ihre feinsten Nahrungskräfte, das Heilige ihrer Natur in eine sprechende Erscheinung. – Sind vielleicht Blüten und Kräuter Worte? – Sprache, in der die Gefühl , der Geist der Erde, des Wassers sich deutlich machen? – Ist der Duft der Blumen, ihr Schmelz, wohl das Sehnen der Erde – die Begeisterung des Wassers, die in den offnen Kelchen Freiheit hat, aufzusteigen zur Sonne, zu dem, was sie lieben? – Die dunkle Erde stößt aus dem Innersten ihre duftenden Seufzer auf aus den Kelchen ihrer Pflanzen, die aus ihrem Busen aufblühen, hinauf in die fessellose Freiheit. – Das Wasser, das von seinen kräuselnden Wellen sich immer weiter treiben läßt, hier in der Blume Stengel, im Saft des Baumes, gemischt mit allen Kräften der Natur, steigt, nimmt Gestalt an, wird zum Geist, zum Wort, das die Andacht seiner Triebe aushaucht. – Was ist denn aber die Luft? – ist die nicht Vermittler zwischen allen? der Genius der Welt, der leitet, Leben gibt, ewig den Geist durchatmet? – Was ist aber Geistesatem? – ist der nicht Erkenntnis, Streben, emporzusteigen, sich abzulösen vom Mutterschoß und aufzusteigen zum Geist? ist Atmen im sinnlichen Leben nicht dasselbe? – drängen sich die Gefühle nicht in Seufzern auf? – Ohne dies ewige Einsaugen des himmlischen Elements kann der Leib nicht leben, und der Geist stirbt jeden Augenblick ohne jenen leitenden Genius, der sein eigentlicher Lebensatem ist. Die Luft ist der Genius des Lebens, sein höheres Ich, so wie Wasser und Erde seine Erzeuger sind. – Die Luft ist Vermittlerin zwischen dem göttlichen Liebesfeuer und dem jungen kindlichen Streben danach, küssen die Strahlen zu heiß, dann kühlt sie mit sanftem Wehen und erleichtert den verhaltnen Lebensatem; wie doppelt schlägt das Herz, wenn ihr Strom rascher eindringt! – – wie ganz gibt sich ihr das Leben hin, wenn es von mächtigeren Regungen bewältigt wird. Ja, ihr allein vertraut es sich, wenn es von sich selber nicht mehr weiß, sie umlebt das Erstorbene, bis Leben eindringt wieder, mächtiger und gewaltiger wie früher. So fühl ich deutlich, wenn mein Geist erstarrt war, es ist Genuß zwischen mir und der Gottheit, der mich weckt, die Luft, die mich nährt und erhält, ohne welche Geist erstorben wär, nie der Seele könnt Nahrung bringen, von oben. – Ja, alle Offenbarung ist die Geistesluft, die ihn durchatmet, ohne welche er nicht leben kann einen Augenblick, sondern müßte ersticken, und ob er schläft oder wacht, so atmet er doch immer den Genius, die Luft. – Ich bin so glücklich, Günderode, wenn ich hier auf den Bergen stehe und der Wind braust, daß er mich davontragen will – dann muß ich lachen vor Mutwillen und denk, ob mich der Geist doch auch versucht zu heben und mit mir aufzufliegen. –
Die Sonne hat einen heißen Schein, mit dem sie brennt, so hat der Geist auch ein heißes Licht, das brennt, wohin es leuchtet.
So kam heut einer nach dem andern zum Beichtstuhl geschlichen in der Kirche, und der Pater, der Beicht saß, guckte mich an, ob ich nicht auch kommen wollt? – und aus Blödigkeit geh ich in den Beichtstuhl und beicht, daß ich mich immer verwundern müsse, warum die heiligen drei Könige das göttliche Kind nicht in ihren Schutz genommen haben, sondern haben es im Stall liegenlassen und wären doch überzeugt gewesen, es sei Gottes Sohn, da noch obendrein ein Stern sich am Firmament aufgemacht, um sie hinzugeleiten, sie hätten das Kind sollen mitnehmen in ihr Land. Und doch wären sie weitergezogen, das käme mir nicht vor, als wenn sie heilig wären, sondern zerstreute Weltleute; der Beichtvater sagte: »So ist der Weltlauf, sie haben ihre Geschäfte gehabt wie heutzutag auch. – Aber«, sagte er, »das braucht man nicht zu beichten, das sind Sünden, wie für die Katz vom Tellerchen zusammengekratzt, da gibt Gott keinen roten Heller davor. – Da bet sie ein halb Vaterunser zur Buß oder meinetwegen ein viertel.« – Und wie ich aus der Kirche kam, in die frische Luft, da war's schon drei Uhr vorbei, die Sonne wollt schon bald untergehen. Da kam ich auf den Turm und besann mich, daß ich Dir wollt alles beichten, wie ich Eifersucht gegen dich gehabt und hatte Dir nicht wollen gönnen, daß Du mit mir zugleich bei ihm wärst, ich wollt ganz allein mit ihm sein. Aber jetzt bin ich dieser Sünde los, und im Denken teilt sich alles Böse wie Nebel vor den Augen, daß man sieht, es war nur Wahn; alles, was nicht Großmut ist, das ist nur Wahn. Denn ich mein, der Dichter ist meine Sonne, so bist Du die Luft, die das Böse um mich her verweht und meinen Geist aufsteigen lehrt. Wie kann ich ohne Dich bestehen vor ihm? So mag wohl jeder Menschengeist von Elementen genährt werden, die einer dem andern sein muß, und merk Dir's, daß Du meine Luft bist, ohne die ich nicht aufatmen kann auch nur einmal.
Bettine