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Das war dem glänzenden Gesellschaftsabend vorangegangen.
Der Abendstern, der heute glänzen sollte, sagten wir schon, erschien aber wie ein erlöschendes Licht. Die Töne, welche im Souterrain das Ohr zerrissen, waren nicht zu Adelheid gedrungen, und wenn einer, so ahnte sie nicht den Grund; es war für sie nur in der Luft das dumpfe Akkompagnement ihrer eigenen zerrissenen Gedanken. Nie war ihr eine Toilette schwieriger geworden. Sie dachte, so müsse einem Verurteilten zumute sein, wenn er sich zum letzten Gange ankleidet.
Zum Glück war die Aufmerksamkeit heute nicht auf die blasse Adelheid konzentriert; sie richtete sich vielmehr auf eine andere Erscheinung, von der man sagen durfte, daß sie in voller Blütenpracht war.
Aus einiger Entfernung sah die junge Dame an der Türecke wie ein liebliches junges Mädchen aus, dem die Scham die Wangen rötet, die Augen schlägt sie nieder in holder Befangenheit. So schüchtern stand die Gazellengestalt, halb bedeckt von dem Oleanderboskett, das aus irdenen Töpfen in malerischer Unordnung um den mit Efeu umhangenen Türpfosten duftete. Die schöne Blüte zitterte vor jeder Berührung, wenn wir die Begegnung, die Ansprache der älteren Damen, welche die Tür passierten, so nennen sollen. Das Wechselgespräch war immer sehr kurz; man konnte glauben, zur Zufriedenheit des jungen Mädchens, das vielleicht erst seit kurzem in die Gesellschaft eingeführt war, und der Boden unter ihr brannte, vor Angst, daß sie einen Verstoß begehe.
Wenn man einen Schritt näher trat, verwandelte sich die Achtzehnjährige allerdings in eine vollblühende Zwanzigerin, die Moosrose ward zur vollen Zentifolie. Aber schön blieb sie, man konnte unwillkürlich rufen: wunderschön! Wem das dunkle, schwimmende Auge zwischen den schwarzen Brauen und den roten anmutig schwellenden Pfirsichwangen einen Blick zuwarf, mußte von Stein sein, wenn er nicht gerührt ward. Und war sie nicht eine Zauberin, eine Armida? Zwischen den Oleandertöpfen schossen eine weiße und eine Feuerlilie in die Höhe, und bunte Glaslampen, damals etwas in Berlin Unbekanntes, warfen ihr Zauberlicht auf die Blumen und das schöne Mädchen, das sich auf ihnen zu wiegen schien wie eine Titania, Grazie jede Bewegung. Wie sie mit den Blumen in ihrer Hand spielte, die sie vielleicht in Gedanken von einem Strauch gepflückt, das war kein gewöhnliches Fächerspiel, das die Verlegenheit verbergen soll und die fehlenden Worte ersetzen. Es war die Sicherheit einer Königin, die den Herzen zu gebieten weiß, unbesorgt um ihre Herrschaft. Wenn sie die sanft geworfenen Lippen öffnete und die schönen Zähne im Gespräch zeigte, konnte man schwören, wenn man auch kein Wort verstand, daß sie eine witzige Replik, eine glückliche Bemerkung hinwarf. Sie konnte auch abfertigen, und man mochte ebenso schwören, daß die vielen, die mit ihr eine Unterhaltung anknüpften, aus Lust oder Gelegenheit, ihr nicht genügten.
Wenn man indes noch einige Schritte näher trat – doch wir können unsre eigenen Beobachtungen sparen, wo eine Gruppe Herren, an der Tür gegenüber, sich die ihrigen schon mitteilten.
»Was hat sie denn heut für ein Rot auf«, sagte ein Gardeoffizier.
»Wer?«
»Komteß Laura. Das blinkert ja wie eine Karmesinmuschel.«
»Neueste Josephinenschminke, liebster Graf«, drängte sich der Baron Eitelbach an sein Ohr. »Bei Herrn Arnous vorige Woche frisch aus Paris. Die von der Oper sind außer sich, ist ihnen zu teuer. Was kann der Schönheit zu teuer sein, sage ich.«
»Und greifen in die Tasche.«
Der Baron hielt allerdings beide Hände in den Seitentaschen, und es klimperte etwas von Gold, aber er zuckte die Schultern: »Fürs ganze Corps de ballet! Na, hören Sie, das bringt mir ein ganzes Regiment nicht auf. Alles, was recht ist.«
»Sie sparen's für Ihre Frau Gemahlin.«
»Ein sublimer Einfall von Ihnen, Graf, wahrhaftig, ein sehr sublimer. Wie sie blaß aussieht gegen die Laura! Aber sie will sich nicht schminken. Partout nicht mehr.«
»Hat's auch nicht nötig«, sagte ein dritter Intimus.
»Meinen Sie? – Ich sage Ihnen, die Schminke bringt 'ne Revolution hervor. Das ist ein Geschicke zu Arnous, aber – die alte Voß und – na warten Sie nur, ich kann sie Ihnen alle nennen, die schon von haben. Sind ihrer nicht viel; aber passen Sie acht, eh vierzehn Tage um sind –«
»Wenn die Männer die Tränen auf den Wangen sehn«, sagte der dritte Intimus, »greifen sie doch in die Tasche. und wenn das Rot pures Gold wäre.«
»Gold, ein charmanter Einfall!« rief der Baron. »Wenn's Mode würde, echtes Gold auf die Backen! Bei Gott, ich gäbe was drum: wie die Weihnachtsäpfel. An den Backen sähe man's den Frauen an, was ihre Männer wert sind.«
»Eine Taille, auf Ehre doch, wie 'ne Wespe«, sagte der Gardeoffizier. »Ich sollte meinen, wer sich so schnürt, braucht sich gar nicht zu schminken.«
»Und Füßchen, 'ne Pariserin könnte sie beneiden«, meinte der Dritte.
»Das tänzelt nur so auf dem Boden.«
»Was für welche hat meine Frau dagegen! Sehn Sie mal«, rief der Baron und nahm eine Prise.
»Eine Heroine muß nicht auf Tänzerfüßen stehn.«
»Heroine! Charmanter Einfall. Meine Auguste eine Heroine. Wie sie miteinander parlieren! Ich versichere Sie, auf Ehre, meine Frau spricht jetzt wie ein Buch. Immer Schiller im Munde.
Und die Tugend, sie ist kein leerer Schall, Erzeugt in dem Hirne des Toren! |
Damit weckt sie mich alle Morgen. Bei Gott, 's ist wahr. Macht alles die unglückliche Liebe.«
»Schade, Baron, daß Sie sich nicht auch unglücklich verlieben können.«
»Warum kann ich's nicht?«
»Weil Sie zu reich sind. Wer Geld klimpern läßt, ist immer glücklich in der Liebe.«
»Sie sind ein charmanter Mensch, aber was soll mir die unglückliche Liebe?«
«Sie könnten dann auch einmal mit der Tugend in Berührung kommen.«
»Was hab ich von der Berührung?«
»Tugend vermehrt den Kredit.«
Der ganze Körper des Barons zuckte in der nicht wohl zu beschreibenden Bewegung eines Gesättigten, welcher gleichgültig eine Schüssel vorübergehen läßt, an der die Blicke der Hungrigen noch verlangend schweben. Er bedurfte nicht mehr Kredit, als er besaß. Aber auch der Satte lächelt, wenn seine Gäste die Speisen loben, die er ihnen vorgesetzt. Der Baron von Eitelbach lächelte wohlgefällig über die Bewunderung, welche man der Schönheit seiner Gemahlin zollte, während man ihre Reize mit der Komteß verglich. Zum Vorteil der ersteren; es waren Kenner, die hier urteilten. Auf den Hacken sich wiegend, die Hände noch immer in den Taschen, die breite Unterlippe aufgeworfen, hatte er gleichgültig die Gesellschaft im andern Zimmer gemustert, während sein Ohr doch bei der Unterhaltung blieb, als er es für schicklich hielt, eine Diversion zu machen:
»Sehen Sie mal, wie die Alltag eingepackt hat. Gar nicht wiederzuerkennen.«
»Etwas blaß«, äußerte der dritte Intimus. »Das kann seine Ursachen haben.«
»Man hat zuviel Geschrei von ihr gemacht.« Der Baron hatte es gleich gesagt.
Das Kennerauge des dritten Intimus ließ sich nicht täuschen.
»Vorübergehende Indisposition. Frisch begossen und die Blume ist wieder in voller Pracht.«
Über die Indisposition lächelten die Kenner; der Baron fühlte sich geistreich gestimmt; er nannte die unglückliche Liebe eine Klippe für die Schönheit. Lob erntete er dafür nicht, denn die Aufmerksamkeit der andern war wieder auf die schöne Komteß gerichtet.
»Auf wen mag sie nur vigilieren?«
»Sie ist unruhig.«
»Warum steht sie aber wie eine Schildwacht an der Tür?«
»Muß wohl seinen Grund haben. – Halt! sehn Sie, schon wieder –«
Die drei Kenner rückten die Köpfe noch näher zusammen. Die Komteß hatte während des Gesprächs mit der Baronin nochmals durch die Türritze geblickt.
»Das muß man doch rauskriegen. Welcher Magnet steckt in der andern Stube?«
Wie der Zunächststehende sich auch auf den Spitzen seiner Schuhe erhob, konnte er doch nur einen Teil des Zimmers übersehen. Da kam plötzlich ein anderer Gegenstand aus demselben, und mit vielen Verbeugungen durch die beiden Damen schlüpfend, erreichte er die beobachtende Gruppe.
Der Geheimrat Lupinus von der Vogtei war gewiß nicht gefährlich, für das Auge keiner galanten Dame, die noch auf Jugend Anspruch macht; aber je schärfer das Auge der Liebe ist, um so blinder wird es für die Gefahr, die von Beobachtern droht. Das schlaue Gesicht des Geheimrats verriet, daß er Neuigkeiten geangelt, und seine freudige Miene, daß er den Markt erreicht, wo er sie absetzen konnte.
»Raten Sie!« sprach er, sich die Hände reibend.
»Das lohnte noch der Mühe.«
»Ein neuer Gegenstand?«
»Funkelnagelneu.«
»Raus mit der Sprache, was wissen Sie?«
»Sehr viel. Die letzte Aventure wird nur vertuscht, aber parole d'honneur, Sie können sich drauf verlassen, sie ist so –«
»Sie meinen die mit der Schildwacht – der Kerl kann doch nicht hier sein!«
»Ist eingestiegen, Herr Baron, so gewiß ich vor Ihnen stehe. Herr Graf verziehen die Miene, in der Garde hat man sich das Wort gegeben, nicht davon zu sprechen. Nun, ich schweige in Devotion, wenn's verboten ist.«
»Was geht's mich an«, sagte der Offizier mit einem nicht zu unterdrückenden Schmunzeln, »und wenn der Grenadier dafür Spießruten laufen muß, so wüßt er doch, wofür.«
»Dazu ist's aber nicht gekommen. Die Disziplin hat aus Galanterie ein Auge zugedrückt.«
»Sie hat ihn wirklich ins Fenster gewinkt?« fragte der dritte Intimus.
»In den Communs, Sie wissen doch, in Potsdam die kleinen holländischen Häuschen neben dem Marmorpalais.« Der Geheimrat sprach es mit vorgehaltener Hand, dem Fragenden fast ins Ohr. Er mußte es aber mit solcher Kunst akzentuieren, daß es auch den beiden andern nicht entging. »Ja, warum hat man für die Kavaliere und Hofdamen so niedrige Fenster gebaut, ça ne coûte qu'un pas! Warum dufteten die Linden so süß in der lauen Nacht? Warum schlugen die Nachtigallen so verführerisch? Warum stellt man einen jungen Grenadier, sechs Fuß hoch wie ein Apollo, vor das Kammerfenster einer schönen Hofdame? Warum schien der Mond so sehnsüchtig und beleuchtete den jungen Mars? Da ist gar nichts bei zu verwundern, und eigentlich trägt niemand die Schuld, denn Gott bewahre, daß er ins Fenster geklettert wäre, so ein sechsfüßiger Kerl braucht nur den Fuß aufzuheben, so ist er drin.«
»Und?«
»Das einzige Unglück war, daß die Uhren in Potsdam nicht stimmten, denn als die Ablösung kam, hatte es drinnen noch nicht voll geschlagen.«
»Dem Glücklichen schlägt keine Stunde.«
»Süperbe Bemerkung des Herrn Domherrn. Die Esel – verzeihen Herr Graf, es war wohl nur der betrunkene Unteroffizier, machten Lärm, und – wie gesagt, wenn nicht glücklicherweise der junge Prinz Hohenlohe bei der Patrouille gewesen wäre –. Man deckte den Mantel der Liebe über die Affäre, schmiß den Unteroffizier, weil er in der Betrunkenheit einen falschen Rapport gemacht, auf achtundvierzig Stunden ins Cachot, seine Kerls waren Stockpolen, die nicht deutsch sehen und hören können, man zeigte ihnen den Bambus, wenn sie sich einfallen ließen, etwas auszuschwatzen, was sie nicht verstehen, übrigens ein paar Louisdor Schmerzensgeld –. Ah, Prinz Hohenlohe hat wie ein Kavalier gehandelt.«
»Und doch wußte man's, ehe der Morgen in Potsdam graute, schon in allen Wachtstuben.«
»Meine Herren«, sagte der Gardeoffizier in vertraulich offiziösem Ton, »Diskretion! Man wußte es auch schon am andern Morgen in Berlin, aber auf der Wachtparade gab man sich das Wort – Ich rate auch Ihnen –«
»Discrétion pour jamais!« rief der Geheimrat, den Finger an den Lippen. »Ihro Majestät die Königin darf nichts davon erfahren«, wandte er sich zu den andern. »Die liebe Komteß, es ist doch ein gar zu charmantes Kind, und bei Lichte besehen, was ist es denn? Eine Vision, die Phantasie einer lauen Juninacht –«
»Aber nicht die erste«, schmunzelte der Baron, »in der Dragonerkaserne wissen Sie auch davon zu erzählen.«
»Mon cher baron, l'amour règne partout, aber
Was bei Mondenlicht gesponnen, Verrinnt beim Licht der Sonnen.« |
»Der Kerl aber, der Grenadier, ist nach Warschau in ein Regiment gesteckt«, sagte der Offizier. »Und er war nicht von Mondschein gewebt, das versichere ich Sie.«
»Monsieur le comte, die Erscheinung im Zimmer ist auch schwarz von Kopf bis Fuß, ordentlich spektreartig«, nahm der Geheimrat wieder das Wort. »Das blasse Gesicht in der weißen Hand, ruht er auf dem Sofa, den Claque auf dem Schoß, die Beine unnachahmlich hingestreckt, die andre Hand im Knopfloch am Herzen, als wenn er eine tiefe Wunde verstecken will. Soll ich Ihnen noch das schwarze Haar beschreiben, in dem zuweilen diese selbe Hand wühlt? – Nein, die Augen sind noch dunkler. Schade nur, daß sie nicht ein einziges Mal nach der Türritze gerichtet sind, um die andern schwarzen Augen zu sehen, die sehnsüchtig durchblicken. Je vous assure, wenn die sich begegneten, die einmal Funken zusammenschlügen, Stahl und Feuerstein –«
»Hol' Sie der Kuckuck, Geheimrat, wer ist's?«
»Impertinent!« sagte eine herzutretende Dame. »C'est affreux«, die andere.
»Il joue l'Anglais!« erwiderte jene. Beide kamen durch die bewußte Tür; die Baronin aber, am Arm die schöne Laura führend, mit ihnen zugleich.
»Warum ereifern Sie sich, meine Damen? Mir und Komteß Laura ist's vorhin auch so passiert. Er merkte uns erst, als wir uns neben ihm aufs Sofa setzten, und dann redete er uns für andere an. Nicht wahr, Komteß?«
»Er ist zerstreut«, sagte die Komteß und war es selbst.
»Haben wir's ihm übelgenommen? – I Gott bewahre. Wenn mich einer nicht sehen will, laß ich ihn stehn.«
»Aber, gnädige Frau, wer ist er denn, daß er sich etwas herausnehmen darf?«
»Ach Gott, vom jungen Bovillard ist man weit mehr gewohnt. Erinnern Sie sich noch –«
»Doch werden Sie mir zugeben, daß Damen in einer Gesellschaft wie diese mehr Konduite von Herren voraussetzen dürfen, wenn sie dahin gehören.«
Der letzte Satz ward von den feinen Lippen sehr scharf betont.
»Wen die Fürstin eingeladen hat, der gehört doch her.«
»Mein Mann meinte«, erwiderte die andre, die noch nicht Lust hatte, von ihrem hohen Pferde zu steigen, »es gehöre doch ein eigener Tick dazu, einen Menschen von dem Renommee ihrer Société aufbringen zu wollen. Mein Mann ist sonst gar nicht skrupulös, und gegen unsre erlauchte Wirtin fällt es mir auch nicht im entferntesten ein, damit etwas gesagt zu haben. Sie wird wohl ihre Gründe haben, warum sie Leute zusammenbittet, die nicht zusammengehören.«
»Beste Frau Staatsrätin«, erwiderte die Eitelbach, »wozu wären denn die Gesellschaften, als daß sich die zusammenfinden, die noch nicht zueinander gehören. Wenn man immer nur alte Bekannte sähe, das wäre ja langweilig.«
»Philosophie, wie sie auch ist, im Munde einer schönen Frau«, erwiderte die Staatsrätin mit süßem Lächeln, »ist immer liebenswürdig. Nur begreife ich nicht, wenn der junge Herr von Bovillard so viel zu denken hat, warum er seinen Pensées gerade in einer Gesellschaft nachgeht.«
»Wissen Sie, wie mir eine Gesellschaft vorkommt?« entgegnete die Eitelbach. »Als wie eine Komödie, wo jeder anders aussieht und anders spricht, als ihm zumut ist. Uns werfen sie vor, daß wir uns putzen und schnüren und auflegen und ausstopfen. – Ihr Herren mögt immer laut lachen, ich seh's doch, wie Ihr's innerlich tut. Das geniert mich gar nicht, denn die Männer spielen mehr Komödie als wir. Ach Gott, wenn sie sich präparieren, liebenswürdig zu scheinen, um einer die Cour zu machen, wo sie's gar nicht so meinen. Und wenn einer vornehm tut, als hätte er eine Elle verschluckt, oder gelehrt redet, als wär's ein Buch, da möchte ich ihn immer fragen: Warum quälst du dich denn? Wenn du raus bist, stöhnst du doch auf und schlenkerst mit den Armen, als wenn du den engen Rock aufreißen wolltest und denkst: Gott sei Dank, daß es aus ist. Warum hast du denn angefangen, warum bist du nicht gekommen, wie du bist, und hast gesprochen, wie dir der Schnabel gewachsen ist.«
Der Baron Eitelbach rieb sich vergnügt die Hände: »Was sagen Sie zu meiner Frau, Frau Staatsrätin?«
»Sie wird doch Ausnahmen machen. Sie ist nicht so grausam, uns alle zu verdammen.«
»Da ist einer wie der andre. Jetzt merk ich's erst, aber ich habe es längst gewußt.«
»Ihren Herrn Gemahl werden Sie wenigstens ausnehmen?«
Die Baronin schien sich zu besinnen, indem sie ihn anblickte. Ihre Antwort begann mit einem langgezogenen »Na! – Das ist wahr, ein petit-maître will er nicht sein, und die Cour macht er auch nicht, nämlich in Gesellschaften, und spricht auch nicht, als ob er die Weisheit mit Löffeln gegessen hätte, denn er macht sich nichts aus den Gelehrten, aber –«
Das »Aber« der schönen Frau, als sie innehielt, schien lautlos von allen Lippen wiederholt, nur ihr Gemahl rief es laut lachend: »Aber, Auguste, nur raus damit!«
»Aber«, rief sie rasch, »mein Mann tut jetzt, als wenn er wünschte, daß ich alles ausplaudern sollte, weil er so tut, als ob er sich nichts draus machte. Nachher zu Hause und im Wagen schon würde er mir das Kapitel lesen: ›Aber, Auguste, wie konntest du wieder!‹ Sehen Sie, wie er das Kinn im Halstuch versteckt. Er möchte Sie glauben machen, daß er sich vor Lachen ausschüttet, aber – aber ich will keine Komödie vor Ihnen aufführen.«
Das Urteil über die Baronin lautete heute sehr verschieden. »Wer hätte es von ihr gedacht!« sagte die Dame, welche wir als Staatsrätin angeredet hörten. »Früher nicht den Mund geöffnet, ohne eine Betise zu sagen, und wirft jetzt mit Sottisen um sich!«
»Ich weiß aber nicht«, entgegnete die andere, »ob mir das rohe Tuch nicht lieber war als die neue Appretur im Lagerhause.«
»Die sie indes gewiß nicht dem Bügeleisen ihres Mannes verdankt«, fiel die erste ein. »Solange sie neu ist, wird ihre Neuheit frappieren; ich fürchte aber, daß es mit dem Glanze gehen wird wie mit dem Tuche ihres Gemahls: nach den ersten Regengüssen wird es fadenscheinig.«
Die Urteile der Männer lauteten günstiger. Einige gingen so weit, zu behaupten, sie hätte ihren Verstand nur kaschiert oder ihr Mann ihn nicht aufkommen lassen, wogegen andere wollten, er sei vielleicht grade durch die Reibung mit ihm ins Leben gerufen. Die Feineren lächelten: Es war ja die Wirkung der Liebe. Die Flammen hatten eine Eiskruste oder Bleirinde gesprengt.
»Schade, daß sie nicht mehr jung genug ist, um eine Gurly zu spielen«, schloß einer. »Also doch auch sie eine Rolle«, entgegnete ein anderer. »Sie hörten ja, daß sie keine Ausnahmen statuiert.« Den eigentlichen Vorteil zog Komteß Laura von dem Disput, wenn es ein Vorteil war, daß sie über dem neuen Gegenstand der Unterhaltung dem scharfen Skrutinium entschlüpfte.