Willibald Alexis
Ruhe ist die erste Bürgerpflicht
Willibald Alexis

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Achtes Kapitel.
Der wirkliche und der nichtwirkliche Geheimrat.

Die Gedanken des Wirklichen wurden durch die Erscheinung des Geheimrates unterbrochen, mit denen unsere Geschichte anfängt. Auch Lupinus war ein anderer in seinem Hause als – wir ihn hier wiedersehen. Die süßesten Falten glätteten sein volles Gesicht, und die Glätte ging über die sanft gepuderte Stirn bis an den Schopf. Lächelnd der Mund, das Auge, den Hut in der Hand, hatte er an der Tür seine respektvolle Verbeugung gemacht, um, den Dreiecker an die Brust gedrückt, mit einer Bewegung, welche an die der Maus erinnern konnte, auf den Wirklichen zu sich in Bewegung zu setzen:

»Mein teuerster Gönner!«

Der Wirkliche hatte die Bewegung vorausgesehen und vor dem Händedruck, der ihm drohte, sich hinter einem Lehnstuhl verschanzt, den er mit der Linken faßte und bewegte, um sich gelegentlich darauf zu stützen, während er mit der Rechten sich auch gelegentlich bewegte. Der Wirkliche schien während dieses Auftritts um einen Kopf größer als der andere Geheimrat. Ob er es war, laß ich ungesagt.

»Mein Herr Geheimrat, ich hatte nicht erwartet, daß wir uns so begegnen sollten.«

Lupinus war um einen Schritt zurückgeprallt. Den Hut noch fester an die Brust drückend, verneigte er sich noch tiefer: »Mein Herr Geheimrat, wer hat keine Feinde!«

»Um das kurz abzuschneiden, von Ihren Feinden weiß ich nichts, aber ich weiß doch alles. Ich bin nicht Ihr Richter, das wissen Sie. Wie Sie sich vor dem weißbrennen wollen, ist Ihre Sache, zu mir kommen Sie aus andern Gründen. Einem Advokaten muß man alles sagen.«

»Soll ich sagen, daß mich diese edle Gesinnung überrascht? Nein! Justice et humanité, voilà le patrimoine de la famille de Bovillard! Si mon ami Bovillard est mon avocat, je suis l'homme le plus heureux. Gerechtigkeit und Menschlichkeit sind die Eigenschaften der Familie Bovillard. Wenn mein Freund Bovillard mein Anwalt ist, bin ich der glücklichste Mensch. «

»Herr, rasen Sie! Von Ihrer Kassation ist die Rede! Um des Himmels willen, plagte Sie denn der Teufel! Lauern uns denn nicht genug auf den Dienst, wissen sie nicht, wie man uns auf die Finger sieht, wie man die unschuldigsten Handlungen verdächtigt, und Sie müssen uns mit solchen Stänkereien kommen! Herr Geheimrat, Sie verdienten ja schon darum –«

»Meine Intentionen waren die reinsten von der Welt

»Zum Geier mit Ihren Intentionen. Wissen Sie, wie der König in die Lippen biß, wie die Königin blaß ward, wie ein Jemand, den ich nicht nennen will, die Achseln zuckte und zu Ihrer Majestät flüsterte: ›Das sind die Freunde des Herrn Lombard!‹, wie Seine Majestät, die Hände auf dem Rücken, stumm durchs Zimmer gingen: ›Das muß anders werden! – Heißt das Ordnung! Das nennt man Humanität, daß man Gottes Ordnung umkehrt und die Verbrecher Saufgelage feiern läßt. – Es muß, es soll anders werden!‹ schlossen Seine Majestät. Beyme hat ihn noch nie so gesehen. Die Kabinettsordre an den Justizminister war ihm noch nicht stark genug, er mußte sie umschreiben. Was sagen Sie nun?«

Lupinus wußte nichts zu sagen. Er kaute mit den trockenen Lippen und rieb mechanisch die Hände über den Hut, bis der Wirkliche ihm zu Hilfe kam: »Erleichtern Sie Ihr Herz und schenken mir reinen Wein, aber verstehen Sie, ganz reinen, und bis auf den Grund.«

Ob der Wein ganz rein war, lassen wir auf sich beruhen. Es war so ziemlich derselbe, den wir in Lupinus' Gespräch mit seiner Schwägerin gekostet. Nur blieb der tolle Sohn des Geheimrats aus dem Spiele. Der Zuhörer, welcher besonders am Schluß aufmerksam den Kopf wiegte, schien einigermaßen befriedigt, denn er sagte, als der andere zu Ende war: »Können Sie nun mit gutem Gewissen behaupten, daß Sie nichts hinzugetan noch davongenommen haben; ich meine, daß, wenn Sie vor dem Richter stehen, Sie ebenfalls nichts mehr noch weniger aussagen würden?«

»Wir sind Menschen, Herr Geheimrat, wir sind alle Menschen, und unser Los ist irren.«

»Beamte sind aber eine besondre Klasse von Menschen, die nicht irren sollen; sonst jagt man sie fort."

»Seine Majestät der König kennt gewiß meine Loyalität.«

»Der Hochselige kannte sie freilich durch Herrn Rietz. Ich möchte Ihnen nicht raten, sich darauf zu berufen. Überhaupt scheinen mir Ihre Erinnerungen und Kenntnisse etwas antediluvianischer Art. Wenn man ein Beamter ist Ihres Ranges, die gebildete Gesellschaft besucht, ist es erste Pflicht, daß man sich um die Verhältnisse und Ansichten kümmert. Vielleicht liegt das in Ihrer Familie –«

»Herr Geheimrat meinen meinen Bruder in der Jägerstaße. Ja, um die Dehors kümmert er sich allerdings wenig. Sollte er sich vielleicht bei irgendeiner Gelegenheit einen Verstoß haben zuschulden kommen lassen! Gott, er hat ein gewissermaßen kindliches Gemüt, er kann kein Wasser trüben. Aber Gelehrte – Gelehrte, mein teuerster Gönner, ach, der Vers ist wie auf ihn gemacht:

Er weiß, wie man in Rom gegessen
Und zu Athen sich gab den Kuß;
Darüber hat er ganz vergessen,
Wie man die Gabel halten muß.

Wie oft habe ich freundschaftlich mit dem Trefflichen gesprochen, daß er sich doch etwas in die Verhältnisse schicken möchte.«

»Hätten Sie sich die Predigt doch lieber selbst gehalten!« fiel der Wirkliche wieder verdrießlich ein. »Mein Herr Geheimrat, es ist ganz unbegreiflich, wie Sie die Veränderungen übersehen haben, die sich in unsern Sitten zutrugen. Ja, ja, in unsern Sitten! Sehn Sie denn nicht ein, daß und wie sich alles geändert hat? Ein junger, tugendhafter König ist unser Staatsoberhaupt, eine ebenso tugendhafte und sittsame junge Königin an seiner Seite. Ihr Haushalt ist ein wahres Exempel von Moralität, von wirklich rührender Häuslichkeit. Fühlen Sie denn nicht, wie dies Beispiel schon auf das Publikum einwirkt. Anfangs war man etwas frappiert, man verstand es nicht, man glaubte nicht, daß es dauern könne, man sah mehr darin ein idyllisches Schauspiel, manche fürchteten sogar, daß die königliche Autorität verlieren würde, ohne den Gold- und Silberapparat. Aber es war anders. Wird dieser König weniger geliebt als der höchstselige? Ja, ich wage zu behaupten, der große Friedrich ward nicht so veneriert. Wenn dieser jugendliche Monarch mit zwei Rappen, die schöne Königin an seiner Seite, durch die Linden kutschiert, wie schlagen alle Herzen! Hören Sie die Bemerkungen der Leute. Das sind Symptome, mein Lieber, auf die man achten muß.«

»Herr Geheimrat!« rief der andre, sich auf die Brust schlagend, »Wie mein kleiner Fritz neulich, den Sie die Güte hatten aus der Taufe zu heben, die Verse von Gleim hersagen sollte:

Und die Tugend, sie ist kein leerer Wahn,
Erzeugt in dem Hirne des Toren!

drängte sich die stille Träne des Mitgefühls auch aus meinen Augen. Wer erkennt nicht dieses sublime Beispiel des erhabenen Königspaares! Ich erlaubte mir daher auch neulich in der Loge –«

»Mit freimaurerischen Redensarten ist es nicht mehr getan. Man soll auch en vérité die Jugend exekutieren. Bemerken Sie denn nicht, wie die Dinge in Berlin schon jetzt ein andres Ansehen gewinnen. Man muß sich fügen, mein Lieber, man muß mit dem Strome schwimmen, man muß sich kleiden wie die andern, wenn uns auch die Mode nicht gefällt. Ou voulez-vous être un original, qui ne se désoriginalisera jamais? Glauben Sie mir, es gefällt manchem am Hofe nicht, ich muß manche Klage hören, aber – man fügt sich. Manche Liaisons sind stadtkundig, wer hatte bisher Arges daran, aber – man geniert sich jetzt, man fährt nicht mehr zusammen in den Tiergarten. Ich könnte Ihnen – aber n'en parlons pas – apropos – man sagt mir, Sie besuchen noch immer das Haus der Schubitz.« Der Nichtwirkliche blickte ihn verwundert an.

»Mein hochverehrtester Gönner, auch das –« Offenbar wollte er, was man nennt mit etwas herausplatzen, vielleicht aus der Defensive in die Offensive übergehen, aber rasch sich besinnend, fuhr er in dem vorigen süßflötenden Tone fort:

»Wenn ich sagen dürfte, wie anständig es dort hergeht! Ich kann beteuern, daß alles Unmoralische davon entfernt ist. In den untern Zimmern versammelt sich abendlich gelegentlich eine Gesellschaft von frohen Menschen. Man trinkt Tee, man läßt sich eine Bowle brauen; in heitern Gesprächen vergehen die Stunden. Wie mancher Geschäftsmann, erdrückt von der Last des Tages, der keine Familie hat oder in ihrem Kreise nicht das rechte Soulagement findet, sucht die Zerstreuung, die notwendige Erholung, um sich wieder zu erfrischen für die Sorgen und die Arbeit des nächsten Tages. Der Staat fordert von uns ungeheure Opfer, er muß uns doch auch etwas Erholung gönnen. Einige machen auch ein Spielchen, die Räume sind so gemütlich und hell. Muß man denn immer Arges denken! Diese leichten, anmutigen Kinder der Natur – ich will im entferntesten nicht für ihre Vertu sonst einstehen – aber in diesen Reunions, wenn doch auch nur einmal etwas Unsittliches vorgefallen wäre! Hüpfende Gazellen, Hebes mit der rauchenden Schale, mischen sie sich in das Gespräch, man hält sie fest, wenn sie entschlüpfen wollen, man richtet Fragen an sie und freut sich ihrer schamaften Antworten. Sie wissen oft den Nagel auf den Kopf zu treffen. Ich will auch nicht dafür einstehen, daß man nicht einmal, überrascht von einer naiven Antwort, den losen Schalk auf den Schoß zieht und ihn dafür mit einem Kuß auf die Lippen belohnt oder bestraft. Aber, wie gesagt, il n'y a rien là d'immoral, Monsieur le conseiller! Man findet immer achtungswerte Gesellschaft, die höchstachtungswerteste zuweilen. – Herr Geheimrat würden erstaunen, wenn Sie hörten, welche Equipagen vor dem Hause halten – oft die ganze Behrenstraße hinauf bis zur Friedrichstraße. Man trifft sich auch mit den Künstlern, den Genies unserer Stadt. Wie oft hat Herr Friedrich Gentz seine brillantesten Gedanken in diesen Kreisen zuerst saillant ausgesprützt. Da ist der berühmte Bildhauer, das Genie – wie heißt er doch gleich? –, der macht Studien zum Basrelief für das neue Schauspielhaus. Der tiefsinnige Herr Adam Müller, ce génie mystique, las den Damen aus seinen Schriften vor, s'il m'est permis de m'exprimer ainsi pour les convertir. Reine psychologische Studien! Der Herr Hofrat Hirt versichert, bei den Bewegungen der einen Nymphe würde er doch immer erinnert an ein pompejanisches Wandgemälde, was der Lichtenau so gefallen hatte, er hat es im Marmorpalais konterfeien müssen. Da sagte auch neulich Fleck – doch das erinnern sich Herr Geheimrat –, von der Auguste könnte die Schick agieren lernen, wenn sie die Dido singt. Enfin, je vous assure, mon génie protecteur, on n'y va que pour faire ses études artistiques, philosophiques, psychologiques – Alles in allem versichere ich Ihnen, mein Gönner, man geht nur dorthin, um Studien zu treiben, künstlerische, philosophische, psychologische – «

»Et physiologiques«, unterbrach Bovillard. »Und was studierten Sie, Herr Geheimrat?«

»Menschenkenntnis, Herr Geheimrat. Lernt man in der Schwäche sich nicht selbst am besten kennen?«

»Das will ich gelten lassen. Darum schickte ein gewisser Jemand auch wohl seine Pantoffeln in das Haus.«

Der Geheimrat senkte den Blick. »Soviel mir bekannt, sind diese schon vor Monaten wieder abgeholt.«

»Das ist sehr klug von dem Jemand gehandelt. Denn, merken Sie noch etwas, eine Polizeiorder ist unter der Feder, in diesen Häusern soll künftig eine Präsenzliste geführt werden. Wer aus und ein geht, muß seinen Namen einschreiben. An jedem Morgen wird der Polizeipräsident wissen, wer sie besucht hat, und die Beamten werden höhern Orts gemeldet.«

Die beiden Geheimräte sahen sich unwillkürlich mit einem wunderbaren Blicke an. Es entstand eine Pause. Eine vertraulichere Stimmung schien zwischen dem Wirklichen und dem Nichtwirklichen eingetreten, als jener, nach einem kurzen Ambulieren seine verschanzte Stellung im Stich lassend, sich mit überkreuzten Beinen auf das Sofa setzte. Der Nichtwirkliche nahm bescheiden in der andern Ecke Platz.

»Und dann, warum müssen Sie mit jeder Schürze auf der Straße Konversation anfangen und jedes hübsche Dienstmädchen in die Backen kneifen?«

»Mon Dieu, auch das ein Verbrechen, wenn das Herz uns treibt, unsere Mitmenschen zu uns zu erheben! Je vous proteste, ce n'est rien que l'inspiration d'un cœur humain

»Genialität, mon ami! Ces beaux temps sont passés. Sie werden mich gewiß nicht zu den Rigorosen rechnen, aber man muß doch auch mit einem gewissen Ernst, der unserer Stellung und unserem Alter ziemt, die Verhältnisse betrachten. Es mußte anders werden. Das sittliche Gefühl des jungen Monarchen war durch so viel Affröses verletzt. Man hätte sich nicht wundern dürfen, wenn er selbst mit rigoroser Strenge dazwischenfuhr. Aber in seiner milden, bescheidenen Weise zieht er es vor, nur durch sein Beispiel zu wirken. Und es ist überraschend, wie es schon gewirkt hat. Wie menagieren sich jetzt die Damen am Hofe! Hört man noch das disgustierende Geplauder von sonst! Ein Wort, ein strafender Blick der Königin, und wie der Nebel beim Sonnenschein wird es rein – die schockierenden Konfidenzen verstummen. Kennen Sie die alte Voß wieder? Ganz die Airs einer würdigen Matrone! Wenn es auch noch nicht überall einklingt, so macht man doch Efforts. Selbst Komteß Laura, geht sie wohl noch so ausgeschnitten wie sonst? Und wenn man auch noch die Redouten in Bergers Saal besucht, mit welcher Dezenz geschieht es! Da kennt keine die andere, so tief maskiert! Ihre Wagen lassen sie schon an der Ecke der Dorotheenstraße zurück. Nein, die Progressen in der öffentlichen Moral sind unverkennbar. Und die Minister! Was kann denn erhebender sein, als wie der unsere den Glanz des Weltmannes von sich abgestreift hat und wie ein Patriarch unter den Seinen lebt. Die Frau Ministerin, wenn sie, das schlichte Häubchen auf dem Kopf, die Schürze vor, als Hausfrau in Küch und Keller waltet! Ein Fremder könnte glauben, daß er in eine gewöhnliche Bürgerwirtschaft gerät. Ein herzlicher Händedruck würde ihn begrüßen, ein Trunk Bier steht immer auf dem Tische.«

»Trinken Exzellenz jetzt Bier?« fiel Lupinus rasch ein. – »Wahrscheinlich von dem, was mein Freund, der Hofrat Fredersdorf, in Spandow braut. Ein treffliches Bier, aber sollte es ganz nach Exzellenz Geschmack sein?«

»Das tut wohl nichts zur Sache. Ich meinte nur –«

»Vielleicht nur des Magens wegen – Exzellenz leiden an Indigestionen – da würde ein bitteres Magenbier, zum Exempel das Zerbster – der Magen eines Ministers ist etwas Kostbares für das Land – ich habe da eine gute Quelle. Meinen Herr Geheimrat vielleicht, daß Exzellenz es nicht ungütig nehmen würden, wenn ich mir erlaubte, ein Fäßchen –«

»Sorgen Sie lieber für Ihren eigenen Magen«, sagte Bovillard aufstehend, »denn Sie haben viel Verdorbenes gutzumachen!« – Aber der Alp auf der Brust des Geheimrat Lupinus schien sich doch allmählich gelöst zu haben, als er die Teilnahme seines Gönners bemerkte. Die Sache war nicht durch einen Scherz zu beseitigen. Man sprach auch von einem Dritten, der seine Vermittlung schon angeboten. »Wenn man dem nur ganz trauen kann«, sagte Lupinus. Der Wirkliche lächelte leichthin: »Das zu prüfen ist meine Sache. Ihre, Anstand, Ernst, Moralität zu zeigen – und vorsichtig zu sein. Denn mir ist gar nichts darum zu tun, daß Sie mit blauem Auge davonkommen und durch eine Hintertür schlüpfen, sondern Ihre Ehre soll ganz fleckenlos dastehen. Verstehen Sie mich, mein Herr Geheimrat? Es handelt sich um Ihre vollkommene Rechtfertigung, weil unser Interesse damit zusammenhängt. Verstehen sie mich! Wissen Sie auch, daß der Justizminister schon einen Kandidaten für Ihren Posten in petto hat?«

»Womit habe ich das verdient!« Beinahe entfiel ihm der Hut, als er mit der Hand über die Stirn fuhr.

»Das machen Sie mit sich selbst aus. Dann kann ich Ihnen auch nicht verbergen, daß das Verhältnis mit Ihrer Köchin Seine Majestät schockiert. Sie täten besser, sie wegzuschicken oder wieder zu heiraten.«

»Wenn ich die Ungnade Seiner Majestät damit abwenden könnte – mein Gott, ich bin ja zu allem bereit – jeden Augenblick.«

»Warten Sie's doch noch ab«, entgegnete der Wirkliche, wirklich von diesem Zeichen der Devotion überrascht. »Es kann sich manches wieder ändern. Überhaupt müssen wir warten«, setzte er hinzu, »denn ich besinne mich, daß der Minister morgen wegen des Geburtstags Seiner Majestät nicht zu sprechen ist.«

Mit etwas erleichtertem Herzen nahm Lupinus seinen Rückzug. Bovillard schien schon einer Reihe anderer Gedanken gefolgt, als er, die Hand an der Tür, ihm ein Apropos nachrief:

»Apropos, wissen Sie nicht, was aus der Jenny geworden ist?«

Lupinus, halb schon aus der Tür, war im Augenblick zurückgeschnellt, und mit derselben Elastizität verklärte sich sein Gesicht zu einem Ausdruck, der das grade Gegenstück zu dem während dieser peinlichen Unterhaltung war. Es war die allmächtige Natur, welche die Folterbande gesprengt hat.

»Die ging ja nach Leipzig – nach dem Vorfall –«

»Das weiß ich. Aber von da?«

»Man sagte, nach Paris. Ab! ces souvenirs!« Der Geheimrat von der Vogtei küßte seine Finger.

»Wie eine Gazelle«, sagte der Wirkliche.

»Und eine Taille!«

»Quand elle pirouettait autour d'elle-même –«

»En petit comité, viel ravissanter als hinter den Lampen. Diese Grazie!«

»Augen wie eine étincelle

»Et son esprit!«

»Witzig! Sie konnte fünf Mann totmachen.«

»Et ses délicieux petits pieds! Erinnern sich Herr Geheimrat noch an jenen Abend, wie sie auf den Tisch sprang!«

»N'en parlons pas!« Bovillard wehrte mit der Hand. Mit einem eigentümlichen Blick setzte er hinzu: »Mon cher conseiller, c'est à vous de vous taire – et surtout à présent

»A moi!« Lupinus senkte die Augen, die Hand auf der Brust. »D'ailleurs ces souvenirs dureront plus que ma vie

»Ja, sie hat manche Erinnerungen hinterlassen«, schmunzelte Bovillard.

»Und man kann sie ordentlich historisch verfolgen«, setzte der andere hinzu. »So was kommt doch nicht wieder. Sind Herr Geheimrat nicht auch der Meinung, es verschlechtert sich alles in der Welt?«

»Es kann aber auch einiges besser werden«, sagte Bovillard. Noch einmal rief er dem Scheidenden nach: »Also, un peu plus de morale et – de modération


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