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5.

Herbert hatte sich seit langer Zeit nicht so wohl und verhältnismäßig glücklich gefühlt wie von dem Augenblicke an, da er sich bei den Geschwistern Weerth eingemietet hatte.

Als die Ereignisse von Sechsundsechzig über Hannover hereingebrochen waren, hatte der Staatsrat seinen beiden Söhnen freigestellt, nach eigener Überzeugung die Wahl zu treffen, ob sie der Sache ihres Königs treu bleiben oder sich den veränderten Verhältnissen fügen wollten. Der größte Teil der höheren Offiziere hielt damals das kriegerische Verfahren des Königs Georg für wenig aussichtsvoll, und auch die Mehrheit der übrigen hatte geringe Neigung, ihr Lebensschicksal weiterhin an verlorene Illusionen zu knüpfen. Immerhin blieb eine ansehnliche Gruppe nach ihrer in den Motiven gewiß nicht zu unterschätzenden Auffassung von Ehrenpflicht und Vaterlandsliebe fest in dem Entschlusse, die Angelegenheit ihres entthronten Herrschers mit allen Mitteln und unter allen Umständen gegen den Unterdrücker zu verfechten. Für die Erreichung dieses Vorsatzes fand sich bereitwilliges Material bei den in die Heimat entlassenen Soldaten und in den bäuerlichen Kreisen. Es stand ja fest, daß die Hannoveraner die sonst immer siegreichen Preußen geschlagen hatten, und so konnte nur schwarzer Verrat die Ursache der gleich darauf erfolgten Waffenstreckung gewesen sein. Überall im Lande bildeten sich geheime Verbindungen; die eifrigen Royalisten machten sich zunutze, was von den Einrichtungen der Carbonari von 1820 und von den polnischen Nationalkomitees von 1863 bekannt geworden war: die strenge Disziplin in den eigenen Reihen, die Allmacht der ungenannten Oberen, die Spionage im feindlichen Lager. Hauptaufgabe aber war die Bereitstellung einer hannöverischen Legion, um zu gegebener Zeit mit aller Kraft losschlagen zu können.

König Georg hatte sich anfänglich geweigert, Offiziere und Mannschaften von dem Fahneneide zu entbinden und sich erst nach längeren Verhandlungen dazu bequemt, jedem, der es wünschte, den Abschied zu bewilligen. Der Erfolg brachte ihm eine bittere Enttäuschung: vierhundertfünfundzwanzig Offiziere traten in preußischen Heeresdienst, dreiundachtzig in den verschiedener Kleinstaaten, siebzig schworen dem König Wilhelm, um eine Pension zu erhalten, und nur einundachtzig hielten sich in jeder Beziehung von Preußen fern.

Dem Staatsrat kam es keineswegs unerwünscht, daß sein zweiter Sohn Ralph mit Preußen seinen Frieden machte. Baron Herwey übersah mit scharfem Blick die Sachlage; er brach nicht alle Brücken zur Vergangenheit und hielt sich im geheimen dem hannöverischen Hofe nach wie vor zur Verfügung, aber er suchte zugleich auch Anschluß in Berlin, wo er von früher her gute Verbindungen hatte und mit der Großbritannischen Botschaft auf vertrautem Fuße stand. Er hatte auch gar nichts dagegen, daß Herbert, von seiner schönen Stiefmutter unterstützt, sich von dem Bruder trennte, um sich der Emigration anzuschließen. Im Gegenteil, diese Teilung der Interessen innerhalb der Familie sagte ihm durchaus zu, weil sie in ihren psychologischen Ursachen in Preußen wie in Hannover verstanden werden mußte und ihm selbst gewissermaßen den Ausblick nach zwei Seiten hin gestattete. Er hatte wohl auch die unbestimmte Hoffnung, daß Herbert ihm in Paris gelegentlich nützliche Dienste erweisen könne. Daß dies aussichtlos war, erfuhr er freilich bald durch seine Agenten in Frankreich, die Herbert unter Beobachtung hielten, und hätte er sich bei dem Charakter seines Sohnes ohnedies selbst sagen müssen.

Die Spannung der politischen Verhältnisse beschleunigte die Emigration, die dem König Georg stattliche Summen kostete. Die geheimen Werbungen taten ihre Schuldigkeit, Herbert konnte binnen kurzem eine große Anzahl waffenfähiger Hannoveraner über die holländische Grenze bringen, gegebenem Befehl zufolge nach Arnheim, wo weitere Bestimmungen abgewartet werden sollten. Nun aber setzten auch zugleich die Schwierigkeiten ein. Holland wies die Emigrierten aus, und Herbert, gegen den inzwischen preußischerseits ein Steckbrief wegen Hochverrats erlassen worden war, mußte mit seinem Trupp die Gastlichkeit der Schweiz in Anspruch nehmen, wo sich das Hauptquartier in Zürich zusammenfand.

Die Frage der Abtretung Luxemburgs an Frankreich rückte den neuen Krieg in nahe Aussicht, und da es hieß, Österreich werde sich in diesem Falle auf die Seite Napoleons stellen, um die Schmach von Sadowa wieder wettzumachen, so wuchsen auch die Hoffnungen der Hannoveraner. Herbert war häufig in Paris, um dort mit dem Flügeladjutanten des Königs Georg, dem Major von Düring, den Plan für eine selbständige militärische Aktion der Legion für den Kriegsfall aufzustellen. Er fand viel Arbeit vor und war mit Eifer bei der Sache, reiste im Lande umher, um die Ausrüstung der Truppe zu vervollständigen, wurde auch nach England geschickt, wo die Chassepotgewehre für die Legion hergestellt wurden, und ermöglichte es durch seine rastlose Tätigkeit, daß in kurzer Zeit die gemieteten Arsenale für die Kriegsausrüstung eines Korps von fünfzehntausend Mann gefüllt werden konnten.

Inzwischen hatte auch die Schweiz abgelehnt, die Emigranten noch länger zu beherbergen, die nunmehr mit Genehmigung der französischen Regierung in verschiedenen Ortschaften des Elsaß untergebracht wurden, während der Stab sich in Paris niederließ. Die militärische Organisation war vorläufig noch eine straffe und wohlgeordnete, aber das erste Feuer der Begeisterung doch schon erloschen. Die Kriegsaussichten waren wieder geschwunden, das großartig geplante Blatt » La Situation«, das für die hannöverischen Ideen in Frankreich Propaganda machen sollte, war nach kurzem Leben ruhmlos eingegangen, und nach Sequestrierung des welfischen Vermögens durch Preußen wurde die weitere Erhaltung der Legion für den König Georg zu einer ungeheuren Last. Dazu kam, daß die braven Hannoveraner sich auf fremder Erde unbehaglich zu fühlen begannen, und daß hier und da sogar schon der Wunsch nach einer die Rückkehr in die Heimat ermöglichenden Amnestie Preußens laut wurde, gegen die der König sich freilich energisch wehrte.

Auch für Herbert wurde der Aufenthalt in Paris immer unerträglicher. Die Aussichtslosigkeit des ganzen Unternehmens bedrückte ihn, und die Wege, die die französische Regierung einschlug, um die hannöverischen Offiziere für ihre Interessen zu gewinnen, erfüllten ihn mit Empörung. Sein Ziel war immer nur die Losreißung Hannovers von Preußen und die Wiedereinsetzung der alten Ordnung gewesen. Jetzt aber regte sich das deutsche Blut in ihm, da er einsehen mußte, daß der chauvinistische Wahnsinn in ganz Frankreich einen wütenden Deutschenhaß aufzupeitschen begann. Er hatte im allgemeinen wenig Verständnis für die hohe Politik, aber er las die Boulevardblätter und hörte genug, um sich über den Charakter des französischen Volkes und seiner Führenden klar zu sein, die Deutschlands Zersplitterung für ihr wohlerworbenes Recht hielten und die Erwerbung des linken Rheinufers für einen durch die Natur der Dinge begründeten Anspruch.

Und dann kamen die letzten bitteren Erfahrungen. Gerüchte sickerten durch, daß man sich auch in Hietzing von der Überflüssigkeit der Legion überzeugt habe und man sich dort mit dem Gedanken trage, die von der Heimat abgeschnittenen Hannoveraner in Amerika oder Algier anzusiedeln, während man es von den Offizieren gern sehen würde, wenn sie in französische Dienste treten wollten. Die Beunruhigung wuchs, als die einzelnen Offiziere mehr als zuvor französischen Kommandostellen zugeteilt wurden, angeblich zur Bereicherung ihrer Kenntnisse, in Wahrheit aber, wie die weniger Harmlosen in Bälde zu fühlen begannen, behufs Ausnutzung ihrer Kenntnisse des Heimatgebiets im Interesse des Kaiserreichs. Eine gefährliche Rolle in dieser Bewegung spielte der Herr Eriau, seinem Beruf nach Kabinettschef im Departement der öffentlichen Sicherheit, in Wahrheit aber eine geschickte Kreatur des Kriegsministeriums und ein ergebenes Werkzeug des Marquis de Moustier und des Marschalls Niel, der ärgsten und schlauesten Hetzer in der Umgebung Napoleons.

Als Herbert mit einem Auftrag, der für ihn unerfüllbar war, Paris verlassen hatte, war ihm, als habe er einen Alp von seiner Seele schütteln können. Er wußte, daß er durch seinen Vater, der die besten Beziehungen zu Althannoveranern wie Windthorst und Bennigsen hatte, für seine Person eine Begnadigung wohl hätte erreichen können; aber er scheute davor zurück, weil er nicht der einzige sein wollte, der dem alten Feinde die Hand zum Frieden reichte. Er löste auch nicht sein Verhältnis zu der Legion – er ließ einfach nichts mehr von sich hören. Paris war für ihn erledigt – aber Paris kroch ihm nach. Die ersten, die sich im Auftrage »höhererseits« brieflich nach ihm erkundigten, waren Agenten seines Vaters. Der Staatsrat schrieb zurück, er bedauere, keine Auskunft geben zu können, da ihm jede Verbindung mit seinem Sohne fehle. Die Wendung besagte schlankweg, daß man ihn in dieser Angelegenheit nicht weiter behelligen möge, und damit war die Sache erledigt. Nicht aber für die ungemein rührige französische Geheimdiplomatie, die nie einen Faden abreißen ließ, den sie angesponnen hatte.

Eines Abends besuchte Herbert gemeinschaftlich mit Hans Weerth ein volkstümliches Vergnügungslokal in der Nähe der gemeinschaftlichen Wohnung, Callenbachs Vaudeville-Theater am Johannistisch. Die Vorstellung, ein Gemisch von einaktigen Gesangspossen und sogenannten Varieténummern, war vorüber, und die Herren legten in der Garderobe ihre Mäntel an, als ein junger blonder, nichtssagend aussehender Mann sich Herbert näherte, höflich den Hut lüftete und bescheiden fragte, ob er Herrn Haug vor sich habe. Auf die bejahende Antwort hin erklärte er kurz: »Ich habe einen Brief für Sie« – reichte ihm ein kleines Kuvert und verschwand im Gedränge des Ausgangs.

Hans Weerth lachte. »Geheimer Sünder,« meinte er, »nun haben wir Sie gefaßt. Ein Billetdoux. Ist's ein Novellenstoff, so bitte ich um Andeutungen.«

Herbert hatte das Kuvert geöffnet und den Inhalt überflogen. Es war ein weißes Kartonblatt, das in französischer Sprache die Worte enthielt: »Herr Herbert Haug wird gebeten, in den nächsten Tagen von Elf bis Zwölf oder Vier bis Fünf auf der Französischen Botschaft vorzusprechen und nach dem Baron de Ring zu fragen.«

Er mußte vorsichtig sein. Hans Weerth war Privatsekretär seines Vaters geworden, aber er ahnte nichts von dieser Verwandtschaft. Es wurde Herbert zuweilen schwer, zumal Annemarie gegenüber, vor den beiden lieben Menschen nicht offen die Karten aufzudecken. Er hätte von ihnen ja nichts zu fürchten brauchen – immerhin, ein unglücklicher Zufall konnte zum Verräter werden, und erfuhr die Polizei seine Anwesenheit, so war er verloren. Das Damoklesschwert des Fahndungsbriefes schwebte noch immer über seinem Haupte.

So lächelte er denn ebenfalls und gab leichthin zurück: »Novellenstoff – nein. Nicht einmal ein süßes Geheimnis, sondern bloß eine Absage. Lieber Weerth, in der Kulissenluft gedeiht die rechte Liebe doch nicht …«

Schon am nächsten Tage ließ er sich bei dem Baron Ring, dem Ersten Sekretär der Französischen Botschaft, melden und wurde sofort angenommen. Der schlanke, elegante Diplomat empfing ihn mit ausgesuchter Liebenswürdigkeit.

»Wie darf ich Sie anreden?« fragte er. »Baron Herwey oder Herr Haug? Wir sind unter uns, und selbst, wenn diese Wände Ohren hätten, es würde uns nichts schaden.«

»Da ich derzeit Herbert Haug heiße,« erwiderte der junge Offizier, »ist es wohl am besten, wir bleiben dabei. Lassen wir Herbert Herwey noch im Steckbrief schlummern.«

»Einverstanden. Ich bitte Platz zu nehmen – nicht auf dem Rohrstuhl – da, der große Sessel unter dem Ölbild des Imperators ist bequemer. Eine Zigarette? – Also, bester Herr Haug, es hat uns einigermaßen Mühe gemacht, Ihre Adresse zu finden. Aber schließlich hat uns Ihr Herr Vater geholfen.«

»Mein Vater?« fragte Herbert in leichtem Erstaunen.

»Ja – wir kommen häufiger mit ihm zusammen, rein gesellschaftlich, auch mit Ihrer schönen, liebenswürdigen Frau Stiefmutter, die ich übrigens erst gestern abend wieder beim Grafen Launay sehen durfte. Ich habe mich bei Gelegenheit einfach bei Ihrem Herrn Vater nach Ihnen erkundigt, und er hat mir ohne weiteres Bescheid gegeben, und es war wohl auch das Richtigste, denn nun können wir ganz unbefangen miteinander plaudern. Sie kommen nicht allzu oft in das Haus des Herrn Staatsrats?«

»Ich vermeide es nach Möglichkeit, Baron Ring, zumal auch noch durch eine eigentümliche, von mir nicht vorauszusehende Verschiebung von Umständen der Herr, bei dem ich wohne, eine Vertrauensstellung bei meinem Vater erhalten hat. Die Aufhebung des Paßzwangs und die ziemlich lockere Handhabung der polizeilichen Anmeldungen ermöglicht mir ja freie Bewegung – aber doch nur, solange man meinen auf den Namen Herbert Haug lautenden Legitimationspapieren Glauben schenkt.«

»Diese Papiere sind Ihnen in Paris durch die Vermittlung des Divisionschefs Herrn Eriau beschafft worden, nicht wahr?«

»Ganz richtig.«

»Und Sie haben dafür bestimmte Verpflichtungen übernommen?«

Herbert errötete leicht. »Ich verstehe diese Frage«, erwiderte er, »und muß sie bejahen. Es ist in der Tat richtig, daß ich die Möglichkeit, die Grenzen Deutschlands zu überschreiten, mit Bedingungen erkauft habe, von denen ich von vornherein wußte, daß ich sie niemals würde erfüllen können. Ich nehme an, daß es Ihnen im gleichen Falle ganz ähnlich ergangen sein würde, Herr Baron.«

Herr von Ring neigte den Kopf. »Ich will das nicht bestreiten. Aber ich muß hinzufügen, daß ich in diesem Falle wahrscheinlich die ganze Angelegenheit abgelehnt haben würde – was Sie nicht getan haben.«

»Was ich nicht getan habe,« wiederholte Herbert. »Und ich gebe zu, daß das inkorrekt gewesen ist. Aber hätte ich es getan, so würde man mir unbedingt auch die Beschaffung der nötigen Ausweispapiere verweigert haben. Und wenn seit zwei Jahren auch für Berlin der Paßzwang aufgehoben worden ist, so doch nicht für die Grenzen. Und ich bedurfte grade eines deutschen Passes, um die erlaubte Freizügigkeit innerhalb des Bundesgebiets ausnutzen zu können, denn ich wußte ja nicht, ob und wie lange ich in Berlin bleiben würde.«

»Werter Herr Haug,« erwiderte Baron Ring, »das, was Sie ausführen, hat zweifellos seine Richtigkeit, erklärt aber noch nicht, warum Sie sich den übernommenen Verpflichtungen entzogen haben – oder, wie ich mich vielleicht besser ausdrücke, sichtlich zu entziehen wünschen. Denn das, um was man Sie ersuchte, soll doch den Interessen Ihres vergewaltigten Heimatlandes dienen.«

»Das bestreite ich eben,« entgegnete Herbert ruhig. »Ich weiß, daß man im politischen Verkehr der Völker die Spionage für rechtlich hält. Man sagt mir auch, sie sei unentbehrlich. Aber ich meine, man kann das doch nur von Fall zu Fall beurteilen. Dem schlichtesten Ehrbegriff muß es widerstreben, aus dem eigenen Bruder ein Objekt der Ausforschung zu machen. Im übrigen: gesetzt, ich überwände mich – ich ginge auf den Antrag ein? Diene ich mit dem erhaltenen Resultat wirklich meinem engeren Vaterlande? Nein – ich würde nur Frankreich wertvolle Aufschlüsse geben.«

Baron Ring strich mit dem Zeigefinger der Rechten durch die Luft. »Doch nicht,« sagte er. »Oder meinethalben zugestanden, daß Ihr Dienst für Frankreich von Wichtigkeit sein würde. Aber ist der Kaiser denn nicht ein treuer Verbündeter Ihres Königs? Haben Sie nie davon gehört, daß die Kabinette von Paris, Wien und Florenz sich zu einem offensiven Dreibund zusammenzuschließen gedenken, und daß im Fall einer Niederlage Preußens die Wiederherstellung Hannovers gesichert sein würde?«

»Herr Legationsrat, seit zwei Jahren erzählt man uns von dem unvermeidlich bevorstehenden Kriege. Aber er ist noch immer nicht da. Ich glaube nicht mehr daran. Ich glaube vor allem nicht an die idealen Interessen Frankreichs – das spreche ich offen aus. Es hat immer Kompensationen verlangt, und da es mit Luxemburg nicht glückte, kommt wieder der Rhein in Frage. Das aber wäre eine Zerstückelung Deutschlands, für die ich nicht zu haben bin.«

Über das angenehm freundliche Gesicht des jungen Diplomaten glitt ein flüchtiges Lächeln. Es war eigentlich nur ein leichtes Zucken der Mundwinkel.

»Sie müssen nicht alles glauben, was an unverantwortlichen Stellen erzählt wird, verehrtester Herr Haug,« sagte er, »sei's in der Presse, sei's in den Klubs, sei's auf der Straße. Aber ich will Ihnen keine politische Vorlesung halten. Bleiben wir bei Ihrer Sache. Herr Eriau war ungeschickt, daß er Sie mit einer Mission betraute, von der er bei Kenntnis Ihres Wesens wissen konnte, daß sie Ihnen nicht lag. Wir nehmen Ihnen nicht übel, daß Sie die Ausführung verweigern, auch nicht übel, daß Sie sich bei der Gelegenheit einen bequemen Rheinübergang verschafft haben. Außerdem sind wir diskret. Die Angelegenheit ist für uns erledigt, wenn Sie mir versprechen wollen, sie in keiner Weise gegen uns auszunutzen. Darf ich darauf rechnen? Ihr Wort genügt mir.«

Er streckte Herbert die Hand entgegen, der sie nahm.

»Wenn Sie mein Wort für nötig erachten,« entgegnete er, »so haben Sie es. Für mich versteht es sich von selbst, daß ich gegen ein Land, das mir Gastfreundschaft gewährt hat, nicht undankbar sein werde.«

»Das habe ich erwartet. Sela. Und was nun? Würde es nicht zweckmäßig sein, wenn Sie Ihr Verhältnis zur Legion vollends lösten?«

»Nein, Baron Ring. Vielleicht trete ich in fremde Dienste. Dann ergibt es sich von selbst. Vielleicht bricht doch noch ein Krieg aus, an dem die alten Hannoveraner sich ehrenvoll beteiligen können. Dann hole ich die Uniform der Cambridge-Dragoner wieder aus der Mottenkiste und kämpfe mit. Das will ich abwarten.«

Der Erste Sekretär erhob sich. »Wenn wir Ihnen hier auf der Botschaft – oder wenn ich persönlich Ihnen in irgendeiner Weise gefällig sein kann,« sagte er, »so bitte ich mich in Anspruch zu nehmen. Ich stehe Ihnen gern und jederzeit zu Diensten. Ihre Verbindung mit den Pariser Behörden können Sie als definitiv gelöst betrachten. Leben Sie wohl.«

Noch ein Händedruck, und Herbert war entlassen. Er war glücklich darüber. Er fühlte sich frei von drückenden Fesseln und er konnte seine Freiheit genießen. Den Vater suchte er nur selten auf und dann gewöhnlich zu späterer Abendstunde. Die Angelegenheit mit Rumänien war im Gange, aber sie mußte mit großer Vorsicht unter der Hand erledigt werden und erforderte Zeit. Das war Herbert gleichgültig. Er hatte durchaus Zeit und schlug sie regelrecht tot. Er bummelte durch Berlin, und war er des Bummelns müde, so bestieg er den Pegasus. Das brachte einen neuen Reiz in sein Leben, und das dankte er Hans Weerth.

Hans hatte am Tage nach seiner Bekanntschaft mit dem Baron Herwey den Staatsrat besucht, und da hatte dieser ihm zu seinem freudigen Erstaunen folgendes Angebot gemacht:

»Ich suche seit Wochen einen neuen Sekretär. Er hat nicht mehr zu tun als in den Vormittagsstunden eine Anzahl Briefe nach meinem Diktat zu schreiben, einige Übersetzungen aus auswärtigen Journalen und Schriftstücken zu liefern, sich bei Gelegenheit auch ein wenig um die Kollationierung meiner Autographensammlung zu kümmern. Die Nachmittage haben Sie für sich, wenn Sie die Stellung annehmen wollen. Die Arbeit liegt also bequem. Was ich fordere, ist lediglich ein absolutes gegenseitiges Vertrauen. Ich bin von Beruf Politiker, und wenn ich auch nicht der Zunft angehöre, so geht doch vieles durch meine Hand, was unbedingte Verschwiegenheit erfordert. Es wird also eine Notwendigkeit sein, daß Sie den Inhalt der Briefschaften, in die Sie Einsicht bekommen oder die Sie für mich schreiben, vergessen, sobald sie erledigt sind: daß Sie diese Kenntnisnahme gewissermaßen aus Ihrem Hirn wischen – so wie man mit einem Schwamm über die Handschrift auf einer Schiefertafel fährt. Ihr Name bürgt mir für Ihre Ehrenhaftigkeit. Ich kann Ihnen für Ihre Tätigkeit eine monatliche Entschädigung von hundert Talern bieten …«

Natürlich überlegte Hans nicht lange. Er ging mit Freuden auf den Vorschlag des Staatsrats ein, der seine Lebensführung sicherte und ihm zugleich genügend Zeit für seine schriftstellerischen Arbeiten ließ, denn häufig kam es vor, daß Baron Herwey seiner nicht einmal für die vollen Vormittage bedurfte, sondern ihn schon nach zwei Stunden wieder gehen ließ.

Es war in der Tat ein bequemer Dienst. Hans hatte sich des morgens um neun Uhr bei dem Staatsrat einzufinden, der dann gewöhnlich noch mit seinem bandagierten Fuß auf dem Diwan lag, die erbrochene Frühpost auf seinem Schoße, und ihm eine Anzahl Antworten in die Feder diktierte. Als späterhin der Fuß wieder in Heilung überging, pflegte der Staatsrat bei dem Diktat im Zimmer auf und ab zu schreiten, immer mit einer langen, sehr dunkeln Zigarre im Munde, und schon in dieser Morgenstunde so angekleidet, wie er in jeder Gesellschaft erscheinen konnte. Das Zimmer war geräumig und Herr von Herwey ein ruheloser Wanderer. Er setzte sich nie, blieb nur zuweilen am Schreibtische stehen, um Hans über die Schulter zu schauen, trat wohl auch einmal an das Fenster, um einen gedankenlosen Blick auf die Straße zu werfen, und marschierte hierauf weiter. Auf dem dicken Teppich waren seine Schritte nicht hörbar, aber Hans hatte doch den Eindruck, daß der Staatsrat ein festes Auftreten liebte. Punkt zehn Uhr erschien der Diener und brachte für jeden der beiden Herren ein Glas Sherry und einen Sandwich. Dann trat eine Pause von fünf Minuten ein, in der Herwey über Gleichgültiges zu plaudern pflegte. Aber es war immer ein Ausfragen dabei. Die kurhessische Zeit berührte er gern und ließ sich von Hans Anekdotisches aus jenen Tagen erzählen; auch erkundigte er sich dann und wann nach seinen häuslichen Verhältnissen und hörte interessiert zu, wenn Hans für seinen neuen Mieter schwärmte.

Es war gut, daß Hans die englische und französische Sprache vollkommen beherrschte. Das war auch Bedingung gewesen. In der Korrespondenz des Staatsrats trat das Deutsche in die zweite Reihe. Natürlich handelte es sich immer um politische Angelegenheiten, von denen Hans keinen Schimmer hatte. Das war ihm im Grunde genommen sehr lieb, denn auf diese Weise konnte er auch durch eine Unvorsichtigkeit nicht das Vertrauen verletzen, das der Staatsrat ihm schenkte. Namen, die Hans aus der Zeitgeschichte kannte, kehrten in diesem Briefwechsel häufig wieder, wurden dann und wann auch durch symbolische oder allegorische ersetzt, die sich leicht durchschauen ließen. So hieß Napoleon gewöhnlich Cäsar, König Wilhelm der alte Herr, Bismarck der Jupiter, der junge Rochefort die Vogelscheuche, Mazzini der Handlungsreisende, die Kaiserin Eugénie kurzweg die Dame, der preußische Kultusminister von Mühler Herr Schwarzrock, der ehemalige hannöverische Premier Graf Platen Vogel Strauß. Zuweilen wachte, wie rasch verflackerndes Feuer, auch in dem Dichter ein leichtes politisches Interesse auf, wenn eine verblüffend wirkende Wendung in die Briefschaft floß. So hieß es beispielsweise in einem Bericht an einen Pariser Ungenannten, Bebel und Liebknecht würden auf dem nächsten sozialdemokratischen Parteitag die Umwandlung alles Ackerlandes in gemeinschaftliches gesellschaftliches Eigentum fordern, in einem anderen, Menotti Garibaldi habe seine Freischaren mit preußischen Zündnadelgewehren ausrüsten können, und wieder in einem dritten, die Königin Isabella lasse durch ihren Hausintendanten und bevorzugten Liebling Mafori ein Mémoire ausarbeiten, in dem Jupiter (Bismarck) als Anstifter der spanischen Revolution bezeichnet werde. Aber auch diese kleinen Sensationen verpufften rasch bei Hans Weerth. Es fehlte ihm gänzlich der Sinn für die Beurteilung politischer Vorgänge, und selbst die häufiger unter mancherlei Verbindungen erwähnten neuen antipreußischen Umtriebe, Manifeste und Denkschriften des Kurfürsten von Hessen berührten ihn nur wenig. Wie dermaleinst bei seinem Vater, so arbeitete er jetzt bei dem Baron Herwey sein Pensum gewissermaßen mechanisch ab, übersetzte pflichtgetreu die angestrichenen Stellen aus Zeitungsartikeln, die der Staatsrat ihm übergab, in fremde Sprachen, fragte nie, war nicht neugierig und auch ganz damit einverstanden, als Herr von Herwey ihm eines Tages sagte, er möchte die Briefe seines Vaters gern für seine Autographensammlung behalten.

Die Sichtung und Katalogisierung dieser Autographen machte ihm schon mehr Freude als die tägliche Schreibtischarbeit. Dazu wurden Vormittage gewählt, an denen der Staatsrat verreist oder in Konferenzen beschäftigt war, und Fräulein Erika gab Hans die nötige Anleitung und half auch dabei. Es handelte sich vorläufig um die Abteilung der historischen Dokumente, die einer genauen Beschreibung bedurften, um Belehnungsurkunden, Beglaubigungsschreiben, Briefe von Fürstlichkeiten, Heerführern, Staatsmännern, Aufklärern vergangener Zeiten, oft um ziemlich Gleichgültiges, oft auch um interessante Äußerungen, denen man nachspüren mußte, um ihnen die geschichtlichen Belege zu geben. Erika war schon bewandert in der Materie; fand sie nicht, was sie suchte, in der Hausbücherei, so machte sie sich Notizen und holte sich die betreffenden Quellenwerke aus der Königlichen Bibliothek. Hans Weerth bewunderte ihre Geschichtskenntnisse. Er bewunderte viel an ihr. Sie zeigte ihm auch ihre Bilder und ihre Skizzenmappe. Sie führte ein tätiges Dasein, das nur ihr allein gehörte. Sie sagte, sie sei auf sich selbst angewiesen und nütze dies nach eigenstem Gefallen aus. Von ihrer Stiefmutter sprach sie gar nicht; Hans bekam Désirée auch nie zu Gesicht, und das tat ihm sehr leid, denn er hatte ihre Schönheit noch gut in der Erinnerung.

Nun geschah es eines Tages, daß in das närrische, kleine Haus in der Belle-Alliance-Straße eine aufregende Freudenpost flog. Eine in der Gesellschaft vielgelesene Zeitung, das Berliner Fremden- und Anzeigenblatt, hatte eine der kleinen Novellen Hans Weerths – sie hieß »Der Überschuß des Herzens« – angenommen und auch gleich mit ihrem Druck begonnen. Viel Honorar gab es freilich nicht. Nur zehn Taler, das machte genau einen Taler für jede Fortsetzung – aber der Jubel war dennoch groß, und Herbert hatte in einer seiner opulenten Anwandlungen eine Flasche Clicquot aus der nächsten Weinhandlung geholt, damit man das frohe Ereignis auch würdig begießen könne. Auf das Berliner Fremden- und Anzeigenblatt wurde natürlich sofort abonniert, und wenn Hans es des Morgens als erster in die Hände bekam, las er zunächst sorgfältig den Titel der Novelle und den Verfassernamen und vertiefte sich hierauf in seine Geschichte, wobei er sich schrecklich ärgerte, wenn er da und hier eine kleine redaktionelle Änderung, eine Kürzung oder einen Druckfehler fand.

»Es ist empörend,« rief er sodann, »da hat der Setzer aus roher Seide rote Seide gemacht! Meine Heldin trägt ein leichtes faltenschlagendes Morgenkleid aus Rohseide – aber sie ist doch nicht geschmacklos genug, schon früh um Acht, und noch dazu in ihrem Garten, in knallroter Seide herumzulaufen! … O Gott,« fügte er klagend hinzu und warf das Haar aus der Stirn zurück, »da fehlt wieder ein ganzer Satz! Es fehlt ein Satz von Wichtigkeit, den der Idiot von Redakteur wahllos gestrichen hat! Muß ich mir das denn gefallen lassen? Hat man das Recht, ein Kunstwerk in ein Torso zu verschandeln? Es ist ein charakteristischer Satz, ein Satz, der …« Dann starrte er in die Zeitung und fiel in einen gelinden Wutausbruch und lachte hierauf gellend auf … »Das hat noch gefehlt – das fehlte noch! Annemie, ich bitte dich, halte dich fest. Es heißt hier: ›Ihr sich wölbender Mund rührte wie Lenzeshauch an seinen Lippen. Fortsetzung folgt …‹ Lacht da nicht die Fliege an der Wand? Ist es erhört, an einer solchen Stelle … Annemie, ich lese nie mehr Gedrucktes! Jedenfalls nie mehr meine eigenen Werke! Ich verzichte.«

Und er schleuderte das Zeitungsblatt auf die Erde und las nach fünf Minuten weiter.

Herbert hob sich die Lektüre bis zu beendetem Abdruck auf. Er fand die Erzählung ganz nett, aber unbedeutend. Freilich sprach er das nicht aus. Er sagte nur gelegentlich zu Hans:

»Ich möchte wohl wissen, ob ich derlei auch fertig kriege, Hans. Ist es sehr schwer?«

»I Gott bewahre,« erwiderte Hans. »Es ist so: man hat einen Einfall, und dann setzt man sich hin und schreibt. Aber natürlich kommt es auf den Einfall an und auch auf das Schreiben. Manchmal taugt beides nichts.«

»Danke für die Belehrung,« gab Herbert zurück. »Soll ich's mal versuchen?«

»Tun Sie es, lieber Herbert. Ich rate dringend dazu. Es ist etwas Köstliches. Es ist ein Spaziergang von draußen nach innen. Es ist für alle Fälle eine Loslösung von dem Einerlei des Alltags.«

Und da setzte Herbert sich denn hin und unternahm den »Spaziergang«. Er tat es zunächst zur Verscheuchung beginnender Langweile. Er hatte nun genug gebummelt. Er wußte nicht mehr so recht, was er mit dem Tag anfangen sollte. Der Tag begann erst freundlich zu werden, wenn Annemarie aus dem Geschäft heimkehrte und man sich um den Mittagstisch vereinte. Das ging immer sehr einfach zu, aber Pressel gab der Einfachheit höhere Weihe. Er kochte gut und brachte die Verfeinerung seiner Kunst sogar in die Hausmannskost. Er servierte auch selbst und war ein geübter Tafeldecker. Man hatte aus der Vergangenheit das Silber und das schöne Porzellan der Weerths in die beschränktere Gegenwart gerettet. Das warf sein Glanzlicht über die Brühkartoffeln und den aufgewärmten Kalbsbraten, und auch bei Pökelfleisch und Sauerkohl fehlten nicht die Blumen auf dem Tische. Pressel hatte die Würde, die sich leicht an der Komik rieb, und Annemarie die Anmut, die sich gern mit niedlicher Ironie verschwisterte; Hans war das Pathos, das sich zuweilen überpurzelte und mit Vorbedacht aus der Rolle fiel, und Herbert der Räsonneur, der eine sanfte Satire bevorzugte. Aber diese Elemente vertrugen sich gut in der römischen Villa am Fuße des Kreuzbergs, deren Dach nicht mehr fest genug war, um dem Regen zu trotzen, deren Fenster beim Sturm klapperten und in deren Atrium der pompejanische Fries brüchig wurde.

Herbert hatte Glück mit seinem ersten poetischen Versuch. Er raffte seine Pariser Erinnerungen zusammen und schrieb ein kleines Sittenbild, das sich noch an Balzacs unbekümmerte Fabulierkunst anlehnte, aber als ein in derben Farben gehaltener Ausschnitt aus dem Karnevalstreiben des zweiten Kaiserreichs seiner Wirkung auf das Publikum sicher war. Das Berliner Fremden- und Anzeigenblatt, nun zum Organ der Kreuzberg-Parnassiens erhoben, druckte die Skizze, zahlte Herbert noch weniger Honorar als Hans und bat ihn dafür dringend, seine schätzbare Feder auch weiter dem Blatte zu widmen. Herbert legte, seiner Neigung zur Verschwendung folgend, das kleine Honorar sofort in einem Symposion an, das Pressel nach der lukullischen Seite hin mit zärtlicher Sorgfalt ausgestaltete, und bei dem nur Annemarie sich merkwürdig sinnend verhielt. Denn sie fühlte sich, den Dichter rechts, den Dichter links, doch allzu sehr als verlorenes Weltkind, und um einen rangerhöhenden Ausgleich zu finden, verfaßte sie noch in der Nacht ein Gedichtchen, das sie »Am Wege« betitelte und in dem der Frühling mit seinem Ahnungszauber eine erhebliche Rolle spielte. Sie schrieb das Gedichtchen sauber ab und trug es selbst auf dem Wege zu Ripplau in die Redaktion des Fremden- und Anzeigenblattes, wo ein freundlicher Redakteur sie freundlich empfing, die achtzehn gereimten Zeilen auch gleich durchflog und dann wohlwollend meinte: »Gern akzeptiert, gnädiges Fräulein – nur muß ich Sie darauf aufmerksam machen, daß wir für Gedichte kein Honorar ausgeben. Das ist unser Prinzip.« Unter Erröten erklärte Annemarie, daß sie diesem Prinzip zustimme, worauf denn »Am Wege« schon in der nächsten Abendnummer erschien. Von da ab nahm Pressel das Blatt immer mit einer Verbeugung in Empfang, wenn die Zeitungsfrau es überbrachte, und Herbert erklärte, man müsse es sammeln, denn es würde dermaleinst so begehrt sein wie die Cottaische Morgenzeitung mit Beiträgen Goethes.

Aber es trug sich, da der Sommer weiter in das Land rückte, noch mehr an Gewichtigkeit zu. Hans erhielt ein gefälliges Schreiben von einem gewissen Doktor Titus Ullrich, der ihm mitteilte, Direktor Hein vom Schauspielhause habe ihm das Drama »Nach der Scheidung« zur Prüfung übergeben, und darüber möchte er gern ein wenig mit dem Herrn Verfasser plaudern. Sofort machte sich Hans, klopfenden Herzens und die Locke in der Stirn, auf den Weg zu dem Genannten und kehrte nach zwei Stunden in grübelnder Stimmung wieder heim, um Annemarie und Herbert Bericht zu erstatten.

»Es ist ein Mann, der mich versteht,« sagte er. »Er ist selbst Dichter, er ist eine kongeniale Natur. Als Anfängerwerk, meinte er, sei mein Schauspiel eine verblüffende Leistung. Er gebrauchte den Ausdruck ›verblüffend‹, denn auch das Technische sei aller Ehren wert – bis auf den Schlußakt, den vierten. Der versage, der falle ab, der setze die Gesamtwirkung in Frage. Das Publikum, sagte er, und der Mann muß es wissen, sei ein undankbares Geschlecht. Es könne drei Akte beklatschen, und wenn dann der vierte nicht auf gleicher Höhe stehe, zische es die ganze Geschichte aus. Nun also handelt es sich darum, einen neuen Abschluß zu finden. Er braucht nicht tragisch zu sein und auch nicht versöhnlich. Aber packen muß er. Über dieses Packen laßt mich bitte acht Tage lang ununterbrochen nachdenken.«

Aber es war merkwürdig, es nützte nicht viel. Hans konnte sich von dem gegebenen und niedergelegten Gedankengange nicht freimachen. Die eigene Verfasserschaft kam ihm immer wieder in die Quere.

»Ich klebe zu sehr an dem Gefertigten,« sagte er zu Herbert und fuhr sich dabei durch das Haar. »Ich kehre immer wieder zu den alten Grundlinien zurück. Verstehen Sie, Herbert, ich werde den Entwurf nicht los. Ich müßte mir vorübergehend ein anderes Hirn einsetzen, und das kann ich leider nicht. Wollen Sie sich das Stück nicht einmal durchlesen? Gar nicht unmöglich, daß Sie das Packende finden, das dem Schlußakt fehlt. Sie stehen dem Ganzen vorläufig als Zuschauer gegenüber, vielleicht können Sie auch Neues hineintragen. Doktor Ullrich bürgt für Annahme der Aufführung, wenn der letzte Akt ein Schlager wird. Ein Schlager, Herbert. Das ist etwas für Sie. Sie haben Sinn für das Packende, ich mehr für das Ausmalende. Wir sollten uns assoziieren.«

Und Herbert las das Schauspiel, doch nur die ersten drei Akte. Dann versuchte er den vierten selbständig zu arbeiten. Aber dazu ließ er sich Zeit. Die kleine Geschichte für das Berliner Fremden- und Anzeigenblatt war schließlich nur eine Spielerei gewesen. Diesmal wollte er gewissenhaft vorgehen. Es sollte sich zeigen, ob er überhaupt literarische Begabung besaß.

Der dritte Juli, der Tag von Königgrätz, war der Geburtstag Herberts.

»Königgrätz will ich als Hannoveraner nicht mitfeiern,« sagte er zu Hans und Annemarie, »aber an meinem Wiegenfeste möchte ich auch nicht zu Hause bleiben. Was wollen wir machen?«

Man überlegte, ob man ein Theater besuchen sollte. Auf der Sommerbühne der Friedrich-Wilhelm-Stadt trat die Lina Mayer als kleine Handschuhmacherin in Offenbachs »Pariser Leben« auf. Doch Herbert hatte die Hortense Schneider in der gleichen Rolle gesehen und scheute den Vergleich. Das Wallner-Theater brachte die alten »Mottenburger«, das Viktoria-Theater eine Feerie »Aschenbrödel«, die königlichen Bühnen hielten Sommerrast. Hans schlug den Zirkus Ciniselli vor, der nicht weit lag, in der Nähe des Halleschen Tores, aber selbst da feierte man Königgrätz in einer sogenannten equestrischen Pantomime »Preußens Heldengeschichte«. Annemarie wollte auch lieber in die frische Luft, und so entschloß man sich denn zu einem Besuch des Hofjägers im Tiergarten, wo der Musikdirektor Wieprecht konzertierte, und fuhr in einer Droschke dorthin.

Herbert sagte Annemarie eine Schmeichelei über ihr neues Kostüm, doch sie wehrte ab.

»Es ist nicht neu, es stammt noch aus Paris, ich habe es nur ein bißchen gebügelt und aufgeputzt. Gefällt es Ihnen?«

»Sehr. Die rosa Blümchen auf dem hellen Gelb sind besonders niedlich. Farbenharmonie. Darauf versteht man sich in Paris.«

Sie sagte, sie sehne sich zuweilen nach den Seine-Ufern und nach Asnières mit dem Duft seiner Parfümfabriken und dem frohen Leben der Regatten, und auch nach dem Pariser Treiben, und wiederholte den Ausdruck Farbenharmonie. »Wo gibt es die hier?« fragte sie.

Nun verteidigte er Berlin, und Hans stimmte ihm darin zu. Diese Stadt war noch in der Entwicklung, aber in aufwärts führender Linie. Sie dehnte sich nach allen Seiten und versuchte das Provinzielle abzustreifen; sie wollte durchaus modern werden. »Und sie hat sogar schon ihre Ehekonflikte,« sagte er, »ganz nach Pariser Muster.«

Hans lachte. »Das geht auf mein Drama,« entgegnete er, »aber ich verzeihe Ihnen den Spott.«

»Es war nicht boshaft gemeint. Daß Sie in der Technik von Sardou und Augier gelernt haben, ist besser, als wenn Sie sich an die Birch-Pfeiffer und an Benedix gehalten hätten. Aber der Konflikt darf nicht französisch ausklingen, und ich glaube, das war der Fehler Ihres Schlußaktes. Die Heldin hat ihre sentimentalen Seiten, das versteht sich bei einer Deutschen von selbst, doch sie ist keine Kameliendame. Ihr Tod versöhnt nicht. Das Eingeständnis ihrer Schuld bildet natürlich den Höhepunkt des Akts, aber grade ihr Weiterleben an der Seite ihres großherzigen Mannes ist die Sühnung.«

»Wann sind Sie fertig?« fragte Herbert unruhig.

»Ich hoffe, noch im Laufe der Woche.«

Annemarie nickte ihm zu. »Haben Sie in Ihrem nüchternen Kaufmannsleben je daran gedacht, auch einmal die Musen zu grüßen? Und vielleicht – wer kann es wissen? – vielleicht bleiben Sie ihnen treu.«

»Vielleicht,« wiederholte Herbert und unterstrich in Gedanken die Wendung: wer kann es wissen. –

Durch den Hofjägergarten rauschte in vollen Klängen die Militärmusik. Auf der Estrade stand die derbe, volkstümliche Gestalt Wieprechts und dirigierte die Kapelle des Garde-Feldartillerie-Regiments. Man spielte ein Potpourri nationaler Melodien.

»Da haben wir's,« sagte Herbert lachend, »kaum trete ich ein, so klingt mir das Preußenlied entgegen.«

Er hatte den Geschwistern erzählt, daß er ein geborener Hannoveraner war und Sechsundsechzig gegen die Preußen gefochten habe. Er konnte sich nicht immer verstellen.

Man suchte in dem Menschengewühl nach einem freien Tisch, fand aber nur ein Tischeckchen. Eine Bürgerfamilie nahm die übrigen Plätze ein, trank Weißbier und packte Stullen aus und hartgekochte Eier. Hans schrie nach dem Kellner. Am Tische flutete in ununterbrochener Reihe die Menge vorüber. Betäubendes Stimmengeschwirr füllte die Luft, wenn die Musik einmal schwieg.

Hans hielt einen Kellner an den Frackschößen fest und verlangte die Speisenkarte. Der Kellner behauptete, das sei nicht sein Tisch, und riß sich los. Herbert fand den Gedanken, Ellenbogen an Ellenbogen und auf schwankenden Stühlen zu Abend zu essen, höchst ungemütlich und schlug vor, noch einmal durch den Garten zu schlendern und dann ein ruhiges Lokal in der Stadt aufzusuchen. Auch Annemarie war damit einverstanden. Ein zu der braven Bürgerfamilie am Tisch gehöriger Junge strampelte unausgesetzt mit den Beinen und beschmutzte mit seinen Stiefeln das gelbe Kleid mit den rosa Blümchen. Annemarie rückte dicht an Herbert heran. Nun spielte die Musik den Düppeler-Schanzen-Marsch, und das regte den Bengel so auf, daß er das neben dem Weißbier stehende Schnapsgläschen mit Gilkakümmel umriß. Der Vater gab ihm einen Katzenkopf und rief »Verdammte Krabbe«, der Junge heulte, und der Likör trippte langsam über den Tisch und bedrohte von neuem das Kleid mit den rosa Blümchen. Ein Kellner zeigte sich immer noch nicht. Die Musik erstürmte unter Wieprechts Dirigentenstab schwungvoll die Schanzen von Düppel. Die Menge staute sich zwischen den Stühlen. Ein Hausierer mit roten Ballons, die an langen Bindfäden über seinem Kopf schwebten, klemmte sich zwischen Hans und Annemarie. »Ich meine, wir gehen,« sagte Herbert. Da fühlte er eine Hand auf seiner Schulter, schaute sich um und sah in das lachende Leutnantsgesicht seines Bruders Ralph.

»Hast du einen Augenblick Zeit für mich?« fragte Ralph.

»Ja, natürlich. Hans, treffen wir uns in zehn Minuten am Ausgang, gleich neben der Kasse. Verzeihen Sie, Annemarie, ich habe einen Bekannten gefunden, mit dem ich ein paar Worte sprechen muß …«

Die Brüder suchten einen stilleren Platz und fanden ihn hinter der Tiroler Schießbude. Ralph war in hellem Sommerzivil. Aus seinen strahlenden blauen Augen sprühte die Lust seiner Jugend.

»Alter Junge,« sagte er und faßte Herbert an den Schultern und schüttelte ihn, »man muß in den Hofjäger gehen, man muß sich unter die Plebs mischen, man muß Weißbier mit Strippe trinken, wenn man dich finden will. Bin ich denn gar nicht für dich da?«

»Du wohnst in der Kaserne, Ralph, da kann ich nicht hin. Ich könnte Fuchsius treffen, und der würde sich wundern, daß ich in Berlin bin. Ich habe den Papa gebeten, dich zu benachrichtigen, wenn ich einmal bei ihm bin, aber da sah ich dich nie.«

»Wenn ich in die Tiergartenstraße komme, klettre ich gern bei Papa vorüber und klimme eine Treppe höher. Vaters Strafpredigten kann ich nicht mehr hören. Die kleine maman ist unbefangener in der Beurteilung eines gelegentlichen dummen Streichs.«

»Du spielst, sagt Eri.«

»Sagt sie das? Die sanfte Taube soll sich an den eigenen Federn zupfen. Ich sah sie neulich um die Schummerzeit mit einem jungen Mann aus der Königlichen Bibliothek kommen. Der Lesesaal ist wie geschaffen für ein Stelldichein. Man darf nicht sprechen, aber man sitzt nebeneinander und tauscht schriftliche Geständnisse aus und drückt sich die Hände unter der Bank.«

»Pfui, Ralph – die eigene Schwester!«

»Bah – sie soll mich zufrieden lassen. Sie ist albern. Sie hält mir Standpauken, weil ich der maman zuweilen meine Aufwartung mache, wenn Vater verreist ist. Sie findet das unpassend. Warum denn? Ich bin doch nicht du?«

Eine flammende Röte ging über Herberts Gesicht. »Nein,« sagte er, »du bist nicht ich. Wir brauchen uns nichts vorzuheucheln. Warum trat ich in die Legion? Warum zerriß ich alle Fäden zwischen mir und der Heimat? Désirée weiß es. Sie war dafür. Sie hatte genug an einem Spiel, das gefährlich werden konnte. Ich auch. Nun gut. Es pfiff ein eisiger Wind durch mein Herz, und da ging ich in die Fremde.«

»Aber ihr habt euch wiedergesehen?«

»Natürlich. Und kühl begrüßt. Die Erinnerung hatte keine Wärme mehr. Sie ist sehr blaß geworden, und aller Blütenduft ging zum Teufel. Sei nicht ungerecht gegen Erika. Sie lebt im Hause und hat klare Augen. Sagt sie, Désirée sei der Ruin unseres Vaters – kannst du dem widersprechen?«

Ralph zuckte die Schultern. »Übertreibung,« meinte er leichthin, » 'tite maman ist eine vornehme Frau, und ihre Schönheit hat ein Anrecht darauf, in Gold und Juwelen gefaßt zu werden. Aber der Papa hat zuweilen geizige Anwandlungen und – hätte es gar nicht nötig. Die Politik bringt ihm Unsummen ein – ich weiß es. Die Politik kann auch Schmuggelware sein, und die Konterbandisten werden hoch bezahlt – ah ja, ich weiß es. Wie ist es mit dir, Don Heribert? Eri machte so eine Andeutung, als sei die Mission, die dich hierhergeführt, nicht ganz nach deinem Geschmack gewesen. Steckte vielleicht auch Politisches dahinter?«

»Gut, daß es Eri bei der Andeutung beließ. Selbst dein Leichtsinn könnte aus dem Gleichgewicht kommen, ahntest du, was man von mir verlangte. Ralph, Eri klagt über dich. Spielst du noch immer?«

»Es war nie der Rede wert, Prediger. Man jeut gelegentlich nach dem Liebesmahl und dem Rennen – dabei geht kein Vermögen verloren.«

»Aber du hast ewig Schulden –«

»Sagt Eri. Sie ist Vaters Echo. Hast du in Paris wie ein Heiliger gelebt?«

»Nicht wie ein Heiliger, doch wie ein vernünftiger Mensch. Einen Rennstall hielt ich mir nicht, auch keine Frauenzimmer als Belastungsprobe für meine Börse.«

Es lichterte spöttisch über das hübsche Gesicht des Bruders. »Ich sah dich vorhin am Bürgertische. Weißbier und Rosenlikör bildeten die Symbole. Aber ein hübsches Mädelchen thronte an deiner Seite. Ein Einbruch in die gute Stube lohnt sich zuweilen besser als ein Besuch in Vauxhall oder bei Anton in Mesers Salon. Und selbst die Bürgertugend kann flötengehen bei dem Fanfaro eines vom alten Regiment Cambridge.«

»Auch beim Cambridge hielt man auf Zucht und Ehre. Ich fürchte, wir verstehen uns heute so wenig wie unter den alten Farben. Und sieh, Ralph, das war's, was mich bisher gehindert hat, dich aufzusuchen. Nicht die Sorge, daß ich in der Kaserne vielleicht auf Fuchsius stoßen und daß mein hannöverisches Gesicht ihn verblüffen könnte. Kein Kamerad verrät den anderen, auch den verfemten nicht. Aber was sollte ich bei dir? Daß wir ewig aneinander vorbeireden, zeigt mir auch diese Viertelstunde. Wir sind Brüder und uns doch immer fremd gewesen.«

»Na na,« sagte Ralph. Ein gutmütiger Ausdruck trat in den hellen Stahl seiner Augen. Er bog sein Rohrstöckchen über dem gekrümmten Knie. »Sei kein Cato, alter Bert. Wir haben doch vieles gemeinsam gehabt und haben es wohl noch heute. Manchmal, wenn ich so nachdenke – es kommt ja nicht oft vor, weil es unbequem ist, aber es kommt –, da dünkt mich das Leben zuweilen so schal wie Appelwein von Petsch. Und eh' ich zu Ende denke, greif ich nach dem Champagner. Soll man zum bußfertigen Sünder werden, solang' noch das Lämpchen glüht? Es hat Zeit, Herbert, bis auch der Champagner abgestanden schmeckt. Dann kann man noch immer an die Brust schlagen und Asche auf die Glatze streuen.«

»Ich muß mich verabschieden, Ralph.«

»Das Bürgerhaus wartet und das Mädchen in Gelb. Ich begleite dich noch ein Stückchen. Ich habe keinerlei Anhang im Hofjäger. Ich kam nur her, weil Wieprecht spielt mit unsrer Kapelle. Seh' ich dich mal zu gelegenerer Zeit?«

Sie schritten an der Schießbude vorüber, »'n Jroschen jeder Schuß,« rief der Berliner Tiroler ihnen nach. »Jeben Sie 'n armen Mann doch ooch wat zu verdienen, Herr Jraf!«

»Wann finde ich dich daheim?« fragte Herbert.

»Ja – das ist verschieden. Eine Hausunke bin ich nicht. Aufs Gratewohl kannst du nicht kommen. Sage dich an – oder besser noch: warte, bis ich dir schreibe. Ich lasse uns dann Abendbrot aus dem Kasino holen, und wir trinken ein Pülleken zusammen. Mensch, was machst du denn nun eigentlich in Berlin? Ist's ganz vorbei mit den patriotischen Gefühlen? Gar keine Aussicht mehr, daß wir uns einmal auf dem Schlachtfelde gegenüberstehen könnten? Ich habe mir das besonders pikant gedacht. Wir senken die Säbel voreinander und nehmen uns gegenseitig gefangen. Und lassen uns gegenseitig wieder laufen. Wann kommt der Krieg? Weißt du nichts Näheres? Wir von der Bombe lauern darauf. Unsre Artillerie, ich kann dir sagen – oho und aha! die macht uns keiner nach. Ich muß es wissen als Hohenlohes Adjutant. Du, ich glaube, da steht dein Mädchen. Eine prachtvolle Figur. Und – sapperlot, ich lass' mich hängen, wenn der junge Herr daneben, der mit dem Schlapphut, nicht ebenderselbige ist, den ich neulich mit Erika aus der Königlichen Bibliothek kommen sah! Wer ist denn das?«

»Ein Freund. Und wenn du ihn mit Eri gesehen hast, so wäre auch nichts dabei, denn er ist Vaters Privatsekretär – ohne zu wissen, daß ich Vaters ältester Sohn bin. Über den Herbert Haug habe ich mich noch nicht herausgetraut. Gott befohlen, Ralph.«

»Auf Wiedersehn.«

Sie trennten sich mit raschem Händedruck. Hans und Annemarie warteten am Kassenausgang. Noch immer drängte sich das Publikum in den Sommergarten, durch den jetzt die Klänge des großen Zapfenstreichs dröhnten.

»Also wohin?« fragte Herbert. »Ich habe Hunger, ich habe Durst, ich sehne mich nach einem gedeckten Tisch und einem ruhigen Winkel. Fahren wir zu Klette.«

Die beiden Herren nahmen Annemarie rechts und links am Arm und schoben sich mit ihr durch die Menschheit. Und zu gleicher Zeit fühlten beide ein Zucken ihrer Arme. Ein grauer Zylinderhut bewegte sich grüßend, ein Herr mit großem Vollbart und auffallend schönen dunkeln Augen neigte unter verbindlichem Lächeln den Kopf und verschwand in der Menge.

»Ein Bekannter?« fragte Herbert.

Annemarie antwortete nicht sogleich. Er schaute sie an und sah ein Blaßlicht auf ihren Wangen. Sie atmete hastig auf und antwortete:

»Ja, ein pariser Bekannter. Wie kommt der hierher?«

»Der Baron Dingsda?« warf Hans ein. »Ich vergesse immer den Namen.«

»Ja, der.«

Man stand vor der Droschke. Herbert riß den Schlag auf und ließ Annemarie einsteigen.


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