Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Meine Speise ist die, daß ich tue den Willen des, der mich gesandt hat und vollende sein Werk.
Johannes 4, 34
8. März 1742
Der Heiland hat eine Probe davon gemacht Matthäus 4, eine lange Probe, 40 Tage lang. Denn wir Brüder und Schwestern können wohl auch einen Tag oder ein paar Tage Essen und Trinken, Schlafen und dergleichen vergessen um des Dienstes des Heilands willen und nicht daran denken, und es wäre nicht gut, wenn man das Kranksein nicht auch vergessen könnte, wenn in der Sache des Heilands was zu tun ist.
Aber der Heiland hat die Probe 40 Tage ausgehalten, und da er in der Zeit nicht gegessen hatte und hungerte, so trat der Satan zu ihm und sprach: Bist du Gottes Sohn, so schaffe dir doch Brot, du wirst vor Hunger sterben. Nein, sagt der Heiland, der Mensch lebt davon nicht allein, es ist nicht das Brot das eigentliche Mittel, wovon der Mensch lebt, sondern von einem jeglichen Worte Gottes, daß er seinen Sinn ausrichtet, daß allezeit, was der Herr will, geschiehet, davon lebt man. Das sollen unsere liebsten Sachen in der Welt sein, das sollen wir allen andern Vergnügen vorziehen, das soll unsere Nahrung sein, allezeit in unsers Herrn seinem Willen, nach seinem Worte, nach seinem Sinne zu handeln, das soll unser Leben sein.
Das will der Heiland sagen zu seinen Jüngern: Habt mich so lieb, wie ich meinen Vater, so wird euch alles, was ich gesagt habe, so zur Speise, zur Nahrung und zum Leben werden, wie mir's zu meinem Unterhalt, zu meiner Nahrung und Natur worden ist, daß ich tue, was mein Vater gern hat.
Die Werkheiligkeit hat nirgends keine Stelle. Wenn wir alles getan haben, so haben wir eben so wenig Lohn zu begehren, unser wenig oder viel Tun ist nicht die Ursache, daß wir Lohn kriegen, sondern daß wir die Ursach voraus weghaben, der Tod des Lammes, der hat voraus bezahlt, wir haben's empfangen, wir haben's vorausgenommen, unsere Seligkeit ist unser Lohn, den wir schon erworben und ausgezahlt gekriegt haben vom Heiland bei der Vergebung der Sünden, ehe wir das erste gute Werk taten, das da galt.
Warum verdienen wir denn keinen Lohn? Warum ist denn das so billig? Weil's keine Kunst ist, weil's einem nicht sauer wird, weil man die Leute nicht fürs Essen und Trinken zahlt, man gibt keiner Kreatur etwas dafür, daß sie ißt und trinkt, sondern daß sie arbeitet. Wenn nun unsere Arbeit unser Leben, unsre Nahrung und Speise ist, was wollen wir dafür nehmen?
Unser treuer Schöpfer ist überaus ungezwungen in allen Dingen und alles, was ihm gefallen soll, muß ungezwungen sein. Wenn die Äpfel und Birnen und Weintrauben und Feigen und kostbaren Früchte, die der Herr in seinem Garten suchte, erst auf die Bäume müssen gebunden werden, da mag er sie nicht, wenn sie aber darauf wachsen, aus dem Saft des Baums, dann sind sie ihm angenehm.
Daß uns nun dies zur Natur wird, steht in der Epistel Petrus ausdrücklich, wir werden teilhaftig der göttlichen Natur, wir kriegen einen Teil daran, wir kriegen die Art. Wir haben Christus Sinn. Wie wir vorher eine ganz andere Art gehabt, so haben wir nun die Art und wie es Doktor Luther ausgedrückt, ehe wir ans Gutes-Tun gedenken, so ist es getan, und sind immer drin. Der Apostel Johannes sagt in seiner ersten Epistel 3, 9: Wer aus Gott geboren ist, der sündigt nicht, er hat die Lust zum Sündigen verloren, er ist begraben in Christi Tod, seine ganzen Sinnen und Ideen sind von den Sachen weg und auf was ganz anderes gerichtet. Wer beständig auf ihn sein Herz hinrichtet und nach dem Berge siehet, von welchem uns Hilfe kommt, und sich niemals vornimmt aufzustehen oder zu Bette zu gehen, zu essen oder zu trinken, über die Straße zu gehen, in sein Geschäft zu gehen, er befehle sich an die Gnade und Bewahrung seines Hirten, an seinen Hirtenstab, den läßt er nicht. Sein Stab und Stecken trösten ihn, er tröstet ihn unter der Arbeit, beim Essen und Trinken, beim Schlafen und Wachen, unter allen den Umständen. Wenn sie auf sich trauen und denken: nun bin ich drin, nun bin ich ein Mann in Christo und das Ich, ich selber, kriegt die Oberhand, ja, so zieht der Heiland seine Hand zurück und läßt zu, daß die Sünde ein solches Kind Gottes betrügt, einen solchen Streiter fängt, ihm wenigstens bange macht, ihm den Weg so vertritt, daß er sich keinen Rat mehr weiß und muß seufzen: Herr, erbarme dich mein. Dann reißt ihn der Heiland heraus, aber er läßt's ihn erst gewahr werden, was für Jammer und Herzeleid es bringet, dem Herrn, seinen Gott, aus dem Gesicht zu gehen, weglaufen, die Hand gehen lassen, die selige Hand, die einen immer führet. Wenn wir also beim Heiland und in der Leitung und Führung bleiben und im kindlichen Flehen vor ihm, daß er uns bewahren und zu ganzen Leuten machen wolle, so bewahrt er unsere Seele, der treue Hüter, der nicht schläft noch schlummert, der nicht läßt, der viel zu lieb hat. Mein Zweck war, in dieser gegenwärtigen Rede zu zeigen, daß das Ding, was man heiliges Leben, was man unbeflecktes Wesen, was man einen Wandel mit Gott nennt, bei einem Kinde Gottes nichts Gekünsteltes, nichts Gemachtes ist, sondern wie man von neuem aus dem Geiste Gottes gezeugt ist, so steht das da. Wenn einer hat sagen müssen, ich bin ein so verlorener, verdammter Mensch und kriegt Vergebung und Gnade, und kriegt eine neue Natur, sich hingibt zum Nutzen und zur Freude aller seiner Mitmenschen, zur Freude des Heilands und seines Vaters und Geistes, das ist alles Natur, nichts als Essen und Trinken und Ruhe und selig sein, von dem Augenblick an, wenn man ein erlöster und begnadigter Sünder worden ist.