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Des andern Tages stand abermals
Johannes und zwei seiner Jünger. Und als er sah Jesus wandeln, sprach er: Siehe, das ist Gottes Lamm.
Johannes 1, 35. 36
4. Dezember 1742
Johannes wies seine Jünger zu Jesu. Seht, sagte er, wie er Jesum kommen sah, das ist Gottes Lamm.
Alle Menschen sind dahin zu weisen. Wenn man jemand einen guten Rat geben will, der nicht nur aufs jetzige Leben, sondern in der Ewigkeit hilft, so muß man ihm sagen, er soll sich nach dem Gotteslamm umsehen, und wenn ein Mensch dem Rat folgt, so kann er danach mit Simeon sagen: Meine Augen haben deinen Heiland gesehen, und mit Thomas: Mein Herr und mein Gott! wie er in die Nägelmale sah und legte seine Hand in Jesu Seite und ward gläubig.
Kann man einen besseren Rat geben, als daß man sich mit ihm bekannt machen soll, der uns zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, zur Heiligung und zur Erlösung gemacht ist? Wenn die Menschen an ihn glauben, so haben sie das ewige Leben und volle Genüge. Wer an den Sohn glaubt, der hat das Leben.
Und warum hat man an ihm volles Genüge? Weil er ein Mensch, weil er das Lamm, weil er unser Opfer ist, weil er der ist, in dem es beschlossen ist, daß in ihm alle Fülle wohnen sollte und alles zu ihm versöhnet würde durch ihn selbst, es sei auf Erden oder im Himmel. Kolosser 1. Was kann mehr sein? Er ist der Mann gewesen, der es fordern konnte. Ihm ist das ganze menschliche Geschlecht schuldig gewesen. Ihm waren wir verhaftet, an ihm hatten wir gesündigt und übel vor ihm getan, und er ist es nun, der uns vom zukünftigen Zorn erlöset hat. Das macht eine Theologie, die über alles geht, daß der beleidigte Teil sein Leben für uns gelassen hat. Der beleidigte Gott, der, den die Sünder beleidigt und erzürnt hatten, der hat sich für uns dahingegeben.
Freilich konnte er als der ewige Schöpfer aller Dinge, als der Erhalter aller Dinge, als der Sohn, der in Vaters Schoß ist, nicht am Kreuze sterben, konnte kein elendes Leben führen, konnte kein so jämmerliches Ende nehmen, konnte sich nicht martern lassen, wie ein Schlachtschaf; darum singt die christliche Kirche: »der Schöpfer aller Kreaturen nimmt an sich unsere Natur ...« Darum ward das Wort Fleisch und da die Zeit erfüllet war, geboren von einem Weibe. Er ward ein Fluch für uns, daß er uns erlöste von aller Ungerechtigkeit und reinigte ihm selbst ein Volk zum Eigentum.
Das macht was aus. Das glauben, das in seinem Herzen fühlen, das für wahr halten: o Herr, du Schöpfer aller Ding'! wie bist du worden so gering! Das macht einen ganz neuen Menschen, der lebenslang nicht vergessen kann, was ihn das Erlösen seiner Geschöpfe von allem Bösen gekostet hat. Als der Herr, der für seine Knechte gestorben ist, hat er auch die Ehre, daß man ihn anbete, daß man mit ihm umgeht, als mit seinem einzigen Helfer und Heiland. Sein Vater will, daß er geehrt werde: daß sie alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren und daß der Vater geehrt werde in dem Sohne. Das sieht der Vater gern und der Heilige Geist predigt ihn im Herzen, denn niemand kann Jesum nennen ohne durch den Heiligen Geist.
Wie Johannes das gesagt hat: Siehe, das ist Gottes Lamm, so hörten ihn zwei seiner Jünger reden und folgten Jesus nach. Johannes war ein großer Mann, er hatte viele Leute, auch Priester, bekehrt und haufenweise getauft. Das war nichts Kleines; aber Jesus nachfolgen, war doch noch was besseres. Der Heiland gestand es auch. Er sagt: Von Weibern ist nichts geboren, der größer sei denn Johannes der Täufer, aber wer im Reich Gottes jetzt ist, wer am Reich Jesu Christi jetzt wahrhaftig teilhat und ist der geringste im Neuen Bunde, der ist größer als Johannes. Johannes sagt in seiner Epistel: Wir haben's gesehen mit unseren Augen, wir haben's betastet mit unseren Händen. Und wie es von Mose heißt: sein Angesicht glänzte und er wußte es nicht, so ist es den Aposteln und Jüngern des Heilands gegangen, sie haben einen Glanz davon bekommen, daß sie mit dem ewigen Leben umgegangen sind. Paulus sagt: Es spiegelt sich in uns allen des Herrn Klarheit mit aufgedecktem Angesicht, und wir werden verklärt in dasselbe Bild, von einer Klarheit zu der andern als vom Geist des Herrn.
Es ist aber freilich nichts Geringes, mit Jesus gewandelt haben. Und wenn wir nicht könnten mit ihm wandeln, so wären wir sehr unglückliche Leute. Aber er hat seinen Jüngern gesagt: Ich bin bei euch (nicht nur solange der Apostel Johannes lebt), sondern alle Tage, bis an der Welt Ende.
Rechnet einmal durch, was ihr habt: »Ich habe den Heiland!« Wenn auch alle eure Trübsale, daß ihr nicht gesund seid oder die eurigen, daß ihr leiden müßt, einfallen, und ihr wollt ein wenig traurig darüber werden, so denkt ihr: ich kann ja nicht traurig sein, lebt Jesus, was bin ich betrübt! Ich habe einen Heiland, ich kann nicht traurig sein, ich kann mirs Leben nicht sauer machen, weil er mein Herz erfreut. Es könnte dir aber doch noch genug kommen, du könntest so krank werden, daß dir der Leib verschmachtet, es könnten dich die Gedanken verlassen. O, sagt man, und wenn gleich mein Leib verschmachtet, wenn mir die Gedanken vergehen, o, was habe ich für einen Herrn im Himmel! Wenn ich den einmal habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erden. Darum ist das eine so selige Sache, Jesus gefunden zu haben, daß, wer das sagen kann: »In ihm kann ich mich freuen, hab einen guten Mut, darf kein Gerichte scheuen, wie sonst ein Sünder tut.« Und das ist denn auch die große Sache, die ihr davon habt, wenn ihr dem Heiland nachfolgt, wenn ihr's macht, wie es des Johannes Jünger gemacht. Wenn man einmal aus der Zeit geht, so kann man sagen: Ich komme zu dir, ich bin dein, ich habe an dich geglaubt in der Zeit, ich bin immer mit dir umgegangen, ich habe gelebt, aber nicht ich, sondern du in mir, was ich im Fleisch gelebt, das habe ich im Glauben an dich gelebt, ich hatte dich nicht gesehen, aber ich hatte dich lieb und darum freue ich mich mit einer unaussprechlichen Freude, da ich zu dir kommen soll. Habe ich mich gefreut, da ich abwesend war, wie sollte ich mich nun nicht freuen, da ich zu dir komme! Das ist der Zustand einer Seele, die Jesus in der Zeit kennengelernt. Die Leute, die ihn nicht haben, haben ein elendes Leben. Es ist kein Frieden im Herzen ohne ihn. Es ist keine Ruhe, weder im Tun noch in allerlei guten Vorsätzen, es ist keine Ruhe als in Jesu Wunden, da ist sie ganz allein wider den Tod, Sünde und Satan. Ein seliger Mensch zu sein, sich weder vor dem Tod noch vor der Hölle zu fürchten, dazu ist der beste und kürzeste Weg, daß man mit einem wahren, treuen, aufrichtigen Sinne sagt: »Breit aus die Flügel beide, o Jesu, meine Freude, und nimm dein Küchlein ein.« Wie oft (sagt der Heiland von Jerusalem), wie oft hab' ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne versammelt ihre Küchlein, aber ihr habt nicht gewollt. Wollt's doch von ganzem Herzen, werft alle eure Sünden, all euer Elend, euren ganzen verderblichen Zustand von eurer Geburt an bis auf diese Stunde zu seinen Füßen, laßt euch als Küchlein unter seine Flügel nehmen, da findet ihr Sicherheit, und bleibt bei ihm. Denkt immer an ihn, mengt ihn in Essen, in Trinken, in Schlafen und Wachen, ja in alles hinein, daß, wo ihr euch bekehret und wendet, ihr mit seinem Tod und Blut zu tun habt, was er für euch ausgestanden, und was ihr ewig zu erwarten habt. Welcher Satan wird euch hernach in Furcht und Schrecken bringen können? Die Pforten der Höllen sollen eine solche Seele nicht überwältigen.
Breite dann, du unser Heiland, breite deine Gnadenflügel aus über alle. O du Lamm Gottes, das für die Sünden der Welt geschlachtet ist, das die Sünden der Welt weggetragen hat, trage alle Last hinweg und nimm uns alle, wie wir sind, Gute und Böse, an in dein Erbarmen und mache uns selig auf Zeit und Ewigkeit. Amen.